Thüringen - Thüringer Kernlande






(an dieser Seite wird noch gebaut !!
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ALTENBEICHLINGEN (Stadt Kölleda, Landkreis Sömmerda)
Ev. Kirche St. Bonifatius




Erbauer: Ernst Röver (Hausneindorf) 1898, "verbesserte Röver'sche Kastenlade", pneumatische Spiel- und Registertraktur

Altenbeichlingen ist ein Ortsteil von Kölleda im thüringischen Landkreis Sömmerda. Das einstige Pfarrkirchdorf liegt zwischen Heldrungen und Kölleda südwestlich der Schmücke. Im Pfarr-Almanach der Provinz Sachsen von 1903 lesen wir: „Altenbeichlingen bei Cölleda, Rittergut, Provinzial-Gesangbuch, Orgel, Schule, 315 Seelen. Patron Graf Hans v. Werthern, Königlicher Regierungsassessor auf Schloß Beichlingen. Kirchenordnung: Kursachsen.“ Der Ort wurde 1154 erstmals urkundlich genannt. Bis 1848 gehörte Altenbeichlingen zum Patrimonialgericht Beichlingen im preußischen Landkreis Eckartsberga und war auch sonst sehr eng mit der früheren Grafschaft Beichlingen verbunden, die sich seit dem 16. Jahrhundert im Besitz der Familie von Werthern befand. 2019 wurde die Gemeinde Beichlingen mit ihren Ortsteilen in die Stadt Kölleda eingemeindet. Von Weitem bereits grüßt die prachtvolle neugotische St.-Bonifatius-Kirche die Besucher des Dorfes. Zusammen mit der Turmholländer-Windmühle ist sie das Wahrzeichen von Altenbeichlingen. Sie wurde in den Jahren 1897 bis 1898 nach Plänen des Hallenser Architekten Friedrich Fahro errichtet, nach denen bereits fünf Jahre zuvor die Lutherkirche in Bad Kösen erbaut worden war. Prachtvoll ausgestattet und im Äußeren wie im Inneren so gut wie unverändert erhalten, ist sie ein wertvolles und selten gewordenes Zeugnis des Historismus. Das gilt ebenso für die Orgel, die zum Abschluß des Kirchenbaues 1898 von Ernst Röver aus Hausneindorf eingebaut wurde. 
Stammvater der Orgelbauerfamilie Röver war der 1812 geborene Johann Hinrich Röver. Er hatte seine Werkstatt in Stade an der Niederelbe, die er ab 1881 gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Heinrich und Ernst führte. Der jüngere der beiden Brüder, Friedrich Wilhelm Ernst Röver, auf den wir uns im Folgenden konzentrieren wollen, wurde 1857 geboren und erlernte den Orgelbau natürlich in der väterlichen Werkstatt. 1884 starb in Hausneindorf im Harz der Orgelbauer Emil Reubke. Wie Röver, hatte sich dieser zuvor intensiv mit der Kastenlade sowie der pneumatischen Traktur beschäftigt und so ergab sich für Ernst Röver die Möglichkeit, nicht nur eine eigene Werkstatt in Hausneindorf zu übernehmen, sondern auch vom nicht geringen technischen Know-how Reubkes zu profitieren. 1886 schied Ernst Röver endgültig aus dem Familienunternehmen in Stade aus und konzentrierte sich fortan auf die Werkstatt in Hausneindorf, die in der Folgezeit einen starken Aufschwung erlebte. 1890 wurden eine große Fertigungshalle und ein zweigeschossiger „Orgel-Saal“ fertiggestellt. Ernst Röver verwendete zeitlebens die von ihm maßgeblich konstruierte Kastenlade. Die Ansteuerung dieser kanzellenlosen Windlade erfolgte über pneumatische Trakturen nach dem sogenannten Abstrom-Prinzip. Dieses arbeitet wesentlich präziser als das herkömmliche Zustrom-Prinzip, so dass die bei pneumatischen Trakturen üblichen Tonverzögerungen auf ein fast unhörbares Minimum reduziert sind. In den 35 Jahren seines Wirkens in Hausneindorf bis 1919 entstanden mehr als 200 Neubauten. Spätestens ab 1893 wurden fünf und ab 1911 je zehn Instrumente pro Jahr gebaut. Nach 1911 ging die Produktion stark zurück. Die Werkstatt verlagerte sich auf den Bau von motorisierten Flugzeugen und funkgesteuerten Torpedos für die Rüstungsindustrie. Röver verwendete stets hochwertige Materialien und erreichte mit seinen sorgfältig erprobten Eigenentwicklungen eine hohe Funktionssicherheit und Störunanfälligkeit. Die größte von Ernst Röver gebaute Orgel mit drei Manualen und 101 Registern entstand 1891 für die Hamburger Nikolaikirche, die 1943 zerstört wurde. Auch seine andere Großorgel im Dom zu Magdeburg, die über einhundert Register verfügte, überstand wie viele anderer seiner Werke den Zweiten Weltkrieg nicht. Von den überwiegend kleineren bis mittelgroßen Instrumenten seiner Werkstatt, die in der Mehrzahl im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt stehen, sind jedoch eine ganze Reihe erhalten. Leicht umdisponiert, aber dennoch in weiten Teilen etwa seine 1888 mit 52 Registern erbaute Orgel in der Marktkirche zu Quedlinburg, dann die 1902 vollendete Orgel mit 30 Stimmen in der Stadtkirche zu Wanzleben in der Börde oder das 1907 fertiggestellte Instrument mit ebenfalls 52 Registern in der St.-Stephani-Kirche zu Aschersleben, um nur drei Beispiele zu nennen.  
Die 1898 fertiggestellte Orgel in Altenbeichlingen ist vollständig im Originalzustand erhalten geblieben und zwischen 1996 und 1999 von der Firma Hartmut Schüßler aus Greiz stilgerecht restauriert. Sie besitzt eine kanzellenlose Kastenlade mit pneumatischer Traktur und 18 Register auf zwei Manualen und Pedal. Im Hauptwerk finden wir Bordun 16', Principal, Hohlflöte, Gambe und Gemshorn 8', Octave und Flauto 4' sowie eine 3fache Mixtur. Das zweite Werk ist mit Geigenprincipal, Harmonieflöte, Lieblich Gedackt und Violino 8' sowie Flauto dolce und Viola 4' farbig und nuanciert disponiert. Im Pedal schließlich stehen Subbaß und Violon 16' sowie Octavbaß und Gedacktbaß 8', dazu kommen drei Normalkoppeln, eine Manualoctavkoppel sowie vier feste Kombinationen. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 II. Werk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Harmonieflöte 8' Violon 16' Pedalkoppel zu I
Hohlflöte 8' Lieblich Gedackt 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel zu II
Gambe 8' Violino 8' Gedacktbaß 8' Manualoktavkoppel
Gemshorn 8' Flauto dolce 4'   4 feste Kombinationen
Octave 4' Viola 4'    
Flauto 4'      
Mixtur 3f.      

In Altenbeichlingen gespielte Stücke:
Friedrich Gernsheim: Wachet auf, ruft uns die Stimme >>>
Wilhelm Kienzl: Nun danket all und bringet Ehr >>>
Mathilde Kralik: Fuge c-moll >>>
Reinhold Lichey: Herzlich tut mich verlangen >>>
Fritz Lubrich jun.: O Traurigkeit, o Herzeleid >>>
Max von Schillings: Schmücke dich, o liebe Seele >>>
Camillo Schumann: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Camillo Schumann: Herzliebster Jesu >>>
Camillo Schumann: Ich bete an die Macht der Liebe >>>
Camillo Schumann: Lobe den Herren >>>
Uso Seifert: Ach, was soll ich Sünder machen >>>
Johanna Senfter: Vom Himmel hoch >>>



ANDISLEBEN (Verwaltungsgemeinschaft Gera-Aue, Landkreis Sömmerda)
Ev. Kirche St. Peter und Paul




Erbauer: Johann Georg Schröter (Erfurt) 1737, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Andisleben ist eine Gemeinde im Landkreis Sömmerda in Thüringen. Die Gemeinde gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Gera-Aue und liegt auch an dem für die Verwaltungsgemeinschaft namensgebenden Flüsschen Gera an der vielbefahrenen Bundesstraße B4. Die erste urkundliche Erwähnung geschah 815 in einer Urkunde des Klosters Hersfeld. Andisleben gehörte ab dem 15. Jahrhundert zur Vogtei Walschleben im Gebiet der Stadt Erfurt. Seit der Verwaltungsreform von 1706 gehörte der Ort dann zum Amt Gispersleben. 1802 kam er mit dem Erfurter Gebiet zu Preußen und zwischen 1807 und 1813 zum französischen Fürstentum Erfurt. Mit dem Wiener Kongress kam der Ort 1815 wieder zu Preußen und wurde 1816 dem Landkreis Erfurt in der preußischen Provinz Sachsen angegliedert. Die evangelische Dorfkirche St. Peter und Paul besitzt eine Apsis, die in romanischer Zeit entstand. Der Turm wurde vermutlich 1531 über den Fundamenten des Chores errichtet und mit einem Kreuzgratgewölbe versehen. Das Holztonnengewölbe ist mit Darstellungen der Dreifaltigkeit, der Apostel Petrus und Paulus und der vier Evangelisten bemalt. Die Kanzel stammt aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und der Taufstein ist eine Arbeit des 13. Jahrhunderts. Und uns interessiert natürlich die Orgel. In Jakob Adlungs berühmtem Buch „Musica mechanica organoedi“ aus dem Jahre 1768 lesen wir folgendes: „Andisleben, ein Dorf 4 Stunden von Erfurt. Die Orgel in der Kirche daselbst hat 23 Stimmen. Herr Schröter hat sie im Jahr 1735 für 320 Reichtsthaler gebauet.“ Der Verfasser dieser Enzyklopädie der Orgelbaukunst, Jakob Adlung, 1699 in Bindersleben bei Erfurt geboren, war Organist an der Erfurter Predigerkirche.
Erbauer der Orgel in Andisleben ist Johann Georg Schröter. Geboren wurde er 1683 in Berlstedt und erlernte das Handwerk des Orgelbaus von 1701 bis 1708 bei Johann Conrad Vockeroth, der in Berlstedt ansässig war. Im Jahr 1712 zog er nach Erfurt, wo er dort das Bürgerrecht und das begehrte Orgelbauprivileg erwarb, wodurch er in den folgenden Jahren zahlreiche Aufträge in und um Erfurt erhielt. Eine zeitweilige Mitwirkung in der Werkstatt von Georg Christoph Stertzing ist wahrscheinlich, da Schröter dessen letzte Orgel in der Erfurter Augustinerkirche vollendete. Schröters Schüler Franciscus Volckland stammte ebenfalls aus Berlstedt und war möglicherweise mit ihm verwandt. Volckland erreichte es im Gegensatz zu seinem Lehrmeister jedoch nicht, das begehrte Privileg zu erwerben und stand deshalb jahrelang mit Schröter im Streit. Beide prägten jedoch unabhängig voneinander einen Orgelbaustil, der richtungweisend für die mitteldeutsche Orgel im 18. Jahrhundert war. Schröters Orgeln haben einen reichen Fundus an färbenden Stimmen in der Grundtonlage und eine solide technische Anlage. Immer wieder attestierten ihm die an seinen Orgeln wirkenden Musiker deren gute Qualität. Als Beispiel sei Johann Sebastian Bach und sein Gutachten zur Schröter-Orgel der Augustinerkirche Erfurt genannt. Darin bestätigte Bach, dass „das von ihm verfertigte erstere Meisterstück so wohl gerathen, und also an seiner ferner-weitigen Arbeit nicht zu zweifeln“ sei. Johann Georg Schröter konnte mit dieser Würdigung über viele Jahre erfolgreich für sich werben und Aufträge erlangen. Er starb 1747 in Mühlhausen. Von seinen Schülern haben neben Volckland vor allem Johann Stephan Schmaltz aus Wandersleben, Johann Paul Trampel, der Begründer der Orgelbauerdynastie Trampeli und Schröters Neffe Johann Georg Stein Bedeutung erlangt. Uns sind heute 27 Orgeln bekannt, die Johann Georg Schröter erbaut hat, davon sind jedoch nur ganz wenige erhalten. Die älteste hiervon ist die 1722 vollendete Orgel in Töttleben; seine bekannteste und größte erhaltene Arbeit, 1724 fertiggestellt, steht in Wandersleben. Weiterhin sind zu nennen das 1731 erbaute Instrument in Niedernissa, das sehr gut erhalten, derzeit aber leider unspielbar ist und sodann die 1735 vollendete Orgel in Andisleben.
Die Orgel in Andisleben wurde im 19. Jahrhundert durch einen Orgelbauer aus der Werkstatt Hesse, die im benachbarten Orte Dachwig ihren Sitz hatte, umgebaut und verändert. Die heute noch vorhandene Spielanlage stammt von Hesse. Mitte der 1990er Jahre begannen Restaurierungsarbeiten durch die Firma Rösel&Hercher aus Saalfeld. Damals wurden, offenbar mit der Absicht einer Rückführung auf die Originaldisposition, alle nicht auf Schröter zurückgehenden Register entfernt. Bis heute, rund 20 Jahre danach, sind die leeren Schleifen allerdings nicht wieder besetzt worden. So sind derzeit nur 15 Register auf zwei Manualen und Pedal spielbar. Das Hauptwerk besitzt einen Umfang von drei vollen Oktaven inklusive dem Cis bis zum c3. Wir finden hier Quintatön 16', sodann Principal und Bordun 8', Octave und Gedackt 4', eine 4fache Mixtur und ein 3faches Cornett. Blinde Registerzüge haben aufgrund der genannten Maßnahmen die Stimmen Hohlflöte, Viola di Gamba und Schweizerflöte 8'. Wollte man Schröters Originaldisposition wiederherstellen, so müsste man im Hauptwerk rekonstruieren: Viola di Gamba und Trompete 8', die Octave 2' sowie die Sesquialtera und eine 3fache Cimbel. Das Oberwerk besitzt derzeit die Stimmen Quintatön und Gedackt 8', Principal und Gemshorn 4' sowie eine Oktave 2'. Die Registerzüge für Geigenprincipal und Flauto traverso 8' aus dem Umbau von Hesse sind blind; hier im Oberwerk fehlen zur Originaldisposition Nachthorn 4', ein 2facher Tertian und eine 3fache Mixtur. Das Pedal schließlich besitzt heute einen Tonumfang bis zum d1 und die Register Subbaß 16' sowie zwei Octavbässe 8' und 4', die Registerzüge von Violon und Posaune 16' sind blind. In Schröters originaler Klanggestalt finden sich darüber hinaus noch eine Hohlflöte 4' und ein Cornetbaß 2'. Ob und wann eine Rekonstruktion der fehlenden Stimmen oder eine Weiterführung der unvollständigen Restaurierung möglich sein wird, kann derzeit leider nicht gesagt werden. Doch ist die Schröter-Orgel in Andisleben auch in ihrem jetzigen Zustand ein bedeutendes Zeugnis für den hohen Stand des Orgelbaues in Mitteldeutschland zur Zeit Johann Sebastian Bachs. Johann Friedrich Bach, ein weiteres Mitglied der weitverzweigten Musikerfamilie der Bache, war in Andisleben von 1724 bis zu seinem Tod 1743 Schulmeister und Kantor. Von ihm sind jedoch keine Werke überliefert. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-c3 Oberwerk, C-c3 Pedal, C-d1  
Quintatön 16' Quintatön 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Gedackt 8' (Violon 16') Pedalkoppel
Bordun 8' (Geigenprincipal 8') Octavbaß 8'  
(Hohlflöte 8') (Flauto traverso 8') Octavbaß 4'  
(Viola di Gamba 8') Principal 4' (Posaune 16')  
(Schweizerflöte 8') Gemshorn 4'    
Octave 4' Octave 2'    
Gedackt 4'      
Cornett 3f.      
Mixtur 4f.      

In Andisleben gespielte Stücke:
Jakob Adlung: Ermuntre dich, du schwacher Geist >>>
Jakob Adlung: Herr Christ, der einig Gottes Sohn >>>
Johann Rudolph Ahle: Mensch, willt du leben seliglich >>>
Wolfgang Carl Briegel: Fuga octavi toni >>>
Wolfgang Carl Briegel: Fuga quarti toni >>>
Johann Heinrich Buttstedt (Zuschreibung): Partita "Singen wir aus Herzensgrund" >>>
Johann Kaspar Ferdinand Fischer: Praeludium und Fuge D-Dur >>>
Christian Reichardt: Es ist das Heil uns kommen her >>>



ASPACH (Landgemeinde Hörsel, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Udalricus




Erbauer: Guido Knauf (Gotha) 1871, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Aspach ist ein Ortsteil der Landgemeinde Hörsel im Nordwesten des thüringischen Landkreises Gotha. Der Ort liegt etwa sieben Kilometer westlich der Kreisstadt Gotha und am Südhang des Sallbergs, der die Wasserscheide zwischen Hörsel und Nesse bildet. Am Südrand des Ortes fließt der Asse-Bach, der dem Dorf den Namen gab. Die erste urkundliche Erwähnung erfuhr der Ort als Asbach im Jahre 932 in einer Urkunde, in der er durch König Heinrich I. dem Stift Hersfeld zugewiesen wurde. In Asbach lag der „Frei- oder Dinghof“ der Herren von Asbach, die später nach Emleben umsiedelten und dort gegen Ende des 17. Jahrhunderts ausstarben. Dann kam der Ort im Amt Tenneberg an das Geschlecht derer von Tangel und fiel 1676 an die von Wangenheim, von denen er an einige Einwohner verkauft wurde. 1994 war Aspach eine der sieben Gründungsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Hörsel. 2011 wurde aus zehn bisher selbstständigen Gemeinden die Landgemeinde Hörsel neu gebildet. Die evangelische Dorfkirche ist dem Heiligen Ulrich geweiht. Sie stammt ursprünglich aus dem Jahr 1417 und wurde 1614 erstmals erweitert. Im Jahr 1867 wurde der Bau einer neuen Kirche beschlossen und die alte Kirche wurde bis auf den Turm abgerissen. Die neue Kirche wurde am 3. Dezember 1871 eingeweiht. In jüngster Zeit wurde die Kirche zu einer ansprechenden Taufkirche mit Taufbecken im Boden umgestaltet, ein sehr ansprechendes und zeitgemäßes Projekt, das Beachtung verdient. 1871 erhielt die Kirche auch eine Orgel aus der Werkstatt von Guido Knauf aus Gotha. Sie ist bis heute praktisch unverändert erhalten geblieben und wurde vor kurzem gereinigt und instandgesetzt.
Guido Knauf, der Erbauer der Orgel in Aspach, wurde 1830 in die Orgelbauerfamilie der Knaufs hineingeboren, die ihren Stammsitz damals in Großtabarz bei Gotha hatte. Er erlernte bei seinem Vater Friedrich Knauf das Orgelbau-Handwerk und war ab 1857 Mitteilhaber des väterlichen Unternehmens. Es begann eine lange Zeit des geneinsamen Wirkens von Vater und Sohn, eine genaue Zuordnung von in jener Zeit entstandenen Orgeln an Friedrich oder Guido Knauf ist oftmals schwierig, da die Orgelbauverträge in jener Zeit, soweit bekannt, immer mit "Friedrich Knauf & Sohn" abgeschlossen wurden. 1864 wurde auch die Firmenbezeichnung offiziell in "Friedrich Knauf & Sohn" geändert und 1870 wurde die Werkstatt von Großtabarz nach Gotha verlegt. Über sein traditionelles Absatzgebiet hinaus erschloß sich die Firma Knauf damals neue Absatzgebiete. 1866 wurden zwei Orgeln nach Estland geliefert und um 1870 gingen einige Instrumente in die Gegend von Wetzlar und Dillenburg. In den Jahren 1875 bis 1877 wurden laut Firmenchronik auch einige Werke nach Rußland geliefert, und auch die baltischen Länder Estland und Lettland erhielten in den 1870er Jahren einige Instrumente. Diese sind teilweise sogar bis heute erhalten und einige der estnischen Knauf-Orgeln kamen schon in den 1970er Jahren zur Ehre einer Schallplatten-Aufnahme, als in Westdeutschland die wenigen dort erhaltenen Knauf-Orgeln, wie etwa in Haimbach bei Fulda, noch relativ bedenkenlos dem entsprechenden Verdikt von Sachverständigen geopfert wurden. 1871 erfolgte der Orgelbau in Aspach mit 19 Registern auf zwei Manualen und Pedal. In den Jahren danach hatte Guido Knauf auch dadurch immer genug zu tun, da man vergleichsweise preiswert Orgeln umbaute und dem damaligen romantischen Zeitgeschmack anpasste. So sind etwa die Ratzmann-Orgeln in Ballstädt und Ohrdruf von Guido Knauf entsprechend umgearbeitet worden. Knauf baute alle seine Orgeln ganz in der von seinem Vater übernommenen Weise, mit Strahlenmechanik und chromatischen Laden. Guido Knauf war zeitlebens ein Verfechter von Schleiflade und mechanischer Traktur und so war gegen Ende des 19.Jahrhunderts sein Stern im Sinken, die Ära der mechanischen Schleiflade ging zu Ende. 1897 verlangte die Gemeinde Sonneborn, im Kerngebiet der Firma Knauf gelegen, für ihren Orgelneubau ausdrücklich eine pneumatische Traktur. Knauf gab zwar ein Angebot ab, hätte die Traktur aber über einen Zulieferer beziehen müssen; er erhielt den Auftrag nicht. Im Jahre 1900 verkaufte Knauf seine Werkstatt an seinen Mitarbeiter Hugo Böhm aus Waltershausen. Bis 1911 war Guido Knauf noch als „Privatmann“ in Gotha ansässig, danach verliert sich seine Spur.
Die 1871 eingeweihte Orgel von Guido Knauf in Aspach ist in vielen Details ganz typisch für ihren Erbauer. Chromatische Laden, Strahlenmechanik, seitliche Registerzüge, Posaune mit zylindrischen Zinkstiefeln und Flügelmuttern zum Stimmen sind nur die wichtigsten Merkmale seiner Handschrift. Die Manuale besitzen einen Tonumfang von C bis zum f3. Die Disposition des Hauptwerks ist auf dem Principal 8' aufgebaut, dazu finden in 8'-Lage weiterhin die Register Gedackt, Hohlflöte und Gambe. Ein fülliger Bordun 16' grundiert den Klang, der von Oktave und Gedacktflöte 4' aufgehellt und von einer 3fachen Mixtur und einem 3fachen Cornett konturiert und bekrönt wird. Dazu kommt, dies ist ebenfalls typisch sowohl für Vater Friedrich als auch für Guido Knauf, die Pfeifenreihen von Quinte 3' und Octave 2' in einem Registerzug. Andernorts heißt so ein Register Rauschquinte, bei Knauf jedoch findet sich diese Bezeichnung meines Wissens nach nie. Das Oberwerk besitzt die Stimmen Geigenprincipal, Flauto traverse und Salicet 8' sowie Octave und Flauto dolce 4'. Das Pedal, das bis zum d1 geführt ist, besitzt Subbaß und Posaune 16' sowie Octavbaß und Gedacktbaß 8', dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel. Die Bedeutung der Knauf-Orgel in Aspach liegt in ihrer nahezu unberührten Erhaltung; sie ist ein Musterbeispiel für eine Dorforgel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Thüringen, eingebettet in die lokale Orgelbaugeschichte, die kontinuierlich vom Frühbarock über alle Phasen der Romantik bis an die Schwelle des 20.Jahrhunderts reicht.

 
Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel
Gedackt 8' Salicet 8' Gedacktbaß 8'  
Hohlflöte 8' Octave 4' Posaune 16'  
Gambe 8' Flauto dolce 4'    
Octave 4'      
Gedacktflöte 4'      
Quinte-Octave 3' + 2'      
Cornett 3f.      
Mixtur 3f.      

In Aspach gespielte Stücke:
Albert Becker: Postludium e-moll >>>
Anton Bell: O du fröhliche >>>
Robert Linnartz: Ein feste Burg ist unser Gott >>>
August Mühling: Vorspiel c-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Ich dank dir, lieber Herre >>>
Christian Heinrich Rinck: Komm, o komm, du Geist des Lebens >>>
Christian Heinrich Rinck: Liebster Jesu, wir sind hier >>>
Christian Heinrich Rinck: Lobe den Herren >>>
Christian Heinrich Rinck: Lobet den Herren >>>
Wilhelm Rudnick: O Lamm Gottes unschuldig >>>
Robert Schaab: Herzlich lieb hab ich dich, o Herr >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Unumschränkte Liebe >>>
Ernst Adolph Wendt: Andante cantabile B-Dur



BALLSTÄDT (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche




Erbauer: Georg Franz Ratzmann (Ohrdruf) 1831-1836, Umbau Guido Knauf (Gotha) 1881, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Ballstädt ist eine ca. 700 Einwohner umfassende Dorfgemeinde im Landkreis Gotha. Sie gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal. Der Ort liegt im Thüringer Becken, an den westlichen Ausläufern der Fahner Höhen, etwa in der Mitte zwischen Gotha, Erfurt und Bad Langensalza. Die Flur von Ballstädt wurde bereits in frühgeschichtlicher Zeit besiedelt. Aufgrund einer Erwähnung aus dem Jahr 822 feierte das Dorf 1997 ein Dorffest zur 1.175-Jahrfeier. Der Ort lag im Amt Gotha, das seit 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha, seit 1672 zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und seit 1826 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha gehörte. Wo heute die Ballstädter St. Petri-Kirche steht, war früher eine klösterliche Anlage mit einer zugehörigen Kapelle. Im Jahr 1497 wurde diese Kapelle im gotischen Baustil zur Kirche umgebaut. Seither verleiht sie dem Ort weithin sichtbar eine markante Silhouette. Der Turm mit seiner auffallend hohen Spitze wurde zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges als Wehr- und Beobachtungsturm genutzt. Aus Anlass des 500-jährigen Gründungsjahres wurden 1996-1997 umfangreiche Renovierungsarbeiten an der Kirche durchgeführt. Die Orgel in der Ballstädter St. Petri-Kirche wurde von Georg Franz Ratzmann aus Ohrdruf erbaut und 1836 geweiht. 1881 erneuerte sie der Gothaer Orgelbaumeister Guido Knauf. Diese Ratzmann-Knauf-Orgel besitzt heute 25 Register, zwei Manuale und Pedal. Nachdem sie fast 130 Jahre ohne größere Erneuerungsarbeiten ihren Dienst getan hatte, musste sie saniert werden. Im Herbst 2009 wurde das Instrument ausgebaut und Stück für Stück erneuert. Dass die Ballstädter Kirche ihre Orgel im geplanten Zeitraum zurückbekam war nur möglich, weil Kirchengemeinde, Orgel-Förderverein und die Ballstädter Einwohner und Vereine die Orgelsanierung mit großem Einsatz unterstützten.
Georg Franz Ratzmann, 1771 in Cumbach bei Friedrichroda in Thüringen geboren, war der Begründer einer deutschen Orgelbauerfamilie, die in Thüringen und Hessen im 19. und frühen 20.Jahrhundert etwa 170 Orgeln schuf. Georg Franz Ratzmann ließ sich 1792 als Orgelbauer im thüringischen Ohrdruf nieder, wo er in eine Schreinerei einheiratete. Von ihm sind 14 Werke nachgewiesen; die größte war die 1837 eingeweihte Orgel in der Stadtpfarrkirche zu Fulda. Drei seiner sechs Söhne erlernten ebenfalls den Orgelbau. Anfangs arbeiteten sie mit dem Vater zusammen, so auch in Fulda und – ein Jahr vorher– in Ballstädt. Den Auftrag zum Orgelneubau in Ballstädt hatte Georg Franz Ratzmann aus Ohrdruf 1831 erhalten. Beim Bau hat er wohl ein von ihm erfundenes Konstruktionssystem ausprobiert, welches er zunächst geheim halten wollte, das sich dann aber offensichtlich nicht bewährte. Eine erste Reparatur war dann bereits 1853 notwendig. Zwischen 1874 und 1881 wurde die Orgel abgebaut und in Zahlung gegeben für eine neue Orgel. Den Auftrag für diesen Bau – den man besser als durchgreifende Neugestaltung bezeichnen kann - bekam Guido Knauf in Gotha, die Gemeinde zahlte ihm für seine Arbeit 3.637 Mark. Die alte Orgel war ihm dabei 500 Mark wert. Das Gehäuse stammt von der Ratzmann-Orgel von 1836, während die gesamte Spielanlage durch Guido Knauf neu errichtet wurde. Ebenso wurde ein Großteil des Pfeifenwerks von Ratzmann wiederverwendet, allerdings in der Intonation den gewandelten Klangvorstellungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angepasst. Die ursprünglich auf 30 Register ausgelegte Ratzmann-Disposition hat Guido Knauf während dieses Umbaues dann noch auf 25 Register reduziert. Mit Guido Knauf, 1834 geboren, steht vor uns die dritte Generation der Orgelbauerfamilie Knauf, die durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch den Orgelbau in Thüringen wesentlich geprägt hat. Er erlernte bei seinem Vater Friedrich Knauf das Orgelbau-Handwerk und war ab 1857 Mitteilhaber des väterlichen Unternehmens in Großtabarz. Es begann eine lange Zeit des geneinsamen Wirkens von Vater und Sohn, eine genaue Zuordnung von in jener Zeit entstandenen Orgeln an Friedrich oder Guido Knauf ist oftmals schwierig. Guido Knauf verlegte später die Werkstatt der Familie nach Gotha und verkaufte sie im Jahre 1900 mit allen Privilegien an seinen Mitarbeiter Hugo Böhm aus Waltershausen.              
Die Ratzmann-/Knauf-Orgel in Ballstädt wurde nach dem Umbau durch Guido Knauf so gut wie nicht mehr verändert und leider auch seit etwa dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gewartet. 2010 bis 2012 wurde das Instrument durch die Firma Orgelbau Waltershausen sorgsam restauriert. 25 Register sind verteilt auf zwei Manuale und Pedal und stehen auf mechanischen Schleifladen. Das Hauptwerk besitzt einen klassischen Principalchor 8', 4' und 2' nebst Quinta 3', fein schattiert durch Hohlflöte, Bordun und Gamba 8' sowie einer Hohlflöte 4'. Ein Bordun 16' gibt ein fülliges Fundament, eine 4fache Mixtur und ein 3faches Cornett Glanz und Kontur. Das Oberwerk besitzt ebenfalls einen Principalchor 8', 4' und 2', auch hier mit Quinta 3', allerdings aufgebaut auf den Geigenprincipal. Für eine sehr differenzierte Farbigkeit sorgen Stillgedact, Flauto traverso und Salicional 8' sowie ein Flauto dolce 4', dazu kommt ein Gedact 16' als Fundament. Das Pedal besitzt neben Subbaß und Violon 16' die Register Octavbaß, Gedactbaß und Cellobaß in 8'-Lage. Trotz ihrer Größe von immerhin 25 Stimmen besitzt die Orgel auffälligerweise keine einzige Zungenstimme. Technisch ist sie typisch für die Knauf-Werkstatt ab der zweiten Generation: die seitlich angebrachten Registerzüge und die Strahlentraktur im Inneren sind um die Mitte des 19. Jahrhunderts von Johann Friedrich Schulze eingeführt und von Friedrich Knauf und seinem Sohn Guido Knauf in nahezu alle Neubauten übernommen worden. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Gedact 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Stillgedackt 8' Octavbaß 8'  
Bordun 8' Flauto traverso 8' Gedactbaß 8'  
Gamba 8' Salicional 8' Cellobaß 8'  
Octave 4' Octave 4'    
Quinte 3' Flauto dolce 4'    
Octave 2' Quinte 3'    
Cornett 3f. Octave 2'    
Mixtur 4f.      

In Ballstädt gespielte Stücke:
Michael Henkel: Andante c-moll >>>
Michael Henkel: Cantabile c-moll >>>
Michael Henkel: Nachspiel c-moll >>>
Michael Henkel: 8 Versetten c-moll >>>
Michael Henkel: 2 Versetten Es-Dur >>>
Michael Henkel: Vorspiel c-moll >>>
Michael Henkel: Vorspiel E-Dur >>>
Michael Henkel: Vorspiel Moderato Es-Dur >>>



BRÜHEIM (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche




Erbauer: Ernst Ludwig und Ernst Siegfried Hesse (Dachwig) 1820-1823, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Brüheim ist eine Gemeinde im nördlichen Landkreis Gotha in Thüringen und Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal. Sie liegt im Thüringer Kernland, etwa 12 km nordwestlich der Kreisstadt Gotha. Der Nationalpark Hainich befindet sich nordwestlich der Gemarkung von Brüheim. Die Ritter von Brüheim waren im Mittelalter Dienstleute der Landgrafen von Thüringen. Später gab es Herren von Salza, die vom Geschlecht derer von Wangenheim abgelöst wurden. Der Ort lag im Amt Gotha, das seit 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha, seit 1672 zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und seit 1826 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha gehörte. Im 18. Jahrhundert hatte Brüheim gute Musikinstrumentenbauer. Seit 1997 gehört der Ort der Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal an und zählt heute 480 Einwohner. Im Dorf befindet sich die teilweise noch erhaltene "Käseburg", die zu einem Rittergut gehörte. Dieser Rest des „Steinhofs“ ist jetzt in Privatbesitz. Auch die Gebäude des „Edelhofs“ sind ansprechend saniert und dienen heute als Mehrfamilienhaus. Die Hälfte der Anlage war 1945 durch Brandbomben verloren gegangen. Das einstige Rittergut der Familie von Wangenheim wurde 1945 entschädigungslos enteignet und später als „Volkseigenes Gut“ weiter bewirtschaftet. Neben dem Edelhof steht die Dorfkirche St. Vitus. Der gemeindeeigene Kirchturm wurde um 1726 errichtet, das Kirchenschiff etwa 100 Jahre später. Die Kirche birgt unter anderem ein Taufbecken aus dem 13. Jahrhundert. Die Orgel wurde 1823 fertiggestellt, sie stammt aus der kunstberühmten Werkstatt der Orgelbauerfamilie Hesse, einer der „anerkannt Besten“ Thüringens.
Die Orgelbauerfamilie Hesse und ihre Werke waren lange Zeit der Vergessenheit anheimgefallen. Dabei wurde ihnen zu Lebzeiten höchste Wertschätzung entgegengebracht. So lesen wir etwa in dem 1815 erschienenen Buch „Anleitung zur Kenntnis, Beurteilung und Erhaltung der Orgeln“ über die Hesse-Orgeln: "Sie sind mehr als Meisterwerke, sie sind vollendete Kunstprodukte eines Genies." Ihr Stammvater war Johann Michael Hesse, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt und arbeiteten zeitweise gemeinsam mit dem nur wenige Kilometer entfernt wirkenden Johann Valentin Knauf in Großtabarz zusammen. Die Hesse-Orgel in Brüheim befindet sich auf der ersten Empore der Westseite und wurde 1820 von Ernst Ludwig Hesse begonnen. Dieser konnte den Bau jedoch nicht vollenden, da er am 29. April 1823 „in Folge eines unglücklichen Sturzes“ in der Brüheimer Orgel zu Tode kam. Sein Sohn Ernst Siegfried Hesse, 1798 geboren, vollendete das Werk 1823 mit 23 Registern auf 2 Manualen und Pedal. Der in seiner Form typische Hesse-Prospekt ist klar gegliedert und wirkt durch seine Größe raumbeherrschend. Hesse-Orgeln zeichnen sich allgemein durch Verwendung bestens Materials und darum durch erstaunliche Langlebigkeit aus. Wie die meisten erhaltenen Orgeln der Familie Hesse wurde auch das Brüheimer Instrument über lange Zeit hinweg wenig gepflegt und bis heute noch nicht grundlegend renoviert. 2010 wurde das Instrument in seiner Substanz gesichert, der Holzwurm beseitigt und einige defekte Teile ausgetauscht. Derzeit ist das Instrument beim orgelbautechnisch versierten, ortsansässigen Organisten in sehr guten Händen, langfristig wird eine stilgerechte Restaurierung der Orgel angestrebt.
Die Hesse-Orgel in Brüheim verfügt über 23 Register auf zwei Manualen und Pedal. Das Hauptwerk, ausgebaut vom C bis zum f3, besitzt mit Principal, Hohlflöte, Violodigamba und Grobgedackt 8' ein breites Fundament, das noch von einem Bordun 16' grundiert wird. Darüber erklingen die klassischen Stimmen Octave 4' und 2', eine Spitzflöte 4' und eine Quinte 3'. Bekrönt wird der Klang des Hauptwerks von 4fachen Mixtur und einer 3fachen Cimbel. Das Oberwerk ist überwiegend mit lieblichen Stimmen ausgestattet, Flauto traverso, Lieblich Gedackt, Salicional und Gemshorn 8' erlauben zahlreiche Schattierungen und warme, weiche Registermischungen. Principal und Hohlflöte 4' sowie eine Octave 2' geben dem Oberwerk Helligkeit und auch hier finden wir eine gemischte Klangkrone, nämlich eine 3fache Mixtur. Das Pedal mit zwei vollen Oktaven bis zum c1 besitzt Subbaß, Violon und Posaune 16' sowie einen Octavbaß 8'. Jedes der drei Werke besitzt zudem ein Sperrventil, das man ziehen muss, bevor man auf dem jeweiligen „Clavier“ spielen will. Es sind noch zwei Registerzüge für zwei Cimbelsterne vorhanden, aber es ist unklar, ob diese je gebaut wurden. Die Hesse-Orgel in Brüheim ist ein interessantes Beispiel für die Verbindung von spätbarockem Glanz, klassizistischer Farbigkeit und ersten Anklängen einer aufkommenden neuen Epoche, die man die Romantik nennen wird. Es wird Zeit, dass man den nicht allzu zahlreichen, bis heute erhaltenen Hesse-Orgeln diejenige Beachtung schenkt, die sie verdienen. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Salicional 8' Octavbaß 8' (2 Cymbelsterne)
Violdigambe 8' Gemshorn 8' Posaune 16'  
Octave 4' Principal 4'    
Spitzflöte 4' Hohlflöte 4'    
Quinta 3' Octave 2'    
Octave 2' Mixtur 3f.    
Mixtur 4f.      
Cimbel 3f.      

In Brüheim gespielte Stücke:
Johann Ludwig Böhner: Ach, bleib mit deiner Gnade >>>
Johann Ludwig Böhner: Fantasie e-moll / E-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Fuga C-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Mach's mit mir, Gott, nach deiner Güt >>>
Johann Ludwig Böhner: Meinen Jesum laß ich nicht >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium D-Dur I >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium D-Dur II >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium g-moll >>>
Michael Henkel: Allegretto D-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile A-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato fis-moll >>>
Michael Henkel: 2 Versetten A-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten D-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten fis-moll >>>
Michael Henkel: 3 Versetten h-moll >>>
Michael Henkel: 5 Versetten B-Dur >>>
Michael Henkel: Vorspiel B-Dur



BUFLEBEN (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Cyriakus




Erbauer: Johann Valentin Knauf (Großtabarz) 1815-1816, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Bufleben ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha. Sie gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal und besteht aus den Ortsteilen Bufleben, Hausen und Pfullendorf. Der Ort liegt 6 Kilometer nordöstlich von Gotha im Nessetal. In einer Schenkungsurkunde aus dem Jahre 874 wird Bufileba nebst anderen 116 Orten in Thüringen als dem Stift Fulda zehntpflichtig erwähnt. Im Jahr 1524 fand der „Bufleber Bierkrieg“ statt, als sich die Buflebener gegen das herzogliche Verbot des eigenen Bierbrauens auflehnten. Der Ort gehörte bereits 1421 zum Amt Gotha, das seit 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha, seit 1672 zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und seit 1826 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha gehörte. Die evangelische Kirche des Ortes ist dem Heiligen Cyriakus geweiht. Laut einer Inschrift an der Kirche wurde sie im Jahr 1412 erbaut. 1732 und 1776 sind Bauarbeiten am Kirchturm nachgewiesen und im 18.Jahrhundert erhielt die Kirche auch die dreiseitige Empore. In den Jahren 1814 bis 1816 wurde die heute noch vorhandene Orgel erbaut. Sie stammt aus der Werkstatt von Johann Valentin Knauf in Großtabarz bei Gotha. Sie ist im umfangreichen Werkverzeichnis der Familie Knauf von besonderer Bedeutung, denn sie ist die früheste, sicher datierbare Orgel aus der Knauf-Werkstatt. Leider ist sie derzeit nur mit großen Einschränkungen spielbar; eine Restaurierung ist zwar geplant, aber es ist noch nicht sicher, wann damit begonnen werden kann.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18. Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Er wurde 1762 geboren und starb 1847. Er besaß seit 1789 ein Orgelmacherprivileg und ist in der Folge mit zahlreichen Reparaturen, unter anderem an der berühmten Trost-Orgel in Waltershausen, aber auch mit einigen Neubauten nachweisbar. Über seine Ausbildung ist nichts Genaues bekannt, möglich, wenn auch nicht belegbar ist eine Lehre bei Johann Michael Hesse in Dachwig. Dafür spricht die völlig identische Prospektgestaltung bei Hesse und Knauf sowie die Partnerschaft von Ernst Ludwig Hesse und Johann Valentin Knauf in Großtabarz nach dem Tod von Johann Michael Hesse 1810. Diese Zusammenarbeit ist durch gemeinsame Orgelprojekte in Wölfis und Goldbach, jeweils im Jahre 1815 belegt, für welche die etwa gleichaltrigen Orgelbauer als Kompagnons zeichneten. Das früheste nachweisbare, selbstständige Werk Valentin Knaufs ist die 1816 erbaute Orgel in Bufleben mit 22 Registern. Inwieweit hier ebenfalls Ernst Ludwig Hesse mitgearbeitet hat, ist nicht nachweisbar und im Vergleich etwa mit der nachweislich gemeinsam erbauten und erhaltenen Orgel in Goldbach, nur wenige Kilometer entfernt, eher unwahrscheinlich. In der Literatur wird die kleine Orgel in Ibenhain bei Waltershausen, 1787 erbaut, Valentin Knauf zugeschrieben. Diese Zuweisung ist jedoch nicht belegbar. Weitere frühe Orgeln von Valentin Knauf stehen in den Kirchen von Fischbach bei Waltershausen und in Gospiteroda. Beide sind optisch dem Werk in Bufleben ähnlich. Auch die beiden Instrumente in Teutleben und Trügleben, alle bisher genannten Orte liegen im Landkreis Gotha, stammen aus der Werkstatt von Valentin Knauf und sind zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden. Im Gegensatz zu eindeutig auf das Jahr 1816 datierbaren Orgel in Bufleben ist von allen anderen das genaue Jahr ihrer Erbauung nicht bekannt. Aus Johann Valentin Knaufs Ehe mit Barbara Elisabeth ging als erstes Kind 1802 Friedrich Knauf hervor. Er erlernte sein Handwerk in der väterlichen Werkstatt und führte das Unternehmen Knauf um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu ihrer größten Blüte. Der 1810 geborene zweite Sohn Gottlieb Knauf machte sich nach seiner Lehre später mit einer eigenen Werkstatt in Bleicherode selbstständig. Die beiden größten der insgesamt etwa 12 vom Stammvater der Dynastie, von Valentin Knauf verfertigten Orgeln sind die Instrumente in Apfelstädt und Friemar mit jeweils 31 Registern auf zwei Manualen und Pedal, wobei in Apfelstädt bereits Friedrich Knauf maßgeblich mitgewirkt hat.
Die 1816 vollendete Orgel von Johann Valentin Knauf in Bufleben ist derzeit leider kaum spielbar. Das Hauptwerk ist gar nicht verwendbar, da die Hauptwerkswindlade derzeit so undicht ist, dass kein Ton erklingen kann. Das Vorsatzbrett über der Klaviatur hat feine Intarsienarbeiten. Die Registerzüge besitzen handgeschriebene Papierschildchen hinter Glas, wie man dies auch von Johann Michael Hesse kennt. Die Manuale haben jeweils einen Tonumfang vom Ton C bis zum d3. Im Hauptwerk finden sich die Register Bordun 16', sodann Principal, Hohlflöte, Grobgedackt und Gambe 8', Octave und Spitzflöte 4', eine Octave 2', darüber ein 2faches Sesquialter und eine 5fache Mixtur. Das sogenannte Brustwerk ist eingeschränkt verwendbar, allerdings sind die meisten Pfeifen wie das gesamte Innenleben der Orgel stark verstaubt und dadurch in der Stimmung beeinträchtigt. Hier finden wir die Stimmen Gedackt, Quintetöne und Flöte 8', Principal, Flauto traverse und Kleingedackt 4' sowie eine Octave 2'. Das Pedal schließlich ist bis zum d1 ausgebaut und verfügt über Subbaß, Violonbaß und Posaunenbaß 16', einen Octavbaß 8' und eine originale in dieser Form seltene Pedalmixtur. Die Orgel in Bufleben ist als ganz frühes Zeugnis der bedeutenden Orgelbauerfamilie Knauf von besonderer Bedeutung für die reiche Thüringer Orgellandschaft. Offenbar ist sie weitgehend im Originalzustand auf uns gekommen und auch das Pfeifenwerk ist von guter und solider Qualität. Manche Töne lassen sogar im jetzigen, traurigen Zustand die spätbarocke Klangschönheit, die dem Instrument innewohnt, noch erahnen. Der geplanten Restaurierung des Knauf-Orgel kann man darum mit Spannung und Vorfreude entgegensehen. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Brustwerk, C-d3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Quintetöne 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flöte 8'

Octavbaß 8'

Tremulant
Grobgedackt 8' Principal 4' Pedalmixtur 3f.  
Gambe 8' Kleingedackt 4' Posaune 16'  
Octave 4' Flauto traverse 4'    
Spitzflöte 4' Octave 2'    
Octave 2'      
Sesquialter 2f.      
Mixtur 5f.      

In Bufleben gespielte Stücke:
August Eduard Grell: Präludium Nr. 23 e-moll >>>
August Eduard Grell: Präludium Nr. 24 B-Dur >>>
August Michel: Cantabile B-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio g-moll >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Präludium a-moll >>>



BÜSSLEBEN (Stadt Erfurt)
Ev. Kirche St. Petri




Erbauer: Georg Christoph Stertzing (Eisenach) 1702, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Büßleben ist ein Ortsteil der Stadt Erfurt in Thüringen. Der Ort liegt etwa sechs Kilometer östlich von Erfurt in einer flachen, unbewaldeten Landschaft zwischen Linderbach im Norden, Urbich im Westen, Niedernissa im Süden und Mönchenholzhausen im Osten. Büßleben wurde 876 erstmals urkundlich erwähnt. Das Dorf gehörte zur Grafschaft Vieselbach und nach deren Verkauf weiterhin den Grafen von Gleichen, die es erst 1403 an die Stadt Erfurt verkauften.1802 kam das Erfurter Gebiet zu Preußen und gehörte nach einem kurzen Zwischenspiel ab 1816 zur preußischen Provinz Sachsen. 1994 wurde der Ort nach Erfurt eingemeindet, der heute etwas über 1300 Einwohner zählt. Die heutige Kirche St. Petri wurde an den mittelalterlichen Ostturm 1774 angebaut. Die Aussattung ist einheitlich spätbarock mit zweigeschossiger Empore und einem aufwändig geschmückten Kanzelaltar. Zu den kostbarsten Ausstattungsgegenständen der Kirche zählt die Orgel des Orgelbauers Georg Christoph Stertzing. Das 1702 erbaute Instrument ist die älteste original erhaltene Orgel in der Stadt Erfurt und wurde ursprünglich für das Benediktinerkloster St. Petri auf dem Erfurter Petersberg gebaut. Es steht seit 1811 in der Büßlebener Kirche. Die Gemeinde Büßleben hatte die Orgel, die wie andere Inventarstücke des Klosters von der napoleonischen Besatzungsmacht zum Verkauf angeboten wurden, für 900 Taler ersteigert. Der ursprüngliche Standort des Instruments, die Peterskirche in Erfurt, wurde im 12.Jahrhundert als Klosterkirche des damaligen Benediktinerklosters St. Peter und Paul errichtet. Dieses Kloster hatte auf Grund enger Beziehungen zu der nebenan gelegenen Pfalz auf dem Petersberg verschiedene Male die Ehre, deutsche Kaiser und Könige zu beherbergen. Anfang des 19. Jahrhunderts wandelten zunächst die Franzosen, dann die Preußen die Kirche in ein Magazin und Lagergebäude um. Die Sterzing-Orgel in Büßleben ist in ihrer Größe die älteste Orgel Thüringens und überhaupt das einzige größere Instrument der Bach-Zeit, das heute in rein mitteltöniger Stimmung zu erleben ist.
Der Orgelbauer Georg Christoph Sterzing wurde 1659 oder 1660 in Ohrdruf geboren und starb 1717 in Eisenach. 1690 wurde er der Nachfolger des Eisenacher Orgelbauers Christoph Nott (oder Knott) und war damit für die Pflege der Orgeln in der Stadt zuständig. Er arbeitete eng mit dem Johann Christoph Bach zusammen – Heinrich Bachs Sohn und Johann Sebastians Bachs Onkel. Mit Johann Christoph Bach zusammen konzipierte er gemeinsam sein wichtigstes Werk, die Orgel der Eisenacher Georgenkirche. Seit 1696 kam Stertzing darum oft mit Johann Christoph Bach zusammen, der Bau zog sich hin und wurde erst 1707 fertiggestellt. Zwischenzeitlich erbaute Sterzing 1697 eine Orgel für Berka an der Werra, die von Johann Christoph Bach abgenommen wurde. 1701 reiste Sterzing nach Magdeburg, um die dortigen Orgeln Arp Schnitgers kennenzulernen. Parallel zum Bau der Eisenacher Georgen-Orgel vollendete Sterzing 1702 die Orgel für das Erfurter St.Petri-Kloster mit 28 Registern auf Hauptwerk, Brustpositiv und Pedal. Über Johann Christoph Bach gelangte auch der junge Johann Sebastian Bach, sein Großneffe, erstmals in Kontakt mit dem Kirchen- und Orgelmusik. Es ist gut möglich, dass der 10jährige Johann Sebastian die Planungen für den Orgelbau in der Georgenkirche interessiert verfolgte und sich hierdurch die Grundlagen für sein profundes Wissen über den Orgelbau legten, die er spätestens als 18jähriger bei seiner legendären Orgelprobe in Arnstadt unter Beweis stellen konnte. Das seit 1811 in Büßleben stehende Instrument Georg Christoph Sterzings wurde zwar im 19. Jahrhundert leicht verändert, aber insgesamt in seiner Grundsubstanz nicht wesentlich gestört. Nach sorgfältiger Planung und der Gründung eines Vereins zur Rettung der Sterzingorgel begann 1998 die Arbeiten zur Rekonstruktion des ursprünglichen Zustands, die die Firma Alexander Schuke aus Potsdam ausführte und 2002 zum Abschluß brachte.
Die in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Sterzing-Orgel in Büßleben besitzt 28 Register. Im Hauptwerk sind elf Stimmen disponiert. Der klassische Prinzipalchor 8', 4' und 2' finden wird durch eine Quintadena 16' grundiert und bekommt durch die Quinta 6' zusätzliche Gravität. Wir finden im Hauptwerk vier gemischte Stimmen, Sesquialtera und Rauschpfeif 2fach, eine 3fache Cymbel und eine 6fache Mixtur. Dazu kommen eine Rohrflöte und eine Trombetta 8'. Das Brustpositiv ist mit 10 Stimmen überaus farbig besetzt. Gedackt, Quintadena und Traversa 8' bilden die Grundlage, darüber erklingen Principal und Nachthorn 4', Octava und Waldflöte 2', eine Quinta 1 1/2', eine 3fache Mixtur und eine Vox humana 8'. Das Pedal enthält sieben Register: Principal, Subbaß, Violon und Posaune 16', eine Octave 8', eine 4fache Mixtur und ein Cornet 2'. Die Stimmtonhöhe wurde bei der Rekonstruktion auf drei Halbtöne über 440 Hz angelegt. Bei der Frage der Stimmung entschied man sich für eine ungemilderte, rein mitteltönige Stimmung nach Michael Praetorius. Bis etwa um 1700 war diese Stimmung in Deutschland und so auch in Bach's unmittelbarem Umfeld allgemein gebräuchlich. Der sehr begrenzte Modulationsspielraum und die selbst bei Tonarten mit wenigen Vorzeichen schon teilweise erheblichen klanglichen Härten waren also für damalige Ohren normal, für uns heutige Hörer hingegen ist dies oftmals sehr ungewohnt. Für die Musiker des 18. Jahrhunderts wie etwa Johann Sebastian Bach war diese alte Stimmung zeitlebens eine Herausforderung; es ist bekannt, dass er vehement für eine wohltemperierte und sogar annähernd gleichschwebende Stimmung plädierte, die das Spiel in allen Tonarten zuließ. In Büßleben steht heute die einzige größere Orgel aus dem unmittelbaren Umfeld Bachs, auf der wir hochbarocke, Thüringer Klangpracht in Verbindung mit einer rein mitteltönigen Stimmung erleben können. Die Sterzing-Orgel in Büßleben: ein einmaliges und höchst authentisches Instrument aus dem Umfeld des jungen Johann Sebastian Bach.
 
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Disposition:

Hauptwerk, CD-c3 Brustpositiv, CD-c3 Pedal, CD-e1  
Quintadena 16' Gedackt 8' Principal 16' Manualkoppel
Principal 8' Quintadena 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Rohrflöte 8' Traversa 8' Violon 16'  
Quinta 6' Principal 4' Octave 8'  
Octave 4' Nachthorn 4' Mixtur 4f.  
Octave 2' Octava 2' Posaune 16'  
Rauschpfeife 2f. Waldflöte 2' Cornet 2'  
Sesquialtera 2f. Quinta 1 1/2'    
Mixtur 6f. Mixtur 3f.    
Cymbel 3f. Vox humana 8'    
Trombetta 8'      

In Büßleben gespielte Stücke:
Heinrich Bach: Da Jesus an dem Kreuze stund >>>
Heinrich Bach: Erbarm dich mein, o Herre Gott >>>
Johann Christoph Bach: Ein feste Burg ist unser Gott >>>
Johann Christoph Bach: Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ >>>
Johann Christoph Bach: Meine Seele erhebt den Herren >>>
Johann Christoph Bach: Wenn wir in höchsten Nöten sein >>>
Johann Sebastian Bach: Christ lag in Todesbanden >>>
Johann Sebastian Bach: Das alte Jahr vergangen ist >>>
Johann Sebastian Bach: Der du bist drei in Einigkeit >>>
Johann Sebastian Bach: Jesus Christus, unser Heiland >>>
Johann Sebastian Bach: Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist I >>>
Johann Sebastian Bach: Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist II >>>
Johann Sebastian Bach: Mein Seel, o Gott, muß loben dich >>>
Johann Sebastian Bach: Nun bitten wir den heiligen Geist >>>
Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge C-Dur BWV 553 >>>
Johann Sebastian Bach: Wir glauben all an einen Gott BWV Anh. 70 >>>
Georg Böhm: Vater unser im Himmelreich >>>
Andreas Düben: Praeludium ex E vel A pedaliter >>>
Martin Düben: Praeambulum pedaliter >>>
Georg Andreas Sorge: Praeludium F-Dur >>>



DABERSTEDT (Stadt Erfurt)
Ev. Lukaskirche




Erbauer: Fa. Schlag & Söhne (Schweidnitz) 1912, Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Daberstedt ist ein Stadtteil im Südosten der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt mit rund 13.500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Er erstreckt sich zwischen der Löbervorstadt im Westen und der Krämpfervorstadt im Norden. Das ursprüngliche, vor den Toren der Festung Erfurt liegende Dorf Daberstedt, das 1122 in einer Mainzischen Urkunde erstmals genannt wurde, wurde 1813 durch französische Soldaten völlig niedergebrannt, um freies Schussfeld gegen die belagernden Preußisch-Österreichisch-Russischen Armeen zu haben. Es wurde nicht wiederaufgebaut, da es in der Zone um die Erfurter Stadtbefestigung lag, die bis zur Entfestigung Erfurts 1873 nicht bebaut werden durfte. Erst um 1900 entstand nach und nach der heutige Stadtteil Daberstedt und 1912 konnte mit der Lukaskirche am Stadtweg eine eigene Kirche für die neue Siedlung eingeweiht werden. Die in neubarocken Formen errichtete Kirche, die heute zur Kirchengemeinde Erfurt-Südost zählt, erhielt damals auch eine neue Orgel, die eine besondere Rarität in der reichen und vielgestaltigen Orgellandschaft Thüringens darstellt. Sie stammt aus der Werkstatt der Firma Schlag und Söhne in Schweidnitz in Schlesien. 
Stammvater der seinerzeit hochberühmten, heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Orgelbaufirma Schlag war der 1803 in Staschwitz bei Zeitz im heutigen Burgenlandkreis geborene Gottlieb Schlag. Nach der Lehre bei Gottlieb Schönburg in Schafstädt ging er auf die zunftgemäße Wanderschaft, die ihn auch zu dem Orgelbauer Kiesewalter in Jauer in Niederschlesien führte. Nach dessen Konkurs 1831 übernahm Schlag dessen Werkstatt und verlegte sie 1834 ins nahe Schweidnitz – heute Swidnica. Zusammen mit seinem 1808 geborenen Bruder Karl arbeitete er bis 1869 hauptsächlich im Gebiet der heutigen polnischen Woiwodschaft Niederschlesien. 1869 traten Gottlieb Schlags 1847 beziehungsweise 1848 geborene Söhne Theodor und Oskar in das Unternehmen ein, das von da an bis 1923 unter den Namen Schlag und Söhne firmierte und unter diesem Namen weit über Schlesien und das damalige Deutsche Reich hinaus einen guten Ruf besaß. 1906 berichtet uns die Zeitschrift für Instrumentenbau: „Das Personal beträgt einschließlich der Kontorbeamten, einem Architekten und zwei Werkmeistern ca. 115 Mann. Die Anstalt umfaßt gegenwärtig 6 Arbeits- und Maschinensäle, je eine Zinn- und Zinkwerkstatt, eine Schlosserei, vier Orgelmontierungssäle und 3 ausgedehnte Lagerräume. Für das gesamte Personal nebst Frauen und Kindern besteht eine eigene Krankenkasse.“ Zitat Ende. Wir spüren, industrielle Fertigungsmethoden waren in das Orgelbauhandwerk eingezogen und man war stolz darauf. Stolz konnte die Firma auch über zahlreiche Auszeichnungen bei Industrie- und Gewerbeausstellungen sein sowie über kaiserliche Patente etwa für verbesserte Windladen und einstellbare Kombinationen. Zahlreiche Orgeln besaßen 50 und mehr Register, nur einige Beispiele: 1888 Philharmonie Berlin, 50 Register, 1904 Freystadt in Schlesien, heute Kozuchow, 53 Stimmen, ein Jahr später Gnadenkirche Hirschberg, heute Jelenia Gora, 76 Register, 1909 Friedenskirche in Schweidnitz, 60 Register und so weiter. Die meisten Orgeln standen oder stehen auch heute noch im Gebiet der „Region Schlesien“, wozu ja auch ein Teil der Oberlausitz gehört und so finden wir auch einige Schlag-Orgeln westlich der Oder und der Neiße, die zumeist auch gut restauriert sind. Die größte Schlag-Orgel in Deutschland steht in der Stephanuskirche in Berlin-Wedding, sie wurde 1904 erbaut und besitzt 39 Register. Doch lieferten Schlag & Söhne auch Orgeln nach Finnland, Italien, Mexiko, Russland, Südafrika und weitere Länder. Die 1893 in Bergen in Norwegen errichtete Orgel mit 43 Stimmen wurde vor einigen Jahren restauriert. Inmitten all dieser großen Werke erscheint das Instrument in Daberstedt mit seinen 11 Registern recht bescheiden, doch ist es zumindest in Thüringen die einzige erhaltene Schlag-Orgel und somit ein Stück schlesische Orgelkultur mitten im grünen Herzen Deutschlands.
Die 1912 als Opus 958 erbaute Orgel in der Lukaskirche in Erfurt-Daberstedt besitzt 11 klingende Stimmen auf pneumatischen Kegelladen. 2008 bis 2010 wurde sie durch die Firma Schönefeld aus Stadtilm restauriert und auf den Originalzustand zurückgeführt. Im Hauptwerk finden wir die Register Principal, Hohlflöte und Gambe 8', die Octave 4' sowie eine 2fache Rauschpfeife 2 2/3' und 2'. Das Oberwerk besitzt Lieblich Gedackt, Salicional und Aeoline 8' sowie eine Flöte 4'. Im Pedal schließlich stehen Subbaß 16' und Principalbaß 8', dazu kommen eine Manual- und zwei Pedalkoppeln sowie eine Manual-Superoctavkoppel. Rund zehn Jahre nach dem Orgelbau in Daberstedt  ging der Glanz der einst ruhmreichen Firma Schlag ihrem Ende entgegen, der Erste Weltkrieg und die folgende Wirtschaftskrise setzten dem Unternehmen schwer zu. Nach 1923 machte sich Bruno Schlag, der Sohn von Theodor, als Prospektpfeifen- und Gebläselieferant selbstständig. Der letzte Inhaber Hans Schlag wirkte nach der Vertreibung als Orgelbauer in Leipzig, sein Bruder Martin Schlag in Gera. Sie starben etwa zeitgleich 1965. 
 
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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Prinzipal 8' Lieblich Gedeckt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Hohlflöte 8' Salicional 8' Principalbaß 8' Pedalkoppel zu I
Gambe 8' Aeoline 8'   Pedalkoppel zu II
Octave 4' Flöte 4'   Superoktavkoppel
Rauschquinte 2 2/3' + 2'     Tutti

In Daberstedt gespielte Stücke:
Philipp Christoph Bade: Es ist das Heil uns kommen her >>>
Andreas Barner: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>>
Andreas Barner: Er starb, der größte Freund >>>
Hans Bronsart von Schellendorf: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Emil Dercks: Hat der Himmel gleich viel Wege >>>
Louis Dite: Stille Nacht, heilige Nacht >>>
Karl Hasse: Komm, o komm, du Geist des Lebens >>>
Karl Hasse: Valet will ich dir geben >>>
Clotilde Hopf: Seelenbräutigam >>>
Reinhold Lichey: Es ist gewißlich an der Zeit >>>
Reinhold Lichey: Meins Herzens Jesu, meine Lust >>>
Fritz Lubrich jun.: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende >>>
Fritz Lubrich jun.: Wollt ihr wissen, was mein Preis >>>
Paul Niepel: Nun jauchzet all, ihr Frommen >>>
Paul Niepel: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Paul Niepel: Wie herrlich ist's, ein Schäflein Christi werden >>>
Uso Seifert: Nun sich der Tag geendet hat >>>
Uso Seifert: Straf mich nicht in deinem Zorn >>>



EBERSTÄDT (Gemeinde Sonneborn, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Severin




Erbauer: Johann Friedrich Heinrich Ratzmann (Ohrdruf) 1837 (?), Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Eberstädt ist ein Ortsteil der Gemeinde Sonneborn im Landkreis Gotha in Thüringen. Der Ort liegt an der Nesse unterhalb der Einmündung des Seegrabens und des Wilden Grabens in etwa 260 Metern Höhe am Rand des Thüringer Beckens. Nördlich von Eberstädt liegt die Talsperre Tüngeda/Wangenheim. Nachbarorte sind Wangenheim im Nordosten, Goldbach im Südosten sowie Sonneborn und Brüheim im Westen. Die Kreisstadt Gotha liegt etwa zehn Kilometer südwestlich. Eberstädt liegt an der Landesstraße von Gotha nach Friedrichswerth sowie an der Nessetalbahn von Bufleben nach Großenbehringen, die von 1890 bis 1995 in Betrieb war und einen Halt in Eberstädt besaß. Seit 2011 verläuft auf der Trasse der Nessetal-Radweg. Eberstädt wurde bereits im „Codex Eberhardi“ im Jahre 842 erstmals urkundlich erwähnt. Der Codex Eberhardi wurde um 1150 angefertigt als zusammenfassendes Besitzverzeichnis des damaligen Reichsklosters Fulda. Danach wurde Eberstädt Stammsitz eines gleichnamigen Adelsgeschlechts. Vor der Gründung Thüringens war der Ort Teil des Herzogtums Sachsen-Gotha – und hier des Amte Gotha - und gehört seit 1975 zur Gemeinde Sonneborn. Die evangelische Dorfkirche St. Severin ist mittelalterlichen Ursprungs. 1780 wurde an den alten Turm ein neues Kirchenschiff angebaut. In der Kirche befindet sich ein Kruzifix aus dem 15. Jahrhundert und eine Orgel der Orgelbauerfamilie Ratzmann aus Ohrdruf. Diese wurde, wie man allgemein annimmt und wie man es in dem lesenswerten Buch „Die Orgeln auf dem Gebiet der Superintendentur Gotha“ nachlesen kann, 1837 erbaut. 1837 war ein besonderes Jahr für die Firma Ratzmann: in jenem Jahre erbauten Vater Georg Franz Ratzmann und die beiden Söhne Johann Friedrich Heinrich Ratzmann und Johann Heinrich Ludwig Ratzmann gemeinsam ihr größtes Werk für die Stadtpfarrkirche in Fulda mit 51 Registern auf drei Manualen und Pedal.
Stammvater der Orgelbauerfamilie war Georg Franz Ratzmann. 1771 in Cumbach bei Friedrichroda geboren, ließ sich als Orgelbauer in Ohrdruf nieder und ist ab kurz nach 1800 mit eigenen Orgelbauen nachweisbar. Drei seiner Söhne erlernten ebenfalls das Orgelbauerhandwerk. Der drittälteste Sohn Johann Heinrich Ludwig Ratzmann, geboren 1804, führte nach dem Tod des Vaters 1846 die Ohrdrufer Werkstatt fort und zwar gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Bruder Johann Friedrich Heinrich Ratzmann. Ein dritter Sohn, Wilhelm August Ratzmann, geboren 1812, übersiedelte 1839 nach Gelnhausen, heiratete die Tochter des Gastwirts von Niedergründau – wo die Ratzmanns seinerzeit eine große Orgel erbauten - und gründete daraufhin eine eigene Werkstatt in Gelnhausen. Kommen wir zurück zur Orgel in Eberstädt und dem Jahr ihrer Erbauung. In dem Zusammenhang wirft das schöne Firmenschild aus Porzellan gewisse Fragen auf, denn auf diesem zeichnet „Friedrich Ratzmann in Ohrdruf“ als Erbauer. Friedrich Ratzmann, das ist der 1800 geborene und 1881 verstorbene Sohn Johann Friedrich Heinrich Ratzmann. Bis zum Tod des Vaters 1846 sind aber ansonsten keine selbstständigen, unter eigenem Namen getätigten Orgelbauten der Söhne bekannt. Somit gewinnt die in einer anderen Quelle genannte Jahreszahl 1850 für die Erbauung der Orgel in Eberstädt an Wahrscheinlichkeit. Auch die Disposition vor allem im zweiten Manual spricht eher für dieses Baujahr als für das allgemein angenommene 1837. Andererseits könnte das Firmenschild auch schlichtweg später – etwa im Rahmen einer Stimmung oder Wartung – an der Orgel in Eberstädt angebracht worden sein. Wie auch immer, bei dem Instrument in Eberstädt handelt es sich um eine der wenigen, von späteren „Erneuerungen“ gänzlich unberührten Orgeln aus der Werkstatt der Ratzmanns.
Die Orgel in Eberstädt wurde in den Jahren seit ihrer Erbauung niemals verändert, lediglich ein elektrisches Gebläse wurde eingebaut. Seit einem Wasserschaden 1994 war das bis dahin leidlich brauchbare Instrument allerdings in Gänze unspielbar geworden. Erst im Jahre 2013 wurde eine Reparatur der technischen Schäden in Angriff genommen, so daß das die Orgel seither wieder in Gottesdiensten und gelegentlichen kirchenmusikalischen Veranstaltungen erklingen kann. Bis zu einer denkmalgerechten Restaurierung wird aber wohl noch einige Zeit vergehen, denn wie überall im Lande sind Fördermittel für solche Projekte zwar vorhanden, allerdings nicht genug, um überall dort, wo es nötig wäre, sofort mit der Arbeit beginnen zu können. Die Ratzmann-Orgel in Eberstädt besitzt 15 Register auf zwei Manualen und Pedal. Im Hauptwerk finden wir den Prinzipalchor 8', 4' und 2' nebst Quinta 3', grundiert von einem fülligen Bordun 16', schattiert von Hohlflöte und Viola di Gamba 8' und bekrönt von einer 4fachen Mixtur. Das Oberwerk besitzt hauptsächlich sanfte Stimmen, Lieblich Gedackt und Flauto traverso 8' sowie Principal und Flauto traverso 4'. Im Pedal finden sich Subbaß und Violon 16' sowie ein Oktavbaß 8'. Instrumente wie die Ratzmann-Orgel in Eberstädt wurden primär für das gottesdienstliche Musizieren erbaut. Es sind keine Konzertinstrumente und so muss man sie auch verstehen und bei der Wahl der Literatur darauf achten, keine für wesentlich größere Instrumente konzipierten Werke zu wählen, wo Hörerinnen und Hörer im Voraus eine bestimmte Klangerwartung mitbringen. Läßt man sich auf die Orgel mit ihren Besonderheiten und auch Einschränkungen allerdings ein, so erlebt man hier und auch in anderen Orten mit weitgehend unberührten Orgeln sehr intensive musikalische Momente, die einer Zeitreise in eine andere Epoche gleichkommen. Die Orgel in Eberstädt gehört nicht zu den größten oder bedeutendsten Orgeln in der so ungemein reichhaltigen und vielgestaltigen Orgellandschaft Thüringens – und doch ein Kleinod, das Erhaltung und Wertschätzung verdient hat.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Principal 4' Octavbaß 8'  
Viola di Gamba 8' Flauto traverso 4'    
Octave 4'      
Quinte 3'      
Octave 2'      
Mixtur 4f.      

In Eberstädt gespielte Stücke:
Michael Henkel: Andante D-Dur >>>
Michael Henkel: Andante E-Dur >>>
Michael Henkel: Andantino D-Dur >>>
Michael Henkel: Andantino d-moll >>>
Michael Henkel: Larghetto D-Dur >>>
Michael Henkel: Larghetto d-moll >>>
Michael Henkel: 4 Versetten D-Dur >>>
Michael Henkel: 3 Versetten d-moll >>>
Michael Henkel: Wachse hoch, Oranien! >>>



ELLICHLEBEN (Gemeinde Witzleben, Ilm-Kreis)
Ev. Kirche "Zum Frieden Gottes"




Erbauer: Johann Daniel Schulze (Milbitz) 1776, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Ellichleben ist ein Ortsteil der Gemeinde Witzleben im thüringischen Ilm-Kreis. Das kleine Dorf mit rund 250 Einwohnerinnen und Einwohner liegt im äußersten Südosten des Thüringer Beckens. Südlich des Ortes steigt die Landschaft steil zum 446 Meter hohen Hettstedter Berg an; im Osten öffnet sich das Ilmtal. Die Ersterwähnung des Ortes fällt ins Ende des 12. Jahrhunderts, womit Ellichleben für diese Region vergleichsweise jung ist. Bis 1920 gehörte der Ort zur Oberherrschaft des Fürstentums bzw. Freistaats Schwarzburg-Rudolstadt und dort zum Amt Stadtilm. Danach kam Ellichleben zum Landkreis Arnstadt, dessen Nachfolger der heutige Ilm-Kreis ist. 1965 wurde der Ort in die Gemeinde Witzleben eingemeindet. Die heutige, 1720 errichtete Kirche „Zum Frieden Gottes“ wurde auf den Grundmauern einer zerstörten Vorgängerkirche errichtet. Die äußerlich schlichte Kirche ist in ihrem Inneren mit zweifach gebrochener Holztonne und zweigeschossigen Emporen prachtvoll ausgestattet. Hingewiesen sei auf den architektonisch aufgebauten Kanzelaltar und auf den Taufstein aus dem 15.Jahrhundert. Die prachtvolle Orgel auf der Westempore wurde 1776 von Johann Daniel Schulze aus Milbitz errichtet.
Die Orgelbauerfamilie Schulze erlange im 19. Jahrhundert durch den großen Johann Friedrich Schulze, man kann sagen, Weltgeltung. Zuvor wirkten aber bereits drei Generationen der Familie Schulze als Orgelbauer in Thüringen. Ihr Stammvater ist der 1688 geborene Johann Elias Schulze, der in Solsdorf im heutigen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt als Tischler und Orgelbauer wirkte. Um 1750 verlegte er seine Werkstatt in die benachbarte Ortschaft Milbitz. Johann Elias Schulze hatte zwei Söhne, die ebenfalls Orgelbauer wurden, nämlich den 1716 geborenen Johann Heinrich Schulze und dessen vier Jahre jüngeren Johann Daniel Schulze. Während Johann Heinrich Schulze später seine eigene Werkstatt in Nottleben bei Erfurt errichtete, führte Johann Daniel Schulze nach dem Ableben des Vaters 1762 die Familienwerkstatt in Milbitz in zweiter Generation fort. Er wirkte hauptsächlich in der näheren Umgebung seines Heimatortes. Teilweise erhalten ist die 1774 fertiggestellte Orgel in seiner Heimatkirche in Milbitz ebenso der 1783 errichtete Orgelneubau in Hochdorf bei Blankenhain im Landkreis Weimarer Land. Von der ebenfalls 1783 fertiggestellten Orgel in Oberweißbach ist der ungemein prachtvolle barocke Prospekt mit den bemalten Prospektpfeifen erhalten. Dahinter verbirgt sich nach zahlreichen Umbauten jedoch nur noch wenig Schulze´sches Pfeifenmaterial. Johann Daniel Schulzes Sohn Johann Andreas übernahm nach dem Tod des Vaters 1785 die Werkstatt in dritter Generation und führte sie bis zu seinem frühen Tod 1806 weiter. Johann Friedrich Schulze, 1793 geboren, erlernte das Familienhandwerk darauf bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm. Zur weiteren Geschichte der Orgelbauerdynastie Schulze im 19.Jahrhundert ist in einigen Orgelporträts von Instrumenten Johann Friedrich Schulzes Näheres zu erfahren. Von Johann Daniel Schulze sind heute eigentlich nur zwei Instrumente mehr oder weniger vollständig erhalten. Zum einen die 1766 erbaute Orgel in Heilsberg, einem Ortsteil von Remda-Teichel. Dieses Instrument wird schon seit einigen Jahren mit großem Aufwand restauriert und wir können höchst gespannt auf dieses mit 17 Registern prachtvoll ausgestattete Instrument sein. Noch drei Register mehr umfasst die 1776 fertiggestellte Orgel in Ellichleben. Auch sie war viele Jahre durch Vandalismus in den 1960er Jahren und eingetretenes Regenwasser unspielbar. Der 2003 gegründete „Förderverein zur Erhaltung der Orgel in der Kirche Ellichleben e.V.“ sammelte in den Folgejahren mit Kreativität und bewundernswertem Enthusiasmus das notwendige Geld für die stilgerechte Restaurierung, die im Jahre 2010 von der Orgelbaufirma Schönefeld in Stadtilm abgeschlossen werden konnte.
Klangprächtig, verspielt, sensibel – diese und noch viele andere Attribute treffen auf das wunderbare Werk Johann Daniel Schulzes zu, das die Kirche in Ellichleben ziert und das seit der Restaurierung im Jahre 2010 auch zu gelegentlichen Konzerten erklingt. Das Instrument besitzt 20 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Manuale verfügen über einen Tonumfang bis zum d3 noch ohne das Cis. Im Hauptwerk finden wir folgende neun Stimmen: Bordun 16', Principal, Gedackt und Viola di Gamba 8', die Oktaven 4' und 2', eine Sesquialtera und eine insgesamt siebenfache Klangkrone, bestehend aus einer 4fachen Mixtur und einer 3fachen Cimpel. Das Oberwerk besitzt Lieblich Gedackt und Flautravers 8', Principal, Nachthorn und Fugari 4', eine Waldflöte 2' und ein Scharff 3fach. Das Pedal verfügt bereits über das Cis und ist nach oben bis zum c1 ausgebaut. Vier Register geben ein gehöriges Fundament, nämlich Subbaß, Violonbaß und Posaunenbaß 16' sowie ein Principalbaß 8'. Dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel, ein Tremulant und die auf dem Registerzug sogenannten Accordglocken. 

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Disposition:

Hauptwerk, CD-d3 Oberwerk, CD-d3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flautravers 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Principal 4' Principalbaß 8' Tremulant
Viola di Gamba 8' Nachthorn 4' Posaunenbaß 16' Accordglocken
Octave 4' Fugari 4'    
Octave 2' Waldflöte 2'    
Sesquialtera 2f. Scharff 3f.    
Mixtur 4f.      
Cimpel 3f.      

In Ellichleben gespielte Stücke:
Andreas Armsdorff (Zuschreibung): Der Herr ist mein getreuer Hirt >>>
Johann Bernhard Bach: Allein auf Gott setz dein Vertrauen >>>
Johann Bernhard Bach: Helft mit Gottes Güte preisen >>>
Johann Bernhard Bach: Wir glauben all an einen Gott >>>
Johann Ernst Bach: Fantasie und Fuge d-moll >>>
Ludwig van Beethoven: Fuge C-Dur >>>
Johann Friedrich Doles: Ich will mit Danken kommen >>>
Ehrenfried Christian Traugott Krebs: O Haupt voll Blut und Wunden >>>
Domenico Zipoli: Pastorale in C >>>



ERFURT
Ev. Kirche St. Michaelis




Erbauer: Ludwig Compenius (Erfurt) 1652, Rekonstruktion Wieland Rühle (Moritzburg) 1999-2000, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die Michaeliskirche in Erfurt gehört zur Evangelischen Stadtmission Erfurt und ist die Universitätskirche der Thüringischen Landeshauptstadt. Bereits um 1183 wurde am heutigen Standort eine Kirche gebaut. Damals lag die Kirche an der „Via regia“ neben dem jüdischen Viertel von Erfurt. Der untere Teil des Turmes stammt noch von dieser ersten Kirche. Zwischen 1278 und 1290 wurde dann ein gotischer Saal angebaut, der Kern der heutigen Kirche. Seit 1392 war die Michaeliskirche die Universitätskirche der Universität Erfurt. Die Lehrgebäude der Universität lagen ihr direkt gegenüber, darunter später das „Collegium Maius“. Martin Luther, der zwischen 1501 und 1505 in Erfurt studierte, besuchte regelmäßig die Messen in der Michaeliskirche und wurde auch vom damaligen Rektor der Universität, Weihbischof Johannes Bonemilch, zum Priester geweiht. Luthers Freund Johannes Lang, der Reformator Erfurts, predigte ab 1530 in der Michaeliskirche und wurde 1548 hier begraben. Mit der Schließung der Universität 1816 wurde die Michaeliskirche zur Gemeindekirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche stark beschädigt. Nach der Wiederherstellung wurde sie 1973 von der Evangelischen Stadtmission übernommen. Im Jahr 2002 wurde die Michaeliskirche wieder zur Universitätskirche ernannt, 2007 fand der erste Universitätsgottesdienst nach der Wiederernennung statt. Die Orgel der Michaeliskirche wurde 1652 von Ludwig Compenius errichtet. Ihr beeindruckender, reich verzierter Prospekt mit den bemalten Prospektpfeifen ist bis heute erhalten. Ihr Innenleben wurde freilich in den vergangenen 365 Jahren vielfach umgestaltet.
Ludwig Compenius, der 1652 die prachtvolle Orgel in der Erfurter Michaeliskirche erbaut hat, wurde 1602 in Halle in die berühmte Orgelbauerfamilie der „Cumpen“, die sich später Cumpenius oder Compenius schrieben, hineingeboren. Er war der Sohn von Heinrich Compenius dem Jüngeren und hatte noch drei Brüder, die ebenfalls das Orgelbauhandwerk in der väterlichen Werkstatt lernten. Nach dem Tod des Vaters 1631 übernahm sein älterer Bruder Johann Heinrich die väterliche Werkstatt und Ludwig Compenius errichtete daraufhin eine eigene Werkstatt in Naumburg. Nach ersten Arbeiten in Zeitz und Naumburg erhielt er den Auftrag, die von seinem Großvater erbaute Orgel in der Erfurter Predigerkirche zu erneuern und zu erweitern. Das prächtige Orgelgehäuse dort ist bis heute erhalten. Er läßt sich in Erfurt nieder und wirkt hier nicht nur als Orgelbauer, sondern er erhält die Berechtigung, Bier zu brauen und zu verkaufen und führte gemeinsam mit seiner Frau die „Gaststätte zum kleinen grünen Schild“ und ist bis zu seinem Tod 1671 außerdem als Organist tätig. Allem Anschein nach hat Ludwig Compenius die Orgel der im Dreißigjährigen Krieg völlig verarmten Michaelisgemeinde zum Geschenk gemacht, denn die minutiös geführten Rechnungsbücher erwähnen beispielsweise Kosten für Kerzen an der Orgel, aber den Orgelbau selbst überhaupt nicht. Es war dies allerdings ein sehr persönliches Geschenk und in dem überbordend reichen Zierwerk finden wir unter anderem auch den Orgelbauer selbst samt seiner Frau dargestellt. Johann Gottfried Walther erhielt an dieser Orgel seinen ersten Unterricht. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Orgel bereits erstmals umgebaut und 1896 errichtete die Fa. Rühlmann aus Merseburg eine komplett neue Orgel hinter dem historischen Gehäuse mit 30 Registern und pneumatischer Traktur. Nach den Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg wurde dieses Instrument dann zwar notdürftig instandgesetzt, konnte aber klanglich und technisch nicht mehr befriedigen. So entschloß man sich, die alte Compenius-Orgel in ihrer ursprünglichen Klanggestalt wiedererstehen zu lassen. Für die anspruchsvolle Aufgabe der Rekonstruktion, die in den Jahren 1999 bis 2000 durchgeführt wurde, konnte die Orgelbaufirma Wieland Rühle aus Moritzburg bei Dresden gewonnen werden.
Die von Wieland Rühle so trefflich rekonstruierte Orgel in der Erfurter Michaeliskirche gibt uns heute die seltene Gelegenheit, der Klang einer frühbarocken mitteldeutschen Orgel mitten in der Stadt nachzuempfinden. Dies ist umso bedeutender, da von Ludwig Compenius außer den beiden Orgelprospekten in der Michaelis- und in der Predigerkirche zu Erfurt sonst keine weiteren Orgeln oder Orgelteile erhalten sind. Das Instrument besitzt 15 Register auf zwei Manualen und Pedal. Auffallend ist die Disposition des Hauptwerks, das ebenso wie das Rückpositiv über einen Tonumfang vom C ohne das Cis bis zum f3 verfügt. Es handelt sich fast um ein reines Principalwerk mit dem Principal 8', den Oktaven 4' und 2' sowie der 3fachen Mixtur. Dazu kommt lediglich noch eine Rohrflöte 8'. Das Rückpositiv ist hingegen sehr farbenreich besetzt. Wir finden hier die Stimmen Gedackt 8', Principal und Rohrflöte 4', eine Oktave 2', eine Sesquialtera, sodann eine 2fache Cimbel und ein Krummhorn 8'. Das bis zum d1 ausgebaute Pedal besitzt Subbaß und Posaunenbaß 16' sowie den Oktavbaß 8'. Die Orgel steht im Chorton, rund einen halben Ton höher als heute üblich und bekam zudem eine mitteltönige Stimmung, die den Orgelwerken jener Zeit einen ganz besonders authentischen Charakter verleiht. Die Orgel in der Erfurter Michaeliskirche ist heute die einzige rekonstruierte Orgel des großen Ludwig Compenius und somit zu Recht Anziehungspunkt für Orgelfreunde aus nah und fern. 

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Disposition:

Hauptwerk, CD-f3 Oberwerk, CD-f3 Pedal, CD-d1  
Principal 8' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Rohrflöte 8' Principal 4' Octavbaß 8' Pedalkoppel
Octave 4' Rohrflöte 4' Posaunenbaß 16'  
Octave 2' Octave 2'    
Mixtur 3f. Sesquialtera 2f.    
  Cimbel 2f.    
  Krummhorn 8'    

In Erfurt, St. Michaelis gespielte Stücke:
Andreas Armsdorff: Allein zu dir, Herr Jesu Christ >>>
Johann Michael Bach: Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ >>>
Martin Düben: Partita "Erstanden ist der heilig Christ" >>>
Martin Düben: Praeludium in e >>>
Johann Effler: Praeludium in a >>>
Johann Effler: Praeludium in d >>>
Johann Effler: Toccata super Magnificat >>>



ERFURT
Kath. Kirche St. Martini




Erbauer: Adam Eifert (Stadtilm) 1874, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wegen seiner zahlreichen Kirchen und Klöster erhielt Erfurt im Mittelalter den Beinamen „Thüringisches Rom“. Heute gibt es in der Altstadt 22 Kirchen und fünf freistehende Kirchtürme ehemaliger Kirchenbauten. Darüber hinaus besitzt Erfurt in den anderen Stadtteilen acht und in den eingemeindeten Dörfern weitere 42 Kirchen, womit Erfurt heute in Summe über 77 historische Kirchengebäude verfügt. Das Wahrzeichen der Stadt ist natürlich das einzigartige Ensemble von Dom und Severikirche auf dem Domplatz. Im Westen der Altstadt im Brühl, der heutigen Brühlervorstand, steht in unmittelbarer Nähe der Oper und im Schatten des Domberges die katholische Martinikirche. Vermutlich schon im 11.Jahrhundert wurde der Vorgängerbau der heutigen Kirche errichtet, damals „extra muros“, der 1248 erstmals erwähnt wird. 1303 wurde diese Kirche dem nahegelegenen Zisterzienserinnenkloster übertragen. 1472 wurde die Martinikirche bei einem Brand zerstört, lediglich der Turm überstand dieses Unglück. In der Folgezeit wurde das Kirchenschiff wiederaufgebaut. Zwischen 1755 und 1758 wurde die Kirche mit Hilfe einer Stiftung des Weihbischofs Johann Friedrich von Lasser umfassend erneuert und in ihrem Inneren barock ausgestaltet. Diese barocke Neugestaltung ist in großen Teilen bis heute bewahrt. Das der Kirche an der Westseite angeschlossene ehemalige Martinskloster der Zisterzienserinnen ist ebenfalls gotischen Ursprungs und bekam 1726 bis 1736 seine heutige Gestalt. Nach der Säkularisation diente das Gebäude als preußische Kaserne. Später wurden die Gebäude mehrfach umgebaut und heute befinden sich in der ehemaligen Klosteranlage Wohnungen. Die heutige Orgel der Martinikirche entstand 1874 als Opus 1 des Orgelbauers Adam Eifert aus Stadtilm.
Adam Eifert wurde 1841 in Grebenau im hessischen Vogelsberg geboren. Sein Handwerk erlernte er bei dem Orgelbauer Friedrich Wilhelm Bernhard in Romrod bei Alsfeld. Seine Gesellen- und Wanderjahre führten Adam Eifert nach Barmen zur Firma Ibach & Söhne, sodann nach Riga, wo er in der Firma des Orgelbauers August Martin arbeitete und 1865 bis 1867 nach Stadtilm zu dortigen Orgelbauer Karl August Witzmann. Er heiratete 1867 die Tochter Witzmanns und wurde im selben Jahr Partner seines Schwiegervaters. 1871 übernahm er die Werkstatt, die in den folgenden rund 35 Jahren unter seiner Leitung zu einer der leistungsfähigsten und innovativsten Orgelbaufirmen in Mitteldeutschland heranreifte. Rund 140 Orgelwerke entstanden unter seiner Leitung zwischen 1871 und 1907 in Stadtilm. Der Großteil wurde nach Thüringen geliefert, doch etwa zwei Dutzend Instrumente fanden ihren Weg mittels Eisenbahn in Eiferts hessische Heimat, vor allem in den Vogelsberg. Eifert verwendete anfangs die mechanische Schleiflade, ab etwa 1880 die mechanische Kegellade und führte ab 1891 parallel die Röhrenpneumatik ein. Ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts kommt dann ausschließlich die pneumatische Traktur zum Einsatz. Da die Ehe von Adam Eifert kinderlos blieb, wurde sein 1870 geborener Neffe Johann Eifert sein Nachfolger, unter dem das Unternehmen bis 1936 als Adam Eifert und Nachfolger firmierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm der aus Schlesien vertriebene Orgelbauer Lothar Heinze die Werkstatt und 1967 wurde Karl-Heinz Schönefeld der Nachfolger Heinzes, unter dessen Sohn Dirk die Firma auch heute noch tätig ist. Die Orgel in der Martinikirche zu Erfurt hat Eifert als sein Opus 1 bezeichnet. Er verwendete hierbei wesentliche Teile des Pfeifenwerks der Vorgängerorgel, die 1843 von Ernst Siegfried Hesse aus Dachwig erbaut wurde.
Das bemerkenswerte Erstlingswerk von Adam Eifert ist noch ganz im klassischen Stil erbaut, mit mechanischen Schleifladen und einer seitlichen Spielanlage, wie sie in fast identischer Form auch sein Lehrmeister Wilhelm Bernhard gebaut hat – man vergleiche hier etwa die Bernhard-Orgel im mittelhessischen Beuern. 1885 wurde die Orgel durch Adam Eifert noch einmal leicht verändert. 1963 erfolgte eine sogenannte Aufhellung der Klanggestalt im Sinne der damaligen Neobarockwelle durch den Orgelbauer Paul Laubs aus Gispersleben. Diese allerdings nicht gravierenden Veränderungen wurden bei der Restaurierung der Orgel 1995 durch den Werkstattnachfolger Eiferts, die Firma Orgelbau Schönefeld, wieder rückgängig gemacht. Die Erfurter Martiniorgel besitzt 19 Register auf zwei Manualen und Pedal. Das bis zum f3 geführte Hauptwerk verfügt über die Stimmen Bordun 16', Principal, Viola di Gamba, Gedackt und Hohlflöte 8', Octave und Gedackt 4', eine Quinte 2 2/3', die Octave 2' und eine 4fache Mixtur. Das Oberwerk besitzt Lieblich Gedackt und Salicional 8', Geigenprincipal und Flauto dolce 4' sowie ein 2-3faches Cornett auf 2'-Basis. Im Pedal schließlich, mit einem Tonumfang bis zum c1, finden wir Subbaß und Violon 16', einen Oktavbaß 8' und eine Posaune 16' mit durchschlagenden Zungen. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Salicional 8' Violon 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Geigenprincipal 4' Octavbaß 8'  
Viola di Gamba 8' Flauto dolce 4' Posaune 16'  
Hohlflöte 8' Cornett 1-3f.    
Octave 4'      
Gedackt 4'      
Quinte 2 2/3'      
Octave 2'      
Mixtur 4f.      

In Erfurt, St. Martini gespielte Stücke:
Anton Bruckner: Nachspiel d-moll >>>
Anton Bruckner: Vorspiel d-moll >>>
Robert Führer: Pastorale D-Dur >>>
Robert Führer: Pastorale G-Dur >>>
Edvard Grieg: Mein erst Gefühl sei Preis und Dank >>>
Liszt, Franz: Agnus Dei (Verdi) >>>
Robert Schaab: Dir, dir, Jehovah, will ich singen >>>
Robert Schaab: Vom Himmel hoch, da komm ich her >>>
Robert Schaab: Wachet auf, ruft uns die Stimme >>>
Woldemar Voullaire: Großer Gott, wir loben dich >>>
Woldemar Voullaire: Harre, meine Seele >>>
Woldemar Voullaire: Herr und Ältster deiner Kreuzgemeinde >>>
Woldemar Voullaire: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>



FRIEDRICHSWERTH (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Gustav-Adolf-Kirche



Erbauer: Friedrich Knauf (Großtabarz) 1860, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Friedrichswerth ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha. Sie gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal. Der Ort- der bis 1685 übrigens „Erffa“ hieß – liegt am rechten Ufer der Nesse in einer fruchtbaren Talniederung, die nach Süden und Westen von kleinen Anhöhen umgeben ist und sich nach Nordwesten allmählich erweitert. Den größten Teil des Jahres weht der so genannte „Nessetalwind“, der, dem Laufe der Nesse folgend, von Ost nach West und umgekehrt seine Richtung einschlägt. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde der Ort erstmals als „villa Erphohi“ in einem Verzeichnis der Güter des vom Erzbischof Lullus von Mainz erbauten Klosters Hersfeld erwähnt, das Geschlecht der Herren von Erffa jedoch zuerst urkundlich 1170. Das Nessetal war im Mittelalter stärker vom Durchgangsverkehr betroffen als heute. Die hier sitzenden Adelsgeschlechter in Eberstädt, Sonneborn, Goldbach und Wangenheim hatten zum Teil schon im 13. Jahrhundert hohe Ämter am landgräflichen Hof erworben. 1677 kam Herzog Friedrich I. aus Gotha auf einem Ausflug in den Ort. Er gefiel ihm so gut, dass er den Erffas die bis dahin im Ort stehenden Wasserburg samt Grund und Boden abkaufte. Er ließ sie abreißen und an ihrer Stelle das barocke Schloss Friedrichswerth errichten, in dessen Südflügel entstand als Einbau im Erdgeschoss die Schlosskirche. Das barocke Schloss – 1689 vollendet – ist im Wesentlichen unverändert erhalten geblieben und bis heute die Hauptsehenswürdigkeit in Friedrichswerth – allerdings nur von außen, denn es steht seit rund 15 Jahren leer und wird nicht genutzt. Die neben dem Schloß stehende Gustav-Adolf-Kirche wurde im neugotischen Baustil 1855 bis 1860 errichtet und von einem kinderlosen Ehepaar, dem damaligen Domänenrat Eduard von Hagen und seiner Frau Wilhelmine gestiftet. Die Kirche besitzt eine repräsentative und auch optisch sehr schöne Orgel aus der Werkstatt von Friedrich Knauf aus Tabarz bei Gotha.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18. Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Er wurde 1762 geboren und starb 1847. Seine beiden Söhne Friedrich und Gottlieb erlernten ihr Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. Während der jüngere, 1810 geborene Gottlieb Knauf später seine Werkstatt ins Eichsfeld, nach Bleicherode verlegte, übernahm der 1802 geborene Friedrich Knauf nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt in Großtabarz. Sein Sohn Guido Knauf trat später in die Familienwerkstatt ein und arbeitete ab Mitte der 1860er Jahre mit dem Vater zusammen, der aber bis zu seinem Tod mit 81 Jahren 1883 mitarbeiten konnte. Unter der Ägide von Friedrich Knauf entwickelte sich die Firma Knauf zu einer der produktivsten Orgelbauwerkstätten zwischen Thüringer Wald und Harz. Die erste selbstständige Arbeit Friedrich Knaufs ist die 1833 aufgestellte Orgel in Klettenberg, Landkreis Nordhausen. 1840 errichtete Knauf in der Servatiuskirche zu Duderstadt sein größtes Instrument mit 42 Registern auf drei Manualen und Pedal. Beide genannten Orgeln sind nicht erhalten. Bis etwa 1840 baute Friedrich Knauf die Spieltraktur über die überlieferte Weise mit Wellenbrettern und Wellenrahmen. Ab diesem Zeitpunkt macht sich der Einfluß von Johann Friedrich Schulze bemerkbar, dessen bahnbrechende Erfindungen Knauf vermutlich beim Weiterbau der von Schulze begonnenen, aber nicht vollendeten Orgel in Warza bei Gotha kennengelernt hat, die ebenfalls in dieser Reihe noch vorgestellt werden wird. So verfügen ab dann alle Knauf'schen Orgeln über seitliche Manubrien, Strahlentraktur und chromatische Laden, da Kreuzungen der teilweise meterlangen Trakturelemente umständlich wären. Die Tasten sind einarmige Hebel, das Obermanual hat somit hängende Traktur, das Untermanual Stechermechanik. So ist auch die Orgel in Friedrichswerth gebaut.
Die Orgel in Friedrichswerth besitzt einen prachtvollen, neugotischen Prospekt. Sein Abbild ziert sogar - trotz der großen Konkurrenz - die Titelseite von Hartmut Haupts Buch „Orgeln in Nord- und Westthüringen“ von 1998. Seit ihrer Erbauung 1860 hat das Instrument die Zeitläufe ohne Veränderungen, aber bis heute auch ohne grundlegende Restaurierung überstanden. Dem repräsentativen Äußeren steht darum derzeit leider eine nur eingeschränkte Spielbarkeit entgegen. 2011 wurden erste Maßnahmen zur Sicherung der Substanz eingeleitet und Hauptwerk und Pedal wieder spielbar gemacht. Die Orgel besitzt insgesamt 28 Register auf 2 Manualen und Pedal. Das Hauptwerk besitzt einen vollen Prinzipalchor auf 16'-Basis, der über 8' und 4' nach oben geführt wird. Schattiert wird er von Bordun 16', Hohlflöte, Gedackt und Gamba 8' sowie einer Hohlflöte 4'. Die Quinte 3' und die Oktave 2' sind in einem Registerzug zusammengefaßt. Die Klangkrone besteht aus einer Mixtur major auf 2'-Basis, einer Mixtur minor auf 1'-Basis und einem 3fachen Cornett. Das derzeit leider nicht spielbare Oberwerk besitzt große Farbigkeit: Lieblich Gedackt 16', Geigenprincipal, Flauto traverso, Lieblich Gedackt und Salicional 8', Octave, Gedackt und Flauto dolce 4', eine Quinte 3' und eine Oktave 2'. Das mit einer konkav gebogenen, nach außen ansteigenden Klaviatur ausgestattete Pedal besitzt Principal, Subbaß, Violon und Posaune 16' – diese ist mit durchschlagenden Zungen versehen - sowie Octav- und Gedacktbaß 8'. Das Notenpult in der Spielnische hat zusätzlich eingepaßte, innen zusammenlaufende Seitenbretter. Seine schräge Rückwand erhält dadurch eine Trapezform. Diese von Knauf mehrfach gebaute Eigentümlichkeit ist allerdings ebenso aufwendig wie eigentlich nutzlos. Friedrich Knauf hat sie schon von seinem Vater übernommen. Die schöne, neugotische Gustav-Adolf-Kirche in Friedrichswerth besitzt mit ihrer großen Knauf-Orgel ein nahezu im Originalzustand bewahrtes und darum wichtiges Instrument der Thüringer Orgellandschaft des 19. Jahrhunderts. Hoffen wir, dass sie irgendwann wieder komplett spielbar gemacht und im Idealfall sogar denkmalgerecht restauriert wird. Bis vor einigen Jahren standen Knauf-Instrumente und überhaupt Orgeln des 19. Jahrhunderts auf der orgelbaulichen „Abschußliste“. Heute zeugt glücklicherweise eine steigende Zahl von gelungenen Restaurierungen – etwa in Elters, Ingersleben, Oesterbehringen, Apfelstädt, Winterstein und Geisa davon, dass man diese Instrumente heutzutage wieder zu schätzen weiß. Das Urteil des berühmten Weimarer Hoforganisten Alexander Wilhelm Gottschalg kam ja sicher nicht ungefähr, der mehrere Knauf-Orgeln als „gut, vortrefflich und wunderschön geraten“ bezeichnete. 


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Disposition:
 

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 16' Lieblich Gedackt 16' Principal 16' Manualkoppel
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Violon 16'  
Hohlflöte 8' Lieblich Gedackt 8' Octavbaß 8'  
Gedackt 8' Salicional 8' Gedacktbaß 8'  
Gamba 8' Octave 4' Posaune 16'  
Octave 4' Gedackt 4'    
Hohlflöte 4' Flauto dolce 4'    
Quinte-Octave 3' + 2' Quinte 3'    
Cornett 3f. Octave 2'    
Mixtur major 2'      
Mixtur minor 1'      


In Friedrichswerth gespielte Stücke:
Michael Henkel: Allegro D-Dur >>>
Michael Henkel: Andante d-moll >>>
Michael Henkel: Largo c-moll >>>
Michael Henkel: Versett c-moll >>>
Michael Henkel: Versett E-Dur >>>
Michael Henkel: Versett g-moll >>>
Michael Henkel: 5 Versetten Es-Dur >>>



FRIEMAR (Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Viti




Erbauer: Johann Valentin Knauf (Großtabarz) 1830, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Friemar ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha. Sie gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue. Friemar liegt in einer flachen Senke zwischen dem zu Tüttleben gehörenden Lindwurmsberg im Süden und den sanft ansteigenden Hügeln in Richtung der Fahner Höhen im Norden. Durch das Gemeindegebiet fließt die Nesse, aus Pferdingsleben im Südosten kommend und nach Nordwesten in Richtung Molschleben die Gemarkung verlassend. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts hieß der Ort Fretmaren. In einem Verzeichnis der von Erzbischof Lullus von Mainz für das Kloster Hersfeld von Freien verliehenen Güter wird er erstmals urkundlich als Friomare erwähnt. In einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 874 wird „Friemmari“ nebst anderen 116 Orten in Thüringen als dem Stift Fulda zehntpflichtig erwähnt. Erzbischof Liutbert zu Mainz als auch Abt Sigehard von Fulda machten das Recht der Zehnterhebung für sich geltend. Den Streit darüber entschied König Ludwig der Deutsche am Hofe zu Ingelheim zu Gunsten der Abtei Fulda. Der Ortsname bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf das den Ort umgebende Gelände. Das Grundwort „-mar“ weist auf feuchten, sumpfigen Boden hin, das Bestimmungswort „Fri“ ist jedoch etymologisch außerordentlich schwierig und in der namenkundlichen Diskussion umstritten. Der Ort hat heute etwa 1.050 Einwohnerinnen und Einwohner. In der Dorfmitte liegt die 1780 nach einem großen Brand erbaute St.-Veit-Kirche, deren Schmuckstück die 1830 vom Tabarzer Orgelbauer Johann Valentin Knauf gebaute Orgel bildet.
Der 7,30 Meter breite, prachtvolle Orgelprospekt in Friemar steht raumbeherrschend auf der zweiten Empore über dem Altar. Ihr Schöpfer ist Johann Valentin Knauf, Stammvater der über drei Generationen prägend wirkenden Orgelbauerfamilie Knauf in Großtabarz, später in Gotha. Johann Valentin Knauf wurde 1762 geboren und besaß das Orgelbauprivileg in seiner Heimat seit 1789. 1794 bis 1797 führte er eine umfangreiche Reparatur an der berühmten Trost-Orgel in Walteshausen durch, an der er auch später mehrfach arbeitete. Über seine Ausbildung allerdings ist nichts Sicheres bekannt, doch ist eine Lehre bei Johann Michael Hesse in Dachwig zu vermuten. Zeitweise, bei einem Orgelprojekt für Wölfis, arbeitete Valentin Knauf auch mit dessen Sohn Ernst Ludwig Hesse als Kompagnon zusammen. Valentin Knaufs Söhne Friedrich und Gottlieb Knauf erlernten ihr Handwerk in der väterlichen Werkstatt und haben sicher auch an der Orgel für Friemar mitgearbeitet. Die beiden größten der insgesamt etwa zwölf von Valentin Knauf verfertigten Orgeln sind die Instrumente in Apfelstädt und Friemar mit jeweils 31 Registern auf zwei Manualen und Pedal, wobei in Apfelstädt bereits Friedrich Knauf maßgeblich mitgewirkt hat. Ab etwa 1835 führte er die Geschäfte in der Großtabarzer Werkstatt und Valentin Knauf tritt bis zu seinem Tode 1847 nicht mehr selbstständig in Erscheinung. Der jüngere Sohn Gottlieb Knauf gründet Anfang der 1840er eine eigene Werkstatt in Bleicherode im Eichsfeld. Friedrich Knauf wirkt fortan in Großtabarz als produktiver und Neuerungen aufgeschlossener Orgelbauer, dessen Oeuvre bis zur Übergabe an die dritte Generation in Person von Guido Knauf um 1870 etwa 70 Neubauten umfasste. Der Orgelprospekt in Friemar hat 15 Achsen, was Valentin Knauf zu einer recht umständlichen Trakturführung gezwungen hat. Und auch das Problem mit der Windversorgung scheint wohl mehr oder weniger von Anfang an bestanden zu haben.
Die Valentin-Knauf-Orgel in Friemar ist mit 31 Registern reich disponiert und im Prinzip bis heute unverändert erhalten. Eine Restaurierung 1999 durch Orgelbaumeister Herbert Löbling aus Zimmernsupra konnte zwar die bestehende Substanz sichern, allerdings das Problem der nicht hinreichenden Windversorgung nicht lösen. Dadurch klingen die einzelnen Register oftmals weniger charaktervoll, als sie von ihrem Erbauer gedacht sein mögen. Und dem Plenum fehlt derzeit durch den mangelnden Wind die Kraft und Brillanz, die man aufgrund der Disposition eigentlich erwartet. Das Hauptwerk, durchgeführt vom Ton C bis zum f3, besitzt 12 Register. Den klassischen Prinzipalchor von 8' bis 2' nebst Quinte 3', grundiert von einem fülligen Bordun 16' und fein differenziert durch Gedackt, Hohfllöte, Gemshorn und Viola di Gamba 8' und einer Hohlflöte 4'. Die Klangkrone bilden eine 3fache Mixtur und eine 3fache Zimbel. Das sehr farbig angelegte Oberwerk besitzt 10 Register, nämlich Geigenprincipal, Salicional, Lieblich Gedact, Flauto travers und Flaut Double 8', Principal 4' und Octave 2' sowie Sesquialter, eine 3fache Mixtur und ein 4faches, sehr charakteristisches Cornett. Das Pedal enthält fünf eigene Register, nämlich Principal, Subbaß, Violonbaß und Posaune 16' sowie einen Principalbaß 8'. Dazu kommen noch vier Transmissionsregister aus dem Hauptwerk, nämlich Hohlflötenbaß und Gemshornbaß 8', der Hohlflötenbaß 4' und die Superoctave 2'. Ähnliche Transmissionsregister finden wir bei größeren Orgeln der Familie Hesse, etwa bei der einige Jahre zuvor entstandenen Orgel in Seebergen, die ebenfalls in dieser Reihe noch vorgestellt werden wird. Die Orgel in Friemar besitzt für jedes Werk die in Thüringen zu jener Zeit üblichen Sperrventile, dazu zwei Koppeln und einen Tremulanten. Es wäre sehr zu wünschen, wenn die Valentin-Knauf-Orgel in Friemar mittelfristig nochmals eine Restaurierung erführe, die die bestehenden Probleme gezielt angeht. Die reiche Thüringer Orgellandschaft würde damit ein bedeutendes, ja herausragendes Instrument der frühen Romantik in voller Klangpracht zurückerhalten. 


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Disposition:

 

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Principal 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Salicional 8' Violonbaß 16' Tremulant
Hohlflöte 8' Flauto travers 8' Principalbaß 8'  
Gemshorn 8' Flaut Double 8' Hohlflötenbaß 8' (Tr.)  
Viola di Gamba 8' Principal 4' Gemshornbaß 8' (Tr.)  
Octave 4' Octave 2' Hohlflötenbaß 4' (Tr.)  
Hohlflöte 4' Sesquialter 2f. Superoctave 2' (Tr.)  
Quinta 3' Cornett 4f. Posaune 16'  
Octave 2' Mixtur 3f.    
Mixtur 4f.      
Cymbel 3f.      


In Friemar gespielte Stücke:
Johann Ludwig Böhner: Freu dich sehr, o meine Seele >>>
Johann Ludwig Böhner: Fuga C-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Fuga F-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Jesus, meine Zuversicht >>>
Johann Ludwig Böhner: Nachspiel und Fughette C-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium d-moll >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium g-moll >>>
Johann Ludwig Böhner: Sortie C-Dur >>>



GANGLOFFSÖMMERN (Verwaltungsgemeinschaft Straußfurt, Landkreis Sömmerda)
Ev. Kirche St. Gangolf




Erbauer: Oskar Ladegast (als Friedrich Ladegast & Sohn, Weißenfels) 1896, Kegelladen, pneumatische Spiel- und mechanische Registertraktur

(Text folgt)

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Disposition:
 

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Flöte 8' Flaut travers 8' Violon 16' Pedalkoppel
Doppelflöte 8' Gambe 8' Principalbaß 8'  
Viola 8' Salicional 4'    
Principal 4'      
Flöte minor 4'      
Doublette 3' + 2'      
Mixtur 3-4f.      


In Gangloffsömmern gespielte Stücke:
Richard Bartmuß: Herzlich tut mich verlangen >>>
Robert Frenzel: Es kostet viel, ein Christ zu sein >>>
Paul Gebauer: Meinen Jesum laß ich nicht >>>
Paul Gebauer: Weihnachts-Vorspiel >>>
Carl Christian Kegel: Vorspiel Es-Dur >>>
Linus Landmann: Wie nach einer Wasserquelle >>>
Otto Model: Womit soll ich dich wohl loben >>>
Max Möhring: Zion klagt mit Angst und Schmerzen >>>
Franziskus Nagler: Alle Menschen müssen sterben >>>
Franziskus Nagler: Werde Licht, du Stadt der Heiden >>>
Martin Voigt: Befiehl du deine Wege >>>
Emil Weidenhagen: Christ ist erstanden >>>



GIERSTÄDT (Verwaltungsgemeinschaft Fahner Höhe, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Bonifatius



 
Erbauer: Friedrich Knauf (Großtabarz) 1846, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Gierstädt ist eine Gemeinde im Landkreis Gotha in Thüringen. Sie gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Fahner Höhe. Gierstädt war zusammen mit Burgtonna Teil der Südgrenze des Altgaues Kaiser Karls des Großen. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes finden wir bereits im Jahre 775. 1412 wurde den Herren von Seebach das Mitlehen an den beiden Fahner Dörfern und Gierstädt gegeben und Ab 1640 war der Ort Teil der Herrschaft Fahner unter der Landesoberhoheit des Herzogtums Sachsen-Gotha bzw. Sachsen-Gotha-Altenburg. Ab 1791 blühte der Obstanbau in der Region auf. Die Fahnersche Höhe wurde der „Obstgarten Thüringens“ und die Fahner Obst e.G., in Gierstädt ansässig, ist heute noch der größte Arbeitgeber des Ortes, in dem 815 Einwohnerinnen und Einwohner leben. Reizvoll in die Landschaft eingebettet, grüßt vom Waldrand oberhalb des Dorfes die St. Bonifatius-Kirche. Sie ist eine der schönsten und interessantesten Dorfkirchen der Umgebung. Erbaut 1844 bis 1846, vereint sie Stilelemente der englischen und deutschen Neugotik sowie der italienischen Renaissance in sich. Die Pläne stammten von dem Gothaer Hofbaurat Gustav Eberhard. Nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrem Inneren ist die Kirche im Originalzustand von 1846 erhalten. Die beiden gusseisernen Öfen seitlich des Altars sind allerdings heute außer Betrieb. 1846 erhielt die neu erbaute Kirche eine Orgel aus der Werkstatt von friedrich Knauf aus Großtabarz.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18.Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Seine beiden Söhne Friedrich und Gottlieb erlernten ihr Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. Während der jüngere, 1810 geborene Gottlieb Knauf später seine Werkstatt nach Bleicherode verlegte, übernahm der 1802 geborene Friedrich Knauf nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt in Großtabarz. Friedrichs Sohn Guido Knauf trat später in die Familienwerkstatt ein und arbeitete ab Mitte der 1850er Jahre mit dem Vater zusammen, der aber bis zu seinem Tod mit 81 Jahren 1883 mitarbeiten konnte. Unter der Ägide von Friedrich Knauf entwickelte sich die Firma Knauf zu einer der produktivsten Orgelbauwerkstätten zwischen Thüringer Wald und Harz. Die erste selbstständige Arbeit Friedrich Knaufs ist die 1833 aufgestellte Orgel in Klettenberg, Landkreis Nordhausen. 1840 errichtete Knauf in der Servatiuskirche zu Duderstadt sein größtes Instrument mit 42 Registern auf drei Manualen und Pedal. Beide genannten Orgeln sind nicht erhalten. Bis etwa 1840 baute Friedrich Knauf die Spieltraktur auf die überlieferte Weise mit Wellenbrettern und Wellenrahmen. Ab diesem Zeitpunkt macht sich der Einfluß von Johann Friedrich Schulze bemerkbar, dessen bahnbrechende Erfindungen Knauf vermutlich beim Weiterbau der von Schulze begonnenen, aber nicht vollendeten Orgel in Warza bei Gotha kennengelernt hat. So verfügen ab diesem Zeitpunkt die Knaufschen Orgeln über Strahlentraktur und chromatische Laden. Die 1846 vollendete Orgel in Gierstädt mit 25 Registern auf zwei Manualen und Pedal weist eine Besonderheit auf. Über der Klaviatur hat sich Friedrich Knauf mit seinem Namen in feiner Intarsienarbeit verewigt. Eine solche Signatur findet sich an keiner anderen Orgel von Friedrich Knauf. Auch insgesamt ist die Orgel ein wahres Schmuckstück, dem besonderen Stil der Gierstädter Kirche angepaßt. Sie ist bis heute im Prinzip unverändert erhalten geblieben. Lediglich die Prospektpfeifen mußten im Ersten Weltkrieg, wie überall, abgeliefert werden. Seitdem sind die entstandenen Lücken im Prospekt mit dunkelgrünem Stoff verhängt.
Die bemerkenswerte, 1846 vollendete Orgel von Friedrich Knauf in der Dorfkirche zu Gierstädt ist mit 25 Registern auf zwei Manualen und Pedal klangvoll und prächtig disponiert. Die Manuale haben einen Umfang vom Ton C bis zum f3. Das Hauptwerk besitzt 10 Register, hier zunächst den klassischen Prinzipalchor, aufgebaut auf dem Principal 8' mit seinen Oktaven 4' und 2' nebst einer Quinta 3'. Dazu gesellen sich die Stimmen Bordun 16', Hohlflöte, Gedackt und Gambe 8', eine Hohlflöte 4' und als Klangkrone eine 4fache Mixtur. Auch das Oberwerk besitzt 10 Register, die feinste Farbschattierungen ermöglichen. Neben einem Lieblich Gedackt 16' finden wir hier Geigenprincipal, Flauto traverso, Lieblich Gedackt, Fugara und Salicional 8', Octave und Fugara 4', eine Oktave 2' und auch hier eine Klangkrone, nämlich eine 3fache Mixtur. Das Pedal, das bis zum d1 geführt ist, verfügt über Prinzipalbaß, Subbaß und Violonbaß 16' sowie Oktavbaß und Violoncello 8'. Die in hohem Maße denkmalwürdige Orgel in Gierstädt befindet sich derzeit leider in einem allenfalls mittelmäßigen Zustand. Doch stehen vor der sicher wünschenswerten Restaurierung der Orgel noch wichtigere, bestandserhaltende Maßnahmen an und in dem Gierstädter Gotteshaus an. Als so gut wie unverändertes Instrument aus der Glanzzeit der Familie Knauf nimmt die Orgel in Gierstädt aber auch schon jetzt einen wichtigen Platz in der reichen Orgellandschaft Thüringens ein. 




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Disposition:
 

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Lieblich Gedackt 8' Violonbaß 16'  
Hohlflöte 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8'  
Gambe 8' Salicional 8' Violoncello 8'  
Octave 4' Fugara 8'    
Hohlflöte 4' Octave 4'    
Quinte 3' Fugara 4'    
Octave 2' Octave 2'    
Mixtur 4f. Mixtur 3f.    


In Gierstädt gespielte Stücke:
August Reinbrecht: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>>
August Reinbrecht: Dir, dir, Jehovah, will ich singen >>>
August Reinbrecht: Welt ade, ich bin dein müde >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio Es-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio g-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Fröhlich soll mein Herze springen >>>
Christian Heinrich Rinck: Heilig ist Gott der Vater >>>
Christian Heinrich Rinck: Nun singet und seid froh >>>
Christian Heinrich Rinck: O Jesu Christ, dein Kripplein ist >>>
Christian Heinrich Rinck: Wir Christenleut I & II >>>
Christian Friedrich Rudolph: Maestoso e-moll >>>
Christian Friedrich Rudolph: Maestoso h-moll >>>
Robert Schaab: Christus, der ist mein Leben >>>
Robert Schaab: O Gott, du frommer Gott >>>
Robert Schaab: Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen >>>
H. W. Tauscher: Moderato g-moll >>>



GOLDBACH (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Peter




Erbauer: Johann Valentin Knauf (Großtabarz) in Arbeitsgemeinschaft mit Ernst Ludwig Hesse (Dachwig) 1816, Umbau Guido Knauf (Gotha) 1871, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Goldbach ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha. Sie gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal. Der Ort liegt nordwestlich von Gotha in Richtung Bad Langensalza im Ackerbaugebiet um Gotha und hat heute rund 1.700 Einwohnerinnen und Einwohner. Das Dorf Goldbach wurde zwischen 780 und 802 erstmals urkundlich genannt. Der Ritter Hellwig von Goldbach gehörte ab 1247 dem Gefolge der Landgräfin Beatrix, Gemahlin Heinrichs Raspes, an. Der Ort im Amt Gotha gehörte ab 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha, ab 1672 zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und ab 1826 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. Seit 1920 liegt der Ort im Land Thüringen. Ein großer Sohn Goldbachs war der 1830 geborene Karl Kehr, der den Ehrentitel „Vater der deutschen Volksschule" erhielt. Und auch Georg Böhm, 1660 in Hohenkirchen geboren und später als Organist an St. Johannis in Lüneburg berühmt, besuchte ab 1675 die Lateinschule in Goldbach. In der Ortsmitte steht die evangelische Pfarrkirche, St. Peter. Sie wurde 1518 im spätgotischen Baustil begonnen, das Hauptportal befindet sich auf der Südseite. Der Turm verfügt über sechs Geschosse, im Inneren sind im Erdgeschoß noch die Kreuzrippengewölbe vorhanden. Zum Inventar gehören ein Opferstock und ein bemalter Taufstein aus dem 16. Jahrhundert. Die Orgel entstand nach neuesten Erkenntnissen 1816 als Gemeinschaftswerk der Orgelbauer Hesse und Knauf. 1870 bis 1871 wurde das Instrument klanglich weitgehend erneuert durch Guido Knauf aus Gotha. Seither, also seit über 140 Jahren, hat die Orgel die Zeiten nahezu unverändert überstanden.
Die Orgelbauerfamilie Hesse und ihre Werke waren lange Zeit der Vergessenheit anheimgefallen. Dabei wurde ihnen zu Lebzeiten höchste Wertschätzung entgegengebracht. So lesen wir etwa in dem 1815 erschienenen Buch „Anleitung zur Kenntnis, Beurteilung und Erhaltung der Orgeln“ über die Hesse-Orgeln: „Sie sind mehr als Meisterwerke, sie sind vollenedete Kunstprodukte eines Genies.“ Verfasser dieses Werkes war Johann Christian Wolfram, Organist und Schulmeister im Goldbach. Was liegt also näher als anzunehmen, dass auch er selbst über ein solches Instrument verfügen wollte und dafür sorgte, dass die Dachwiger Werkstatt beauftragt wurde? Stammvater der Familie war Johann Michael Hesse, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt. Nachdem Ernst Ludwig Hesse 1823 beim Bau einer Orgel in Brüheim auf tragische Weise ums Leben kam, vollendete dessen 1798 geborener Sohn Ernst Siegfried das Werk und war zusammen mit seinem Onkel Georg Andreas künftig verantwortlich in ihrem Familienbetrieb tätig. Die Zuschreibung an die Firma Hesse erfolgte in der Vergangenheit vor allem über den typischen Prospekt, der sich in ganz ähnlicher Form bei den Hesse-Orgeln in Brüheim, Hörselgau und Wahlwinkel findet – alles Instrumente in der Nähe, die zwischen 1815 und 1830 entstanden sind. Durch die intensive Forschungsarbeit des jungen Kirchenmusikers Chris Rodrian kam nun ans Licht, dass für den geplanten Orgelneubau in Goldbach zunächst ein Vertrag mit dem Orgelbauer Johann Valentin Knauf aus Großtabarz geschlossen wurde. Auf Betreiben Wolframs wurde jedoch der Vertrag erweitert und die Hesse-Werkstatt hinzugezogen, so dass bei der Fertigstellung 1816 von „den beiden Orgelbauern Knauf und Hesse“ die Rede war. Hier in Goldbach steht also das einzige erhaltene Zeugnis der zeitweise engen Zusammenarbeit der Firmen Hesse und Knauf in jenen Jahren, die wohl kurz nach dem Tod von Johann Michael Hesse 1810 begann und sich bisher nur durch ein gemeinsam abgegebenes Angebot 1815 für die Orgel in Wölfis belegen ließ, das beide Orgelbauer als „Compagnons“ unterzeichneten. 1871 erneuerte Guido Knauf, Vertreter der dritten Generation der berühmten Orgelbauerfamilie Knauf aus Tabarz, später Gotha, das Instrument von Grund auf. Es mag zunächst ungewöhnlich erscheinen, dass schon rund 40 Jahre nach der Erbauung der Goldbacher Orgel ein so grundlegender Umbau stattgefunden haben soll. Und doch ist dies kein Einzelfall, denn man muß sich vor Augen halten, die Klangvorstellungen hatten sich in der Zwischenzeit grundlegend gewandelt. Guido Knauf hat vielfach die klanglich noch dem späten Barock verpflichteten Instrumente seiner Heimat mehr oder weniger stark umgebaut und der damaligen, hochromantischen Klangästhetik angepasst. Denken wir an den Umbau der Ratzmann-Orgel von 1814 in der Trinitatiskirche zu Ohrdruf, oder in unmittelbarer Nachbarschaft an den Umbau der erst 1836 erbauten Ratzmann-Orgel in Ballstädt.
Die Hesse-/Knauf-Orgel in Goldbach hat 21 Register auf 2 Manualen und Pedal. Im Hauptwerk finden wir den klassischen Prinzipalchor, aufbauend auf den Principal 8' über die Oktaven 4' und 2' nebst Quinte 3', dazu die sanften Stimmen Bordun 16', Bordun 8' und Gamba 8'. Eine 3fache Mixtur bildet die Klangkrone, ein 3faches Cornett gibt dem Plenum Profil und Farbe. Das Oberwerk besitzt ebenfalls ein 16'-Fundament und zwar ein Gedackt 16'. Die Palette der 8'-Register im Oberwerk ist fein schattiert mit Geigenprincipal, Flauto traverso, Salicional und Lieblich Gedackt, dazu kommen ein Gemshorn und ein Flauto dolce 4'. Typisch für Guido Knauf ist das Register Quinte-Octave 2 2/3' und 2', mit dem diese beiden Pfeifenreihen gemeinsam gezogen werden können. Das Pedal verfügt über Subbaß und Violon 16' sowie Octav- und Cellobaß 8'. So reich und farbig diese Disposition ist – derzeit ist von der zu erwartenden Klangpracht nur wenig zu spüren. Die Goldbacher Orgel wird leider seit vielen Jahren nicht mehr gespielt. Als man vor rund 10 Jahren eine elektronische Ersatzorgel in der Kirche aufstellte, wurden die Lautsprecher sogar in das Orgelgehäuse montiert und dafür einige Pfeifen ausgebaut. Die Pfarrkirche St. Peter in Goldbach wird seit Jahren Stück für Stück saniert und restauriert. Derzeit sind die sehr bemerkenswerten Emporen mit ihrer außergewöhnlichen Bemalung an der Reihe. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis man sich nach Abschluß der anderen Arbeiten auch der Wiederherstellung der historischen Orgel in Goldbach widmen kann. Und so wird die historische Hesse-/Knauf-Orgel noch eine Weile ihren Dornröschenschlaf fortsetzen müssen. 




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Disposition:
 

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Gedackt 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Violon 16' Pedalkoppel
Bordun 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8'  
Gambe 8' Lieblich Gedackt 8' Cellobaß 8'  
Octave 4' Salicional 8'    
Quinte 3' Gemshorn 4'    
Octave 2' Flauto dolce 4'    
Cornett 3f. Quinte-Octave 2 2/3' + 2'    
Mixtur 3f.      


In Goldbach gespielte Stücke:
Michael Henkel: Fughetta Es-Dur >>>
Michael Henkel: Un poco Allegro Es-Dur >>>
Michael Henkel: Versett Es-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Moderato d-moll >>>
Wilhelm Volckmar: Nachspiel F-Dur >>>
 



GRÄFENHAIN (Erfüllende Gemeinde Ohrdruf, Landkreis Gotha)
Ev. Trinitatiskirche



Erbauer: Johann Christoph Thielemann (Gotha) 1728-1731, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Gräfenhain ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha. Erfüllende Gemeinde ist Ohrdruf. Der Ort mit seinen heute 1.400 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt als Waldhufendorf in 450 bis 500 Meter Höhe am Fuße des Thüringer Waldes. Die umliegenden Höhenzüge haben teilweise Höhen von über 700 Metern. Der Ort entstand im 11. oder 12. Jahrhundert als Rodungssiedlung. Erstmals erwähnt wurde der Ort im Jahr 1230 anlässlich des Verkaufs eines Besitzanteils der Grafen von Gleichen an das Kloster Georgenthal. Die Einwohner waren einst zumeist in der Forstwirtschaft tätig, später auch in der Keramik- und Puppenherstellung. Nach der Auflösung des Klosters Georgenthal gehörte der Ort ab 1531 zum Amt Georgenthal, welches wiederum seit 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha gehörte. 1869 entstand am Ort die Porzellanfabrik Halbig, die mit 200 Arbeitsplätzen lange Zeit größter Arbeitgeber am Ort war. Für die Evangelische Trinitatiskirche des Ortes legte Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg 1727 persönlich den Grundstein. In der Folgezeit wurde die Kirche qualitätsvoll ausgestattet durch den Gothaer Bildhauer Graff, den Hofmaler Georg Conrad Dörffling, der den bemerkenswerten Kanzelaltar schuf, sowie den Arnstädter Hofmaler Gottfried Wunderlich. Die Orgel, deren Orgelprospekt von Georg Conrad Dörffling geschaffen wurde, stammt aus der Werkstatt des Gothaer Hoforgelbauers Johann Christoph Thielemann und wurde nach dreijähriger Bauzeit 1731 eingeweiht. Sie zählt heute zu den bedeutendsten Barockorgeln der Bachzeit in Thüringen.
Johann Christoph Thielemann, der Erbauer der Orgel in Gräfenhain, wurde 1682 geboren. Als Geburtsort wird "Wiegmar" angegeben – es könnte sich hierbei um Wechmar handeln, Wechmar im Landkreis Gotha, aber das ist nicht sicher. Jedenfalls erlernte Johann Christoph Thielemannn sein Orgelbauhandwerk bei Christoph Donat oder Donati dem Älteren. Er ist ab 1710 mit selbstständigen Orgelbauen nachweisbar, ein Orgelbau für Boilstädt mit 5 Registern „nebst Cymbelstern“, wie es in den Akten heißt. Es folgten weitere, meist kleinere Arbeiten und 1728 bis 1731 die Orgel in Gräfenhain mit 22 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Knapp zehn Jahre später erstellte Thielemann eine im Klangaufbau mit dem Gräfenhainer Werk identische Orgel für die Kirche in Wölfis. In der Zwischenzeit, 1735, hatte Johann Christoph Thielemann das Gothaische Hoforgelmacher-Privileg erlangt. Sein 1750 begonnenes Instrument für Rehestädt konnte Thielemann nicht mehr vollenden; dies besorgte sein Schüler Johann Stephan Schmaltz. 1755 verstarb Johann Christoph Thielemann. Von drei Instrumenten sind Fragmente erhalten, in Grabsleben, Wölfis und im Schloß Tenneberg in Waltershausen. Dort, im Schloß Tenneberg, läuft seit einiger Zeit die Rekonstruktion der Thielemann-Orgel, von der nur der Prospekt die Zeiten überdauert hat. Das Instrument in der Trinitatiskirche zu Gräfenhain ist das einzige Instrument, das von Thielemann weitgehend im Originalzustand erhalten ist. Bereits in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die besondere Bedeutung des Instruments erkannt und nach der Wende ging man engagiert an die Restaurierung heran, die von 1993 bis 1996 durch die Fa. Orgelbau Waltershausen durchgeführt wurde. Die Gräfenhainer Orgel ist eine der bedeutendsten Barockorgeln Mitteldeutschlands und erklingt nicht nur in Gottesdiensten, sondern auch in zahlreichen Konzerten. Ein rühriger Förderverein, der Freundeskreis Thielemannorgel e.V. kümmert sich in vorbildlicher Weise um Pflege und Erhaltung sowie um die Organisation einer eigenen Konzertreihe an und mit der Thielemann-Orgel.
Die für die Thüringer Orgellandschaft der Barockzeit so bedeutende Thielemann-Orgel in Gräfenhain besitzt 22 Register auf 2 Manualen und Pedal. Das Hauptwerk, das vom Ton C und D ohne Cis bis zum c3 ausgebaut ist, besitzt den klassischen Prinzipalchor 8', 4' und 2' nebst Quinta 3', dazu Gedackt und Trombetta 8', Spielflaute 4' und eine Terz 1 3/5'. Ein Quintatön 16', übrigens bemerkenswerterweise komplett - auch in der großen Oktave - aus Metall, grundiert den Klang des Hauptwerks, der von einer 6fachen Mixtur bekrönt wird. Das Brustwerk, das vom unteren Manual aus angespielt wird, ist auf den Principal 4' aufgebaut, dessen original erhaltene Prospektpfeifen eine zusätzliche Besonderheit darstellen. Darüber hinaus finden wir hier Quintatön und Gedackt 8', Gedackt 4', Octave 2', Quinta 1 1/2', Oktave 1' und eine 4fache Mixtur. Das Pedal enthält ausschließlich Holzpfeifen und zwar Subbaß, Violonbaß und Posaunenbaß 16' sowie einen Octavbaß 8'. Dazu gesellen sich neben den Koppeln ein Tremulant, dann das für den Thüringer Orgelbau der Bachzeit so charakteristische Glockenspiel und zwei Cymbelsterne. Windladen und Trakturen sind nahezu unverändert erhalten, auch die Klaviaturen sind noch weitgehend original. Die Registerschilder wurden bei der 1996 abgeschlossenen Restaurierung, gemäß einer Angabe Thielemanns im Kontrakt für die nicht erhaltene Orgel in Ichtershausen, in Zinn graviert. Bei der vorbildlichen Restaurierung wurde der Orgel eine modifiziert mitteltönige Stimmung gegeben, die sich an den vorgefundenen originalen Prospektpfeifen des Brustwerks orientiert. In den 20 Jahren seit der Restaurierung haben in Gräfenhain neben zahlreichen Konzerten auch einige bedeutsame CD-Einspielungen an der Thielemann-Orgel in stattgefunden. 

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Disposition:

Hauptwerk, CD-c3 Brustwerk, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Quintatön 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Quintatön 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Principal 4' Octavbaß 8' Tremulant
Octave 4' Gedackt 4' Posaunenbaß 16' Cymbelsterne
Spielflaute 4' Octave 2'   Glockenspiel
Quinta 3' Quinta 1 1/2'    
Octave 2' Octave 1'    
Terz 1 3/5' Mixtur 4f.    
Mixtur 6f.      
Trombetta 8'      

In Gräfenhain gespielte Stücke:
Andreas Armsdorff: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>>
Andreas Armsdorff (Zuschreibung): Wenn dich Unglück tut greifen an >>>
Johann Christoph Bach: Praeludium und Fuge Es-Dur >>>
Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge e-moll BWV 555 >>>
Johann Heinrich Buttstedt: Fuga e-moll >>>
Johann Heinrich Buttstedt: Vom Himmel hoch, da komm ich her >>>
Gottfried Ernst Pestel: Praeludium ex G >>>
Christian Reichardt: Vater unser im Himmelreich >>>
Christian Reichardt: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Georg Andreas Sorge: Praeludium h-moll >>>
Friedrich Wilhelm Zachow: Heut thriumphieret Gottes Sohn >>>



GRÄFENTONNA (Gemeinde Tonna, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Peter und Paul




Erbauer: Albin Hickmann (Dachwig) 1898, Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Gräfentonna ist heute ein Ortsteil der Gemeinde Tonna, ganz im Norden des thüringischen Landkreises Gotha, 7 Kilometer östlich von Bad Langensalza. Die Gegend um Gräfentonna am Rande der Fahner Höhe war bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt. Noch zu Lebzeiten des Heiligen Bonifatius, also Mitte des 8. Jahrhunderts, wurden dem Kloster Fulda Güter in „Tonnahu“ übereignet, wobei aber nicht ganz klar ist, ob damit unser Gräfentonna oder das benachbarte Burgtonna gemeint ist. 874 wird dann erstmals Grefyntunna als dem Stift Fulda zehntpflichtig erwähnt. Die mittelalterliche Wasserburg der Grafen von Tonna und Gleichen, die Kettenburg, in der bis 1991 die Justizvollzugsanstalt Gräfentonna untergebracht war, steht seither leer und befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Die Herrschaft Tonna kam durch Verkauf 1677 an das Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und nach deren Teilung 1826 zu Sachsen-Coburg und Gotha. Seit 1994 ist Gräfentonna der Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Fahner Höhe. Die sehenswerte Pfarrkirche St. Peter und Paul stammt aus dem 15.Jahrhundert und erhielt 1691 bis 1692 ihre heutige Form. Der gewaltige Hochaltar gehört unstreitig zu den schönsten Thüringens. Er beinhaltet 14 spätgotische Reliefs, die zunächst für die Wallfahrtskirche Grimmenthal bei Meiningen gefertigt wurden, von dort aus zunächst in die Kirche von Schloß Friedenstein in Gotha kamen und 1692 vom Landesherrn nach Gräfentonna „vermachet“ wurden. Die ganz hervorragenden Darstellungen stammen aus der Werkstatt des berühmten Bamberger Holzschnitzers Hans Nußbaum. Von 1697 bis 1704 erbaute Johann Tobias Gottfried Trost, der Vater des beispielsweise durch die Orgeln in Waltershausen und Großengottern berühmten Tobias Heinrich Gottfried Trost, eine Orgel in Gräfentonna, die 1898 durch ein Instrument aus der Werkstatt von Albin Hickmann in Dachwig ersetzt wurde. 
1862 gründete der 1823 geborene Karl Hickmann eine eigene Orgelwerkstatt in Dachwig. Er hatte zuvor vermutlich in der Werkstatt der Familie Hesse im selben Ort gearbeitet und kooperierte in den Anfangsjahren mit dem Orgelbauer Carl Daniel aus Walschleben, der aber bereits 1870 verstarb. Hickmann übernahm die verwaiste Werkstatt von Julius Hesse und verdingte sich in den folgenden Jahren zumeist mit Reparaturen und kleineren Umbauten. Um 1880 wurde sein 1854 geborener Sohn Albin Hickmann als Teilhaber in des Vaters Firma aufgenommen, die sich fortan stolz als „Orgelbaufabrik“ bezeichnete. Es war die Zeit, in der die Orgelbauer vor der Wahl standen, ihre Instrumente weiterhin in der althergebrachten Weise mit Schleifladen und mechanischer Traktur zu bauen, oder die neuen Techniken der Kegellade und der Röhrenpneumatik sowie industrielle Fertigungsweisen in ihrer Werkstatt einzuführen. Albin Hickmann zählte eindeutig zu letzterem Schlage, er entwickelte eine eigene pneumatische Registerkanzellenlade, die 1894 patentiert wurde und seinerzeit als „System Hickmann“ allgemein bekannt war. In den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstanden eine ganze Reihe von Orgelneubauten, vor allem in Nord- und Zentralthüringen. Nach dem Tod von Karl Hickmann 1897 nahm Albin den Orgelbauer Georg Höcke aus Erfurt als Partner in das Unternehmen auf. Gemeinsam bauten sie ab 1900 auch einige Orgeln im Wittgensteiner Land, dem heutigen Kreis Siegen-Wittgenstein. 1907 allerdings geriet das Unternehmen in Konkurs und Albin Hickmann und Georg Höcke arbeiteten in der Folge wieder getrennt voneinander. 1919 übernahm Wiegand Helfenbein die Werkstatt seines Schwiegervaters Albin Hickmann, der 1923 in Dachwig verstarb. Albin Hickmann baute seine Orgel entweder mit Laden nach dem "System Hickmann" oder der Kastenlade und mit pneumatischer Traktur. Nur wenige davon sind erhalten und wenn, dann meist in keinem guten Zustand. So ist etwa die Orgel in Sonneborn bei Gotha, mit 20 Registern von 1898 zwar erhalten, aber seit vielen Jahren verstummt. Andere wie etwa das 1906 erbaute Instrument in Großburschla an der Werra wurden später bis zur Unkenntlichkeit umgebaut. Es war nicht leicht, überhaupt eine Hickmann-Orgel zu finden, die einigermaßen spielbar war. So war etwa über die original erhaltene Orgel in der Apostolisch-katholischen Kirche in Erfurt leider nichts in Erfahrung zu bringen. Auch das Instrument ist Gräfentonna ist derzeit in einem alles andere als guten Zustand. Die Pneumatik ist verbraucht, zahlreiche Aussetzer sind die Folge und als Organist muss man, um den Zustand einigermaßen zu kaschieren, eigentlich ständig mit möglichst unauffälligen Oktavierungen oder Tonverlegungen vom Manual ins Pedal oder umgekehrt arbeiten. Trotz allem ist der Klang immer noch schön, voll und rund. 
Die Orgel in Gräfentonna besitzt 21 Register, von denen jedoch derzeit – es war im Sommer 2020 – nur etwa knapp die Hälfte spielbar sind. Im Hauptwerk stehen Bordun 16', Principal, Gedackt, Hohlflöte und Gamba 8', Octave und Flöte 4' sowie ein 3faches Cornett und eine 3fache Mixtur. Im Oberwerk finden wir Lieblich Gedackt 16', Geigenprincipal, Lieblich Gedackt, Salicional und Flauto traverso 8', eine Flauto 4' und ein Nachthorn 2'. Im derzeit kaum funktionsfähigen Pedal stehen Subbaß, Violon und Posaune 16' sowie Octavbaß 8' und Flötenbaß 4'. Neben den üblichen Koppeln finden wir hier auch eine Manualoctavkoppel sowie pro Werk eine sogenannte „Collection“, das ist eine frei einstellbare Kombination, separat für jedes der beiden Manuale und das Pedal. Mit Albin Hickmann gehen knapp zwei Jahrhunderte glanzvolle Orgelbaugeschichte in Dachwig zu Ende, die Mitte des 18.Jahrhunderts mit Johann Georg Kummer begann, mit Johann Michael Hesse und seinen Söhnen und Enkeln einen nie wieder erreichten Höhepunkt sah und mit Vater und Sohn Hickmann an der Schwelle zum 20. Jahrhundert ausklang. Es wird Zeit, dass man auch den Orgeln der Jahrhundertwende und da nicht nur den großen und berühmten, sondern auch den oftmals sehr charmanten kleineren die ihnen zustehende Beachtung schenkt.

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Disposition:


Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Violon 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Lieblich Gedackt 8' Octavbaß 8' Manualoktavkoppel
Hohlflöte 8' Salicional 8' Flötenbaß 4' Collection Pedal
Gambe 8' Flauto traverso 8' Posaune 16' Collection Manual I
Octave 4' Flauto 4'   Collection Manual II
Flöte 4' Nachthorn 2'   Pleno
Cornett 3f.      
Mixtur 4f.      

In Gräfentonna gespielte Stücke:
Ludwig Baumann: Dir, dir, Jehovah, will ich singen >>>
Karl Deigendesch: Meinen Jesum laß ich nicht >>>
Michael Hermesdorff: Andante con moto b-moll >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 4 C-Dur >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 6 F-Dur >>>
Philipp Wolfrum: Eins ist Not, ach Herr, dies eine >>>
Philipp Wolfrum: Gott des Himmels und der Erden >>>



GRÄFINAU-ANGSTEDT (Gemeinde Wolfsberg, Ilm-Kreis)
Ev. Marienkirche




Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1830-1831, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Gräfinau-Angstedt ist ein Ort im Ilm-Kreis in Thüringen. Es ist der größte Ortsteil der Geminde Wolfsberg und Sitz der Gemeindeverwaltung mit 2068 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt im Ilmtal ca. 6 km östlich von Ilmenau. Das Tal ist hier etwa 1500 Meter breit und erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung. Westlich erhebt sich der 527 Meter hohe Wolfsberg, der Namensgeber der Gemeinde ist. Östlich liegen der 487 Meter hohe Hopfberg sowie der 498 Meter hohe Brandberg, die zum Klosterforst Paulinzella gehören. Gräfinau ist ein Reihendorf, während Angstedt ein Haufendorf ist. Die beiden Dorfkerne liegen nur 200 Meter voneinander entfernt und werden nur durch die Ilm getrennt, sind heute aber soweit zusammengewachsen, dass man nicht mehr erkennen kann, dass Gräfinau-Angstedt aus zwei Siedlungen entstand. Die beiden Orte Gräfinau und Angstedt wurden, genau wie die anderen Orte der Wolfsberggemeinde im Jahre 1282 erstmals erwähnt. Gräfinau-Angstedt entstand 1924 aus der Vereinigung des zum Schwarzburg-Rudolstädter Amt Stadtilm gehörenden Dorfes Gräfinau westlich der Ilm und des zum Schwarzburg-Sondershäuser Amt Gehren gehörenden Dorfes Angstedt östlich der Ilm. Die Marienkirche im Ortsteil Angstedt wurde 1831 im klassizistischen Stil errichtet. Sie trat an die Stelle der 1827 wegen Baufälligkeit abgebrochenen Kirche St. Mariae aus dem 13. Jahrhundert. Der Baumeister ist namentlich nicht bekannt, jedoch ist der Sakralbau mit den Rundbögen und toskanischen Säulen der Schinkelschule zuzurechnen. Das spätgotische Altarbild, die Beweinung Christi darstellend, wurde vom Vorgängerbau übernommen und entstammt wahrscheinlich der Saalfelder Schule. Zeitgleich mit dem Bau der Kirche entstand die Orgel. Sie stammt aus der Werkstatt des berühmten Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella. Schulze war einer der bedeutendsten und innovativsten Orgelbauer des 19.Jahrhunderts in Deutschland und einer der Wegbereiter der deutschen Orgelromantik.
Johann Friedrich Schulze wurde 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geboren. Er wurde in eine Orgelbauerfamilie hineingeboren, die vor ihm bereits in drei Generationen hauptsächlich im näheren Umkreis von Milbitz wirkte. Aber sein Vater Johann Andreas Schulze, geboren 1753, starb, als Johann Friedrich Schulze gerade einmal 13 Jahre alt war. So erlernte dieser sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm, der seinerseits allerdings wiederum ein Schüler von Johann Andreas Schulze war. Nach dem Tod Witzmanns vollendete Johann Friedrich Schulze mit 22 Jahren seine erste eigene Orgel und machte sich im Folgenden in Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann sagen – Weltgeltung. Johann Friedrich Schulze war unbestritten einer der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten des deutschen Orgelbaues im 19.Jahrhundert, in seiner Bedeutung nur mit Eberhard Friedrich Walcker vergleichbar. Maßgeblich für seine künstlerische Entwicklung war der Umbau der Trampeli-Orgel in der Stadtkirche zu Weimar, wo er mit dem dortigen Organisten Johann Gottlob Töpfer zusammenarbeitete und dessen Orgelbau-Theorien als erster Orgelbauer überhaupt praktisch umsetzte. Gemeinsam schufen Töpfer und Schulze ein neues Klangbild, das vom Spätbarock in die Romantik weist. Ohne die von Töpfer und Schulze gelegten Grundlagen sind die hochromantischen Meisterwerke etwa eines Friedrich Ladegast oder eines Wilhelm Sauer so nicht denkbar. Neben zahlreichen klanglichen Neuerungen – Schulze bevorzugte etwa bis zur 4'-Länge Holz als Material für seine Pfeifen – betrat er auch in der technischen Entwicklung vielfach Neuland. So geht die Trakturkonstruktion mit Wellenrahmen und Strahlentraktur auf Schulze zurück. Zur Stabilisierung der Windversorgung baute er Ausgleichsbälge. Um 1850 stand Johann Friedrich Schulze auf dem Zenit seiner Meisterschaft, die in jener Zeit gebauten Großorgeln im Bremer Dom, in der Lübecker Marienkirche und sogar im Chrystal Palace in London zeigen, dass seine Kunst weithin Anerkennung fand. Leider sind seine großen Orgeln samt und sonders entweder dem Zeitgeist oder dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. In Thüringen existieren aber noch eine Reihe kleinerer und mittelgroßer Orgeln Johann Friedrich Schulze, wie etwa die 1831 erbaute Orgel in der Marienkirche zu Gräfinau-Angstedt. Sie besitzt 21 Register auf 2 Manualen und Pedal, ist nahezu im Originalzustand erhalten und wurde 2006 durch die Firma Orgelbau Schönefeld aus Stadtilm fachgerecht restauriert.
Als Johann Friedrich Schulze 1858 starb, übernahmen seine Söhne den väterlichen Betrieb in Paulinzella. Edmund Schulze, der älteste Sohn, ging sehr bald nach England und prägte den dortigen Orgelbau maßgeblich. Die Orgel von Johann friedrich Schulze in Gräfinau-Angstedt ist ein relativ frühes Werk, 1831 vollendet. Die Disposition ist deutlich von den Ideen Töpfers beeinflußt. Das Hauptwerk, ausgebaut vom Ton C bis zum f3, besitzt einen gravitätischen Principal 16' als Grundlage, dann folgen Principal, Gambe und Hohlflöte 8' sowie Oktave und Flöte 4'. Eine 5fache Mixtur und eine 3fache Cimbel bilden die Klangspitze. Auch das zweite Manual besitzt mit dem Bordun ein Fundamentregister 16'. Dazu gesellen sich Salicional, Gedackt und Flauto traverso 8', Principal und Dolzflöt 4', eine Oktave 2' und ein Scharf 3fach. Das Pedal enthält Subbaß und Violon 16', Octavbaß und Gedacktbaß 8' sowie einen Flötenbaß 4'. Die Orgel ist noch in klassischer Weise mit Wellenbrettern herkömmlicher Bauart ausgestattet. Später baute Schulze, wie bereits erwähnt, meist Wellenrahmen mit Strahlentraktur. Die Flauto traverso 8' ist in der für Schulze charakteristischen Form gebaut, nämlich rund gedrechselt und dann ausgebohrt. In der Disposition fällt auf, dass im Hauptwerk sowohl eine selbstständige Oktave 2' als auch eine Quinte 2 2/3' fehlen, beide Pfeifenreihen sind dafür in der tief ansetzenden Mixtur enthalten. Die Schulze-Orgel in Gräfinau-Angstedt ist ein bedeutendes Zeugnis für das Schaffen eines der führenden Orgelbauers Deutschlands im 19. Jahrhundert, dessen Bedeutung für die nachfolgende Entwicklung von Orgelbau und Orgelmusik gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Seine nicht allzu zahlreich erhaltenen Werke verdienen es, wie in Gräfinau-Angstedt bereits geschehen, vorbildlich restauriert und damit dauerhaft erhalten zu werden.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 16' Bordun 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Gedackt 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8'  
Gambe 8' Salicional 8' Gedacktbaß 8'  
Octave 4' Principal 4' Flötenbaß 4'  
Flöte 4' Dolzflöt 4'    
Mixtur 5f. Octave 2'    
Cimbel 3f. Scharf 3f.    

In Gräfinau-Angstedt gespielte Stücke:
Michael Henkel: Cantabile Es-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile f-moll >>>
Michael Henkel: Im Choral-Styl As-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato Es-Dur >>>
Michael Henkel: Molto moderato H-Dur >>>
Michael Henkel: Versett Es-Dur >>>
Michael Henkel: Versett F-Dur >>>
Michael Henkel: 4 Versetten f-moll >>>
Michael Henkel: Vorspiel f-moll >>>



HAUSEN (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Nikolai




Erbauer: Friedrich Knauf (Großtabarz) 1857, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

In Deutschland gibt es 90 Orte – kleinere und größere – mit dem Namen Hausen. „Unser“ Hausen ist ein Ortsteil der Gemeinde Bufleben innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal im Landkreis Gotha in Thüringen. Hausen liegt an der Nesse im Thüringer Becken. Nordöstlich erhebt sich die 413 Meter hohe Fahner Höhe, südlich die 314 Meter hohe Kindleber Höhe und nordwestlich die 309 Meter hohe Ballstädter Höhe. Das Dorf selbst liegt in etwa 275 Metern Höhe und hat eine relativ ursprüngliche Baustruktur. Nachbarorte sind Bufleben im Süden, Pfullendorf im Südwesten, Westhausen im Westen, Ballstädt im Norden und Eschenbergen im Nordosten. Hausen liegt an der Landesstraße vom rund 9 Kilometer südlich liegenden Gotha nach Gräfentonna. Der Ort wurde 1143 erstmals urkundlich erwähnt. Vor der Gründung Thüringens gehörte er zum Herzogtum Sachsen-Gotha und bildet seit 1974 eine Gemeinde mit Bufleben und Pfullendorf. Die Dorfkirche St. Nikolai wurde ursprünglich um 1148 als kleine Kapelle errichtet. 1605 wurde der Turm neu aufgebaut und die Kirche bis 1661 zur heutigen Größe ausgebaut. Die Spitze des Turms bildet eine Schweifkuppel mit aufgesetzter, heute geschlossener Laterne mit goldfarbigem Turmknopf und darauf eine schmiedeeiserne Wetterfahne. Im Jahre 1857 erhielt die Kirche eine neue Orgel aus der Werkstatt von Friedrich Knauf aus Großtabarz. Das Instrument war ein Geschenk der Eheleute Johann Christian Berles und seine Ehefrau Barbara Margareta Berles und kostete 600 Taler.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18. Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Er wurde 1762 geboren und starb 1847. Seine beiden Söhne Friedrich und Gottlieb erlernten ihr Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. Während der jüngere, 1810 geborene Gottlieb Knauf später seine Werkstatt ins Eichsfeld, nach Bleicherode verlegte, übernahm der 1802 geborene Friedrich Knauf nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt in Großtabarz. Sein Sohn Guido Knauf trat später in die Familienwerkstatt ein und arbeitete ab Mitte der 1860er Jahre mit dem Vater zusammen, der aber bis zu seinem Tod mit 81 Jahren 1883 mitarbeiten konnte. Unter der Ägide von Friedrich Knauf entwickelte sich die Firma Knauf zu einer der produktivsten Orgelbauwerkstätten zwischen Thüringer Wald und Harz. Die erste selbstständige Arbeit Friedrich Knaufs ist die 1833 aufgestellte Orgel in Klettenberg, Landkreis Nordhausen. 1840 errichtete Knauf in der Servatiuskirche zu Duderstadt sein größtes Instrument mit 42 Registern auf drei Manualen und Pedal. Beide genannten Orgeln sind nicht erhalten. Bis etwa 1840 baute Friedrich Knauf die Spieltraktur über die überlieferte Weise mit Wellenbrettern und Wellenrahmen. Ab diesem Zeitpunkt macht sich der Einfluß von Johann Friedrich Schulze bemerkbar, dessen bahnbrechende Erfindungen Knauf vermutlich beim Weiterbau der von Schulze begonnenen, aber nicht vollendeten Orgel in Warza bei Gotha kennengelernt hat, die ebenfalls in dieser Buchreihe vorgestellt wird. So verfügen ab dann alle Knauf'schen Orgeln über seitliche Manubrien, Strahlentraktur und chromatische Laden, da Kreuzungen der teilweise meterlangen Trakturelemente umständlich wären. So ist auch die 1857 erbaute Orgel in Hausen konzipiert.
Die Knauf-Orgel in der St.Nikolai-Kirche in Hausen bei Bufleben wurde 1857 erbaut. Die 1658 erbaute Vorgängerorgel stammte übrigens von dem berühmten Orgelbauer Johann Moritz Weiße aus Römhild. Doch rund 200 Jahre nach ihrer Erbauung entsprach sie nicht mehr dem Zeitgeschmack und so stifteten Eheleute Johann Christian Berles und seine Ehefrau Barbara Margareta Berles die bis heute unverändert erhaltene und vor einigen Jahren restaurierte Knauf-Orgel. Für den Einbau der Orgel musste die Kirche leicht umgebaut werden. Das Instrument besitzt 13 Register auf zwei Manualen und Pedal. Im Hauptwerk, das vom Ton C bis zum d3 ausgebaut ist, finden wir Bordun 16', Principal und Hohlflöte 8', eine Oktave 4', sodann Quinte 3' und Oktave 2' in einem Registerzug – dieses Kombinationsregister ist sehr typisch für Friedrich Knauf – sowie eine 3fache Mixtur. Das Oberwerk besitzt vier Stimmen, nämlich Geigenprincipal, Lieblich Gedackt und Flaut travers 8' sowie eine Pianoflöte 4'. Im Pedal, das über eine beidseitig nach oben ansteigend geschweifte Klaviatur verfügt, finden wir Subbaß 16' sowie Oktavbaß und Violoncell 8'. Die relativ kleine Knauf-Orgel in Hausen besitzt einen dreiteiligen Prospekt, der im Aufbau und in vielen Details der ein Jahr später erbauten Knauf-Orgel im benachbarten Wangenheim entspricht – nur in kleinerem Maßstab. 2013 wurde die Orgel von Thomas Hübener gereinigt und instandgesetzt. Auffällig ist der für Friedrich-Knauf-Orgeln jener Zeit – 1857 - ungewöhnlich frische, fast barocke Klangcharakter des vollen Werks. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flaut travers 8' Violoncell 8'  
Octave 4' Pianoflöte 4'    
Quinte-Octave 3' + 2'      
Mixtur 3f.      

In Hausen gespielte Stücke:
Johann Ludwig Böhner: Freu dich sehr, o meine Seele >>>
Johann Ludwig Böhner: Fughette Es-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Nun danket alle Gott >>>
Johann Ludwig Böhner: Nun lob, mein Seel, den Herren >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium B-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium d-moll >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium Es-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Prelude c-moll >>>



HOCHHEIM (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Nikolaus




Erbauer: Friedrich Knauf (Großtabarz) um 1845, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die thüringische Gemeinde Hochheim liegt im Landkreis Gotha mit rund 450 Einwohnerinnen und Einwohnern. Sie gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal. Im nördlichen Teil des Gothaer Landes, im Städte-Dreieck zwischen Gotha, Bad Langensalza und Erfurt, befindet sich im fruchtbaren Nessetal die Gemeinde Hochheim. Der Ort liegt nahe der Bundesstraße 247 an den südlichen Ausläufern des Hainichs in etwa 280 Metern Höhe. Die Nachbarorte sind im Süden Goldbach, Westhausen im Osten, Wangenheim im Westen und Wiegleben im Norden. Nördlich der Ortslage erstrecken sich Wiesen und Felder bis zum Wiegleber Holz sowie einem der größten Windparks in Thüringen. Die nördliche Hochheimer Flur ist auch Teil der Wasserscheide von Elbe und Weser. In den feuchten Niederungen am Südrand des Ortes fließt in westlicher Richtung die Nesse. Hochheim, teilweise auch "Loh-Hochheim" genannt, wurde im Jahre 778 in einer Schenkungsurkunde an das Bistum Fulda erstmals urkundlich erwähnt. Hochheim gehörte nach dem Erwerb vom Bistum Fulda durch die Herren von Wangenheim bis Mitte des 19. Jahrhunderts zum Wangenheimschen Gericht im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg bzw. Sachsen-Coburg und Gotha. Bekanntester Sohn der Gemeinde ist Meister Eckart – auch Eckart von Hochheim genannt. Dieser bedeutende spätmittelalterliche Theologe und Philosoph, um 1260 in Hochheim geboren, erregte Aufsehen durch unkoventionelle, teils provozierende Aussagen. 1328 starb er am damaligen Papstsitz in Avignon. Die Kirche St. Nikolaus wurde im 15. Jahrhundert im spätgotischen Stil mit einem querrechteckigen Chorturm errichtet. Im Jahre 1411 gibt es die Ersterwähnung als Wallfahrtskirche. 1616 wurde ein Chor dem Langhaus angegliedert. Das Innere wurde durch mehrfache Umbauten im 18. und 19. Jahrhundert modernisiert, die heutige Fassung basiert auf der 1875 vorgenommenen Bauwerkssanierung. 2015 wurde zu Ehren von Meister Eckhard ein durch den Künstler Gert Weber aus Gräfenhain gestaltetes, wunderschönes Glasfenster eingeweiht. Es trägt den Titel „Gottesgeburt in der Menschenseele“ und greift damit einen theologischen Gedanken von Meister Eckhard auf. Die kleine Orgel entstammt der Werkstatt der Orgelbauerfamilie Knauf.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18. Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Er wurde 1762 geboren und starb 1847. Seine beiden Söhne Friedrich und Gottlieb erlernten ihr Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. Während der jüngere, 1810 geborene Gottlieb Knauf später seine Werkstatt ins Eichsfeld, nach Bleicherode verlegte, übernahm der 1802 geborene Friedrich Knauf nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt in Großtabarz. Der Akkord zum Bau des Hochheimer Instruments zwischen Friedrich Knauf und der Gemeinde wurde am 29.Juni 1830 genehmigt. Die Orgel steht auf der zweiten Empore. Allerdings ist unklar, ob 1830 bereits mit dem Bau der Orgel begonnen wurde. Einige Konstruktionsmerkmale wie etwa die Strahlenmechanik und die seitlichen Registerzüge wären für ein Baujahr vor 1842 äußerst ungewöhnlich. Denn Knauf begegnete um 1840 in Warza, nur wenige Kilometer von Hochheim entfernt, einer Orgel von Johann Friedrich Schulze, der als Erfinder dieser sehr ökonomischen Trakturtechnik gilt. Knauf orientierte sich in der Folge technisch um und übernahm eine ganze Reihe von technischen Eigenschaften von Schulze in seine Orgelneubauten. Es gibt nun zwei Möglichkeiten. Entweder der Bau der Orgel erfolgte tatsächlich mit erheblicher zeitlicher Verzögerung oder, dafür spricht aus meiner Sicht etwas mehr, die Orgel wurde einige Jahrzehnte später vermutlich von Guido Knauf technisch umgebaut. Guido Knauf hat in den 1870er und 1880er Jahren eine ganze Reihe von Orgeln aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts technisch erneuert, so in den Nachbarorten Ballstädt eine Ratzmann-Orgel von 1836 und in Goldbach eine Hesse-Orgel aus der Zeit um 1815. Also warum nicht auch ein etwa ebenso altes Instrument seines Vaters in Hochheim. Seit diesem Umbau wurde die Orgel nicht mehr angetastet, so dass sie vor einigen Jahren kaum noch spielbar war. 2015 wurde im Zuge des Glasfenster-Einbaus auch die Orgel gereinigt und teilweise klemmende Teile der Mechanik wieder gangbar gemacht. Doch wird die Orgel kaum gespielt, ein elektronisches Orgel-Imitat steht für die Gottesdienste im Kirchenraum zur Verfügung und so ist das Instrument zwischenzeitlich wiederum nur mit einigen Einschränkungen zu gebrauchen.
Die Knauf-Orgel in Hochheim bei Gotha besitzt 16 Register auf 2 Manualen und Pedal. Im Hauptwerk, das vom Ton C bis zum d3 geführt ist, finden wir Principal, Gedackt und Hohlflöte 8', grundiert von einem Gedackt 16'. Oktave 4', Oktave 2' und eine Quinte 3' bauen den klassischen Chor der Prinzipalstimmen nach oben auf und bekrönt wird die Klanggestalt von einer 3fachen Mixtur. Das Oberwerk wäre in seinem Aufbau ebenfalls für Friedrich Knauf um 1830 ungewöhnlich; sehr typisch ist die Disposition hingegen für seinen Sohn Guido Knauf, was die Umbautheorie - etwa im Rahmen der Kirchensanierung 1875 - wiederum erhärtet. Wir finden hier Gedackt, Flauto traverso und Salicional 8' sowie eine Spitzflöte 4'. Das Pedal besitzt ebenfalls vier Register und zwar die Stimmen Subbaß und Bordun 16' sowie einen Oktavbaß 8'. Die Posaune 16' ist durchschlagend gebaut mit Zinkstiefeln und Zinkaufsätzen nach der Bauart von Carl Giesecke. Diese Giesecke-Bauart ist ebenfalls über die Bekanntschaft mit der Orgelbauwerkstatt Schulze zur Familie Knauf gekommen, denn Giesecke war vor seiner Selbstständigkeit ein Mitarbeiter in Schulzes Pfeifenwerkstatt und dort Spezialist für Zungenpfeifen. Der nur mittelgroßen, aber in vielen Konstruktiven Details interressanten Knauf-Orgel in Hochheim wäre eine denkmalgerechte Restaurierung zu wünschen. Aber wie so vieles ist auch das eine Frage des Geldes und Instrumente aus der Knauf-Werkstatt sind nicht gerade selten in Thüringens reicher Orgellandschaft. Da mag man vielleicht so manches mal resignieren in Anbetracht der vielen schönen historischen Orgeln, die derzeit noch der Instandsetzung harren. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-d1  
Gedackt 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Bordun 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Salicional 8' Octavbaß 8'  
Hohlflöte 8' Spitzflöte 4' Posaune 16'  
Octave 4'      
Quinte 3'      
Octave 2'      
Mixtur 3f.      

In Hochheim gespielte Stücke:
Robert Führer: Poco Adagio d-moll >>>
Alexander Wilhelm Gottschalg: Präludium a-moll >>>
Alexander Wilhelm Gottschalg: Präludium G-Dur >>>
August Eduard Grell: Präludium Nr. 17 fis-moll >>>
August Eduard Grell: Präludium Nr. 18 E-Dur >>>
Franz Liszt: Resignazione >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Christe, du Lamm Gottes >>>



HOLZHAUSEN (Gemeinde Amt Wachsenburg, Ilm-Kreis)
Ev. Dreifaltigkeitskirche



Erbauer: Johann Michael Hesse (Dachwig) 1788, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Holzhausen ist ein Ortsteil der Gemeinde Amt Wachsenburg im Thüringer Ilm-Kreis. Er liegt in reizvoller Umgebung direkt am östlichen Fuß der Veste Wachsenburg, mit deren Geschichte der Ort eng verbunden ist. In dem vier Kilometer von Arnstadt entfernten Ort leben heute 619 Einwohnerinnen und Einwohner. Wie die Nachbarorte Haarhausen und Bittstädt wird Holzhausen zu Beginn des 9. Jahrhunderts in einem Verzeichnis der von Erzbischof Lullus von Mainz für das Kloster Hersfeld von Freien verliehenen Gütern erstmals urkundlich erwähnt. 1441 gelangte der Ort zusammen mit der Wachsenburg, zu dessen Amt Wachsenburg der Ort gehörte, unter die Herrschaft von Apel von Vitzthum dem Jüngeren, der als „Brandmeister Thüringens“ traurige Berühmtheit erlangte. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges setzte eine rege Bautätigkeit ein. Viele Häuser des alten Ortskerns stammen aus dieser Zeit. Von 1697 bis 1920 gehörte das Dorf zu den Herzogtümern Sachsen-Gotha bzw. Sachsen-Coburg und Gotha, danach zum Landkreis Arnstadt des neu geschaffenen Landes Thüringen. 1994 wurde Holzhausen ein Ortsteil der neu gegründeten Wachsenburggemeinde und Ende 2012 kam der Ort zu der aus neun Orten bestehenden Gemeinde Amt Wachsenburg. Neben dem „Ersten Deutschen Bratwurstmuseum“ ist in Holzhausen vor allem die Dreifaltigkeitskirche sehenswert. Die ursprünglich wohl um 1480 errichtete Kirche wurde im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach umgebaut, ebenso in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts. 1788 erhielt die Kirche sodann eine neue Orgel. Sie stammt aus der bedeutenden Werkstatt von Johann Michael Hesse aus Dachwig, dem Begründer der Orgelbauer-Dynastie der Familie Hesse.
Die Orgelbauerfamilie Hesse und ihre Werke waren lange Zeit der Vergessenheit anheimgefallen. Dass sich dies langsam aber stetig zum Positiven wandelt, ist vor allem dem sehr aktiven Hesse-Freundeskreis Thüringen e.V. zu verdanken, der in Holzhausen seinen Sitz hat. Stammvater der Dynastie war der 1734 in Molschleben bei Gotha geborene Johann Michael Hesse. Sein Vater war Müller. Bereits mit 13 Jahren begann er seine Lehre bei dem Orgelmacher Heinrich Schulze in Nottleben. Im Anschluß arbeitete er einige Jahre in Erfurt bei dem Mechanikus Fischer, um sich in dieser, für seinen Lebensberuf nützlichen Kunst weiterzubilden. 1755 machte er sich sodann in Dachwig nördlich von Erfurt als Orgelbauer selbstständig. Bis zu seinem Tod im Jahre 1810 erbaute Johann Michael Hesse laut Quellenangaben mindestens 12, höchstens 16 Orgeln und führte zahlreiche Reparaturen aus. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters die elterliche Werkstatt. Auch die Enkel und Urenkel wurden Orgelbauer und so blieben Instrumente aus der Orgelwerkstatt Hesse bis weit ins 19.Jahrhundert hinein trotz des sich wandelnden Zeitgeschmacks hochgeschätzt. Die nachfolgenden Generationen profitierten vom Ruhm und Können des Begründers Johann Michael Hesse, dessen Kunstfertigkeit und gewissenhafte Vorgehensweise noch nach Jahrzehnten immer wieder rühmend hervorgehoben werden. Als eines der wenigen noch erhaltenen Werke aus der ersten Generation der Familie Hesse verdient die 1788 vollendete Orgel in Holzhausen besonderes Interesse, zumal sie weitestgehend im Originalzustand erhalten ist. Das Instrument besitzt 19 Register auf zwei Manualen und Pedal. Außer der Orgel in Holzhausen existieren von Johann Michael Hesse heute noch Instrumente in Möbisburg, Gispersleben und Dachwig. Von 2014 bis 2017 wurde das durch einen Wasserschaden in den 1970er Jahren und ganz allgemein durch den Zahn der Zeit und Marderbisse stark in Mitleidenschaft gezogene Instrument durch die Firma Orgelbau Waltershausen GmbH umfassend restauriert. Orgelbaumeister Joachim Stade schreibt: „Das Instrument zeichnen sich neben hervorragenden Klangeigenschaften durch eine äußerst solide, robuste Bauweise aus und zeigt in vielen Details eine sehr überlegte und liebevolle Ausführung". Besonders kunstvoll ist die Flauto Traverso gestaltet, die seitlich angeblasen wird und darum von einer echten Querflöte klanglich kaum zu unterscheiden ist.
Am Ersten Adventssonntag 2017 fand in Holzhausen die feierliche Einweihung der restaurierten Orgel statt. Die Bedeutung dieses Tages wurde durch die Anwesenheit des Thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow unterstrichen. Dass diese Restaurierung überhaupt möglich wurde, ist allen voran Gabi Damm zu verdanken, die mit Mut und Weitblick, mit Hartnäckigkeit, Fantasie und Charme das Projekt vorangetrieben und die Finanzierung organisiert hat. Die Gründung des Hesse-Freundeskreises Thüringen e.V. ebenso wie des „Vereins zur Erhaltung der Hesse-Orgel in Holzhausen e.V.“ gehen auf ihr bewundernswertes Engagement zurück. Denn „eine Kirche ohne Orgel ist wie ein Körper ohne Seele.“ Dieses Zitat von Albert Schweitzer ist der Wahlspruch des Orgelbauvereins in Holzhausen. Das Instrument in Holzhausen besitzt 19 Register auf 2 Manualen und Pedal. Die Manuale haben einen Tonumfang vom Ton C bis zum d3. Im Hauptwerk finden wir Bordun, Hohlflöte und Viola di Gamba 8', Principal und Nachthorn 4', eine Quinte 3', die Oktave 2' und als Klangkrone eine 4fache Mixtur. Das Oberwerk oder Positiv besitzt die Stimmen Quintatön, Stillgedackt und Flauto Traverso 8', Principal und Flauto dolce 4', eine Oktave 2' sowie eine 2fache Sesquialtera. Das Pedal, das bis zum c1 ausgebaut ist, verfügt über die vier Stimmen Subbaß, Violonbaß und Posaune 16' sowie einen Oktavbaß 8'. Dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel, ein Tremulant und ein Glockenaccord. Auf die so wunderbar wiedererstandene Hesse-Orgel in Holzhausen trifft in vollem Umfang das Urteil zu, dass wir in dem 1815 erschienenen Buch von Johann Christian Wolfram „Anleitung zur Kenntnis, Beurteilung und Erhaltung der Orgeln“ über die Hesse-Orgeln lesen: Sie sind mehr als Meisterwerke, sie sind vollendete Kunstprodukte eines Genies.“ 

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Disposition:


Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-c1  
Bordun 8' Quintatön 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Hohlflöte 8' Stillgedackt 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Viola di Gamba 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8' Tremulant OW
Principal 4' Principal 4' Posaune 16'  
Nachthorn 4' Flauto dolce 4'    
Quinta 3' Octave 2'    
Octave 2' Sesquialtera 2f.    
Mixtur 4f.      

In Holzhausen gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Nun komm der Heiden Heiland BWV 659 >>>
Christian Heinrich Rinck: Ach, sieh ihn dulden, bluten, sterben >>>
Christian Heinrich Rinck: Da Jesus an dem Kreuze stund >>>
Christian Heinrich Rinck: O du Liebe meiner Liebe >>>
Christian Heinrich Rinck: So gehst du nun, mein Jesu, hin >>>
Johann Caspar Simon: Praeludium und Fuge in f >>>
Christian Gotthilf Tag: Adagio G-Dur >>>
Christian Gotthilf Tag: Andante molto d-moll >>>
Christian Gotthilf Tag: Andantino A-Dur >>>
Christian Gotthilf Tag: Andantino B-Dur >>>
Johann Gottfried Vierling: Allegro F-Dur >>>
Justinus Will: Aria Pastorella IX in F >>>



HÖRSELGAU (Landgemeinde Hörsel, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Bonifatius




Erbauer:Ernst Ludwig Hesse (Dachwig) 1806, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Hörselgau ist ein Ortsteil der Landgemeinde Hörsel sowie deren Verwaltungssitz im thüringischen Landkreis Gotha, rund dreieinhalb Kilometer nordöstlich von Waltershausen. Nachbarorte sind außerdem Fröttstädt im Nordwesten, Laucha im Westen und Wahlwinkel im Südosten. Der namengebende Fluss Hörsel schlängelt sich am nordöstlichen Ortsrand von Südosten nach Nordwesten entlang. Autofahrern, die auf der A4 zwischen Bad Hersfeld und Erfurt unterwegs sind, ist sicher die gleichnamige Autobahnraststätte Hörselgau ein Begriff. Der Ortsname Hörselgau geht auf die fränkische Zeit Thüringens zurück, als das Land noch in Gaue unterteilt war. Urkundlich wurde der Ort gleichzeitig mit einem Marschall des Deutschen Ordens, Ludwig von Hörselgau, 1215 erstmals erwähnt. Der Ort gehörte in der Folgezeit zum Amt Tenneberg, welches ab 1640 im Herzogtum Sachsen-Gotha lag. 2011 wurde die seit 1994 bestehende Verwaltungsgemeinschaft Hörsel aufgelöst und durch einen freiwilligen Zusammenschluss der zehn bisher selbstständigen Gemeinden Aspach, Ebenheim, Fröttstädt, Hörselgau, Laucha, Mechterstädt, Metebach, Teutleben, Trügleben und Weingarten die Landgemeinde Hörsel neu gebildet werden. Die Kirche St. Bonifatius in Hörselgau wurde zwischen 1783 und 1785 erbaut, nachdem von der mittelalterlichen Kirche nach zwei Bränden 1638 und 1640 im Dreißigjährigen Krieg nur der Kirchturm erhalten geblieben war. Beim Neubau blieb nur der rund 30 Meter hohe Turm mit seiner schiefergedeckten Haube aus dem Jahr 1699 übrig, während das rund 22 Meter lange und elf Meter breite Kirchenschiff mit seinem charakteristischen Mansarddach völlig neu errichtet wurde. Besonders sehenswert ist der Mittelschrein eines ehemaligen Flügelaltars mit den fast lebensgroßen Skulpturen des Namenspatrons der Kirche Bonifatius sowie Michael und Cyriacus. Das bekannte Dehio-Handbuch ordnet den kostbaren Schrein dem Umfeld Tilman Riemenschneiders zu. 1806 erhielt die Kirche eine neue Orgel aus der Dachwiger Werkstatt der Familie Hesse. Im 1815 erschienenen Buch von Johann Christian Wolfram mit dem titel „Anleitung zur Kenntnis, Beurteilung und Erhaltung der Orgeln“ lesen wir: Die Hesse-Orgeln sind durchaus mehr als Meisterwerke, sie sind vollendete Kunstprodukte eines Genies. Wer dieses für Schmeichelei, oder für wer weiß was sonst, zu halten geneigt sein sollte, der überzeuge sich, wenn er Gelegenheit hat, durch den Augenschein, er gehe nach Dachwig, Stotternheim, Gispersleben, Schaltenburg, Möbisburg im Erfurtischen, oder nach Holzhausen, Haarhausen und Hörselgau im Gothaischen, um die herrlichen Werke des Künstlers daselbst zu sehen und zu hören.“ Die einstmals zu Recht so berühmte Orgel in Hörselgau ist derzeit de facto leider so gut wie unspielbar. Auch mit viel Gefühl ist dem Instrument heute leider nicht mehr als ein Wimmern zu entlocken.
Die Orgelbauerfamilie Hesse wirkte in insgesamt vier Generationen in Dachwig bei Erfurt. Ihr Stammvater war Johann Michael Hesse, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt. Ernst Ludwig Hesse hatte wiederum zwei Söhne, den 1798 geborenen Ernst Siegfried Hesse und dessen jüngeren Bruder Johann Michael Hesse II, der 1806 geboren wurde. Ernst Ludwig Hesse kam 1823 bei einem unglücklichen Sturz während des Baues der Orgel in Brüheim ums Leben, so dass die beiden Söhne nun gemeinsam mit ihrem Onkel Georg Andreas die Werkstatt führten. Um 1830 wurde Julius Hesse geboren, der ab 1858 nach dem Tod des Vaters die Werkstatt in Dachwig übernahm. Sein 1862 begonnener Umbau der berühmten Wender-Orgel in Arnstadt nahm einen unglückseligen Verlauf, um den sich verschiedene Darstellungen ranken. Letztendlich führten die Ereignisse aber dazu, daß Julius Hesse gezwungen war, seine Werkstatt wegen zu hoher Schulden aufzugeben. Die mit 21 Registern auf zwei Manualen und Pedal recht groß und prachtvoll angelegte Orgel in Hörselgau wurde 1806 von Ernst Ludwig Hesse erbaut. Als eine der wenigen erhaltenen Instrumente von Ernst Ludwig Hesse verdient sie besondere Beachtung, zumal ihre originale Substanz in erstaunlicher Vollständigkeit und nahezu unberührt von späteren Veränderungen erhalten ist.
Die 1806 erbaute Orgel in der sehenswerten Kirche St. Bonifatius in Hörselgau besitzt 21 Register auf 2 Manualen und Pedal. Das Hauptwerk, das einen Tonumfang von C bis zum d3 aufweist, ist auf dem Principal 8' aufgebaut, dem Hohlflöte, Bordun und Gamba 8' zur Seite stehen. Eine Quintadena 16' grundiert den Klang, der von Oktave 4', Quinte 3' und Oktave 2' aufgehellt und von einer 4fachen Mixtur und einer 3fachen Cimpel bekrönt wird. Das Positiv ist mit 7 Registern sehr farbig disponiert. Wir finden hier Flauto Traverso, Gedackt und Quintatön 8', ein sehr schönes Nachthorn 4', eine Octave 2' sowie eine 4fache Mixtur und eine Sesquialtera 2fach. Im Pedal mit einem Umfang bis zum d1 finden wir die für Thüringen in jener Zeit typische Disposition Subbaß, Violon und Posaunenbaß 16' sowie einen Oktavenbaß 8'. Dazu kommen zwei Koppeln, ein Tremulant und zwei Glockenakkorde in G-Dur und C-Dur. Im Gegensatz zum Rest der Orgel funktionieren diese beiden Glockenakkorde ausgezeichnet. Die schöne und wertvolle Hesse-Orgel in Hörselgau fristet in der umfassend renovierten Kirche seit mehr als zwei Jahrzehnten ein unverdient jämmerliches Dasein. Das Instrument zählt mit seiner nahezu vollständig erhaltenen Originaldisposition zu den besonders wertvollen Denkmälern der Thüringer Orgelbaukunst. Bis Anfang der 1990er Jahre war die Orgel trotz einiger Mängel noch musikalisch einsetzbar. Altersbedingter Verschleiß, Verschmutzung, ein Wasserschaden und massiver holzwurmbefall führten zum jetzigen, bedauerlichen Zustand der wertvollen Orgel. Zur Rettung der Orgel ist eine grundlegende Restaurierung unabdingbar, doch steht diese derzeit nicht in Aussicht. Wenn das im Zusammenhang mit restaurierungsbedürftigen Orgeln vielzitierte Wort von der „Königin, die um Hilfe schreit“ irgendwo wirklich seine Berechtigung hat, dann ganz sicher bei der großen Hesse-Orgel in Hörselgau.

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Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-d1  
Quintadena 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Quintatön 8' Octavenbaß 8' Tremulant
Bordun 8' Nachthorn 4' Posaunenbaß 16' Glockenaccord in C
Gamba 8' Octave 2'   Glockenaccord in G
Octave 4' Sesquialtera 2f.    
Quinte 3' Mixtur 4f.    
Octave 2'      
Mixtur 4f.      
Cimpel 3f.      

In Hörselgau gespielte Stücke:
Daniel Gottlob Türk: Lento a-moll >>>
Daniel Gottlob Türk: Presto C-Dur >>>



IBENHAIN (Stadt Waltershausen, Landkreis Gotha)
Ev. Liebfrauenkirche




Erbauer: Johann Valentin Knauf (Großtabarz, Zuschreibung) 1786, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Ibenhain ist ein Ortsteil der Stadt Waltershausen im thüringischen Landkreis Gotha. Der Ortsteil liegt am Nordrand des Thüringer Waldes in der Stadt Waltershausen, etwa elf Kilometer südwestlich von Gotha und 1160 m südöstlich des Marktplatzes mit seiner berühmten Stadtkirche. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Ibenhain im Jahr 1186. Es war ursprünglich ein Straßendorf an der alten Verbindung von Waltershausen nach Friedrichroda und Reinhardsbrunn. 1394 wurde der Ort an den Rat der Stadt Waltershausen verkauft. In der Folgezeit gehörte er zum Amt Tenneberg, welches seit 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha gehörte. Im 20. Jahrhundert ist das Dorf Ibenhain in die Stadt Waltershausen hineingewachsen und so wurde es schon bei der ersten Kommunalreform nach der Gründung des Landes Thüringen nach Waltershausen eingemeindet. Der Ortskern liegt an der Ortsstraße und ist von alten Gehöften geprägt. Die kleine Dorfkirche Unser lieben Frauen stammt aus dem 18. Jahrhundert. Sie wurde auf den Grundmauern einer Vorgängerkapelle aus dem 14. Jahrhundert gebaut. Ihre heutige Form erhielt die nur 6 mal 10 Meter große Kapelle im Jahr 1802, als man sie nach Osten erweiterte und mit dem hohen Mansarddach versah. Der mächtige Dachreiter auf dem Westgiebel trägt ein Spitzdach mit Turmkugel. Das Innere der Kirche wird geprägt von der umlaufenden Doppelempore. Über dem Altar steht die Orgel, die 1863 in der Kirche aufgestellt wurde. Sie kam gebraucht nach Ibenhain und stammte aus der Salzmann-Schule im benachbarten Schnepfenthal.
Die heutige Salzmannschule in Schnepfenthal wurde 1784 von Christian Gotthilf Salzmann gegründet, der hier eine Erziehungsanstalt nach den Grundsätzen des Philanthropismus errichtete. Die Schüler kamen aus allen Teilen Deutschlands. Neben den üblichen Fächern gab es Sportunterricht und praktische Arbeit. Bekanntester Lehrer war wohl Johann Christoph Friedrich GutsMuths, welcher sich insbesondere um die Entwicklung des Sport-, aber auch des Geographieunterrichts verdient gemacht hat. Heute ist die Salzmannschule ein staatliches Spezialgymnasium für Sprachen. Die Aula der Salzmannschule beherbergt heute eine 1863 erbaute Orgel aus der Werkstatt von Friedrich Knauf. Die 1786 erbaute Vorgängerorgel kam als Schenkung des damaligen Schnepfenthaler Direktor Wilhelm Ausfeld nach Ibenhain. Das ursprünglich pedallose Werk wurde in dem Zusammenhang durch ein selbstständiges Pedal erweitert. Die mit der Aufstellung in Ibenhain betraute Orgelbaufirma Friedrich Knauf, vertreten durch ihren Mitarbeiter Carl Hansius, verwendete hierfür offensichtlich sehr alte Pfeifen einer Orgel wieder, die ursprünglich eine sogenannte kurze Oktave besaß und ergänzte die fehlenden Töne mit neuen Pfeifen. Wer die Orgel als einmanualiges, pedalloses Instrument 1786 in Schnepfenthal ursprünglich erbaute, ist nicht sicher belegt. Allgemein wird angenommen, dass es sich um ein Werk von Johann Valentin Knauf aus Großtabarz handeln könnte. Wie gesagt, diese Zuschreibung ist fraglich, aber nicht auszuschließen. Johann Valentin Knauf, geboren 1762, war der Begründer der Orgelbauerdynastie der Knaufs, die den Orgelbau Thüringens im 19. Jahrhundert ganz wesentlich mit geprägt hat. Vermutlich erlernte er sein Handwerk bei Johann Michael Hesse in Dachwig. Wir können dies aber nur vermuten aufgrund der Ähnlichkeit der Prospektgestaltung der frühen Hesse- und der frühen Knauf-Werke. Knauf besaß seit 1789 ein Orgelmacherprivileg und ist ab 1794 verschiedentlich mit Reparaturen an der berühmten Trost-Orgel der Stadtkirche Waltershausen nachweisbar. Sollte Valentin Knauf die kleine Orgel für Schnepfenthal gebaut haben, dann ist es das mit Abstand früheste Werk dieses Meisters und der gesamten Knauf-Dynastie. Die undatierten Orgeln in Fischbach bei Waltershausen und Gospiteroda dürften um oder kurz nach 1800 entstanden sein.
Als Johann Valentin Knauf 1847 starb, hatte er die Verantwortung in der von ihm begründeten Orgelbaufirma in Großtabarz längst an seinen 1802 geborenen Sohn Friedrich Knauf abgegeben. Die 1863 von Friedrich Knauf nach Ibenhain umgesetzte und möglicherweise von seinem Vater Johann Valentin Knauf geschaffene Instrument wurde in den Jahren 1992 bis 1996 von der Firma Orgelbau Waltershausen GmbH behutsam restauriert. Dabei musste ein erheblicher Teil des Pfeifenwerks rekonstruiert werden, da es in den Jahrzehnten zuvor mannigfache Beschädigungen und Verluste erlitten hatte. Das Instrument besitzt 7 Register auf einem Manual und Pedal. Der Tonumfang des Manuals geht vom Ton C bis zum c3. Wir finden hier die Register Bordun 8', sodann Principal und Hohlflöte 4', eine Oktave 2' und eine Quinte 1 1/3'. Das Pedal mit einem Umfang bis zum c1 wurde, wie bereits erwähnt, 1863 angefügt. Knauf hat hierbei ältere Pfeifen einer Orgel mit kurzer Oktave übernommen und ergänzt. Die älteren Pfeifen könnten also durchaus aus dem 17. Jahrhundert stammen. Hier finden wir die beiden Register Bordunbaß 16' und Oktavenbaß 8'. Zum Abschluß der Restaurierungsarbeiten hat man dem Instrument eine wohltemperierte Stimmung nach Werckmeister III mitgegeben. Die kammermusikalisch angelegte, dabei klanglich sehr frische Orgel kommt in dem kleinen, klanglich sehr intimen Kirchenraum in Ibenhain hervorragend zur Geltung, als wäre sie für ihn geschaffen worden.

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Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Bordun 8' Bordunbaß 16' Pedalkoppel
Principal 4' Octavenbaß 8'  
Hohlflöte 4'    
Octave 2'    
Quinte 1 1/3'    

In Ibenhain gespielte Stücke:

Johann Friedrich Agricola: Jauchzt, ihr Erlösten, dem Herren >>>
Johann Friedrich Agricola: Keinen hat Gott verlassen >>>
Johann Heinrich Buttstedt: Partita "Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ" >>>
Johann Thielemann Cramer: Sonate G-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Herr Gott, dich loben alle wir >>>
Christian Heinrich Rinck: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich I & II >>>
Johann Heinrich Ritz: Fuga G-Dur >>>
Johann Heinrich Ritz: Fughetta d-moll >>>
Johann Heinrich Ritz: Nun lob, mein Seel, den Herren >>>
Johann Heinrich Ritz: Wo Gott zum Haus nicht gibt sein Gunst



JESUBORN (Stadt Ilmenau, Ilm-Kreis)
Ev. Lutherkirche




Erbauer: Johann Caspar Holland (Schmiedefeld) 1793, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Jesuborn ist ein Ortsteil der Stadt Ilmenau im thüringischen Ilm-Kreis mit rund 350 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt etwa einen Kilometer nordöstlich von Gehren am Nordrand des Thüringer Waldes. Nördlich des Ortes erhebt sich der 494 Meter hohe Schulberg. Der im ersten Moment merkwürdig anmutende Name des 1368 erstmals urkundlich genannten Ortes ist indogermanischen Ursprungs. Das Wort „Jesen“ bedeutet aufwallen oder sprudeln und somit bezieht sich der Ortsname auf das sprudelnde Wasser der dortigen Quelle. Jesuborn gehörte bis 1920 zum Amt Gehren in der Oberherrschaft des Fürstentums bzw. Freistaats Schwarzburg-Sondershausen. Danach gehörte der Ort zum Landkreis Arnstadt, ab 1952 zum Kreis Ilmenau und seit 1994 zum Ilm-Kreis. Die Kirche des Ortes wurde 1819 auf den Grundmauern eines älteren Baues errichtet. Von der Vorgängerkirche hat sich noch ein auf 1614 datierter Stein in der Fassade erhalten sowie der Taufstein mit der Jahreszahl 1618. Die erst 1793 erbaute Orgel aus der alten Kirche wurde 1819 in die neue Lutherkirche übernommen. Ihr Meister war Johann Caspar Holland aus Schmiedefeld am Rennsteig.
Stammvater der über drei Generationen hinweg in Schmiedefeld wirkenden Orgelbauerfamilie Holland war der 1747 in Asbach bei Schmalkalden geborene Johann Caspar Holland. Er erlernte sein Handwerk bei Johann Michael Wagner, der in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts in Schmiedefeld eine bedeutende Orgelwerkstatt aufbaute. 1777 heiratete er die Schwester eines anderen Gesellen der Wagner-Werkstatt und ab etwa 1780 wurde er von Wagner mit kleineren und größeren Aufgaben betraut, die er für seinen „Principal“ selbstständig auszuführen hatte. In den Folgejahren war die Aufgabenteilung in der Wagner-Werkstatt so geregelt, dass Wagner mehr und mehr nur die Verträge und Pläne ausarbeitete und Holland die praktische Werkstatt- und Projektleitung innehatte. Die bedeutendste Arbeit jener Zeit war die 1793 vollendete Orgel in der Dresdner Kreuzkirche mit 50 Registern auf drei Manualen und Pedal. 1801 starb Johann Michael Wagner und Johann Caspar Holland übernahm endgültig seine Werkstatt. Er selbst hat nicht allzu viele Werke alleine und unter seinem Namen errichten können, da er beim Tod seines Lehrmeisters bereits 54 Jahre alt war. Die 1793 vollendete Orgel in Jesuborn ist hierbei das älteste eigenständige Werk Hollands. 1798 erbaute er, allerdings unter dem Namen Johann Michael Wagners eine ebenfalls bis heute erhaltene Orgel in Schwickershausen im Grabfeld. Recht gut erhalten, jedoch derzeit in schlechtem Zustand ist die 1818 vollendete Orgel in Möhrenbach, ebenfalls einem Stadtteil von Ilmenau. Und acht Jahre zuvor erbaute Holland ein Instrument in Dörnfeld an der Heide, das derzeit, Ende 2019 gerade restauriert wird. Von seinen größeren Arbeiten, etwa in der Stadtkirche zu Bad Salzungen und in Niederzwönitz im heutigen Erzgebirgskreis, sind wenigstens noch die Prospekte, nicht aber das klingende Innenleben erhalten. Den Auftrag in Niederzwönitz erhielt Holland auf Fürsprache des Hohensteiner Kantors Christian Gotthilf Tag. Dieser amtierte in Hohenstein seit 1777 auf einer von Johann Michael Wagner erbauten Orgel und kannte den damaligen Gesellen Holland sicher von daher. 1820 übergab Johann Caspar Holland die Werkstatt an seinen 1778 geborenen Sohn Johann Michael Holland und starb 1834 mit 87 Jahren. Der 1804 geborene Enkel Friedrich Wilhelm Holland führte die Schmiedefelder Werkstatt bis in die 1870er Jahre fort.
Die Orgel in Jesuborn wurde, nachdem sie vermutlich noch von Holland selbst in der neuen Kirche des Ortes wieder aufgestellt wurde, in den folgenden Jahrzehnten von der im Ort ansässigen Orgelbauerfamilie Frosch gepflegt. Die letzte Instandsetzung erfolgte in den 1950er Jahren und zwischenzeitlich hätte das wertvolle Instrument deutlich hörbar die Hände eines Orgelbauers nötig. Doch ist dies, wie überall, eine Frage des Geldes und bis dahin werden Spieler und Hörer noch mit so mancher Einschränkung leben müssen. Das Manual besitzt einen Tonumfang bis zum c3 und verfügt über die Register Gedackt, Quintatön, Hohlflöte und Gamba 8', Principal und Spitzflöte 4', eine Octave 2' sowie eine 4fache Mixtur. Im bis zum c1 geführten Pedal finden wir die Stimmen Subbaß 16' sowie Octavbaß und Flötenbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Als ältester erhaltener Orgel Johann Caspar Hollands kommt dem Instrument in Jesuborn eine bedeutende Stellung innerhalb der reichen Orgellandschaft Südthüringens zu. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Quintatön 8' Octavbaß 8'  
Hohlflöte 8' Flötenbaß 8'  
Gamba 8'    
Principal 4'    
Spitzflöte 4'    
Octave 2'    
Mixtur 4f.    

In Jesuborn gespielte Stücke:
Friedrich Carl Haueisen: Adagio con espressione a-moll >>>
Friedrich Carl Haueisen: Allegro moderato G-Dur >>>
Wolfgang Andreas Haueisen: Vorspiel a-moll >>>
Wolfgang Andreas Haueisen: Vorspiel d-moll >>>
Hieronymus Florentius Quehl: Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich >>>
Hieronymus Florentius Quehl: Nun komm der Heiden Heiland >>>
Hieronymus Florentius Quehl: Puer natus in Bethlehem >>>
Christian Friedrich Ruppe: Fuge B-Dur >>>
Christian Friedrich Ruppe: Fuge C-Dur >>>
Anton Ludwig Ernst Trutschel: Moderato e-moll >>>
Christian Theodor Weinlig: Fuge G-Dur >>>



KERSPLEBEN (Stadt Erfurt)
Ev. Heilig-Geist-Kirche




Erbauer: Carl August Witzmann (Stadtilm) 1863, Prospekt Johann Georg Schröter (Erfurt) 1721, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Kerspleben ist ein Ortsteil der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Der Ort liegt etwa sechs Kilometer ostnordöstlich der Erfurter Altstadt. Landschaftsprägend ist das Thüringer Becken mit seinen fruchtbaren Lössböden und dem Fehlen von Wäldern. Erstmals urkundlich erwähnt wurde „Kirpersleybin“ im Jahr 1104 im Güterverzeichnis des Erfurter Petersklosters. Als germanische Gründung dürfte es jedoch wesentlich älter sein. Zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert blühte der gesamte Erfurter Raum wirtschaftlich auf, bedingt durch den Waidanbau, der auch den Kerspleber Bauern ein gutes Auskommen sicherte. Ab 1815 gehörte Kerspleben zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, während Erfurt wieder preußisch wurde. 1994 wurde der Ort in die Stadt Erfurt eingemeindet. Die evangelische Dorfkirche ist dem Heiligen Geist geweiht und verfügt über einen 52 Meter hohen Turm, der aus dem Jahr 1456 stammt. 1721 wurden das Kirchenschiff neu- und der Kirchturm umgebaut. Am benachbarten Pfarrhaus erinnert eine Gedenktafel daran, dass Friedrich der Große im Jahre 1757 hier für zehn Tage Quartier genommen hat. Damals stand in der Kerspleber Kirche eine von dem Erfurter Orgelmacher Johann Georg Schröter 1721 vollendete Orgel. Der prachtvolle, barocke Orgelprospekt ist bis heute erhalten. Seit 1863 befindet sich in ihm allerdings ein klingendes Werk aus der Werkstatt von Carl August Witzmann aus Stadtilm.
Stammvater der Orgelbauerfamilie Witzmann war der 1782 geborene Johann Benjamin Witzmann. Er war ein Schüler von Johann Andreas Schulze in Milbitz und erhielt später die „Herzoglich-Gothaische Concession“ zum Orgelbau und errichtete seine Werkstatt in Stadtilm. Zwischen den Familien Schulze und Witzmann bestand ein enger Kontakt, denn wechselseitig gingen die Söhne des einen bei dem anderen in die Lehre. So erlernte der später weltberühmte Johann Friedrich Schulze sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann. Dessen Söhne Carl August, 1809 geboren und sein jüngerer Bruder, der 1812 zur Welt gekommene Heinrich Louis Witzmann erlernten wiederum den Orgelbau bei Johann Friedrich Schulze. Sie übernahmen später in ihre eigenen Orgelbauten wesentliche Bauprinzipien, die sie bei Schulze gelernt hatten. Carl August Witzmann übernahm später die durch den frühen Tod des Vaters verwaiste Werkstatt in Stadtilm. Sein Bruder Heinrich Louis machte sich mit einer eigenen Werkstatt in Kleinrudestedt selbstständig. 1871 übergab August WItzmann die Stadtilmer Werkstatt an seinen Werkmeister und Schwiegersohn Adam Eifert, der unter seinem Namen bis ins 20.Jahrhundert hinein zahlreiche Orgeln in den Thüringer Landen und darüber hinaus neu- und umbaute. Carl August Witzmann starb 1881, sein Bruder war bereits 1877 verschieden. Die 1863 vollendete Orgel in Kerspleben ist mit 31 Registern auf zwei Manualen und Pedal großzügig disponiert. Wie bereits erwähnt, übernahm Witzmann den prachtvollen Orgelprospekt und wohl auch einige Register von der Vorgängerorgel, die von dem für die Erfurter Orgelgeschichte so bedeutenden Johann Georg Schröter stammte. Und es hat den Anschein, als ob die Kersplebener nicht auf den Klang des Glockenspiels in der Orgel verzichten wollten. Und so bekam auch der Witzmann‘sche Neubau ein solches Register, das man in der Barockzeit in Thüringen häufig findet, das aber im 19.Jahrhundert als veraltet gilt, da es unter anderem von Schulze und auch von dem einflußreichen Orgelbautheoretiker Johann Gottlob Töpfer strikt abgelehnt wurde.
Die von Carl August Witzmann 1863 vollendete Orgel in Kerspleben wurde 1970 durch den Orgelbauer Friedrich Löbling aus Erfurt leicht im damaligen Sinne barockisiert. Im großen und Ganze hat sie jedoch ihr romantisches Klangbild bewahrt und konnte so bereits kurz nach der politischen Wende, im Jahre 1994 durch die Firma Gebrüder Hey aus Urspringen in der Rhön restauriert werden. Die Manuale besitzen jeweils einen Tonumfang vom Ton C bis zum f3. Das klanglich weitgehend unveränderte Hauptwerk besitzt 12 Stimmen, nämlich Bordun 16', sodann Principal, Hohlflöte, Grobgedackt und Gambe 8', eine Quinte 6', Oktave und Flauto amabile 4', eine Quinte 3', weiterhin eine Oktave 2' und als Klangspitze eine 5fache Mixtur. Dazu kommt noch eine Trompete 8'. Das Oberwerk mit 11 Registern ist klanglich verändert worden, wir finden hier aber auch mit dem Lieblich Gedackt ein grundierendes Register in 16'-Lage, weiterhin Geigenprincipal, Lieblich Gedackt und Salicional 8' sowie Principal und Flauto dous 4'. Dazu kommen heute die neobarocken Stimmen Waldflöte 2', Quinte 1 1/3', Terz 1 3/5', eine Sifflet 1' und darüber eine 3fache Mixtur. Acht Register stehen im Pedalwerk, das bis zum d1 ausgebaut ist. Principalbaß, Subbaß und Violonbaß 16', Oktavbaß, Gedacktbaß und Violoncellobaß 8' sowie die Oktave 4' sind original, den zusätzlichen neobarocken Kleinbaß 2' muss ja nicht unbedingt benutzen. Nach über 20 Jahren könnte das Instrument in absehbarer Zeit eine erneute Restaurierung, vor allem auch mal wieder eine gründliche Durchstimmung vertragen. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Grobgedackt 8' Lieblich Gedackt 8' Violonbaß 16' Glockenspiel
Hohlflöte 8' Salicional 8' Octavbaß 8'  
Gambe 8' Principal 4' Gedacktbaß 8'  
Quinte 6' Flauto dous 4' Violoncellobaß 8'  
Octave 4' Waldflöte 2' Octave 4'  
Flauto amabile 4' Quinte 1 1/3' Kleinbaß 2'  
Quinte 3' Terz 1 3/5'    
Octave 2' Sifflet 1'    
Mixtur 5f. Mixtur 3f.    
Trompete 8'      

In Kerspleben gespielte Stücke:
Johann Friedrich Agricola: Ein feste Burg ist unser Gott >>>
Johann Friedrich Agricola: Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl >>>
August Eduard Grell: Präludium Nr. 15 f-moll >>>
August Eduard Grell: Präludium Nr. 16 D-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Es ist das Heil uns kommen her I & II >>>
Christian Heinrich Rinck: Es wolle Gott uns gnädig sein >>>
Christian Heinrich Rinck: Nun freut euch, lieben Christen g'mein I & II >>>
H. W. Tauscher: Fuga über B-A-C-H >>>
H. W. Tauscher: Jesu, meine Freude >>>
H. W. Tauscher: Vivace Es-Dur >>



KLEINMÖLSEN (Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue, Landkreis Sömmerda)
Ev. Kirche St. Burchardi




Erbauer: Friedrich Meißner (Gorsleben) 1913, Prospekt vermutlich von Johann Wilhelm Salfelder (Stadtilm) um 1810, Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Kleinmölsen ist eine Gemeinde im Landkreis Sömmerda in Thüringen. Sie gehört der Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue an, die ihren Verwaltungssitz in der Gemeinde Großrudestedt hat. Der Ort liegt im südöstlichen Teil des Thüringer Beckens. Durchflossen wird Kleinmölsen vom Bach Mühlgraben, dessen Wasser am westlichen Ortsrand entspringt und im Osten in die Gramme mündet. Erstmals wurde die Gemeinde im Jahr 876 als „Mulinhus“ urkundlich erwähnt, später hieß es auch Kleinmühlhausen. Der Ort gehörte ursprünglich zur Grafschaft Vieselbach und kam mit deren Verkauf im Jahr 1343 zum Gebiet der Stadt Erfurt. 1802 gelangte Kleinmölsen mit dem Erfurter Gebiet an Preußen, doch nach dem Wiener Kongress 1815 zusammen mit einigen anderen Orten zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Seit 1994 bildet Kleinmölsen mit sechs weiteren Orten die Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue und zählt heute 315 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Dorfkirche wurde in ihrer heutigen Form 1601 bis 1604 erbaut. Der knapp 35 Meter hohe Turm ist in seinem Untergeschoss älter. 1712 erhielt die Gemeinde einen barocken Kanzelaltar aus Eisenach und 1719 erhielt die Kirche, die ursprünglich dem heiligen Michael geweiht war, im Zusammenhang mit der Erhebung zum Pfarrdorf ihren heutigen Titel St. Burchardi. Die Orgel ist ein Werk von Friedrich Meißner aus Gorleben und wurde ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, 1913 fertiggestellt.
Über Friedrich Meißner, den Erbauer der Orgel in Kleinmölsen, ist bis heute noch nicht tiefergehend geforscht worden. Bei der Vorbereitung zu diesem Orgelportrait sind darum einige überraschende neue Erkenntnisse aufgetaucht. Der Name des Orgelbauers Friedrich Meißner ist in der Thüringer Orgelbaugeschichte Bewanderten vor allem im Zusammenhang mit dem Umbau der Wender-Orgel in der Arnstädter Bachkirche durch Julius Hesse ein Begriff. Friedrich Meißner arbeitete in Hesses Werkstatt und stand als Pfeifenmacher in „hohem Ansehen“. Später, in den 1870er Jahren, hatte Meißner die undankbare Aufgabe übernommen, den unvollendeten Umbau durch Hesse zum Abschluß zu bringen. 1868 verewigt sich ein Friedrich Meißner mit einer Inschrift in der Hesse-Orgel in Holzhausen. 1880 führte Meißner einen Umbau der Orgel in Gorsleben durch, es folgen Neubauten unter anderem in Dermsdorf 1884, Hemleben 1889 und einigen anderen Orten. Beim Orgelbau in Kleinmölsen wird unter anderem erwähnt, dass Meißner in jenem Jahre 1913 „58 Jahre alt“ gewesen ist. Dies macht stutzig, denn dann hätte er als Zehnjähriger bereits als „hochangesehener Pfeifenmacher“ bei Hesse gearbeitet, was natürlich nicht sein kann. Des Rätsels Lösung: es handelt sich bei Friedrich Meißner ganz offensichtlich um zwei verschiedene Orgelbauer gleichen Namens und zwar Vater und Sohn. Friedrich Meißner Junior wurde 1855 in Sachsenburg bei Gorsleben geboren und starb 1933. Er heiratete Elisa Amalia Lörer aus Gorsleben, die 1914 verstarb. Nach dem Ersten Weltkrieg war Meißner unter anderem als Gemeinde-Rendant im Gemeinderat Gorsleben aktiv. Wo er seine Ausbildung zum Orgelmacher erhielt, wissen wir nicht und auch sonst wissen wir über seinen Lebensweg sehr wenig. Einen wichtigen Hinweis bringt noch das Firmenschild der 1880 erbauten Orgel in Oehrenstock bei Ilmenau. Dort lesen wir als Erbauer: „Meißner und Sohn, Orgelbaumeister Gorsleben bei Sachsenburg.“ Diese biographischen Angaben verdanke ich größtenteils dem Kleinmölsener Heimatforscher Frank Störzner, dem an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Ganz offensichtlich hat sich Friedrich Meißner Senior erst nach der Fertigstellung der Arbeiten in Arnstadt 1878 als Orgelbauer selbstständig gemacht, zusammen mit seinem 1855 geborenen Sohn gleichen Namens. Später, nach dem Tod des Vaters zu noch unbekannter Zeit, führte Friedrich Meißner Junior die Orgelbauwerkstatt bis etwa in die Jahre des Ersten Weltkrieges in Gorsleben fort.
Die 1913 erbaute Orgel von Friedrich Meißner in Kleinmölsen ist ein spätromantisches Instrument mit 19 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Beim Orgelbau 1913 wurde das spätbarocke Gehäuse der Vorgängerorgel, vermutlich vom Orgelbauer Salfelder aus Stadtilm, wiederverwendet. Wie in jener Zeit üblich, erhielt die Orgel pneumatische Kegelladen. 2010 bis 2011 wurde das viele Jahre verstummte Instrument durch die Firma Orgelbau Schönefeld aus Stadtilm restauriert. Die Manuale haben einen Tonumfang vom Ton C bis zum f3. Die Disposition des Hauptwerks wird von einem fülligen Bordun 16' grundiert, sodann finden wir die Register Principal, Gambe und Hohlflöte 8', Octave und Flauto amabile 4', die Octave 2' und eine 3fache Mixtur. Das Oberwerk enthält ausschließlich farbige Charakterstimmen, nämlich Geigenprincipal, Salicional, Lieblich Gedackt, Aeoline und eine Viola d´amour 8', dazu kommt noch ein Gemshorn 4'. Das Pedal, das bis zum d1 ausgebaut ist, verfügt über die Stimmen Subbaß und Violon 16', Octavbaß und Cello 8', dazu kommt als einzige Zungenstimme noch eine sehr schöne Posaune 16'. Außer den üblichen Manual- und Pedalkoppeln enthält das Instrument noch Superoctavkoppeln, welche die Strahlkraft des Klanges im Plenum erheblich zu steigern imstande sind. Unverändert erhaltene Orgeln der Spätromantik von lokalen Orgelbauern in gutem Zustand sind selbst in der reichen Thüringer Orgellandschaft nicht überall zu finden und somit kommt der Orgel in Kleinmölsen als einem der ganz wenigen erhaltenen Werke Friedrich Meißners durchaus eine gewisse Bedeutung zu. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Salicional 8' Octavbaß 8' Superoktavkoppel HW
Gambe 8' Aeoline 8' Cello 8' Superoktavkoppel II-I
Octave 4' Viola d'amour 8' Posaune 16'  
Flauto amabile 4' Gemshorn 4'    
Octave 2'      
Mixtur 3f.      

In Kleinmölsen gespielte Stücke:
Oscar Borg: Festpräludium >>>
Oscar Borg: Vater unser im Himmelreich >>>
Max Gulbins: Herzliebster Jesu >>>
Harold Henning: Die Nacht ist vorgedrungen >>>
Sigfrid Karg-Elert: Alles ist an Gottes Segen >>>
Heinrich Pfannschmidt: Passion (O Haupt voll Blut und Wunden) >>>
Wilhelm Rudnick: Jesu, geh voran >>>
Robert Schaab: Lobe den Herren >>>
Robert Schaab: Mir nach, spricht Christus, unser Held >



KORNHOCHHEIM (Landgemeinde Nesse-Apfelstädt, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Nikolaus




Erbauer: Johann Stephan Schmaltz (Wandersleben) 1745
, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Kornhochheim ist ein Ortsteil der Landgemeinde Nesse-Apfelstädt im Osten des thüringischen Landkreises Gotha mit heute rund 800 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt an der alten Verbindungsstraße von Arnstadt nach Neudietendorf, der sogenannten Baumstraße und hat die Form eines mittelalterlichen Rundlingsdorfes mit dem sogenannten „Davidsborn“ in der Mitte. Nachbarorte sind Apfelstädt im Westen, der Erfurter Stadtteil Molsdorf im Osten und im Süden Thörey und das Gewerbegebiet Erfurter Kreuz, das größte Thüringens am Schnittpunkt der Autobahnen A71 und A4, die letztere führt unmittelbar an Kornhochheim vorbei. Den markanten Kirchturm kann man beim Vorbeifahren auf der Autobahn erkennen. Das Gotteshaus ist mittelalterlichen Ursprungs, um 1200 errichtet und damit älter als die gesicherten urkundlichen Erwähnungen des Ortes, dessen Gelände bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war. Kornhochheim gehörte zum Amt Wachsenburg und gehörte mit diesem seit dem 16. Jahrhundert zum Herzogtum Sachsen-Weimar und seit 1825 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. 1974 wurde der Ort nach Neudietendorf eingemeindet und 2009 in die neu gegründete Landgemeinde Nesse-Apfelstädt. Die Kirche St. Nikolaus erhielt um 1500 durch Anbau der Apsis und Umbau des Langhauses an den romanischen Turm ihre heutige Gestalt. Sehr bemerkenswert ist das originale Türblatt aus dem 15. Jahrhundert, an dem man noch Waffenspuren aus dem Dreißigjährigen Krieg. Im April 1945 verlor die Kirche durch Artilleriebeschuß ihren charakteristischen Turmhelm, stattdessen erhielt sie 1952 den heutigen, spitzen Dachreiter. Im Inneren ist das Kornhochheimer Gotteshaus reich ausgestattet. 21 Szenen aus dem Alten und Neuen Testament – 1701 geschaffen – zieren die Emporenbrüstungen. Die in Blau und Gold „himmlisch“ bemalte Holztonnendecke gibt dem Raum ein besonderes Gepräge. Direkt unter diesem steht die barocke Orgel, 1745 von Johann Stephan Schmaltz aus Wandersleben geschaffen. 
Johann Stephan Schmaltz wurde 1715 in Wandersleben, in unmittelbarer Nachbarschaft von Kornhochheim geboren. Er war Lehrling und Geselle des Gothaischen Hoforgelmachers Johann Christoph Thielemann, bei dessen Orgelbau in Sundhausen bei Gotha 1731 Schmaltz erstmals als „Orgelmacher Gesell“ nachweisbar ist. Zwischen 1740 und 1750 hatte Schmaltz dann seine eigene Werkstatt in Wandersleben, zog sodann nach Arnstadt, erwarb 1751 das dortige Bürgerrecht und erhielt etwa zeitgleich das Orgelbauerprivileg für das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt-Sondershausen als Nachfolger des verstorbenen Anton Weise. Schon 1747 hatte er die Orgel in der Ohrdrufer Trinitatiskirche mit 32 Registern auf zwei Manualen und Pedal vollendet. 1758-60 schuf er in der Michaeliskirche zu Ohrdruf, die mit der Familie Bach auf besondere Weise verbunden ist, sein größtes Instrument mit drei Manualen, 36 klingenden Stimmen samt Glockenspiel, die allerdings schon 1808 bei einem verheerenden Brand zerstört wurde. Bereits 1750 hatte er die von seinem Lehrmeister Thielemann begonnene Orgel in Rehestädt bei Arnstadt nach dessen Erkrankung vollendet. Insgesamt verließen zwischen etwa 1740 und 1780 rund 25 neue Orgeln die Schmaltzsche Werkstatt, von denen hier und da noch einige schöne barocke Prospekte künden; doch nur in Kornhochheim sind auch große Teile der technischen und klingenden Anlage erhalten – ein besonderer Schatz in der reichen Orgellandschaft Thüringens. Johann Stephan Schmaltz war insgesamt dreimal verheiratet. Seine dritte Frau, die Pfarrerswitwe Juliane Maria Hähner aus Thörey, brachte einen Sohn mit in die Ehe, der später die Orgelwerkstatt seines Stiefvaters übernehmen sollte. Dieser Ludwig Wilhelm Hähner, der den Titel eines Herzloglich-Gothaischen und Fürstlich-Schwarzburgischen Hoforgelbauers in Arnstadt trug, führte das Geschäft bis zu seinem Tod 1819 weiter.  
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Orgel in Kornhochheim durch Friedrich Knauf und Sohn aus Gotha leicht verändert; doch fallen diese Modifikationen klanglich nicht ins Gewicht und wurden bei der stilgerechten Restaurierung 1992 durch die Firma Hey-Orgelbau aus Urspringen in der Rhön beibehalten. Im Manual, das bis zum c3 ausgebaut ist, finden wir die Stimmen Gedackt, Salicional und Violdigamba 8', Principal und Kleingedackt 4', eine Octave 2' und eine 4fache Mixtur. Im Pedal stehen Subbaß und Violon 16' sowie ein Octavbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel und der für Thüringen so typische Glockenaccord. Die Orgel in Kornhochheim kündet heute als letzte von der Kunst ihres Meisters Johann Stephan Schmaltz, der - in der Thüringer Tradition der Bachzeit großgeworden – sich vor seinen Kollegen Trost, Schröter und Volckland keinesfalls zu verstecken brauchte und nur deshalb heute weit weniger bekannt ist als jene, weil seine großen Instrumente allesamt den Läufen der Zeit zum Opfer gefallen sind. 

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Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Violdigamba 8' Violon 16' Glockenaccord
Salicional 8' Octavbaß 8'  
Principal 4'    
Kleingedackt 4'    
Octave 2'    
Mixtur 4f.    

In Kornhochheim gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Allein Gott in der Höh sei Ehr BWV 715 >>>
Johann Sebastian Bach: Christ, unser Herr, zum Jordan kam BWV 685 >>>
Johann Sebastian Bach: Christum wir sollen loben schon BWV 696 >>>
Johann Sebastian Bach: Dies sind die heil'gen zehn Gebot BWV 679 >>>
Johann Christian Frischmuth: Allegretto G-Dur >>>
Johann Christian Frischmuth: Andante C-Dur >>>
David Heinrich Garthoff: Praeludium und Fuge in F >>>
Johann Adrian Junghanns: Freu dich sehr, o meine Seele >>>
Wilhelm Hieronymus Pachelbel: Partita "O Lamm Gottes unschuldig" >>>
Johann Schneider: Allabreve F-Dur >>>
Christian Umblaufft: Praeludium in g >>>



LANGEWIESEN (Ilm-Kreis)
Ev. Liebfrauenkirche




Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1850-1851, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Langewiesen ist eine Stadt im Ilm-Kreis in Thüringen. Sie liegt im Tal der Ilm am Nordostrand des Thüringer Waldes, etwa zwei Kilometer östlich von Ilmenau, der größten Stadt im Kreis. Langewiesen ist einer der ältesten Orte der Umgebung und erhielt im Jahr 1855 gemeinsam mit Gehren und Großbreitenbach das Stadtrecht. 1198 wurde der Ort Longewissen zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Er gehörte zu den Erfurter Besitzungen des Erzbistums Mainz, das die Grafen von Schwarzburg damit belehnte. Später ging Langewiesen ins Eigentum Schwarzburgs über, bei dem es mit Unterbrechungen bis 1918 blieb. War der Ort über die Jahrhunderte relativ klein geblieben, setzte ab 1880 die Industrialisierung verstärkt ein und Langewiesen entwickelte sich zu einer kleinen Industriestadt mit zahlreichen Manufakturen und kleinen Fabriken. Heute leben etwa 3.500 Einwohnerinnen und Einwohner in Langewiesen, es entstanden nach der Wende großzügige Gewerbeflächen um den Ort und Langewiesen profitiert auch von der Nähe zu Ilmenau mit dessen Technischer Universität, deren Campus direkt an der Stadtgrenze liegt. Die Stadtkirche, die Liebfrauenkirche befindet sich westlich des Marktplatzes. Es handelt sich um eine Saalkirche, die zwischen 1675 und 1680 auf den Resten eines gotischen Vorgängerbaus errichtet wurde. Der Kirchturm wurde erst 1715 fertiggestellt.1706 erhielt die Kirche eine Orgel aus der Werkstatt von Johann Albrecht aus Coburg. Diese wurde von keinem geringeren als Johann Sebastian Bach geprüft und abgenommen, der damals im benachbarten Arnstadt wirkte und worauf noch heute ein Schild in der Kirche nicht ohne Stolz hinweist. Diese Orgel ist allerdings nicht erhalten. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts trug man sich mit Neubauplänen und wandte sich diesbezüglich an den Orgelbauer Johann Andreas Schulze aus Milbitz. Doch zerschlugen sich diese Pläne wegen der folgenden, ungünstigen Zeitverhältnisse. Die heutige Orgel wurde 1851 eingeweiht. Sie ist ein Werk von Johann Friedrich Schulze, dem Sohn des genannten Johann Andreas, der seine Werkstatt in Paulinzella gleich über den Bergen hatte und zu den überragenden deutschen Orgelbauern der frühen Romantik gezählt werden darf.
Johann Friedrich Schulze wurde 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geboren. Er wurde in eine Orgelbauerfamilie hineingeboren, die vor ihm bereits in drei Generationen hauptsächlich im näheren Umkreis von Milbitz wirkte. ber sein Vater Johann Andreas Schulze, geboren 1753, starb, als Johann friedrich Schulze gerade einmal 13 Jahre alt war. So erlernte dieser sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm, der seinerseits allerdings wiederum ein Schüler von Johann Andreas Schulze war. Nach dem Tod Witzmanns vollendete Johann Friedrich Schulze mit 22 Jahren seine erste eigene Orgel und machte sich im Folgenden in Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann sagen – Weltgeltung. In einem Musiklexikon jener Zeit heißt es: "Zu dem seinen Werken eigenen charaktervollen, frisch-kräftigen Gesamtklang kam Schulze dadurch, daß er als der erste die Errungenschaften der Töpferschen Orgelbautheorie praktisch verwertete und dadurch vor allem eine Windgebung erzielte, bei der er den vollen Wind aus den Bälgen lassen und jede Stimme so intonieren konnte, daß sie den in ihr liegenden Ton auch vollständig hergibt.“ Für den romantischen Orgelbau Deutschlands war Johann Friedrich Schulze einer der wichtigsten Begründer und Wegbereiter. Zahlreiche Erfindungen und Neuerungen stammen von ihm. Die Zusammenarbeit mit Töpfer schuf eine solide wissenschaftliche Grundlage und verlieh seinen Instrumenten besondere Qualität. Über das Baujahr der Langewiesener Orgel kursieren derzeit unterschiedliche Angaben in den Quellen. In einem 1850 veröffentlichten Werkverzeichnis Schulzes ist die Langewiesener Orgel bereits aufgeführt, doch in einem Schreiben des Stadtgemeindevorstandes heißt es am 11. Dezember 1851: "sämtliche Bauarbeiten in der Ortskirche werden mit dem Schlusse künftiger Woche vollendet sein und könnte daher am darauffolgenden Sonntage, den 21. des Monats wieder Gottesdienst abgehalten werden. Sollte etwa wider Verhoffen die Stimmung der Orgel bis dahin nicht geschehen sein, so kann dies die Einweihung der Orgel nicht aufhalten, da letztere fix und fertig aufgestellt und zu ihrem Zwecke vollkommen brauchbar ist.“ So können wir davon ausgehen, daß die Langewiesener Orgel am 4. Adventssonntag 1851 ihrer Bestimmung übergeben wurde.
Johann Friedrich Schulze hatte an die 120 Orgeln gebaut, von denen die Hälfte über die Grenzen Thüringens hinaus bis nach Riga und Philadelphia gegangen waren, als er sein Lebenswerk mit den grandiosen Neubauten im Bremer Dom - 1850 vollendet - und in der Marienkirche zu Lübeck krönte, wo 1851-1854 ein Werk von 80 Registern auf 4 Manualen und Doppelpedal entstand, das Schulzes größtes bleiben sollte. Zwischen diesen beiden Großwerken enstand 1850-1851 auf der Höhe seines Schaffens und Ruhms die Orgel zu Langewiesen. Sie besitzt 18 Register auf zwei Manualen und Pedal. Das Hauptwerk, das vom Ton C bis zum c3 gebaut ist, besitzt zunächst den klassischen Prinzipalchor 8', 4' und 2', wobei die 2'-Oktave mit der Quinte 2 2/3' zu einem Registerzug zusammengefasst ist. Bekrönt wird das Plenum von einer 5fachen Mixtur und grundiert von einem warmweichen Bordun 16'. Dazu geben Gambe, Gedackt und Hohlflöte 8' fein differenzierte Farbigkeit. Das Oberwerk, das mit einem Schwellkasten ausgestattet ist, wurde später leider im Sinne der Orgelbewegung in seiner klanglichen Zusammensetzung verändert. Es besitzt heute Lieblich Gedackt und Salicional 8', Geigenprincipal 4', Kleinprincipal 2' und Quinte 1 1/3'. Das Pedal, das bis zum c1 ausgebaut ist, besteht aus den Registern Subbaß, Violon und Posaune 16' sowie einem Gedacktbaß 8'. Dazu kommt ein Choralbaß 4', der durch Absägen des originalen Oktavbasses 8' hergestellt wurde. Für den romantischen Orgelbau Deutschlands war Johann Friedrich Schulze einer der wichtigsten Begründer und Wegbereiter. Darum sind seine nicht allzu zahlreich erhaltenen Werke, wie das in Langewiesen, bedeutende Zeugnisse einer großen Orgelbautradition, die von Thüringen ausgehend Weltgeltung erlangt hat. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-c3 Oberwerk, C-c3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Salicional 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Geigenprincipal 4' Gedacktbaß 8'  
Gedackt 8' Kleinprincipal 2' Choralbaß 4'  
Gambe 8' Quinte 1 1/3' Posaune 16'  
Octave 4'      
Quinte-Octave 2 2/3' + 2'      
Mixtur 5f.      

In Langewiesen gespielte Stücke:
Michael Henkel: Allegretto d-moll >>>
Michael Henkel: Fughetta C-Dur >>>
Michael Henkel: Fughetta D-Dur >>>
Michael Henkel: Nachspiel C-Dur I >>>
Michael Henkel: Nachspiel C-Dur II >>>
Michael Henkel: Trio Cantabile B-Dur >>>
Michael Henkel: Versett C-Dur >>>
Michael Henkel: 4 Versetten d-moll >>>
Michael Henkel: Vorspiel d-moll >>>



LEINA (Gemeinde Georgenthal, Landkreis Gotha)
Ev. Nicolauskirche



Erbauer: Johann Heinrich Rupert (Wiegleben) 1740, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-c3 Oberwerk, C-c3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Lieblich Gedact 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Hohlflöte 8' (Quintatön 4') Violonbaß 16' Pedalkoppel
(Quintatön 8') Nachthorn 4' (Octavbaß 8') (Tremulant)
(Viola di Gamba 8') Octava 2'   (Cymbelsterne)
Principal 4' (Waldflöte 2')    
(Spitzflöte 4') (Mixtur 2f.)    
Quinta 3'      
(Octava 2')      
(Mixtur 2f.)      

In Leina gespielte Stücke:
Johann Christoph Bach: Aria Eberliniana pro Camillo dormiente >>>
Dietrich Meyer: Praeludium in h >>>
Johann Valentin Scherlitz: Andante b-moll >>>
Johann Valentin Scherlitz: Orgelstück a-moll >>>
Johann Gottfried Walther: Vom Himmel hoch, da komm ich her >>>
Friedrich Wilhelm Zachow: Aus tiefer Not schrei ich zu dir >>>
Friedrich Wilhelm Zachow: In dich hab ich gehoffet, Herr >>>
Friedrich Wilhelm Zachow: O Lamm Gottes unschuldig >>>



LINDERBACH (Stadt Erfurt)
Ev. Kirche Unserer Lieben Frau




Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1857, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Linderbach ist ein Ortsteil der Thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Der Ort liegt etwa vier Kilometer östlich der Erfurter Altstadt. Die Umgebung ist landwirtschaftliche Nutzfläche und nahezu waldfrei. Das Dorf liegt am Linderbach, einem Nebenfluss der Gramme. Linderbach ist jünger als die meisten Orte der Umgebung, es wurde erst 1104 erstmals urkundlich erwähnt. Im Güterverzeichnis des Erfurter Petersklosters hieß der Ort Linderbeche. 1343 wurde Linderbach von den Grafen von Gleichen mit der Grafschaft Vieselbach an die Stadt Erfurt verkauft. Nach der Säkularisation 1802 kamen Erfurt und die umliegenden Gemeinden zu Preußen. Auf dem Wiener Kongress 1815 wurde beschlossen, einige östlich von Erfurt gelegene Dörfer einschließlich Linderbach dem Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach anzugliedern. Somit gehörte Linderbach bis 1945 zum Landkreis Weimar, während Erfurt preußisch blieb. Die Staatsgrenze zwischen Weimar bzw. später Thüringen und Preußen verlief unmittelbar westlich von Linderbach. 1994 erfolgte die Eingemeindung in die Stadt Erfurt. Bei Linderbach, in dem derzeit rund 880 Einwohnerinnen und Einwohner leben, liegen heute zwei der größten Gewerbeflächen der Stadt Erfurt. Die evangelische Dorfkirche Unseren lieben Frauen ist ein im Ursprung romanischer Bau, der in der Zeit der Gotik das heute noch bestehende Langhaus erhielt. Der wertvolle Altar wurde im Jahre 1495 in einer Erfurter Werkstatt gefertigt. Die heutige Orgel wurde 1857 erbaut. Sie ist das zeitlich letzte Werk des großen Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella.
Johann Friedrich Schulze, der Erbauer der Orgel in Linderbach, gilt als einer der bedeutendsten Orgelbauer im Deutschland des 19.Jahrhunderts überhaupt. Geboren wurde er 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Sein Vater Johann Andreas war, ebenso wie zwei Generationen zuvor, ebenfalls Orgelbauer, doch starb der Vater, als Johann Friedrich gerade einmal 13 Jahre alt war. So erlernte Johann friedrich Schulze sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm. Nach dem Tod Witzmanns machte sich Schulze sodann Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann es ohne Übertreibung sagen – Weltgeltung. Maßgeblich für Schulzes künstlerische Entwicklung war die Zusammenarbeit mit dem Weimarer Organisten Johann Gottlob Töpfer. Schulze war der erste, der Töpfers Orgelbautheorien praktisch umsetzte und so schufen Töpfer und Schulze ein neues Klangideal, und bereiteten den Weg für die deutsche Orgelromantik. Aber auch in technischer Hinsicht betrat Schulze vielfach Neuland. So geht die Trakturkonstruktion mit Wellenrahmen und Strahlentraktur auf Schulze zurück. Um 1850 stand Johann Friedrich Schulze auf dem Zenit seiner Meisterschaft, die in jener Zeit gebauten Großorgeln im Bremer Dom, in der Lübecker Marienkirche und sogar im Chrystal Palace in London zeigen, dass seine Kunst weithin Anerkennung fand. Johann Friedrich Schulze starb am 9. Januar 1858. Seine Söhne Edmund Schulze, geboren 1824 und Eduard Schulze, 1830 zur Welt gekommen, führten die Werkstatt zusammen mit ihren Brüdern Oskar und Herwart noch bis 1881 weiter. Als konsequente Verfechter von Schleifladen und mechanischen Trakturen hatte es die Firma Schulze am Ende schwer, größere Neubauaufträge zu erlangen und so endete mit dem Tod von Edmund und Eduard Schulze 1878 beziehungsweise 1880 ein glanzvolles Jahrhundert Orgelbaugeschichte mit dem Namen Schulze. Die 1857 eingeweihte Orgel in Linderbach ist die letzte Orgel, die der große Johann Friedrich Schulze noch selbst gebaut hat. Mit 12 Registern gehört sie zu den kleineren Instrumenten des Meisters. Einige Besonderheiten der Schulze-Werkstatt finden wir auch in Linderbach, so beispielsweise die beidseitig nach oben geschwungene Pedalklaviatur oder die aufwändig gearbeitete Flauto traverso. Schulzes Traversflöten sind immer rund gedrechselt und wurde danach hohl gebohrt – diese Herstellungsweise verlangt höchste Präzision in der Ausführung.
Die Orgel von Johann Friedrich Schulze in Linderbach wurde im Laufe der Zeit nur leicht verändert. Eine aufwändige und stilgerechte Restaurierung wurde in den Jahren 2002 bis 2009 durch die Firma Vogtländischer Orgelbau Thomas Wolf aus Limbach ausgeführt. Beide Manuale haben einen Tonumfang vom Ton C bis zum f3. Das Hauptwerk besitzt zunächst einen fülligen Bordun 16', sodann Principal, Hohlflöte und Gambe 8', eine Oktave 4' und eine 5fache Mixtur auf 2'-Basis. Auch das Oberwerk besitzt mit dem Lieblich Gedackt ein Register auf 16'-Basis. Die bereits erwähnte Flauto traverso 8' und das Lieblich Gedackt 8' besitzen zusammen einen gemeinsamen Registerzug. Dazu kommen noch ein Geigenprincipal und eine Gedacktflöte 4'. Im Pedal, das bis zum d1 ausgebaut ist, finden wir einen Subbaß 16' und einen Principalbaß 8'. Neben der üblichen Manual- und der Pedalkoppel besitzt die Orgel noch eine Manual-Großkoppel, also eine Suboktavkoppel. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8'

Lieblich Gedackt & Flauto traverso 8'

Principalbaß 8' Manual-Großkoppel
Hohlflöte 8' Geigenprincipal 8'   Pedalkoppel
Gambe 8' Gedacktflöte 4'    
Octave 4'      
Mixtur 5f.      

In Linderbach gespielte Stücke:
Alexandre Pierre Francois Boely: Allegro G-Dur >>>
Hermann Bönicke: Nun sich der Tag geendet hat >>>
Christian Heinrich Rinck: Herr, ich habe mißgehandelt >>>
Christian Heinrich Rinck: Herzliebster Jesu >>>
Christian Heinrich Rinck: In dich hab ich gehoffet, Herr >>>
Christian Heinrich Rinck: Jerusalem, du hochgebaute Stadt >>>
Christian Heinrich Rinck: Jesu, meine Freude >>>
Christian Heinrich Rinck: Seelenbräutigam >>>
H. W. Tauscher: Nun komm der Heiden Heiland >>>
Abbé Vogler: Gott, der Vater, wohn uns bei >>>



MARBACH (Stadt Erfurt)
Ev. Kirche St. Gotthardt




Erbauer: Friedrich Knauf (Großtabarz) 1843, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Den Ortsnamen Marbach finden wir insgesamt 19 mal in Deutschland. Das Marbach, in dem wir heute zu Gast sind, ist ein Ortsteil der Thüringischen Landeshauptstadt Erfurt und hat knapp 4.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Marbach befindet sich im Westen von Erfurt. Westlich von Marbach liegt auf einer Anhöhe der Erfurter Stadtteil Salomonsborn. Im Süden erstreckt sich eines der größten Kleingartengebiete Erfurts. Als „Martbech“ wurde der Ort im Jahre 1211 das erste Mal urkundlich erwähnt. Bis ca. 1300 gehörte Marbach den Grafen zu Gleichen, die den Ort später an mehrere Grundbesitzer weitergaben. Ab 1532 kam der Ort dann schrittweise zum Gebiet der Stadt Erfurt. 1802 kam er mit dem Erfurter Gebiet zu Preußen und zwischen 1807 und 1813 zum französischen Fürstentum Erfurt. Mit dem Wiener Kongress kam Marbach wieder zu Preußen und wurde 1816 dem Landkreis Erfurt in der preußischen Provinz Sachsen angegliedert. 1950 wurde der Ort nach Erfurt eingemeindet. Die Kirche St. Gotthardt wurde 1211 errichtet und seitdem mehrmals umgebaut. Vom romanischen Chor sind noch Nord- und Südmauer mit kleinem Rundbogenfenster an der Südseite und der halbkreisförmige Apsissockel erhalten. 1802 wurde der Chorturm durch ein Fachwerkgeschoss erhöht; aus dieser Zeit stammt auch der Kanzelaltar. 1842 folgte die Erneuerung des schlichten Kirchenschiffes, bei dem die Kirche eine dreiseitige zweigeschossige Empore erhielt. Der krönende Abschluß dieser Arbeiten war im Jahre 1843 der Einbau einer neuen Orgel durch Friedrich Knauf aus Großtabarz.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18. Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Er wurde 1762 geboren und starb 1847. Seine beiden Söhne Friedrich und Gottlieb erlernten ihr Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. Während der jüngere, 1810 geborene Gottlieb Knauf später seine Werkstatt ins Eichsfeld, nach Bleicherode verlegte, übernahm der 1802 geborene Friedrich Knauf nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt in Großtabarz. Sein Sohn Guido Knauf trat später in die Familienwerkstatt ein und arbeitete ab Mitte der 1860er Jahre mit dem Vater zusammen, der aber bis zu seinem Tod mit 81 Jahren 1883 mitarbeiten konnte. Unter der Ägide von Friedrich Knauf entwickelte sich die Firma Knauf zu einer der produktivsten Orgelbauwerkstätten zwischen Thüringer Wald und Harz. Die erste selbstständige Arbeit Friedrich Knaufs ist die 1833 aufgestellte Orgel in Klettenberg, Landkreis Nordhausen. 1840 errichtete Knauf in der Servatiuskirche zu Duderstadt sein größtes Instrument mit 42 Registern auf drei Manualen und Pedal. Beide genannten Orgeln sind nicht erhalten. Bis etwa 1840 baute Friedrich Knauf die Spieltraktur über die überlieferte Weise mit Wellenbrettern und Wellenrahmen. Ab diesem Zeitpunkt macht sich der Einfluß von Johann Friedrich Schulze bemerkbar, dessen bahnbrechende Erfindungen Knauf vermutlich beim Weiterbau der von Schulze begonnenen, aber nicht vollendeten Orgel in Warza bei Gotha kennengelernt hat, die ebenfalls in dieser Reihe vorgestellt wird. So verfügen ab dann alle Knaufschen Orgeln über seitliche Manubrien, Strahlentraktur und chromatische Laden, da Kreuzungen der teilweise meterlangen Trakturelemente umständlich wären. Die Tasten sind einarmige Hebel, das Obermanual hat somit hängende Traktur, das Untermanual Stechermechanik. Genau so ist auch die Orgel in Marbach mit ihren 17 Registern auf zwei Manualen und Pedal gebaut. Sie kostete 642 Taler und enthält als Besonderheit unter rund 300 von in drei Generationen Knauf erbauten Orgeln den einzigen jemals von den Knaufs gebauten Cimbelstern, der hier „Glockenaccord“ heißt.
Die Knauf-Orgel in der St. Gotthard-Kirche zu Marbach bei Erfurt besitzt 17 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Einweihung erfolgte am 15. Oktober 1843. In seiner Predigt ging der Pfarrer auf das Thema ein: „Unser Orgelwerk ist ein Werk der Ehre. Es gereicht zu Ehre Gottes, zu dessen Dienst es errichtet ist. Zweitens Zur Ehre der Gemeinde, durch deren guten Sinn es beschafft ist und drittens zur Ehre des Künstlers, durch dessen Geschicklichkeit es erbaut wurde.“ Das Hauptwerk geht vom Ton C bis zum f3 und besitzt zunächst den klassischen Prinzipalchor mit Oktaven 8', 4' und 2'. Satt grundiert wird der Klang von einem Bordun 16' und fein differenziert von Gedackt, Hohlflöte und Gambe 8' sowie einer Hohlflöte 4'. Klangspitze ist eine nur 2fache Mixtur. Das Oberwerk besitzt vier Stimmen, Geigenprincipal, Gedackt und Flauto traverso 8' sowie ein Gedackt 4'. Das Pedal, das bis zum d1 gebaut ist, besitzt Subbaß, Violon und Posaune 16' sowie einen Oktavbaß 8'. Dazu kommen die üblichen beiden Koppeln sowie der bereits erwähnte Glockenaccord. Die letzte Instandsetzung der Orgel fand 1986 statt, mittlerweile könnte sie eine erneute Restaurierung vertragen. Derzeit klemmen im Oberwerk einige Tasten, die Manualkoppel funktioniert nicht, die Traktur ist recht schwergängig und durch die derzeit abgenommenen Gehäusewände hört man relativ viel Windgeräusch. Trotz dieser Einschränkungen besticht der Charme der Einzelstimmen und die zurückhaltende, vollkommen klassizistische Pracht des Plenums. Die Marbacher Orgel repräsentiert den Typus einer mittelgroßen Dorforgel im Thüringen des 19. Jahrhunderts, der als durchaus typisch für zahlreiche ähnliche Instrumente gelten kann. Und trotzdem ist jede von ihnen ein Einzelstück, ein Kunstwerk, ein Stück Kulturgeschichte.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Gedackt 8' Violon 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8' Glockenaccord
Hohlflöte 8' Gedackt 4' Posaune 16'  
Gambe 8'      
Octave 4'      
Hohlflöte 4'      
Octave 2'      
Mixtur 2f.      

In Marbach gespielte Stücke:

Michael Henkel: Cantabile A-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile As-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile Es-Dur >>>
Michael Henkel: Fughetta c-moll >>>
Michael Henkel: Lamentoso f-moll >>>
Michael Henkel: Nachspiel A-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten As-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten c-moll >>>
Michael Henkel: 2 Versetten Es-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten f-moll >>>
Michael Henkel: 3 Versetten A-Dur >>>
Michael Henkel: Vorspiel A-Dur >>>



MECHTERSTÄDT (Landgemeinde Hörsel, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Marien




Erbauer: Carl Christian Hoffmann (Gotha) 1770, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Mechterstädt ist ein Ortsteil der Landgemeinde Hörsel im Nordwesten des thüringischen Landkreises Gotha. Der Ort liegt an der Westgrenze des Landkreises Gotha. Durch das Dorf fließt der Fluss Hörsel. Erstmals erwähnt wurde Mechterstädt im Jahr 775. König Karl schenkte dem Kloster Hersfeld damals eine Hufe Landes in „villa Mehderstede“. Vom 8. bis zum 14. Jahrhundert dauerte die klösterliche Lehensherrschaft unter den Klöstern Hersfeld, Fulda, Reinhardsbrunn und dem Katharinenkloster in Eisenach. 1508 gehörten das Rittergut und ein Teil des Dorfes den Herren von Reckrodt, ein anderer Teil denen von Hopfgarten. Im Dreißigjährigen Krieg hatte der Ort, der an der alten „Via regia“ lag, schwer zu leiden – und auch ein großer Brand 1655 setze den Einwohnerinnen und Einwohnern Mechterstädts schwer zu. Wirtschaftlich aufwärts ging es nach dem Bau der Eisenbahn durch den Ort, der 1845 bis 1847 erfolgte. 1994 war Mechterstädt eine der sieben Gründungsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Hörsel. 2011 wurde aus zehn bisher selbständigen Gemeinden, darunter Mechterstädt, die neue Landgemeinde Hörsel gebildet. Die evangelische Marienkirche wurde 1716 bis 1717 nach den Plänen des gothaischen Oberlandesbaumeisters Johann Erhard Straßburger errichtet. Der geräumige Innenraum ist einheitlich barock gestaltet. Die prachtvolle Ausmalung an Emporen und Decken stammen von der Hand des Gothaer Hofmalers Pistor Dörfling. Hoch oben auf der zweiten Empore steht die prachtvolle Orgel.
Die neu erbaute Kirche in Mechterstädt erhielt 1726 die erste Orgel durch den Orgelbauer Christian Rothe aus Gotha. Doch war diese wohl gebraucht eingebaute Orgel sehr reparaturanfällig, doch glücklicherweise wurde sie durch den Mechterstädter Schreiner Michael Bach immer wieder repariert. Dieser Michael Bach war übrigens der Neffe von Johann Michael Bach, dem „Gehrener Bach“ und somit auch mit Johann Sebastian Bach verwandt. 1751 bemühte sich dieser Michael Bach sogar um den Neubau der Orgel in Mechterstädt, stieß jedoch mit diesem Ansinnen auf den heftigen Widerstand des Gothaer Hoforgelbaumeisters Carl Christian Hoffmann. 1709 geboren, hatte dieser Carl Christian Hoffmann in der Werkstatt von Johann Christoph Thielemann gearbeitet. Dieser hatte 1735 das Gothaer Hoforgelmacherprivileg erhalten. 1747 wurde auch Hoffmann – parallel zu Thielemann – zum Hoforgelbauer ernannt, doch bis zum Erhalt des Privilegs musste sich Hoffmanns bis zu Thielemanns Ableben 1755 gedulden. Carl Christian Hoffmann ist seit Anfang der 1740er Jahre mit eigenständigen Orgelarbeiten nachweisbar, so etwa in Gospiteroda, in Sättelstädt und 1751 bis 1752 in Töttelstädt bei Erfurt. Weiterhin erbaute Hoffmann Instrumente beispielsweise in Trügleben 1758 und in Langenhain bei Waltershausen 1769. Beide Instrumente sind glücklicherweise erhalten. Hoffmanns größte und prächtigste Orgel aber entstand 1770 in Mechterstädt – rund 20 Jahre nach dem Streit mit dem bereits genannten Michael Bach. Sie erhielt 25 Stimmen auf zwei Manualen und Pedal nebst Tremulant und Glockenspiel. Carl Christian Hoffmann, dessen berühmtester Schüler und Mitarbeiter in den 1740er Jahren sicher Michael Wagner aus Schmiedefeld war, starb im Jahre 1779 in Gotha. Die Orgelmacherwerkstatt übernahm sein Schwiegersohn Justus Friedrich Rautenhauss, der aber bald darauf nach Gera verzog.
Die prachtvolle Spätwerk Carl Christian Hoffmanns in Mechterstädt wurde im Jahre 1995 durch die Firma Orgelbau Waltershausen fachgerecht restauriert. Das vorher jahrzehntelang vernachlässigte, aber im Grunde genommen ziemlich unverändert erhaltene Instrument ist damit fraglos zu einem ganz besonderen Juwel der reichen Thüringer Orgellandschaft geworden. Das Grundproblem bei den aufwändigen Restaurierungsarbeiten war das insgesamt recht dünnwandige Material der Metallpfeifen – ein Mangel, der Hoffmann schon zu Lebzeiten vorgehalten wurde. Die Orgel besitzt 25 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Manuale der wunderbar mit Intarsien gestalteten und hervorragend erhaltenen Spielanlage haben einen Tonumfang bis zum d3. Das Hauptwerk wird auffälligerweise durch zwei 16'-Register, nämlich einmal Quintatön und zum anderen einem Bordun grundiert. Barocke Klangpracht atmet auch die weitere Klanggestalt mit Principal, Gedackt und Viola di Gamba 8', Octave und Spielflöte 4', Quinta 3' und Octave 2'. Gefärbt und bekrönt wird das Hauptwerk von einer 4fachen Mixtur, einer 3fachen Cymbel und einem ebenfalls 3fachen Cornett. Das Oberwerk verfügt über Hohlflöte, Stillgedackt und Salicional 8', Principal und Flauto 4', Octave und Waldflöte 2', eine Sesquialtera und eine 3fache Mixtur. Das Pedal schließlich mit einem Umfang bis zum d1 besitzt Subbaß, Violon und Posaune 16' sowie einen Octavbaß 8'. Dazu kommen drei Sperrventile, Tremulant, Glockenaccord und das für den Thüringer Orgelbau des Barock so charakteristische Glockenspiel. Die Orgel in Mechterstädt ist ein wichtiges Zeugnis für die hohe Kunst des Orgelbaus im Herzogtum Gotha und für den charakteristischen Klang der Instrumente an der Wiege des Orgelschaffens Johann Sebastian Bachs. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-d1  
Quintatön 16' Hohlflöte 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Bordun 16' Stillgedackt 8' Violon 16' Pedalkoppel
Principal 8' Salicional 8' Octavbaß 8' Tremulant
Gedackt 8' Principal 4' Posaune 16' Glockenaccord
Viola di Gamba 8' Flauto 4'   Glockenspiel
Octave 4' Octave 2'    
Spielflöte 4' Waldflöte 2'    
Quinta 3' Sesquialtera 2f.    
Octave 2' Mixtur 3f.    
Cornett 3f.      
Mixtur 4f.      
Cymbel 3f.      

In Mechterstädt gespielte Stücke:
Andreas Armsdorff: Es spricht der Unweisen Mund wohl >>>
Johann Heinrich Buttstedt (Zuschreibung): Partita "Herr Jesu Christ, wahr Mensch und Gott" >>>
Johann Christoph Conrad: Gott des Himmels und der Erden >>>
Johann Kaspar Ferdinand Fischer: Praeludium und Fuge g-moll >>>
Ehrenfried Christian Traugott Krebs: Mir nach, spricht Christus, unser Held >>>
Johann Gottfried Walther: Concerto del Sig. Gentili >>>



MITTELHAUSEN (Stadt Erfurt)
Ev. Kirche St. Severinus




Erbauer: Friedrich Wilhelm Böttcher (Sömmerda) 1896, Kegelladen, mechanische Spiel- und pneumatische Registertraktur

Mittelhausen ist ein Ortsteil der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt, etwa acht Kilometer nördlich des Erfurter Stadtkerns an der Schmalen Gera gelegen. Am Südrand des Ortes führt die Autobahn A71 vorbei. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wird Mittelhausen in einem Güterverzeichnis des Kloster Hersfeld erstmals als „Midilhusun“ erwähnt. Zusammen mit dem benachbarten Riethnordhausen bildete Mittelhausen eine „kleinere Grafschaft“ im Besitz der Landgrafen von Thüringen. Im Mittelalter bestand hier das „Oberste Dinggericht“ der Landgrafschaft, das als Landfriedensgericht große Bedeutung für die Region erlangte. Bei der Leipziger Teilung 1485 kam der Ort zum ernestinischen Kurfürstentum Sachsen, später zu Sachsen-Weimar beziehungsweise Sachsen-Weimar-Eisenach. 1994 wurde Mittelhausen in die Stadt Erfurt eingemeindet. Die heutige evangelische Kirche St. Severinus wurde 1504 auf den Grundmauern zweiter mittelalterlicher Vorgängerkirchen errichtet und im 18. Jahrhundert umgebaut. Der an die Saalkirche angebaute Turm stammt noch vom früheren Kirchenbau aus dem 14. Jahrhundert. Die heutige Orgel ist ein Werk der Romantik. Geschaffen hat sie 1896 der Orgelbauer Friedrich Wilhelm Böttcher aus Sömmerda.
Der Orgelbauer Friedrich Wilhelm Böttcher wurde 1855 in Kleinbrüchter im heutigen Kyffhäuserkreis geboren. Wir wissen nicht, wo er sein Handwerk erlernte. Möglicherweise war seine Mutter mit dem Orgelbauer Carl Friedrich Wilhelm Böttcher in Magdeburg verwandt. Hierfür könnte sprechen, das Friedrich Wilhelm Böttcher später eine Frau aus der Nähe von Schönebeck/Elbe heiratete. Er selbst hat anläßlich seines 80. Geburtstages eine kleine autobiographische Skizze veröffentlicht, doch sich dabei über die Jahre bis zu seiner Geschäftsgründung in Sömmerda 1881 gänzlich ausgeschwiegen. Ich wage daher mit aller Vorsicht folgende Hypothese. Friedrich Wilhelm Böttcher war ein Verwandter, möglicherweise über seine Mutter der Neffe des gleichnamigen Magdeburger Orgelmachers. Bei ihm erlernte er sein Handwerk, heiratete und ließ sich dann in Sömmerda, ganz in der Nähe des Ortes Schloßvippach nieder, aus dem nämlich sein unehelicher Vater stammte. Denn Sömmerda selbst weist an sich keine Orgelbautradition auf, an die Böttcher hätte anknüpfen können; wohl aber Schloßvippach, wo sein Vater noch bis 1908 lebte. Doch hören wir, was Böttcher über die Zeit danach selbst schreibt: „Am 1. Juni 1881 ließ ich mich als junger Orgelbaumeister in Sömmerda nieder. Mit jugendlicher Kraft, bestem Wissen und Können ging ich eifrig an die Arbeit. Eine ganze Reihe neuer Werke sind aus meiner Werkstatt in Sömmerda nach allen Gegenden Deutschlands und weit über Deutschlands Grenzen hinaus gegangen, bis nach Dänemark, Schweden, Finnland, Rußland, bis in den hohen Norden der Halbinsel Kola am Weißen Meer. 1901 siedelte ich auf Wunsch von in Kunst- und Musikkreisen angesehenen Männern nach Weimar über. Hier wurden dann noch viele neue Werke für Deutschland und nach dem Ausland von mir gebaut. Zu meinem 50jährigen Meisterjubiläum konnte ich auf die Zahl von 368 neuen Orgelwerken, die unter meiner Hand entstanden sind, zurückblicken. Durch die Gnade Gottes bin ich im Alter von 80 Jahren so rüstig, daß ich noch manche schwierige Arbeit ausführe. Man will noch den alten Meister haben, die Arbeit aber macht mir ganz besondere Freude.“ Seine erste eigene Orgel erbaute er 1884 in der katholischen Kirche St. Franziskus in Sömmerda, die 1966 durch einen Neubau ersetzt wurde. In der Folge war er, wie er auch selbst schreibt, immer bestrebt, seinen Wirkungskreis auszudehnen. So lieferte er Orgeln etwa nach Audenhain bei Torgau, Fredeburg in Westfalen und nach Flonheim in Rheinhessen. Seine größte Orgel mit 38 Stimmen errichtete er 1906 in der Klosterkirche Marienstern, früher Güldenstern genannt, in Mühlberg/Elbe in Südbrandenburg. Von seinem Schaffen – die von ihm genannten 368 Orgeln können nach aktuellem Forschungsstand allerdings nur schwer nachvollzogen werden – ist nur sehr wenig erhalten geblieben. Böttcher starb im Jahre 1938 in Weimar. Noch in den Jahren nach der friedlichen Revolution wurde einige Instrumente aus seiner Hand moderneren, vermeintlich besseren Neubauten geopfert. Die 1896 erbaute und bis auf die nach dem Ersten Weltkrieg ersetzten Prospektpfeifen gänzlich unberührt erhaltene Orgel in Mittelhausen besitzt darum einen großen Wert für die Geschichte des romantischen Orgelbaues in Thüringen.
Die 1896 erbaute Orgel in Mittelhausen besitzt Kegelladen mit mechanischer Spieltraktur, aber pneumatischer Registerschaltung mit Druckköpfen, ähnlich wie sie auch der bekanntere Adam Eifert aus Stadtilm in jener Zeit zu bauen pflegte. Die fein ausgewogene, romantische Disposition mit 17 Registern besteht im Hauptwerk aus Bourdon 16', Principal, Gamba und Hohlflöte 8', Octave und Rohrflöte 4' sowie einer 4fache Mixtur. Im Oberwerk finden wir Geigenprincipal, Lieblich Gedeckt, Salicional und Aeoline 8' sowie Fugara und Concertflöte 4'. Im Pedal stehen Subbaß und Violon 16' sowie Principalbaß und Cello 8', dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel. 2019 wurde die solide gebaute und, wie gesagt, bis auf die nach dem Ersten Weltkrieg ersetzten Prospektpfeifen unverändert erhaltene Orgel gereinigt und überholt. Sie ist ein selten gewordenes Zeugnis für den hohen Stand des regionalen Orgelbaus in Thüringen, der an der Schwelle zum 20. Jahrhundert mit traditioneller handwerklicher Qualität und feinem Klangsinn Werke schuf, die auch heute überzeugen und beeindrucken. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bourdon 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedeckt 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Salicional 8' Principalbaß 8'  
Gamba 8' Aeoline 8' Cello 8'  
Octave 4' Fugara 4'    
Rohrflöte 4' Concertflöte 4'    
Mixtur 4f.      

In Mittelhausen gespielte Stücke:
Paul Blumenthal: Christus, der ist mein Leben >>>
Paul Blumenthal: Grave g-moll >>>
Paul Blumenthal: Pomposo G-Dur >>>
Paul Blumenthal: Tranquillo B-Dur >>>
Paul Blumenthal: Un poco Allegro e-moll >>>
Joseph Haas: Herzlich tut mich verlangen >>>
Joseph Haas: Liebster Jesu, wir sind hier >>>
Joseph Haas: Nun laßt uns Gott, dem Herren >>>
Joseph Haas: Wie schön leuchtet der Morgenstern >>>
Sigfrid Karg-Elert: Innig, schlicht >>>
Sigfrid Karg-Elert: Still, schlicht, mild >>>
Sigfrid Karg-Elert: Wuchtig >>>
Sigfrid Karg-Elert: Ziemlich ruhig >>>
Joseph Renner jun.: Präludium C-Dur >>>
Joseph Renner jun.: Präludium e-moll >>>



MOLSCHLEBEN (Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Peter und Paul




Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1856, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Molschleben ist eine Gemeinde in der Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue im thüringischen Landkreis Gotha am Südwesthang der Fahner Höhe. „Magolfeslebo“ war die Bezeichnung des Ortes in der ersten urkundlichen Erwähnung in einem Güterverzeichnis des Klosters Hersfeld, das der Hersfelder Abt und Mainzer Erzbischof Lullus anlegen ließ. Mangels einer genauen Datierung wurde für Molschleben das Todesjahr von Lullus (786) als Erstbekundungsjahr festgelegt, so wie es für viele andere Orte des Verzeichnisses ebenfalls geschah. Ab 1351 besaßen die Herren von Witzleben im Ort ein Rittergut, das sie bis 1737 behaupteten. In der Folge erhielt Molschleben das Recht, Schäfereien zu betreiben sowie Bier zu brauen und auszuschenken. Der Ort war somit schon im 18. Jahrhundert ein ansehnliches fürstlich-gothaisches Amtsdorf innerhalb des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg. 1992 schlossen sich neun Gemeinden, darunter Molschleben, zur Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue zusammen, blieben aber formell selbstständig. Vor der Reformation gehörte Molschleben zum Bistum Mainz und war Dekanatssitz für die umliegenden Pfarreien von Aschara bei Bad Langensalza bis Töttelstädt vor den Toren Erfurts. Die heutige evangelische Kirche St. Peter und Paul wurde in spätgotischer Zeit an der Stelle eines frühmittelalterlichen Vorgängerbaues errichtet und später mehrere Male leicht umgebaut. Neben dem schönen gotischen Flügelaltar, dessen Bilder dem sogenannten „Meisters der Crispinus-Legende“ zugeschrieben werden, besitzt die Kirche eine wertvolle Orgel aus der Werkstatt des großen Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella.
Johann Friedrich Schulze wurde 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geboren. Er stammte aus einer Orgelmacherfamilie, doch starb sein Vater Johann Andreas Schulze, als der Filius gerade einmal 13 Jahre alt war. So erlernte dieser sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm. Nach dem Tod Witzmanns machte sich Schulze sodann in Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann es ohne Übertreibung sagen – Weltgeltung. Maßgeblich für Schulzes künstlerische Entwicklung war die Zusammenarbeit mit dem Weimarer Organisten Johann Gottlob Töpfer. Schulze war der erste, der Töpfers Orgelbautheorien praktisch umsetzte und so schufen Töpfer und Schulze ein neues Klangideal, mit dem sie der deutschen Orgelromantik die Wege bereiteten. Aber auch in technischer Hinsicht betrat Schulze vielfach Neuland. Um 1850 stand er auf dem Zenit seiner Meisterschaft, die in jener Zeit gebauten Großorgeln im Bremer Dom, in der Lübecker Marienkirche und sogar im Chrystal Palace in London zeigen, dass seine Kunst weithin Anerkennung fand. Johann Friedrich Schulze starb am 9.Januar 1858. Seine Söhne Edmund Schulze, geboren 1824 und Eduard Schulze, 1830 zur Welt gekommen, führten die Werkstatt zusammen mit ihren Brüdern Oskar und Herwart noch bis 1881 weiter. Als konsequente Verfechter von Schleifladen und mechanischen Trakturen hatte es die Firma Schulze am Ende schwer, größere Neubauaufträge zu erlangen und so endete mit dem Tod von Edmund und Eduard Schulze 1878 beziehungsweise 1880 ein glanzvolles Jahrhundert Orgelbaugeschichte mit dem Namen Schulze. Zwei Jahre vor seinem Tod, 1856, schuf Johann Friedrich Schulze die Orgel in Molschleben. An ihr kann man den Stil ihres Meisters wie im Lehrbuch studieren: Strahlentraktur, stumme Prospektpfeifen, seitliche Registerzüge, durchschlagende Zungenstimme im Pedal, konkav geschweifte Pedalklaviatur und noch einige Besonderheiten mehr. Seine Traversflöte im Oberwerk ist ebenfalls in typischer Weise gebaut. Schulze hat diese zunächst rund gedrechselt und dann hohl gebohrt; ein enorm aufwändiges Fertigungsverfahren ohne elektrischen Strom und ohne Dampfmaschine, nur mit der Kraft von Mühlrädern. Da solche Traversflöten alleine oftmals nur unbefriedigend ansprechen, hat sie Schulze hier in Molschleben auf einen gemeinsamen Registerzug mit dem Gedackt gesetzt, so dass man die beiden Stimmen nur zusammen verwenden kann.
Die großen Werke Johann Friedrich Schulzes sind allesamt dem sich wandelnden Zeitgeschmack oder spätestens dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. In Thüringen finden wir zum Glück noch einige kleinere und mittelgroße Orgeln des Meisters, die zum wertvollsten Bestand der Orgellandschaft Mitteldeutschlands gehören. Unter ihnen ist die Orgel in Molschleben eine der größeren und eine der am besten erhaltenen. 2001 bis 2002 wurde sie durch die Firma Orgelbau Waltershausen vorbildlich restauriert. Die Manuale sind jeweils bis zum f3 geführt. Im Hauptwerk finden wir Bordun 16', Principal, Gedackt, Hohlflöte und Viola di Gamba 8', Octave 4', sodann Quinte 3' und Octave 2' auf einem gemeinsamen Registerzug sowie eine 5fache Mixtur. Das Oberwerk besitzt Lieblich Gedackt 16', Geigenprincipal und Salicional 8', dann das erwähnte Doppelregister Lieblich Gedackt und Flauto traverso 8' auf einem Registerzug und einen Principal 4'. Im Pedal schließlich stehen Subbaß 16', Octavenbaß, Gedacktbaß und Violon 8' sowie eine Posaune 16' mit durchschlagenden Zungen, dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel. In England genießen Schulzes Orgeln noch heute eine Bewunderung, wie man sie hierzulande allenfalls den Werken eines Cavaille-Coll entgegenbringt. In seinem Vaterland aber ist der Meister von Paulinzella noch immer vergessen. Es ist höchste Zeit, ihn als einen der bedeutendsten Orgelbauer der Romantik wiederzuentdecken, die Deutschland je hervorgebracht hat und seinen noch vorhandenen Werken die gebotene Beachtung zu schenken, damit von der überlieferten Substanz seines auch in kleineren Werken genialen und grandiosen Schaffens nicht noch mehr verlorengeht.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Octavenbaß 8' Pedalkoppel
Gedackt 8' Salicional 8' Gedacktbaß 8'  
Hohlflöte 8'

Lieblich Gedackt & Flauto traverso 8'

Violon 8'  
Viola di Gamba 8' Principal 4' Posaune 16'  
Octave 4'      
Quinte-Octave 3' + 2'      
Mixtur 5f.      

In Molschleben gespielte Stücke:
Julius André: Präludium und Fuge D-Dur >>>
August Siegmund Binder: Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut >>>
Anton Bruckner: Präludium Es-Dur >>>
Johann Peter Heuschkel: Adagio F-Dur >>>
Johann Peter Heuschkel: Langsam g-moll >>>
Johann Nepomuk Hummel: Ricercare G-Dur >>>
Gotthilf Wilhelm Körner: Intonation von chromatischer Art >>>
Anton Wilhelm Leupold: Jesu, meine Freude >>>
Franz Liszt: Ave Maria (I) >>>



MÜHLBERG (Landgemeinde Drei Gleichen, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Lukas



Erbauer: Franziskus Volckland (Erfurt) 1729, Umbau Ernst Siegfried Hesse (Dachwig) 1824, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

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Disposition:

Hauptwerk, C-c3 Oberwerk, C-c3 Pedal, C-d1  
Quintatön 16' Gedact 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Quintatön 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flaut travers 8' Octavbaß 8' Glockenaccord
Viola di Gamb 8' Principal 4' Flötenbaß 4' Glockenspiel
Gemshorn 8' Spitzflöte 4' Posaune 16' Tremulant
Gedact 8' Nachthorn 4'    
Octave 4' Octava 2'    
Quinte 3' Mixtur 3f.    
Octave 2'      
Sesquialtera 2f.      
Mixtur 4f.      
Cimbel 3f.      
Trompete 8'      

In Mühlberg gespielte Stücke:
Andreas Armsdorff: Liebster Jesu, wir sind hier >>>
Johann Andreas Bach: Capriccio über B-A-C-H >>>
Johann Christian Frischmuth: Allegretto Fis-Dur >>>
Johann Christian Frischmuth: Moderato Es-Dur >>>
Gebhard Christian Günther: Wir Christenleut >>>
Johann Gottfried Möller: Ach Herr, mich armen Sünder >>>
Johann Gottfried Möller: Jesu, meine Liebe >>>
Christian Friedrich Schale: Adagio non troppo a-moll >>>
Christian Friedrich Schale: Un poco adagio C-Dur >>>
Christian Friedrich Schale: Un poco adagio G-Dur >>>
Christian Friedrich Schale: Un poco largo e-moll >>>
Nicola Antonio Zingarelli: Sonata C-Dur >>>



OHRDRUF (Landkreis Gotha)
Ev. Trinitatiskirche




Erbauer: Georg Franz Ratzmann (Ohrdruf) 1814, Umbau Guido Knauf (Gotha) 1886, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Ohrdruf ist eine Kleinstadt im thüringischen Landkreis Gotha. Sie liegt auf 375 Metern Höhe unweit nördlich des Thüringer Waldes am Übergang des Westthüringer Berg- und Hügellandes zur sich östlich anschließenden Ohrdrufer Platte. Die Stadt ist vor allem einer der Orte bekannt, an denen Johann Sebastian Bach gelebt hat. Außerdem liegt bei Ohrdruf der größte Truppenübungsplatz Thüringens. Sehenswert sind einige historische Gebäude der Altstadt oder das Schloss Ehrenstein am Rande der Altstadt. Ohrdruf liegt an der Ohra, einem Nebenfluss der Apfelstädt, von dem sich auch der Name ableitet. „Ohr“ kommt von Ohra, "-druf" entstand durch Akzentverschiebung von "-dorf". 723 und 724 begann in Ohrdruf Bonifatius mit der Gründung der Zelle St. Michael seine Mission in Thüringen. 1348 wurden Ohrdruf die Stadtrechte verliehen. Bis 1918 gehörte die Stadt zum Herzogtum Sachsen-Gotha, die heute knapp 6.300 Einwohnerinnen und Einwohner zählt. Ab 1690 wirkte in Ohrdruf Johann Christoph Bach als Organist an der damaligen Hauptkirche St. Michaelis. Er war Johann Sebastian Bachs älterer Bruder und so nahm er diesen, nach dem Tod der Mutter 1694 und des Vaters 1695 zum Vollwaisen geworden, bei sich auf. Hier, bei seinem Bruder in Ohrdruf, erlernte er das Orgelspiel – wir werden auf diesen Punkt in Johann Sebastian Bachs Biographie bei der Vorstellung der kleinen Orgel in der Ohrdrufer Siechhofskirche noch näher eingehen. Damals war die heutige Stadtkirche St. Trinitatis allerdings noch nicht gebaut, der Grundstein für sie wurde 1709 gelegt und die Einweihung konnte 1714 stattfinden. Die erste Orgel der Trinitatiskirche war das Rückpositiv der damaligen Hauptkirche St. Michaelis mit ihren teilweise aus der Gotik stammenden Pfeifen. 1746-47 erbaute der Wanderslebener Orgelbauer Johann Stephan Schmaltz eine Orgel, die 1814 von einem neuen Instrument aus der Ohrdrufer Werkstatt von Georg Franz Ratzmann ersetzt wurde.
Georg Franz Ratzmann, 1771 in Cumbach bei Friedrichroda in Thüringen geboren, war der Begründer einer deutschen Orgelbauerfamilie, die in Thüringen und Hessen im 19. und frühen 20. Jahrhundert etwa 170 Orgeln schuf. Georg Franz Ratzmann ließ sich 1792 als Orgelbauer im thüringischen Ohrdruf nieder, wo er in eine Schreinerei einheiratete. Von ihm sind 14 Werke nachgewiesen; die größte war die 1837 eingeweihte Orgel in der Stadtpfarrkirche zu Fulda mit 49 Registern auf drei Manualen und Pedal. Der derzeit früheste bekannte Orgelneubau von Georg Franz Ratzmann entstand 1802 für die Kirche in Reinholdshain bei Glauchau, die allerdings nicht erhalten ist. 1814 bekam der Meister die Gelegenheit, für die Trinitatiskirche seiner Heimatstadt ein repräsentatives Werk zu errichten. Die Orgel kostete 1100 Taler, hatte zwei Manuale und 38 klingende Stimmen, von denen 16 auf das Hauptmanual, 12 auf das Oberwerk und 10 auf die Bässe kamen. Dem Werk in Ohrdruf folgten weitere größere Werke, z.B. in Friedrichroda, Wölfis oder Finsterbergen. Drei von Ratzmanns Söhnen wurden ebenfalls Orgelbauer, der 1804 geborene Johann Heinrich Ludwig Ratzmann führte die Werkstatt in Ohrdruf weiter und dessen jüngerer Bruder Wilhelm August Ratzmann machte sich später in Gelnhausen selbstständig. Die Orgel in der Trinitatiskirche dann 1886 durch Guido Knauf aus Gotha grundlegend umgebaut. Guido Knauf, 1830 in die bekannte Thüringer Orgelbauerfamilie Knauf hineingeboren, hat in den 1870er und 1880er Jahren eine ganze Reihe von Orgeln aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts technisch erneuert. In Ohrdruf baute er die gesamte technische Anlage samt Spielschrank neu, disponierte die Orgel um und veränderte auch die Intonation der übrigen Register im Sinne der Hochromantik. Von der Ratzmann-Orgel übernahm er den Prospekt und einen Großteil des Pfeifenwerks.
Die von Georg Franz Ratzmann 1814 errichtete und 1886 von Guido Knauf umgebaute Orgel in der Trinitatiskirche zu Ohrdruf wurde gleich nach der Wende, 1990 bis 1992 durch die Firma Förster&Nicolaus aus Lich restauriert. Hierbei wurde auch die sehr schwergängige Knauf-Traktur durch eine an Ratzmanns Bauweise angelehnte Traktur ersetzt, die das Spiel deutlich erleichtert. 2006 erfolgte eine erneute Instandsetzung durch die Firma Rösel&Hercher aus Saalfeld. Die Ratzmann-/Knauf-Orgel besitzt heute 34 Stimmen auf 2 Manualen und Pedal. 15 Register stehen im Hauptwerk, das vom Ton C bis zum f3 ausgebaut ist. Grundlage ist ein mächtiger Prinzipalchor, aufgebaut auf dem Principal 16', über die Oktaven 8', 4' und 2', dazu die Großquinte 6', eine Quinta 3' und bekrönt von einer 4fachen Mixtur und einer 3fachen Cymbel. Als zweiter 16' im Hauptwerk ist ein Bordun disponiert, dann kommen noch Gedackt, Hohlflöte, Gamba und Trompete 8', eine Hohlflöte 4' sowie ein ebenfalls auf dem 8' basierendes 3faches Cornett. Das Oberwerk besitzt 10 Register, nämlich Quintatön 16', Geigenprincipal, Salicional, Fugara, Flauto traverso und Lieblich Gedackt 8', Octave und Spitzflöte 4', Quinte 3' und Octave 2' auf einem Registerzug sowie eine 3fache Mixtur. Das Pedal, das bis zum d1 ausgebaut ist, besitzt 9 Stimmen, Principal, Subbaß, Violon und Posaune 16', letztere mit durchschlagenden Zungen, dazu Octavbaß, Bordunbaß und Violoncello 8', einen Quintbaß 6' und eine Octave 4'. Die große Ratzmann-/Knauf-Orgel in der heutigen Hauptkirche der Stadt Ohrdruf, der Trinitatiskirche, ist eines der repräsentativsten Instrumente der Romantik in Thüringen. Die hauptamtlich besetzte Kantorenstelle an der Trinitatiskirche gewährleistet das hohe Niveau der Orgel- und Kirchenmusik in einer Stadt mit einer großen und langen Musiktradition – heute und so Gott will auch in Zukunft.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 16' Quintatön 16' Principal 16' Manualkoppel
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Violon 16'  
Gedackt 8' Lieblich Gedackt 8' Octavbaß 8'  
Hohlflöte 8' Salicional 8' Bordunbaß 8'  
Gamba 8' Fugara 8' Violoncello 8'  
Großquinte 6' Octave 4' Quintbaß 6'  
Octave 4' Spitzflöte 4' Octave 4'  
Hohlflöte 4' Quinte-Octave 3' + 2' Posaune 16'  
Quinte 3' Mixtur 3f.    
Octave 2'      
Mixtur 4f.      
Cymbel 3f.      
Trompete 8'      
       

In der Trinitatiskirche Ohrdruf gespielte Stücke:
Ludwig van Beethoven, Bearb.: Julius André: Andante molto moderato >>>
Christian Heinrich Rinck: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>>
Christian Heinrich Rinck: Christ lag in Todesbanden >>>
Christian Heinrich Rinck: Du Friedefürst, Herr Jesu Christ >>>
Christian Heinrich Rinck: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort >>>
Christian Heinrich Rinck: Fughetta e-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Herr Christ, der einig Gottes Sohn >>>
Christian Heinrich Rinck: Jesu, meines Lebens Leben >>>
Christian Heinrich Rinck: Nachspiel b-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Nachspiel c-moll >>>



OHRDRUF (Landkreis Gotha)
Ev. Siechhofskirche 




Unbekannter Erbauer um 1700 unter Einbezug älteren Materials, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Ohrdruf ist eine Kleinstadt im thüringischen Landkreis Gotha. Sie liegt auf 375 Metern Höhe unweit nördlich des Thüringer Waldes am Übergang des Westthüringer Berg- und Hügellandes zur sich östlich anschließenden Ohrdrufer Platte. Die Stadt ist vor allem einer der Orte bekannt, an denen Johann Sebastian Bach gelebt hat. Außerdem liegt bei Ohrdruf der größte Truppenübungsplatz Thüringens. Sehenswert sind einige historische Gebäude der Altstadt oder das Schloss Ehrenstein am Rande der Altstadt. 723 und 724 begann in Ohrdruf Bonifatius mit der Gründung der Zelle St. Michael seine Mission in Thüringen. 1348 wurden Ohrdruf die Stadtrechte verliehen. Bis 1918 gehörte die Stadt zum Herzogtum Sachsen-Gotha, die heute knapp 6.300 Einwohnerinnen und Einwohner zählt. Ab 1690 wirkte in Ohrdruf Johann Christoph Bach als Organist an der damaligen Hauptkirche St. Michaelis, die aus der Bonifatianischen Zelle St. Michael hervorgegangen war. Er war Johann Sebastian Bachs älterer Bruder und so nahm er diesen, nach dem Tod der Mutter 1694 und des Vaters 1695 zum Vollwaisen geworden, bei sich auf. Hier, bei seinem Bruder in Ohrdruf, erlernte er das Orgelspiel. Die Hauptkirche St. Michaelis, die 1753 nach einem Brand neu aufgebaut wurde, ist 1945 dem Bombenkrieg zum Opfer gefallen. Lediglich der Turm blieb erhalten und beherbergt heute eine kleine Kapelle und eine Ausstellung zur Geschichte der Kirche. Die Vorgängerin dieser Kirche, eine gotische Hallenkirche, wurde im Jahre 1421 eingeweiht und zur Stadtpfarrkirche erhoben. Auf der Südseite, stand von Anfang an auf einer, wie es heißt, besonderen Empore über dem Altar zum Heiligen Kreuze ein kleines Orgelwerk, das im Jahre 1559 vergrößert wurde. Die alte gotische Orgel wurde - zum Rückpositiv. An dieser Stelle der Orgelgeschichte von St. Michaelis steigen wir gleich wieder ein, denn die Geschichte der kleinen Orgel in der Siechhofskirche hängt unmittelbar mit St. Michaelis zusammen.
Johann Christoph Bach, Johann Sebastians älterer Bruder, war seit 1690 Organist an der Hauptkirche St. Michaelis in Ohrdruf. Bereits 1675 wurde ein Kontrakt für einen Orgelneubau mit dem Suhler Orgelbauer Caspar Lehmann geschlossen. Nach dessen Tod im Jahre 1679 übernahm Johann Heinrich Brunner aus Sandersleben den Weiterbau. 1693 begutachtete Johann Christophs Erfurter Lehrer Johann Pachelbel das Werk. Erst 1706 war die Orgel vollendet. Der junge Johann Sebastian hat die Planungen und die Ausführungen dieses Umbaus sicher sehr genau verfolgt und sich dabei die Grundlagen für sein immenses Wissen über Orgeln und Orgelbau angeeignet. Außerdem hatte der Orgelbauer Georg Christoph Stertzing bis 1697 seine Werkstatt in Ohrdruf, der mit dem ebenfalls Johann Christoph Bach heißenden Onkel in Eisenach eng zusammenarbeitete. Während der Zeit des langjährigen Orgelumbaus in Ohrdruf wurde zur Begleitung der Gottesdienste das alte Rückpositiv benutzt. Als 1713 die neue Trinitatiskirche in Ohrdruf erbaut wurde, wurde das nun entbehrlich gewordene spätgotische Rückpositiv nach dort versetzt, wo 1746 bis 1747 dann eine neue Orgel von Johann Stephan Schmaltz aus Wandersleben erbaut wurde. Teile des Pfeifenwerks der alten Orgel, leider ohne das sicher sehr interessante spätgotische Gehäuse, kam in vor den Toren der Stadt gelegene Siechhofskirche. Diese wurde, wie der Name schon sagt, vor dem ehemaligen Siechenhaus für unheilbar Kranke 1603 gebaut. Die heutige Siechhofskirche wurde 1779 im frühklassizistischen Stil erbaut. 1783 wurde die Kanzelaltarwand aus dem 17. Jahrhundert eingebaut, sie stammte aus der aufgegebenen Kapelle des Schlosses Ehrenstein. Besonders sehenswert daran sind die spätgotischen Teile des ehemaligen Flügelaltars aus den Jahren 1510/1520. Die kleine Orgel wurde in einem schlichten Gehäuse auf der Empore wieder aufgestellt.
Die kleine Orgel in der Siechhofskirche zu Ohrdruf wirkt in ihrer Disposition ein wenig zusammengestückelt, so als hätte der unbekannte Orgelbauer im 18. Jahrhundert die Aufgabe gehabt, aus den vorhandenen Resten der alten Orgel für relativ wenig Geld etwas Brauchbares zu machen. Dafür spricht auch die sehr schlichte Gestaltung des Gehäuses wie ein Schrankpositiv ohne Prospektpfeifen. Das bedeutet aber auch, dass auf mindestens einigen Pfeifenreihen mit großer Sicherheit Johann Sebastian Bach und sein Bruder Johann Christoph Bach musiziert haben. Wenn man die Orgelgeschichte der Michaeliskirche, aus deren Orgelmaterial das heutige Instrument in der Siechhofskirche ja erbaut wurde, bis an ihre Anfänge zurückverfolgt, so ist es durchaus möglich, dass in der Siechhofskirche heute noch sehr alte Pfeifen und vielleicht sogar ganze Registerteile erklingen. In einem CD-Booklet aus dem Jahr 1998 mit Aufnahmen aus dem sogenannten Andreas-Bach-Buch fand ich die Angabe, dass die Orgel der Siechhofskirche noch Pfeifen von der ursprünglichen Orgel von 1421 enthält. Leider konnte ich hierfür keine anderweitige Bestätigung finden. Doch wenn das so sein sollte, so erklingen in Ohrdruf die vielleicht ältesten Orgelpfeifen der Welt. Denn alle übrigen „Kandidaten“ sind später entstanden; die Orgel in Sion wurde 1435 erbaut, Ostönnen nicht vor 1425 und Rysum frühestens um 1440, schließlich Kiedrich vermutlich erst Ende des 15. Jahrhunderts. Ein spannender Gedanke, der unbedingt Gegenstand weiterer Forschungen sein sollte. Die heutige Disposition enthält im Manual, das vom Ton C bis zum c3 ausgebaut ist, vier Register. Gedackt 8', Flöte 4', Octave 2' und eine Sifflöte 1 1/3'. Das Pedal, das bis zum d1 geführt ist, enthält die Stimmen Subbaß 16' sowie eine Quintade 4', dazu kommt noch eine Pedalkoppel. 1990 bis 1992 wurde das Instrument durch die Orgelbaufirma Förster & Nicolaus aus Lich restauriert. 

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Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-d1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Flöte 4' Quintade 4'  
Octave 2'    
Sifflöte 1 1/3'    

In der Siechhofskirche Ohrdruf gespielte Stücke:
Johann Bernhard Bach: Partita "Du Friedefürst, Herr Jesu Christ" >>>
Johann Christoph Bach: Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut >>>
Johann Michael Bach: Es spricht der Unweisen Mund wohl >>>
Johann Michael Bach: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>>
Johann Michael Bach: Von Gott will ich nicht lassen >>>
Johann Sebastian Bach: Da Jesus an dem Kreuze stund >>>
Johann Sebastian Bach: O Jesu, wie ist dein Gestalt BWV 1094 >>>



OLLENDORF (Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue, Landkreis Sömmerda)
Ev. Kirche St. Philippus




Erbauer: Franziskus Volckland (Erfurt) 1722, Umbau August Witzmann (Stadtilm) 1830, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Ollendorf ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Sömmerda und verwaltungsrechtlich Teil der Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue. Das Dorf ist am Ursprung des Rossenbachs gegründet worden, der in der Ortslage mit einer kräftig schüttenden Quelle entspringt, die der Heilsborn genannt wird. Ollendorf befindet sich auf halbem Wege zwischen Weimar und Erfurt am Westhang des Ettersbergs. Ollendorf liegt am Kreuzungspunkt zweier alter Handelsstraßen: In Nord-Süd-Richtung verläuft von Bad Frankenhausen nach Nürnberg eine alte Salzstraße, in Ost-West-Richtung zieht sich die Via Regia durch den Ort. Ollendorf wird im Codex Eberhardi der Reichsabtei Fulda in einem auf 822 bis 842 zu datierenden Regest erstmals urkundlich erwähnt. Der Name bezeichnet das alte Dorf, das sich aus zwei Siedlungskernen bei der Oberkirche „Sankt Petri“ und der Unterkirche „Sankt Philippus & Jakobus“ entwickelte. Mit dem Wiener Kongress kam der Ort mit dem Amt Azmannsdorf zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Seit 1994 gehört er nebst sechs weiteren Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue an. Die Kirche St. Philippus und Jakobus bildet gemeinsam mit den anderen Häusern rund um den Dorfplatz den Mittelpunkt von Ollendorf. Laut Inschrift an der Turmnordseite wurde dieser 1506 fertiggestellt. Das Langhaus wurde 1684 bis 1686 errichtet. Etwa um 1700 wurde der Innenraum mit Empore und Kanzelaltar barock umgestaltet. Die 1798 eingebaute Turmuhr des Stadtilmer Uhrmachers Eberhardt ist bis heute intakt; und natürlich interessieren wir uns vor allem für die stattliche Orgel, die 1722 bis 1723 von Franziskus Volckland aus Erfurt errichtet wurde.
In Ollendorf steht die älteste erhaltene Orgel des „kunstberühmten“ Franziskus Volckland aus Erfurt. Volckland wurde 1696 in Berlstedt bei Weimar geboren. Bei dem ebenfalls aus Berlstedt gebürtigen und in Erfurt wirkenden Orgelbauer Johann Georg Schröter erhielt er seine Unterweisung in der Kunst des Orgelbaues. Nach einer Zeit bei der Orgelwerkstatt Lortzing in Ohrdruf kehrte er 1718 nach Erfurt zurück und wurde dort „Biereigener“, d. h. er durfte Bier brauen und ausschenken. Darüber hinaus betrieb er einen Holz- und Fruchthandel und war, wie es heißt, ein „engagierter Bürger“ der Stadt. Das von Volckland erbetene 1720 Orgelbau-Privileg wurde ihm allerdings nicht erteilt. Sein Lehrmeister Johann Georg Schröter besaß dieses und war darauf angewiesen, während Volckland auch ohne den Orgelbau sein Auskommen hatte und sich – wenn man so will – seine Projekte aussuchen konnte. Schon in seiner Lehrzeit bei Schröter hatte es Auseinandersetzungen zwischen den beiden gegeben, die sich jetzt wegen der direkten Konkurrenz zueinander verstärkten. Die ersten eigenen Instrumente erbaute Volckland 1721 in Vieselbach und 1722 bis 1726 in Ollendorf. Wegen der Streitigkeiten mit Schröter ließ sich Volckland, recht trickreich, den Orgelbau in Ollendorf erst nachträglich genehmigen. 1729 schuf Volckland eine große Orgel für Mühlberg, die in umgebauter Form bis heute erhalten ist und 1732 bis 37 das prachtvolle Werk für die Cruciskirche in Erfurt. Erhalten sind ebenfalls die recht großen Instrumente in Zimmernsupra, 1738 erbaut, in Elxleben bei Arnstadt, 1751 vollendet und in Tröchtelborn, die 1767 fertiggestellt wurde. Anfang der 1770er Jahre findet Volcklands Schaffen mit der kleinen Orgel für Gottstedt nach über 50 Arbeitsjahren seinen Abschluß. Er starb 1779 mit 83 Jahren. 1830 wurde das Instrument in Ollendorf durch Carl August Witzmann aus Stadtilm umgebaut. Es war eine der ersten Orgelarbeiten des jungen Witzmann, der 1809 als Sohn des Orgelbauers Johann Benjamin Witzmann geboren wurde und nach dem frühen Tod des Vaters 1814 bei Johann Friedrich Schulze in Paulinzella sein Handwerk erlernte und danach als Geselle arbeitete.
Als frühestes erhaltenes Schaffenszeugnis von Franziskus Volckland besitzt die Orgel in Ollendorf eine besondere Bedeutung für die Thüringische Orgellandschaft. Doch befindet sie sich derzeit – es war in den vorangegangenen Klangbeispielen nicht zu überhören - in einem recht schlechten Zustand. Doch sind Pläne zu einer Restaurierung derzeit im Gespräch und es ist hoffen, dass das Engagement des sehr rührigen Kirchenvorstandes vor Ort vielfältige Unterstützung und Förderung erfährt. Die heutige Disposition mit 16 Registern auf zwei Manualen und Pedal ist eine Mischung von Stimmen aus zwei verschiedenen Epochen, von Franziskus Volckland einerseits und von August Witzmann andererseits. Welche Register aus welcher Werkstatt stammen, ist derzeit noch nicht abschließend untersucht. Das Hauptwerk, das vom Ton C bis zum c3 geführt ist und vom oberen Clavier aus angespielt wird, verfügt über die Register Quintate 16', Principal und Salicional 8', die Oktaven 4' und 2', eine Quinte 2 2/3', sowie ein 4faches Cornett und eine 4fache Mixtur. Ein derzeit unbeschrifteter Registerzug, der allerdings auch nicht funktioniert, könnte vielleicht ursprünglich einer 8'-Flöte zugeordnet gewesen sein. Ein Fehlen einer solchen Flöte oder eines Gedackts im Hauptwerk wäre ansonsten doch äußerst ungewöhnlich. Das zweite, untere Manual verfügt derzeit über die Stimmen Hohlflöte und Gedackt 8', Geigenprincipal 4' und Gemshorn 2'. Das Pedal mit einem Umfang bis zum c1 verfügt derzeit über Subbaß und Violon 16' sowie einen Oktavbaß 8'. Dazu kommt eine Manual- und eine Pedalkoppel sowie ein Glockenakkord. Wie vieles funktioniert dieser allerdings derzeit leider nicht. Wie bereits erwähnt, die Volckland-Orgel in Ollendorf ist, trotz der späteren Veränderungen und ihres derzeit schlechten Zustandes, ein wichtiges Instrument für die Orgelgeschichte Mitteldeutschlands der Bach-Zeit. Hoffen wir, dass in absehbarer Zeit eine denkmalgerechte Restaurierung erfolgen und die Ollendorfer Orgel-Königin dann wieder in ihrer vollen, hochbarocken Klangpracht erklingen kann.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-c3 Unterwerk, C-c3 Pedal, C-c1  
Quintade 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Hohlflöte 8' Violon 16' Pedalkoppel
Salicional 8' Geigenprincipal 4' Octavbaß 8' (Glockenaccord)
(Flöte 8' ?) Gemshorn 2'    
Octave 4'      
Quinte 2 2/3'      
Octave 2'      
Cornett 4f.      
Mixtur 4f.      

In Ollendorf gespielte Stücke:
Georg Heinrich Kluge: Ach Herr, mich armen Sünder >>>
Georg Heinrich Kluge: Was mein Gott will, das gescheh allzeit >>>
Christian Heinrich Rinck: Was Gott tut, das ist wohlgetan I & II >>>
Christian Heinrich Rinck: as mein Gott will, das gescheh allzeit >>>
Nicolaus Vetter: Jesus Christus, unser Heiland >>>



OSTRAMONDRA (Verwaltungsgemeinschaft Kölleda, Landkreis Sömmerda)
Ev. Schloßkirche St. Marien




Erbauer: Johann Michael Hartung (Schloßvippach) 1744 (Zuschreibung), Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Ostramondra ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Sömmerda und gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Kölleda. Der Ort liegt am Südrand der Finne zwischen Thüringer Pforte und dem Weinanbaugebiet Freyburg an der Unstrut. Erstmals wurde Ostramondra im Jahr 876 erwähnt. Im Mittelalter gehörte der Ort zur sächsischen Grafschaft Stolberg. Rittergut und Schloß gehörten ab 1461 Ritter Hans Knauth, Amtmann von Sangerhausen, danach den Herren von Thangel, von Bünau, von Sperling und vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1945 den Herren von Krosigk. Das Wasserschloß, das sich mit dem anschließenden Park heute in Privatbesitz befindet, stammt aus dem 18.Jahrhundert. Neben dem Schloß steht die evangelische Kirche St. Marien, die ehemalige Schloßkirche. Der barocke Saalbau wurde unter Einbeziehung des frühgotischen Ostturms in seiner heutigen Form 1711 bis 1712 errichtet. Die Kirche ist ein wahres Kleinod unter den Dorfkirchen Thüringens, doch kaum bekannt. Die nahezu ungestörte, überaus reiche barocke Ausstattung, die mit biblischen Szenen bemalte zweigeschossige Empore, die ebenfalls bemalte Holztonnendecke, der barocke Kanzelaltar und der restaurierte barocke Taufengel prägen zusammen mit dem wunderschönen Orgelprospekt das Kircheninnere und bilden ein einzigartiges Ensemble. 1742 bis 1744 wurde die Orgel der Kirche erbaut. 1679 wurde hier in Ostramondra Georg Friedrich Kauffmann geboren. Er war ein Schüler von Johann Heinrich Buttstedt in Erfurt sowie von Johann Friedrich Alberti in Merseburg, dem er 1710 im Amt des sächsisch-merseburgischen Hof- und Domorganisten nachfolgte.
Wer die prachtvolle barocke Orgel in Ostramondra errichtet hat, ist bis heute nicht bekannt. Einige Mutmaßungen sind jedoch sicherlich gestattet. Das 1744 fertiggestellte Instrument bekam seinerzeit 22 klingende Stimmen auf zwei Manualen und Pedal, doch ist die genaue Klanggestalt nicht überliefert. 1867 wurde die Orgel zum ersten Mal und zwar durch Johann Friederich Gerhardt aus Merseburg umgestaltet. Der 1826 geborene Gerhardt stammte aus Kölleda, nicht weit von Ostramondra entfernt. Nach diesen Arbeiten hatte die Orgel noch 18 Register. 1964 wurde die Orgel dann von Orgelbaumeister Lothar Heinze aus Stadtilm nochmals verändert. und in der Disposition im Sinne der damaligen neobarocken Orgelästhetik umgestaltet. Ab dem Jahre 2000 begann durch den Orgelbauer Bruno Döring aus Neukirchen im Knüll eine Restaurierung in mehreren Etappen, die durch den Tod Dörings 2010 unterbrochen wurde. Sein Werkstattnachfolger, Orgelbaumeister Kilian Gottwald hat 2013 noch einige von Döring begonnene Arbeiten zum Abschluß gebracht. Heute sind von ehemals 22 Registern 13 spielbar und zwar in Hauptwerk und Pedal. Das Oberwerk ist derzeit noch nicht wiederhergestellt und es ist fraglich, ob und wann die Arbeiten an der Orgel fortgesetzt werden können. Aber wer hat das Instrument ursprünglich erbaut? Aus meiner Sicht kommen zwei Orgelbauer hierfür in Frage. Zunächst der 1683 in Berlstedt geborene Johann Georg Schröter. Er besaß seit 1712 das Orgelbauprivileg in Erfurt und prägte zusammen mit seinem Schüler Franziskus Volckland unabhängig voneinander einen Orgelbaustil, der richtungweisend für die mitteldeutsche Orgel im 18. Jahrhundert war. Seine bedeutendste, bis heute erhaltene Orgel entstand 1724 in Wandersleben, weitere Instrumente von ihm stehen beispielsweise in Niedernissa, 1731 vollendet und in Andisleben, 1737 errichtet. Als Erbauer in Frage kommt auch der 1702 in Schloßvippach geborene Johann Michael Hartung, der zwischen 1728 und 1777 als Orgelbauer nachweisbar ist. Schloßvippach liegt rund 20 Kilometer südwestlich von Ostramondra. Hartungs großes, 1728 fertiggestelltes Erstlingswerk in Gebesee mit seinem prachtvollen Prospekt – demjenigen in Ostramondra übrigens nicht unähnlich – ist bis heute erhalten, harrt allerdings noch der Restaurierung. Eines seiner – wie es Ernst Ludwig Gerber nennt - „vorzüglichsten Werke“ stand in Haßleben, 1750 vollendet mit 34 Stimmen auf zwei Manualen. Leider ist dieses Meisterwerk aber bereits 1783 einem Brand zum Opfer gefallen. Seine 1773 begonnene Orgel für die Kirche in Schloßvippach wurde von seinem Sohn Johann Friedrich Hartung vollendet, der die Werkstatt seines Vaters nach dessen Tod 1776 übernahm. Ob sich die Urheberschaft dieses schönen Instruments irgendwann noch einmal klären lassen wird? Oder wird er für immer unbekannt bleiben?
Die barocke Orgel in Ostramondra besitzt derzeit 13 Register. Das Hauptwerk besitzt wie das derzeit noch nicht wiederhergestellte Oberwerk einen Tonumfang bis zum c3 ohne das Cis und die Register Principal, Quintadena und Gedackt 8', Octave und Gedackt 4', Quinte 2 2/3', Octave 2', Terz 1 3/5', eine Sifflöte 1' sowie eine 4fache Mixtur. Die Terz und die Sifflöte stammen vom Umbau durch Heinze 1964, ob sie auch zur ursprünglichen Disposition gehörten, ist unbekannt. Das Pedal besitzt einen Umfang bis zum c1 und die beiden originalen Stimmen Subbaß 16' und Octavbaß 8' sowie einen von Döring hinzugefügten Gedacktpommer 8'. Hauptwerk und Pedal besaßen jeweils noch eine Zungenstimme, eine Trompete 8' beziehungsweise eine Posaune 16', deren Rekonstruktion ebenso noch aussteht wie diejenige des Oberwerks. Hier standen zuletzt die Stimmen Lieblich Gedackt und Pommer 8', Gedackt und Flöte 4', Principal 2', Quinte 1 1/3' sowie eine 3fache Cimbel. Nicht eingebaut wurde neben dem Tremulanten der originale Glockenaccord, also der Zimbelstern, der sorgsam verwahrt auf seine klangliche Auferstehung hofft. Leider wird die Orgel, die auch in ihrem jetzigen Zustand einen bestrickenden Charme, eine große klangliche Vielfalt und eine silberhelle Wärme ausstrahlt, nur sehr selten gespielt. Wir können nur die Hoffnung äußern, dass sie dereinst in ihrer vollen Pracht wieder erstrahlen kann und nicht in Vergessenheit gerät.

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Disposition:

Hauptwerk, CD-c3 Oberwerk, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Principal 8' (Lieblich Gedackt 8') Subbaß 16' (Manualkoppel)
Quintadena 8' (Pommer 8') Octavbaß 8' Pedalkoppel
Gedackt 8' (Gedackt 4') Gedacktpommer 8' (Tremulant)
Octave 4' (Flöte 4') (Posaune 16') (Cymbelstern)
Gedackt 4' (Principal 2')    
Quinte 2 2/3' (Quinte 1 1/3')    
Octave 2' (Cymbel 3f.)    
Terz 1 3/5'      
Sifflöte 1'      
Mixtur 4f.      
(Trompete 8')      

In Ostramondra gespielte Stücke:
Anonymus: Aria in F mit Variationen >>>
Anonymus: Christ, unser Herr, zum Jordan kam >>>
Anonymus: Fuga in g >>>
Anonymus: Praeludium in G >>>
Georg Friedrich Kauffmann: Allein zu dir, Herr Jesu Christ >>>
Georg Friedrich Kauffmann: Nun komm der Heiden Heiland >>>
Georg Friedrich Kauffmann: Puer natus in Bethlehem >>>
Abraham van den Kerckhoven: Praeludium und Fuge in d >>>
Johann Kuhnau: Fuga in C >>>
Christian Reichardt: Allein zu dir, Herr Jesu Christ I >>>
Christian Reichardt: Allein zu dir, Herr Jesu Christ II >>>



RASTENBERG (Verwaltungsgemeinschaft Kölleda, Landkreis Sömmerda)
Ev. Kirche ("Coudray-Kirche")




Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1827-1828, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Rastenberg ist eine Stadt im thüringischen Landkreis Sömmerda. Sie gehört der Verwaltungsgemeinschaft Kölleda an. Die Stadt liegt an der südwestlichen Abdachung der Finne mit Übergang in das Ackerbaugebiet des Thüringer Beckens. Die Ersterwähnung der Stadt geschah im Jahre 1070. In diese Zeit fällt vermutlich der Bau der Raspenburg durch die Ludowinger. Als mutmaßliche Raubritterburg wurde sie 1321 durch Friedrich den Gebissenen mit Hilfe der Mühlhäuser und Erfurter Kaufleute zerstört. 1378 wurde das Dorf Rastenberg von den Wettinern zur Stadt erhoben, in der heute rund 2.600 Einwohnerinnen und Einwohner leben. Weit über die Grenzen des Ortes hinaus bekannt ist das Waldschwimmbad. Es wurde 1925 eingeweiht, liegt idyllisch mitten im Hochwald und steht unter Denkmalschutz. Die evangelische Stadtkirche wurde 1825 nach einem Stadtbrand im klassizistischen Stil neu errichtet. Die Pläne stammten von Clemens Wenzeslaus Coudray, der seit 1846 als Oberbaudirektor des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach wirkte und das heutige Stadtbild Weimars wesentlich geprägt hat. 1828 erhielt die Kirche dann eine neue Orgel aus der Werkstatt von Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella. Bevor der Architekt Clemens Wenzeslaus Coudray 1816 in die Umgebung Goethes nach Weimar wechselte, war er seit 1804 Hofarchitekt in Fulda. Hier in Fulda war er ein enger Freund des damaligen Stadt- und Domkantors Michael Henkel. Gemeinsam gestalteten sie Theater- und Schauspielaufführungen, Coudray wirkte dabei als Regisseur und Ideengeber, während Henkel für die Musik verantwortlich zeichnete. Coudray sang sogar – als Baß – in Henkels „Singakademie“ mit, dem ersten weltlichen gemischten Chor Fuldas.
Johann Friedrich Schulze wurde 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geboren. Er wurde in eine Orgelbauerfamilie hineingeboren, die vor ihm bereits in drei Generationen hauptsächlich im näheren Umkreis von Milbitz wirkte. Aber sein Vater Johann Andreas Schulze, geboren 1753, starb, als Johann friedrich Schulze gerade einmal 13 Jahre alt war. So erlernte dieser sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm, der seinerseits allerdings wiederum ein Schüler von Johann Andreas Schulze war. Nach dem Tod Witzmanns vollendete Johann Friedrich Schulze mit 22 jahren seine erste eigene Orgel und machte sich im Folgenden in Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann sagen – Weltgeltung. Johann Friedrich Schulze war unbestritten einer der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten des deutschen Orgelbaues im 19. Jahrhundert, in seiner Bedeutung nur mit Eberhard Friedrich Walcker vergleichbar. Maßgeblich für seine künstlerische Entwicklung war der Umbau der Trampeli-Orgel in der Stadtkirche zu Weimar, wo er mit dem dortigen Organisten Johann Gottlob Töpfer zusammenarbeitete und dessen Orgelbau-Theorien als erster Orgelbauer überhaupt praktisch umsetzte. Gemeinsam schufen Töpfer und Schulze ein neues Klangbild, das vom Spätbarock in die Romantik weist. Die 1828 erbaute Orgel in Rastenberg ist die größte erhaltene Orgel der frühen Schaffensperiode Schulzes und nicht nur darum von besonderer Bedeutung im Schaffen Schulzes. Die klassizistische Prospektgestaltung entwarf Clemens Wenzeslaus Coudray, der in Rastenberg damit ein Gesamtkunstwerk aus einem Guß schuf. Es ist dies der Prototyp für die von Schulze in der Folgezeit immer wieder gebauten klassizistischen Prospekte bis in die 1840er Jahre. Die qualitätvolle Substanz mit ihrer frühromantischen, an Töpfers Idealen orientierten Disposition ist nahezu unverändert bis heute erhalten. Nur leider befindet sich das bedeutende Instrument derzeit in einem sehr schlechten Zustand. Seit einiger Zeit laufen die Vorbereitungen für die dringend notwendige Restaurierung, damit, wie Johann Gottlob Töpfer es in seinem Abnahmegutachten ausdrückte, „die Gemeinde zu Rastenberg sich des Vortrefflichen, welches die Orgel bietet, auch wirklich erfreuen könne.“
Die 1828 erbaute Schulze-Orgel in der schönen, klassizistischen Coudray-Kirche in Rastenberg besitzt heute 24 Register auf zwei Manualen und Pedalen. Ursprünglich waren es 25 Register, von der Posaune 16' im Pedal existiert aber nur noch der Registerzug. Die beiden Manuale besitzen einen Umfang vom Ton C bis zum f3, wobei die Klaviaturen hier wie auch im Pedal um einen Halbton versetzt ist, womit der Ton C jeweils fest und nicht spielbar ist. In der Disposition sind die Einflüsse Johann Gottlob Töpfers unverkennbar. Grundlage ist der Prinzipalchor 8' mit den Oktaven 4' und 2'. Grundiert wird der Klang von einem Bordun 16' und ergänzt durch Hohlflöte, Viola di Gamba und Gemshorn 8' sowie einer Flöte 4'. Als Klangkronen besitzt das Hauptwerk eine strahlende, 6fache Mixtur und ein kräftiges 4faches Cornett. Das derzeit so gut wie nicht spielbare Oberwerk besitzt 9 Register, auch hier finden wir mit dem Bordun eine Stimme in 16'-Lage. Dazu kommen Geigenprincipal, Lieblich Gedackt, Flötraversa und Salicional 8' – die ebenfalls heute vorhandene Aeoline 8' ist sicher nicht original. Weiterhin ein Praestant und eine Flauto dulcis 4' sowie ein für Schulze in jenen Jahren typisches Scharff 5fach. Das Pedal ist bis zum d1 geführt und besitzt heute die fünf Register Principalbaß, Subbaß und Violon 16' sowie Principalbaß und Violon 8'. Der vom Erbauer Johann Friedrich Schulze und seinem geistigen Vordenker Johann Gottlob Töpfer intendierte, kräftige und farbige Klang kann man beim heutigen Zustand des Instruments nur erahnen. Die Orgel ist stark verschmutzt, am Metallpfeifenwerk befinden sich vielfache Beschädigungen, teilweise sind Trakturdrähte korrodiert, Kanzellen gerissen und die Balgbelederung verbraucht. Der rührige Orgelförderverein Coudray-Kirche Rastenberg e.V., der auch über eine eigene Homepage verfügt, kümmert sich sehr aktiv um die Sicherstellung der Finanzierung einer grundlegenden und stilgerechten Restaurierung. Die reiche Thüringer Orgellandschaft erhielte dadurch eines der wichtigsten Zeugnisse aus der Anfangszeit des romantischen Orgelbaues in voller Pracht zurück.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Bordun 16' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Lieblich Gedackt 8' Violon 16'  
Gemshorn 8' Flötraversa 8' Principalbaß 8'  
Viola di Gamba 8' Salicional 8' Violon 8'  
Octave 4' Aeoline 8'    
Flöte 4' Praestant 4'    
Octave 2' Flauto dulcis 4'    
Cornett 4f. Scharff 5f.    
Mixtur 6f.      

In Rastenberg gespielte Stücke:
Michael Henkel: Lamentoso Andante a-moll >>>
Michael Henkel: Lamentoso h-moll >>>
Michael Henkel: Molto Moderato Nachspiel Es-Dur >>>
Michael Henkel: Postludium Allegretto E-Dur >>>
Michael Henkel: Präludium Andante cis-moll >>>
Michael Henkel: Präludium Moderato A-Dur >>>
Michael Henkel: Versett G-Dur >>>
Johann Pachelbel: O Mensch, bewein dein Sünde groß >>>



REHESTÄDT (Gemeinde Amt Wachsenburg, Ilm-Kreis)
Ev. Kirche St. Gangolf




Erbauer: Julius Hesse (Dachwig) 1860, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Rehestädt ist ein Ortsteil der Gemeinde Amt Wachsenburg im thüringischen Ilm-Kreis. Der Ort liegt am Übergang von den Vorbergen des Thüringer Waldes zum Thüringer Becken, in etwa 270 Metern Höhe vier Kilometer nordwestlich von Arnstadt. Die erste urkundliche Erwähnung finden wir in einem Verzeichnis der Güter des Klosters Hersfeld als "Rehestat" im Jahre 800. 1257 brachte das Kloster Ichtershausen die Ländereien zu Rehestädt an sich und bis zum Ende des Klosters Ichtershausen 1525 im Deutschen Bauernkrieg war Rehestädt dessen Eigentum. Der Ort gehörte in der Folgezeit zum Amt Wachsenburg mit Ichtershausen, welches 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha, ab 1672 zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und 1826 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha kam. Im Jahre 1994 wurde Rehestädt in die Gemeinde Ichtershausen eingegliedert. Seit dem Zusammengehen der Gemeinde Ichtershausen mit der Wachsenburggemeinde Anfang 2013 gehört Rehestädt zur neuen Gemeinde Amt Wachsenburg. Die Dorfkirche St. Gangolf wurde 1719 erbaut. Vorher bestand bereits eine Kirche, die 1448 eingeweiht wurde. 1750 begann der Orgelbauer Johann Christoph Thielemann mit dem Bau einer neuen Orgel in Rehestädt, die wegen einer schweren Erkrankung Thielemanns von dessen Schüler Johann Stephan Schmaltz aus Arnstadt fertiggestellt wurde. Die heutige Orgel wurde 1859 bis 1860 im Zuge einer umfassenden Kirchenrenovierung eingebaut. Ihr Meister ist Julius Hesse, letzter Vertreter der bedeutenden Orgelbauer-Dynastie der Familie Hesse aus Dachwig.
Die Orgelbauerfamilie Hesse wirkte in insgesamt vier Generationen in Dachwig bei Erfurt. Ihr Stammvater war Johann Michael Hesse I, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt. Ernst Ludwig Hesse hatte wiederum zwei Söhne, den 1798 geborenen Ernst Siegfried Hesse und dessen jüngeren Bruder Johann Michael Hesse II, der 1806 geboren wurde. Ernst Ludwig Hesse kam 1823 während des Baues der Orgel in Brüheim ums Leben, so dass die beiden Söhne nun gemeinsam mit ihrem Onkel Georg Andreas die Werkstatt führten. 1832 wurde Julius Hesse als Sohn von Johann Michael Hesse II geboren, der ab 1858 nach dem Tod des Vaters die Werkstatt in Dachwig übernahm. Er vollendete die von Johann Michael Hesse begonnene Orgel in Rockhausen und erbaute sodann 1859 bis 1860 das Instrument im benachbarten Rehestädt. Der junge, schwärmerische Meister Julius Hesse sah sich ganz in der Tradition seiner Familie. 1864 übernahm er den Auftrag, die berühmte Wender-Orgel in Arnstadt von 21 auf 54 Stimmen zu erweitern. Die Pläne hierzu stammten von dem Organisten Heinrich Bernhard Stade, und Hesse hat den Auftrag wohl im Hinblick auf den zu erwartenden Ruhm nach Vollendung des Werks zugesagt, obgleich die veranschlagte Summe von 2100 Thalern gegenüber den entstehenden Kosten und dem Aufwand vollkommen unrealistisch war. Stade hat hierbei wohl ganz bewußt die Unerfahrenheit und Gutmütigkeit des jungen Orgelbauers ausgenutzt. Aber die ehrgeizigen Pläne Stades erwiesen sich im Nachhinein als technisch nicht umsetzbar, der Umbau geriet ins Stocken und Julius Hesse war schließlich gezwungen, völlig überschuldet und von allen Seiten angefeindet, die Orgel halbfertig stehen zu lassen. Nunmehr mittellos geworden, musste er die traditionsreiche Familienwerkstatt aufgeben – was er zeitlebens nie verwunden hat. Er begann in St. Petersburg in Rußland einen Neuanfang, allerdings verlieren sich hier seine Spuren. Er dürfte um oder kurz nach 1900 verstorben sein. Die lange verbreitete Legende von der „Flucht“ des völlig überforderten Orgelbauers Julius Hesse wird erst allmählich, vor allem durch die Arbeit des sehr aktiven Hesse-Freundeskreises Thüringen ins rechte Licht gerückt. Und wer kennt schon die beiden einzigen erhaltenen Orgeln von Julius Hesse in Rockhausen und Rehestädt?
Die von Julius Hesse 1860 vollendete Orgel in Rehestädt besitzt 15 Register auf zwei Manualen und Pedal. Beide Manuale haben einen Tonumfang bis zum f3 und eine schöne, edel ausgestaltete Spielanlage mit dunklen Untertasten aus Ebenholz, wie die Familie Hesse sie auch in den früheren Generationen in ganz ähnlicher Weise zu bauen pflegte. Die Orgel in Rehestädt ist die einzige mit der groß und auffällig angebrachten Signatur "Joh. Michael Hesse und Sohn in Dachwig" über dem Spieltisch. Das Hauptwerk besitzt die Stimmen Bordun 16', sodann Principal, Bordun, Hohlflöte und Viola di Gamba 8' und die Octave 4'. Die beiden Pfeifenreihen von Quinte 3' und Oktave 2' teilen sich ein und denselben Registerzug und können nur gemeinsam verwendet werden. Darüber steht noch eine milde 3fache Mixtur auf 2'-Basis. Das Oberwerk besitzt die vier romantischen Charakterstimmen Geigenprincipal, Flauto travers und Stillgedackt 8' sowie ein Gemshorn 4'. Das Pedal, das bis zum d1 ausgebaut ist, besitzt die Register Subbaß und Violon 16' sowie einen Octavenbaß 8'. Neben einer Manual- und einer Pedalkoppel besitzt die Orgel eine Manual-Großkoppel, die noch vorhanden, derzeit aber nicht funktionsfähig ist. Die letzte Instandsetzung der Orgel erfolgte in den Jahren 2001 bis 2006 durch die Familie Leuter aus Tamm in ihrem kleinen Familienbetrieb, die zur Kostensenkung viel Unterstützung durch freiwillige Helfer aus dem Ort und den Nachbargemeinden erhielt. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto travers 8' Violon 16' Manual-Großkoppel
Bordun 8' Stillgedackt 8' Octavenbaß 8' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Gemshorn 4'    
Viola di Gamba 8'      
Octave 4'      
Quinte-Octave 3' + 2'      
Mixtur 3f.      

In Rehestädt gespielte Stücke:
Girolamo Frescobaldi: Praeambulum primi toni >>>
Carl Geißler: Andante c-moll >>>
Ernst Köhler: Präludium a-moll zu einer Trauerfeierlichkeit >>>
Friedrich Kühmstedt: Andante E-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio a-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio B-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Wer nur den lieben Gott läßt walten I & II >>>
Christian Heinrich Rinck: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende >>>
Christian Heinrich Rinck: Werde munter, mein Gemüte >>>
Christian Heinrich Rinck: Wie schön leuchtet der Morgenstern >>>
August Gottfried Ritter: Ach, was soll ich Sünder machen >>>
August Gottfried Ritter: Nun lob, mein Seel, den Herren >>>
August Gottfried Ritter: Nun ruhen alle Wälder >>>



REMSTÄDT (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Lukas




Erbauer: Gustav Koch (Gräfentonna) 1857, Umbau Guido Knauf (Gotha) 1880, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Remstädt ist eine Gemeinde in der Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal im thüringischen Landkreis Gotha. Remstädt liegt am nördlichen Stadtrand von Gotha am rechten Ufer des Flutgrabens, der von Gotha kommt und nordwestlich von Goldbach in die Nesse mündet. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde Remstädt in einem Verzeichnis der Güter des vom Erzbischof Lullus von Mainz erbauten Klosters Hersfeld als „Rimistede“ erwähnt. Dass die Gemeinde Remstädt sehr alt ist, zeigt sich insbesondere an der alten Bausubstanz, wie dem ehemaligen Rittergut und dem Gebäudeensemble in der Hauptstraße. Hier stehen zahlreiche Wohnhäuser unter Denkmalschutz. Der Ort gehörte bereits 1421 zum Amt Gotha, das ab 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha, ab 1672 zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und ab 1826 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha gehörte. Heute wohnen in dem Ort knapp 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Kirche des ortes, St. Lukas, ist eine schlichte Saalkirche mit eingezogenem Westturm. 1569 wurde die ursprünglich romanische Kirche umgebaut und später, vor allem im 18. Jahrhundert noch mehrfach verändert. 1894 erhielt die Kirche eine Ausmalung - die inzwischen zwar stark nachgedunkelt ist und die Kirche insgesamt ein wenig düster wirken läßt - in ihrer kunstvoll-filigranen Ausführung jedoch sehr beeindruckend ist. Die heutige Orgel wurde ursprünglich 1857 von Gustav Koch aus Gräfentonna errichtet. Aber bereits 1880 erfolgte eine durchgreifende Erneuerung durch Guido Knauf aus Gotha. In dieser Form ist die Orgel bis heute unverändert erhalten.
Gustav Hermann Hieronymus Koch, der Erbauer der Orgel in Remstädt wurde 1819 in Neustädtel in Sachsen geboren. Sein 1774 geborener Vater Adam Koch gründete bereits im Jahr 1800 eine Orgelbauwerkstatt in Gotha, die dann in den 1840er Jahren nach Gräfentonna verlegt wurde. Über das Wirken von Gustav Koch ist nicht allzu viel bekannt. 1854 führte er den Umbau der barocken, auf Johann Valentin Nößler zurückgehenden Orgel in Aschara bei Bad Langensalza durch. 1856 erbaute er eine orgel mit 18 Registern auf zwei Manualen und Pedal für die Kirche zu Illeben bei Gotha. Ein Jahr später, 1857, dann der ähnlich groß dimensionierte Orgelbau für Remstädt. Gustav Koch starb im Jahre 1901 in Gotha. Sein 1840 geborener Sohn Ernst Bernhard Koch gründete nach der Lehre in der väterlichen Werkstatt später eine eigene Orgelbaufirma in Barmen bei Wuppertal. Auch die Enkel waren später im Orgelbau tätig und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg erzielte die Firma Gebrüder Koch in Wuppertal beachtliche Erfolge mit dem Bau von Positiven und Kleinorgeln bis 20 Registern. Mit dem Tod von Hans Koch 1977 erlosch die Firma. Es mag auf den ersten Blick Erstaunen erregen, dass eine 1857 erbaute Orgel bereits 23 Jahre später vollkommen umgebaut wurde. Und doch passt es ins Bild des Wirkens von Guido Knauf. Mit Guido Knauf, 1834 geboren, steht vor uns die dritte Generation der Orgelbauerfamilie Knauf, die durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch den Orgelbau in Thüringen wesentlich geprägt hat. Er erlernte bei seinem Vater Friedrich Knauf das Orgelbau-Handwerk und war ab 1857 Mitteilhaber des väterlichen Unternehmens in Großtabarz. Es begann eine lange Zeit des geneinsamen Wirkens von Vater und Sohn, eine genaue Zuordnung von in jener Zeit entstandenen Orgeln an Friedrich oder Guido Knauf ist oftmals schwierig. Guido Knauf verlegte später die Werkstatt der Familie nach Gotha und verkaufte sie im Jahre 1900 mit allen Privilegien an seinen Mitarbeiter Hugo Böhm aus Waltershausen. Seit etwa 1870 hat sich Guido Knauf neue Absatzmärkte erschlossen, er lieferte zahlreiche Orgeln nach Rußland und ins Baltikum. Und er widmete sich ausgiebig dem Umbau und der Erneuerung zahlreicher Orgeln seiner näheren Umgebung, denken wir etwa an die Ratzmann-Orgeln in Ohrdruf, St. Trinitatis oder Ballstädt – nur wenige Kilometer entfernt. Aber auch kaum 50 Jahre alte Instrumente der Firma Hesse wie etwa in Goldbach wurden von Knauf umgebaut und so eben im Jahre 1880 auch die Orgel von Gustav Koch in Remstädt.
Die von Guido Knauf umgebaut und ursprünglich von Gustav Koch aus Gräfentonna erbaute Orgel in Remstädt besitzt 17 Register auf zwei Manualen und Pedal. Das Hauptwerk hat wie das Oberwerk einen Tonumfang von C bis zum f3. Principal, Gedackt und Hohlflöte 8' werden von einem weichen Bordun 16' grundiert. Dazu kommen Octave und Flauto 4' sowie – und diese Kombination ist typisch für die Familie Knauf – Quinte 3' und Octave 2' auf einem Registerzug. Dieses Register heißt bei anderen Orgelbauern auch Rauschquinte. Bei Knauf fehlt jedoch diese Bezeichnung Rauschquinte, auf den Registerschildern steht immer „Quinte und Oktave“. Als Klangkrone finden wir in Remstädt eine 3fache Mixtur. Das Oberwerk ist ausschließlich mit Registern in 8'- und 4'-Lage besetzt. Wir finden hier Geigenprincipal, Flauto traverso und Salicional 8' sowie Gemshorn und Flauto dolce 4'. Das Pedal, das bis zum d1 ausgebaut ist, besitzt die vier Stimmen Subbaß 16' sowie Oktavbaß, Gedacktbaß und Cellobaß 8'. Die Klanggestalt der Orgel in Remstädt ist ganz typisch für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in Thüringen. Bald darauf, um 1900, kamen viele der regionalen Orgelbaufirmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, weil sie mit den neuen, industriell geprägten Fertigungsmethoden und den damit einhergehenden klanglichen und technischen Veränderungen nicht Schritt halten konnten – oder wollten. Mit dieser Entwicklung kam auch das Ende der regionalen Orgelbautraditionen in Deutschland. Glücklicherweise finden wir in Thüringen noch eine ganze Reihe von Instrumenten, die die Entwicklung des Orgelbaus in Mitteldeutschland vom Frühbarock bis zur Spätromantik klingend dokumentieren. Es ist unsere Aufgabe, sie zu erhalten, zu pflegen und vor allem sie zum Klingen zu bringen. Die Orgel in Remstädt wurde 2007 gereinigt und instandgesetzt; die Orgel ist in einem zufriedenstellenden Zustand, aber eine grundlegende Restaurierung steht noch aus. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel
Gedackt 8' Salicional 8' Gedacktbaß 8'  
Hohlflöte 8' Gemshorn 4' Cellobaß 8'  
Octave 4' Flauto dolce 4'    
Flauto 4'      
Quinte-Octave 3' + 2'      
Mixtur 3f.      

In Remstädt gespielte Stücke:
Johann Ludwig Böhner: Andante Es-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Es woll uns Gott genädig sein >>>
Johann Ludwig Böhner: Fughette C-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Jesus, meine Zuversicht I >>>
Johann Ludwig Böhner: Jesus, meine Zuversicht II >>>
Johann Ludwig Böhner: Nun ruhen alle Wälder >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium C-Dur >>>
Friedrich Kühmstedt: Ich bete an die Macht der Liebe >>>
Johann Gottfried Möller: Fugato G-Dur >>>
Johannes Alfred Streicher: O du Liebe meiner Liebe >>>



ROCKHAUSEN (Verwaltungsgemeinschaft Riechheimer Berg, Ilm-Kreis)
Ev. Kirche St. Elisabeth




Erbauer: Johann Michael Hesse II und Julius Hesse (Dachwig) 1855-1858, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Rockhausen ist eine Gemeinde im Ilm-Kreis in Thüringen in Deutschland und der amtlich anerkannte Mittelpunkt Thüringens. Der Ort liegt 12 km nordöstlich von Arnstadt und 10 km südlich von Erfurt. Die Gemeinde gehört der Verwaltungsgemeinschaft Riechheimer Berg an. Rockhausen liegt geschützt zwischen umgebenden Hügeln. Die Herkunft des Ortsnamens Rockhausen ist nicht gesichert. Der Ort wurde 1194 unter dem Namen „Rockhusen“ erstmals genannt. Vermutlich war der Ort eine von den Franken angelegte Siedlung, welche zu einem System von Wachstationen gehörte. Nach der ältesten urkundlichen Form könnte der Name von den Rugiern abgeleitet sein. Die Adelsfamilie von Rockhausen saß auf einer vor 1240 errichteten Wasserburg, dem heutigen „Freigut“, das sich noch an der Nordwestseite des Dorfes befindet. Heute leben in dem Ort rund 370 Einwohnerinnen und Einwohner. Die heutige Dorfkirche St. Elisabeth ist ein Bau aus dem Jahr 1690. Damals war der Patron das Haus Schwarzburg zu Arnstadt. Die hohe Friedhofsmauer und ein Grabensystem weisen auf die Existenz eines Vorgängerbaus, von dem auch noch im Untergeschoß des Turmes Reste erhalten sind. Aus dem 18.Jahrhundert stammt der Kanzelaltar und es ist auch bekannt, daß 1724 eine Orgel in der Kirche erbaut wurde. Chroniken in Privatbesitz berichten von Johann Sebastian Bach als Organisten, der das Instrument nach Fertigstellung abgenommen und für gut befunden hat. Belegt ist, daß Vorfahren Bachs in Rockhausen gelebt haben. Nachdem diese Orgel nicht mehr bespielbar war, wurde in den Jahren 1855 bis 1858 ein neues Instrument von Johann Michael Hesse II geplant und errichtet. Dieser Orgelbauer aus der kunstberühmten Familie Hesse aus Dachwig starb jedoch vor der Fertigstellung, und so wurde die Orgel von dessen Sohn Julius Hesse vollendet. Auf die liebevolle Inschrift des Sohnes im Innern der Orgel werden wir noch zurückkommen.
Die Orgelbauerfamilie Hesse wirkte in insgesamt vier Generationen in Dachwig bei Erfurt. Ihr Stammvater war Johann Michael Hesse I, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt. Ernst Ludwig Hesse hatte wiederum zwei Söhne, den 1798 geborenen Ernst Siegfried Hesse und dessen jüngeren Bruder Johann Michael Hesse II, der 1806 geboren wurde. Ernst Ludwig Hesse kam 1823 während des Baues der Orgel in Brüheim ums Leben, so dass die beiden Söhne nun gemeinsam mit ihrem Onkel Georg Andreas die Werkstatt führten. 1832 wurde Julius Hesse als Sohn von Johann Michael Hesse II geboren, der ab 1858 nach dem Tod des Vaters die Werkstatt in Dachwig übernahm. Er vollendete die Orgel in Rockhausen und erbaute 1859 ein weiteres, zweimanualiges Instrument im benachbarten Rehestädt. Der junge, schwärmerische Meister Julius Hesse sah sich ganz in der Tradition seiner Familie. Eine geradezu rührende Reminiszenz ist die Inschrift, die Julius Hesse im Inneren der Rockhäuser Orgel anbrachte und die heute noch vorhanden ist. Er schreibt: "So war denn das Werk mit Gottes Hülfe vollendet, das Werk auf das Laufende mit Spannung sahen wo viele sich fragten, wird es dem jüngeren 26jährigen Mann möglich sein es so zu vollenden wie sein seliger Vater. Ich muß gestehen dass so wie der Vater es zu vollenden mir nicht möglich war, indem mir die lange Erfahrung sowohl in bezweifelter Meisterschaft des Vaters bis jetzt noch fehlte, das so ich aber nach meinen Kräften arbeitete und bemüht sein werde ihm immer ähnlicher zu werden. Besonders dir mein theurer Vater war es nicht gegönnet das erste Werk deines Sohnes zu sehen, des Sohnes dessen Wohl dir so sehr am Herzen lag. Der dich so häufig verkannte und erst dann seinen Wert zu würdigen verstand, als du nicht mehr warst. So dein Geist war mir nahe in den Stunden wo ich dich nicht mehr selbst um Rat fragen konnte. Du musst mir auch ferner nahe sein der ich ja bewusst sein werde, dir und deinem Namen Ehre zu machen. Alle loben dir dieses Werk, unser Tuhen bitt ich einschauend Urtheil zu fällen und nun es das erste eines Neulings ist. Gott behüte diese Kirche und schütze diese Orgel ihm zur Ehre und der Gemeinde zum Segen und mir zum Andenken. Rockhausen de 31ten Dezember 1858."
1864 übernahm Julius Hesse den Auftrag, die berühmte Wender-Orgel in Arnstadt von 21 auf 54 Stimmen zu erweitern. Die Pläne hierzu stammten von dem Organisten Heinrich Bernhard Stade, und Hesse hat den Auftrag wohl im Hinblick auf den zu erwartenden Ruhm nach Vollendung des Werks zugesagt, obgleich die veranschlagte Summe von 2100 Thalern gegenüber den entstehenden Kosten und dem Aufwand vollkommen unrealistisch war. Stade hat hierbei wohl ganz bewußt die Unerfahrenheit und Gutmütigkeit des jungen Orgelbauers ausgenutzt. Aber die ehrgeizigen Pläne Stades erwiesen sich im Nachhinein als technisch nicht umsetzbar, der Umbau geriet ins Stocken und Julius Hesse war schließlich gezwungen, völlig überschuldet und von allen Seiten angefeindet, die Orgel halbfertig stehen zu lassen. Nunmehr mittellos geworden, musste er die traditionsreiche Familienwerkstatt aufgeben – was er zeitlebens nie verwunden hat. Er begann in St. Petersburg in Rußland einen Neuanfang, allerdings verlieren sich hier seine Spuren. Er dürfte um oder kurz nach 1900 verstorben sein. Die lange verbreitete Legende von der „Flucht“ des völlig überforderten Orgelbauers Julius Hesse wird erst allmählich, vor allem durch die Arbeit des sehr aktiven Hesse-Freundeskreises Thüringen ins rechte Licht gerückt. Und wer kennt schon die beiden einzigen erhaltenen Orgeln von Julius Hesse in Rehestädt und Rockhausen? Das Instrument in Rockhausen besitzt 17 Register auf zwei Manualen und Pedal. Im Hauptwerk, das vom Ton C bis zum f3 ausgebaut ist, finden wir Principal, Hohlflöte, Viola di Gamba und Bordun 8', die Oktaven 4' und 2' sowie eine 4fache Mixtur. Das Oberwerk besitzt die Stimmen Stillgedackt, Flauto travers und Viola 8', Principal und Gemshorn 4' sowie ein Sesquialter 2fach. Das Pedal, das bis zum d1 geführt ist, verfügt über Subbaß 16, Violon und Posaune 16' sowie einen Octavenbaß 8'. Die Posaune ist als durchschlagende Zungenstimme gebaut und erinnert in ihrer zurückhaltenden Klanggebung eher an eine Claväoline als an so manch andere Posaune. Dazu kommen Manualkoppel und Pedalkoppel, eine Manualgroßkoppel und ein Glockenspiel. Dieses in der Barockzeit in Thüringen weit verbreitete Register ist um 1860 durchaus als Anachronismus zu bezeichnen, zumal es von Töpfer und anderen Orgelbautheoretikern jener Zeit abgelehnt wurde. Leider ist es derzeit nur unvollkommen spielbar. Schaut man sich in der Rockhäuser Kirche um, so fallen die beiden an der Emporenbrüstung befestigten Pauken auf. Sie stammen, wie die Hesse-Orgel, aus einer Zeit, in der in vielen Thüringischen Dorfkirchen Sonntag für Sonntag Kirchenmusik auf hohem Niveau gepflegt wurde. Ein bißchen wehmütig kann es einem da schon werden in Anbetracht der heutigen Situation in vielen dieser wunderbaren Kirchen.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Stillgedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Hohlflöte 8' Flauto travers 8' Violon 16' Manual-Großkoppel
Bordun 8' Viola 8' Octavenbaß 8' Pedalkoppel
Viola di Gamba 8' Principal 4' Posaune 16' Glockenspiel
Octave 4' Gemshorn 4'    
Octave 2' Sesquialter 2f.    
Mixtur 4f.      

In Rockhausen gespielte Stücke:
Heinrich von Herzogenberg: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>>
Gotthilf Wilhelm Körner: Wie lieblich ist, o Herr, die Stätte >>>
Christian Heinrich Rinck: Auf auf, mein Herz, mit Freuden >>>
Christian Heinrich Rinck: Nachspiel h-moll >>>
August Gottfried Ritter: Jesu, meines Lebens Leben >>>
August Gottfried Ritter: Schmücke dich, o liebe Seele >>>
August Gottfried Ritter: Schwing dich auf zu deinem Gott >>>
August Gottfried Ritter: Vorspiel in der jonischen Tonart >>>
Johann Gottlob Töpfer: Du Friedefürst, Herr Jesu Christ >>>
Johann Gottlob Töpfer: Durch Adams Fall ist ganz verderbt >>>
Johann Gottlob Töpfer: In dich hab ich gehoffet, Herr >>>
Johann Gottlob Töpfer: Lob sei dem allmächtigen Gott >>>
Johann Gottlob Töpfer: Nun sich der Tag geendet hat >>>
Johann Gottlob Töpfer: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>



SCHLOSSVIPPACH (Landkreis Sömmerda)
Ev. Kirche St. Vitus




Erbauer: Johann Friedrich Hartung (Schloßvippach) 1773-1783, Umbau Louis Witzmann (Kleinrudestedt) 1877, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Schloßvippach ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Sömmerda im fruchtbaren Thüringer Becken an der Autobahn A71, in der heute knapp 1.400 Einwohnerinnen und Einwohner leben. Ob mit dem in Fuldaer Urkunden des späten 8. Jahrhunderts mehrfach erwähnten „Bitbah“ unser Schloßvippach oder der Nachbarort Markvippach gemeint ist, ist unklar. Im heutigen Schloßvippach bestand schon um 1050 eine Burg der Herren von Vippach, die später zu einer starken Wasserburg ausgebaut und erst 1948 auf Befehl der damaligen sowjetischen Besatzungsmacht gesprengt wurde. Das im späten Mittelalter erfurtisch gewordene Dorf war Sitz des Amtes Vippach und rundherum gediehen einst sogar Wein und Hopfen. Zusammen mit Erfurt 1664 kurmainzisch geworden, kamen die Orte des Amtes Vippach 1815 zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Seit alters bestanden im Ort zwei Kirchen, im Oberdorf St. Petri und im Unterdorf St. Vitus, deren Turm noch im 13. Jahrhundert entstand. Um 1500 entwickelte sich St. Vitus allmählich zur Hauptkirche des Dorfes. Die stattliche spätgotische Saalkirche besitzt einen 1712 fertiggestellten Kanzelaltar von Valentin Ditmar aus Erfurt, in denen die kostbaren Reste eines gotischen Flügelaltars eingebaut sind, der dem sogenannten "Meister des Meckfelder Altars" zugeschrieben wird. Die prachtvolle Orgel auf der rückwärtigen Empore wurde 1773-83 von dem einheimischen Orgelbauer Johann Friedrich Hartung erbaut und später mehrfach verändert. 
Im späten 18. Jahrhundert wirkten nördlich von Erfurt zwei Orgelmacherfamilien namens Hartung, die aber nichts miteinander zu tun hatten. In Kölleda war dies Johann Heinrich Hartung, der sich später mit Johann Christoph Damm zusammentat und zwischen 1789 und 1833 mit Orgelarbeiten nachgewiesen werden kann. Bedeutender waren allerdings die Schloßvippacher Hartungs, deren Stammvater Johann Michael Hartung 1702 geboren wurde und der ein Schüler Johann Georg Schröters in Erfurt war. In Gerbers Tonkünstlerlexikon von 1812 lesen wir über ihn: "Er war ein sehr accurater und fleißiger Arbeiter, und es blieb von dieser Seite bei ihm nichts zu wünschen übrig. Weniger glücklich war er beim Stimmen, indem seine Temperatur nicht die beste war.“ Zitat Ende. Trotz diesem von seinen Zeitgenossen sicher nicht ganz zu Unrecht geäußerten Tadel gingen aus seiner Werkstatt beachtliche Orgeln hervor, so etwa 1750 ein Werk mit 34 Stimmen für Haßleben, das leider schon 1783 verbrannte. Die prachtvolle, 1728 erbaute Orgel in Gebesee nördlich von Erfurt und ist derzeit leider unspielbar, soll aber in naher Zukunft restauriert werden. Die Orgel in Ostramondra bei Kölleda, die in einem anderen Orgelportrait vorgestellt wird, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls Johann Michael Hartung zugeschrieben werden. 1772 wurde für ihn zum Schicksalsjahr. Den in jenem Jahre zu beklagenden Tod seiner Frau konnte er nicht verkraften und ist – wie es in den Akten heißt – „als Witwer in manchen Stücken ausgeschweifet und in delirio gestorben“. Das war 1777. Zuvor hatte er seine Werkstatt an seinen 1727 geborenen Sohn Johann Friedrich Hartung übergeben, der sogleich mit dem Bau der großen Orgel für die Kirche seines Heimatortes begann. Um diese Zeit und in Hartungs Werkstatt dürfte auch der 1758 in Schloßvippach geborene Johann Simon Buchholz erstmals in Kontakt mit der Orgelbaukunst gekommen sein. Er machte später in Berlin Furore und wurde zum Stammvater einer der bedeutendsten Orgelmacherfamilien Preußens im 19. Jahrhundert. Wann Johann Friedrich Hartung starb, wissen wir nicht, letztmals sicher nachweisbar ist er 1787 mit einer Reparatur in der Oberkirche zu Frankenhausen. Spätere unter dem Namen Hartung ausgeführte Arbeiten in Badra und Bendeleben sind der Kölledaer Familie zuzuschreiben. Die bedeutende Orgel in Schloßvippach wurde in der Folge mehrfach verändert, erstmals 1824 durch Johann August Poppe aus Jena, am Einschneidensten jedoch 1877 durch Louis Witzmann aus dem nahen Kleinrudestedt; von ihm stammt die heutige Spielanlage. Eine 1962 durchgeführte neobarocke Umgestaltung durch Gerhard Kirchner aus Weimar gereichte der Orgel allerdings nicht zum Vorteil, weder klanglich noch technisch. Und heute sind von den einst 33 Registern nur 14 spielbar. 
Die Orgel in Schloßvippach ist derzeit, wie gesagt, nur in Teilen spielbar. Im bis zum d3 ausgebauten Hauptwerk sind dies Bordun 16', Principal, Bordun, Hohlflöte und Gemshorn 8', Octave, Nachthorn und Blockflöte 4', Quinte 3', Octave 2' und Terz 1 3/5', wobei diese Terz und die Blockflöte vom Umbau 1962 stammen. Nicht verwendbar sind derzeit Gamba und Trompete 8', die Quint 5 1/3' sowie die gemischten Stimmen, eine 6fache Mixtur und eine 3fache Cimbel. Das derzeit gänzlich unspielbare Oberwerk besitzt Geigenprincipal, Lieblich Gedackt, Flauto traverso, Salicional, Harmonica und Schweizerflöte 8', Principal, Rohrflöte und Flauto dulcis 4', eine Sesquialtera und eine 3fache Mixtur. Welch ein fein schattierter Reichtum an Farben – werden sie irgendwann einmal wieder zu vernehmen sein? Im Pedal klingen derzeit Principal- und Violonbaß 16', dazu der zum 8' abgesägte ehemalige Subbaß und ein Gedacktbaß 8'. Unspielbar sind Quintbaß 12', Octavbaß 8' und die Posaune 16', auf deren Registerzügen heute die neobarocken Moderegister Choralbaß und Rauschpfeife stehen, die allerdings so gar nicht zum Gesamtklang des Instruments passen mögen. Dazu kommt das für den Thüringer Barock so typische Glockenspiel. Die Klanggestalt des Schloßvippacher Prachtwerks läßt erahnen, welcher Schatz auf der Orgelempore von St. Vitus davon träumt, irgendwann einmal wieder in vollem Reichtum und Glanz erklingen zu können. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' (Geigenprincipal 8') Principalbaß 16' (Manualkoppel)
Principal 8' (Lieblich Gedackt 8') Subbaß 16' Pedalkoppel
Bordun 8' (Flauto traverso 8') Violon 16' Glockenspiel
Hohlflöte 8' (Schweizerflöte 8') (Quintbaß 12')  
Gemshorn 8' (Salicional 8') (Octavbaß 8')  
(Gemshorn 8' (D))  (Harmonica 8') Gedacktbaß 8'  
(Gamba 8') (Rohrflöte 4') (Violon 8')  
(Quinte 5 1/3') (Flaute dulcis 4') (Choralbaß 4')  
Octave 4' (Principal 4') (Rauschpfeife 4f.)  
Blockflöte 4' (Sexquialter 2f.) (Posaune 16')  
Nachthorn 4' (Mixtur 3f.)    
Quinte 3'      
Octave 2'      
Terz 1 3/5'      
(Sifflöte 1')      
(Mixtur 6f.)      
(Cimbel 3f.)      
(Trompete 8')      

In Schloßvippach gespielte Stücke:
Johann Peter Gieseguth: Fuge g-moll >>>
Johann Wilhelm Große: Erschienen ist der herrlich Tag >>>
Johann Wilhelm Große: O Jesu Christ, meins Lebens Licht >>>
Wilhelm Herschel: Allegro G-Dur >>>
Johann Immanuel Müller: Partita "Straf mich nicht in deinem Zorn" >>>
Johann Gottfried Walther: Alle Menschen müssen sterben >>>
Johann Gottfried Walther: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>>



SCHWABHAUSEN (Erfüllende Gemeinde Günthersleben-Wechmar, Landkreis Gotha)
Ev. Trinitatiskirche




Erbauer: Georg Franz Ratzmann (Ohrdruf) 1836, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Schwabhausen ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha, erfüllende Gemeinde Schwabhausens ist Günthersleben-Wechmar. Schwabhausen liegt südlich der Stadt Gotha und der Bundesautobahn 4, die hier die Anschlussstelle Gotha besitzt. Durch das Dorf führt die Bundesstraße 247 in Richtung Suhl. Die Gemarkung liegt am Südrand des Thüringer Beckens mit Übergang zu den Vorgebirgslagen des Thüringer Waldes bei Ohrdruf. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wird Schwabhausen in einem Verzeichnis der von Erzbischof Lullus von Mainz für das Kloster Hersfeld von Freien verliehenen Gütern erstmals urkundlich erwähnt. Schwabhausen gehörte bis Mitte des 19. Jahrhunderts zur oberen Grafschaft Gleichen im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und danach zum Landratsamt Ohrdruf im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. Heute leben in dem Ort rund 750 Einwohnerinnen und Einwohner. Wichtigste Sehenswürdigkeit ist die Kirche St. Trinitatis. Baubeginn war 1701 auf den Resten einer baufällig gewordenen Vorgängerkirche, 1702 wurde sie eingeweiht. Der Turm der Kirche ist wesentlich älter als das Schiff und im Kern gotisch. Der dreiflügelige Schnitzaltar der Kirche stammt aus vorreformatorischer Zeit, er wird um 1490 datiert. Die Westseite des Turms wurde 2005 erneuert und mit neuer Tür und einem Vordach in Kreuzform aus einer Stahl-Glaskonstruktion versehen, der Rest des Turms wurde 2007 saniert. Die Orgel wurde 1836 erbaut und stammt aus der Werkstatt von Georg Franz Ratzmann aus Ohrdruf. Etwa zeitgleich mit dem Bau des Schwabhäuser Instruments arbeitete man in der Werkstatt Ratzmann an den Plänen für die größte Orgel, die je die Ohrdrufer Werkstatt verlassen sollte. Diese wurde 1837 in der Stadtpfarrkirche zu Fulda aufgestellt. Ausschlaggebend für die Auftragsvergabe an Ratzmann war das Votum des Fuldaer Stadt- und Domkantors Michael Henkel, der im Vorfeld auch Orgeln von Ratzmann in der Umgebung von Ohrdruf besichtigt hat. Vielleicht hat er in der Werkstatt auch die halbfertige Orgel von Schwabhausen zu Gesicht bekommen, zeitlich passen würde es.
Stammvater der Orgelbauerfamilie Ratzmann war Georg Franz Ratzmann. 1771 in Cumbach bei Friedrichroda geboren, ließ er sich als Orgelbauer in Ohrdruf nieder, wo er in eine Schreinerei einheiratete. Ab kurz nach 1800 ist er mit eigenen Orgelbauen nachweisbar. Drei seiner Söhne erlernten ebenfalls das Orgelbauerhandwerk. Der drittälteste Sohn Johann Heinrich Ludwig Ratzmann, geboren 1804, führte nach dem Tod des Vaters 1846 die Ohrdrufer Werkstatt fort und zwar gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Bruder Johann Friedrich Heinrich Ratzmann. Ein dritter Sohn, Wilhelm August Ratzmann, geboren 1812, übersiedelte 1839 nach Gelnhausen, heiratete die Tochter des Gastwirts von Niedergründau – wo die Ratzmanns seinerzeit eine große Orgel erbauten - und gründete daraufhin eine eigene Werkstatt in Gelnhausen. Der derzeit früheste bekannte Orgelneubau des Stammvaters Georg Franz Ratzmann entstand 1802 für die Kirche in Reinholdshain bei Glauchau, die allerdings nicht erhalten ist. 1814 bekam der Meister die Gelegenheit, für die Trinitatiskirche seiner Heimatstadt ein repräsentatives Werk zu errichten. Diese ist zwar später umgebaut worden, doch zum großen Teil erhalten. Dem Werk in Ohrdruf folgten weitere größere Werke, z.B. in Friedrichroda, Wölfis oder Finsterbergen. Der Orgelbau in Schwabhausen erfolgte zusammen mit seinem Sohn Johann Heinrich Ludwig Ratzmann, so wie auch der unmittelbar danach in Angriff genommene große Auftrag für Fulda, von dem bereits die Rede war. Ein weiteres großes Werk von Johann Heinrich Ludwig war die 1847 vollendete Orgel für die Barfüßerkirche in Arnstadt, die ebenfalls 3 Manuale und 38 Register bekam. Leider ist diese Orgel aber nicht erhalten. Umso interessanter ist die nahezu im Originalzustand erhaltene Orgel in der Trinitatiskirche zu Schwabhausen, die 2008 durch die Firma Orgelbau Waltershausen denkmalgerecht restauriert wurde und nunmehr wieder in alter Pracht erklingt.
Die 1836 eingeweihte Ratzmann-Orgel in der Trinitatiskirche zu Schwabhausen besitzt 17 selbstständige Register auf zwei Manualen und Pedal, dazu kommen drei Transmissionen, so daß man auch von 20 Registern sprechen könnte. Die Disposition ist in vielen Details einigermaßen ungewöhnlich für die Firma Ratzmann. Das Hauptwerk, das vom Ton C bis zum f3 ausgebaut ist, besitzt Principal und Bordun 16', sodann Principal, Violdigambe, Hohlflöte und Bordun 8'. Zwei weitere Register in 8'-Lage, Gemshorn und Stillgedackt, sind nur im Diskant, ab dem Ton c1 spielbar. Der Principalchor wird durch die Oktaven 4' und 2' ergänzt sowie von einer 4fachen Mixtur bekrönt. Das zwölfte Register des Hauptwerks, die Flöte 4', ist ebenfalls nur im Diskant ausgebaut. Das Oberwerk besitzt fünf Register, Geigenprincipal, Flötraversi und Schweizerflöte 8' sowie die Oktaven 4' und 2'. In dem 1887 von Carl Locher veröffentlichen Werk „Erklärung der Orgelregister“ lesen wir über das seltene Register Schweizerflöte folgendes: „Schweizerflöte, eine früher häufig, jedoch in Deutschland mehr als in der Schweiz angetroffene Flöte von offenem, hübschem Ton, gewöhnlich zu 8 Fuß. In der Schweiz baut man dafür mit Vorliebe eine derselben ziemlich ähnliche Wienerflöte“. Zur Wienerflöte vielleicht noch die ergänzende Anmerkung, dass man diese wiederum in Wien zu jener Zeit nicht kennt, aber das ist ein anderes Thema. Das Pedal in Schwabhausen besitzt einen Tonumfang bis zum d1 und verfügt über keine selbstständigen Pfeifenreihen. Als Transmissionen aus dem Hauptwerk sind Principalbaß und Subbaß 16' sowie Octavenbaß 8' spielbar, dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel. Die 2008 durchgeführte vorbildliche Restaurierung durch Orgelbau Waltershausen wurde durch eine großangelegte und sehr erfolgreiche Spendenaktion in der Schwabhäuser Bevölkerung möglich gemacht. Innerhalb der so ungemein reichen Thüringer Orgellandschaft ist das Instrument in Schwabhausen aufgrund der baulichen Besonderheiten und des ausgesprochenen farbigen und schönen Klangs auf jeden Fall sehr beachtenswert.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 16' Geigenprincipal 8' Principalbaß 16' (Tr.) Manualkoppel
Bordun 16' Flötraversi 8' Subbaß 16' (Tr.) Pedalkoppel
Principal 8' Schweizerflöte 8' Octavenbaß 8' (Tr.)  
Hohlflöte 8' Octave 4'    
Bordun 8' Octave 2'    
Violdigambe 8'      
Stillgedackt 8' (D)      
Gemshorn 8' (D)      
Octave 4'      
Octave 2'      
Mixtur 4f.      

In Schwabhausen gespielte Stücke:
Michael Henkel: Allabreve C-Dur >>>
Michael Henkel: Andante G-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile g-moll >>>
Michael Henkel: Larghetto a-moll >>>
Michael Henkel: Larghetto e-moll >>>
Michael Henkel: Maestoso G-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato C-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten a-moll >>>
Michael Henkel: Versett C-Dur >>>
Michael Henkel: 3 Versetten e-moll >>>
Michael Henkel: Versett G-Dur >>>
Michael Henkel: 4 Versetten g-moll >>>



SEEBERGEN (Gemeinde Drei Gleichen, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Georg



Erbauer: Ernst Ludwig Hesse (Dachwig) 1822, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Seebergen ist ein Ortsteil der Gemeinde Drei Gleichen im thüringischen Landkreis Gotha. Der Ort liegt am östlichen Fuß des weithin bekannten und als Ausflugs- und Wanderziel beliebten Naturschutzgebietes Seeberg. Im Norden, Osten und Süden erstreckt sich das flachhügelige Gelände des Thüringer Beckens. Seebergen soll erstmals 1220 urkundlich erwähnt worden sein, Belege hierfür gibt es bislang allerdings nicht. Seebergen bildete ein Vogteiamt, das als Enklave im Herzogtum Sachsen-Gotha zur Unterherrschaft des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt gehörte. 1825 trat das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt die Exklave Amt Seebergen an das Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg ab, wodurch es nach 1858 zum Landratsamt Gotha im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha gehörte. Der Ort, in dem heute rund 1.230 Einwohnerinnen und Einwohner leben, gehörte von 1992 bis 2008 der Verwaltungsgemeinschaft Drei Gleichen an und ist seitdem ein Ortsteil der damals neu geschaffenen Gemeinde Drei Gleichen. Die Kirche St. Georg wurde von 1511 bis 1587 unter Verwendung des Seeberger Sandsteins errichtet. Im Kircheninneren sind an den Brüstungsfeldern der Emporengalerien aus dem 17. Jahrhundert 60 biblische Szenen angebracht. Die farbintensiven Malereien in Leimfarbentechnik an den Emporen und dem Kanzelkorb stellen Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament dar. Die Orgel, die zusammen mit der Orgelempore eingebaut wurde, stammt aus dem Jahr 1822. Sie ist ein Werk des Orgelbaumeisters Ernst Ludwig Hesse aus Dachwig und gilt als größte erhaltene Orgel aus seiner Werkstatt.
Die Orgelbauerfamilie Hesse und ihre Werke waren lange Zeit der Vergessenheit anheimgefallen. Dabei wurde ihnen zu Lebzeiten höchste Wertschätzung entgegengebracht. So lesen wir etwa in dem 1815 erschienenen Buch „Anleitung zur Kenntnis, Beurteilung und Erhaltung der Orgeln“ über die Hesse-Orgeln: Sie sind mehr als Meisterwerke, sie sind vollendete Kunstprodukte eines Genies.“ Ihr Stammvater war Johann Michael Hesse, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt und arbeiteten zeitweise gemeinsam mit dem nur wenige Kilometer entfernt wirkenden Johann Valentin Knauf in Großtabarz zusammen. Die von Ernst Ludwig Hesse erbaute Orgel in Seebergen wurde 1822 eingeweiht. Mit 30 klingenden Stimmen plus sechs Pedaltransmissionen und inklusive der Nebenzüge 43 Registerzügen war sie das größte Instrument, das seine Werkstatt je verlassen hat. Sie ist bis heute im Wesentlichem im Originalzustand erhalten, was einen ganz besonderen Glücksfall darstellt. Ernst Ludwig Hesse kam 1823 bei einem unglücklichen Sturz während des Orgelbaues in Brüheim ums Leben. Seine beiden Söhne Ernst Siegfried Hesse und dessen jüngerer Bruder Johann Michael Hesse II führten die Familienwerkstatt zusammen mit ihrem Onkel Georg Andreas weiter. Schlichte Schönheit, solide und beständige Fertigung in Kombination mit Liebe zum Detail zeichnen alle Instrumente dieser für die Orgellandschaft Thüringens ganz wichtigen Familie aus, die erst langsam – nach und nach und durch die Bemühungen einiger unermüdlicher Idealisten - wieder der Vergessenheit entrissen werden. Gerade an einem solchen Instrument wie in Seebergen kann man exemplarisch studieren, wie sich der Übergang der Klangästhetik vom Spätbarock zur Romantik vollzogen hat. Das Orgelgehäuse ist stark gegliedert, insgesamt 24teilig, aber ohne jegliches Schnitzwerk. Die jetzige Farbfassung erhielt die Orgel vor ca. 80 Jahren. Die Spielanlage ist stilvoll und mit schönen Furnier- und Intarsienarbeiten gestaltet. Die Registerzüge haben Porzellanschilder mit einem dicken Goldrand. Die Tastenfronten sind mit einem in Leder geprägten Engelskopfmotiv versehen. Durch die 2001 bis 2004 durch die Firma Orgelbau Waltershausen durchgeführte, vorbildliche Restaurierung hat dieses bedeutende Instrument seine volle Klangpracht zurückerhalten.
Die 1822 erbaute Hesse-Orgel in Seebergen, die auf Initiative des Vereins „Freundeskreis Hesse-Orgel Seebergen“ 2001 bis 2004 restauriert werden konnte, besitzt 30 klingende Stimmen auf zwei Manualen und Pedal. Dazu kommen sechs Pedaltransmissionen, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen werden. Die Manuale haben einen Tonumfang vom Ton C bis zum f3. Das Hauptwerk besitzt 13 Stimmen und besitzt zunächst einen lückenlosen Prinzipalchor, aufgebaut auf den Principal 8' über die Oktaven 4' und 2' nebst Quinta 3'. Dazu kommt ein reicher Weitchor mit Bordun 16', Grobgedackt, Hohlflöte und Violadigamba 8' sowie Kleingedackt und Flöte 4'. Die insgesamt 12fache Klangkrone besteht aus einer 4fachen Mixtur, einer 3fachen Cymbel und einem 5fachen Cornett. Das Oberwerk mit seinen 11 Stimmen enthält eine geradezu betörend vielfältige Farbpalette – es fehlt nichts, was man sich im Zeitraum zwischen Spätbarock und Frühromantik nur vorstellen kann. Wir finden hier Lieblichgedackt 16', Geigenprincipal, Lieblichgedackt, Quintatön, Flaute travers und eine fein schwebende Unda maris 8', sodann Principal, Flöte dolce und Nachthorn 4', eine Oktave 2' sowie eine 4fache Mixtur. Das Pedal ist bis zum d1 ausgebaut und besitzt sechs selbstständige Register, nämlich Principalbaß, Subbaß, Violon und Posaunenbaß 16' sowie Oktavenbaß und Violonbaß 8'. Dazu kommen noch sechs Transmissionsregister aus dem Hauptwerk, für deren Freigabe zur Verwendung zuvor ein spezieller Nebenzug betätigt werden muss, der mit dem Wort "Pedalkoppel" beschriftet ist. Es sind dies Bordunbaß 16', Principal-, Bordun- und Hohlflötenbaß 8', der Oktavbaß 4' sowie ein auf den 8' aufbauenden Cornettbaß. Neben der üblichen Manualkoppel besitzt die Orgel nun aber keine eigentliche Pedalkoppel zum Hauptwerk, wie man sie sonst kennt; denn der mit Pedalkoppel beschriftete Registerzug dient, wie bereits erwähnt, zur Freigabe der Transmissionsregister. Dazu kommen noch die drei in Thüringen üblichen Sperrventile für jedes Werk sowie ein Pedalverschluss. Dieser Zug verriegelt die Pedalklaviatur, so dass man beim Manualiterspiel gefahrlos die Füße auf den Pedaltasten abstellen kann. Die große Hesse-Orgel in Seebergen ist auch aufgrund ihres vollständigen Erhaltungszustandes eines der bedeutendsten Instrumente der gesamten und in ihrer stilistischen Fülle so ungemein reichen Thüringer Orgellandschaft. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblichgedackt 16' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel *
Grobgedackt 8' Lieblichgedackt 8' Violon 16'  
Hohlflöte 8' Quintatön 8' Bordunbaß 16' (Tr.)  
Violadigamba 8' Flaute travers 8' Principalbaß 8' (Tr.)  
Octave 4' Unda maris 8' Octavenbaß 8'  
Kleingedackt 4' Principal 4' Bordunbaß 8' (Tr.)  
Flöte 4' Flöte dolce 4' Hohlflötenbaß 8' (Tr.)  
Quinte 3' Nachthorn 4' Violonbaß 8'  
Octave 2' Octave 2' Octavbaß 4' (Tr.)  
Cornett 5f. Mixtur 4f. Cornettbaß 8' (Tr.)  
Mixtur 4f.   Posaunenbaß 16'  
Cymbel 3f.      

* keine "normale" Pedalkoppel", sondern Freigabe der Transmissionsregister

In Seebergen gespielte Stücke:
Michael Henkel: Andante mobile F-Dur >>>
Michael Henkel: Fantasie zur Einweihung der Stadtpfarr-Kirchenorgel zu Fulda >>>
Michael Henkel: Lento g-moll >>>
Michael Henkel: Moderato B-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten B-Dur >>>
Michael Henkel: 3 Versetten d-moll >>>
Michael Henkel: 2 Versetten F-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten g-moll >>>



SÖMMERDA (Landkreis Sömmerda)
Ev. Bonifatiuskirche




Erbauer: Johann Georg Krippendorff (Kölleda) 1708, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die Stadt Sömmerda hat rund 19.000 Einwohnerinnen und Einwohner und ist die Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises in Thüringen. Sömmerda liegt etwa 20 Kilometer nördlich von Erfurt im flachen, fruchtbaren Thüringer Becken an der mittleren Unstrut. Die Umgebung wird intensiv landwirtschaftlich genutzt und ist waldarm. Sömmerda wurde 876 erstmals urkundlich erwähnt. Im Jahre 918 kam der Ort an das Kloster Fulda. Ab 1342 gehörte Sömmerda der Grafschaft Schwarzburg, die ihn 1418 an die Stadt Erfurt verkaufte, zu dessen Besitz es als Exklave bis 1802 gehörte, als es an Preußen kam. Etwa 1350 erhielt der Ort vermutlich das Stadtrecht, was aber nicht eindeutig belegt werden kann. Das 1395 erbaute Erfurter Tor und sechs Stadtmauertürme stellen die ältesten noch erhaltenen Bauwerke der Stadt dar. Der in Sömmerda geborene Erfinder Johann Nicolaus Dreyse gründete 1817 die Metallwarenfabrik Dreyse & Collenbusch, die den Beginn der Industrialisierung in der Stadt markiert. Seit nunmehr 200 Jahren ist Sömmerda ein wichtiger Industriestandort in Thüringen; Rheinmetall, Robotron und Fujitsu waren oder sind wichtige Arbeitgeber in der Stadt. Die evangelische Stadtkirche St. Bonifatius wurde erstmals 1436 urkundlich erwähnt. Das Untergeschoss des Kirchturms deutet auf einen romanischen Vorgängerbau. Der heutige spätgotische Bau entstand im 16. Jahrhundert und wurde 1562 vollendet. Die Kirche birgt einen wertvollen, spätgotischen Flügelaltar aus dem Jahr 1491 und eine interessante Orgel, die in den Jahren 1703 bis 1708 von dem Orgelbauer Johann Georg Krippendorff aus Kölleda erbaut wurde.
Zu der großen Zahl Thüringer Orgelbauer, die heute weitgehend vergessen sind, gehört Johann Georg Krippendorff aus Kölleda. 1652 wurde er in Kölleda getauft und heiratete 1681 die Tochter des dortigen Schuhmachermeisters. Aus den Eintragungen in den Kirchenregistern erkennen wir, dass Krippendorff nicht nur als Orgelbauer tätig war, sondern vor allem in den Jahren vor 1700 als Lohgerber. Dies erklärt wohl auch die lediglich vier Instrumente, die er in rund 50 Jahren des beruflichen Schaffens erbaut hat. Wo er sein Handwerk erlernte, ist nicht bekannt. Wir wissen jedoch, dass sein Vater 1672 als Gehilfe des Erfurter Orgelbauers Johann Christoph Papst beim Umbau der Orgel in der Kölledaer Stadtkirche mitgewirkt hat. Und auch Johann Georgs jüngerer Bruder Johann Theodor betätigte sich als „Orgel-Reparateur“. 1697 bis 1700 erbaute Johann Georg Krippendorff seine erste Orgel in der Kirche zu Leubingen bei Sömmerda. 1701 wurde er sodann vom Rat der Stadt Sömmerda beauftragt, die noch aus spätgotischer Zeit stammende Orgel in der Stadtkirche St. Bonifatius umfassend zu reparieren. Nach Krippendorf schon eineinhalb Jahre an der Orgel gearbeitet hatte, kamen er und seine Auftraggeber allerdings zu der Erkenntnis, dass ein Neubau günstiger sein würde als eine kostspielige Reparatur. 1703 wurde ein Kontrakt zum Neubau geschlossen, doch gab es Streit um technische Details, die sich lange hinzogen. So lange, dass Krippendorf Zeit hatte, 1704 bis 1705 zwischendurch noch eine neue Orgel für die andere Hauptkirche in Sömmerda, St. Petri, zu erbauen. Erst 1708 war die Orgel in St. Bonifatius mit 25 Registern auf zwei Manualen und Pedal weitgehend fertiggestellt, doch wird immer wieder über Schwierigkeiten berichtet und darüber, dass der Rat der Stadt und die Kircheninspektion ihren Verpflichtungen nicht nachkam und Krippendorff beispielsweise dazu gezwungen war, anstatt der versprochenen Hilfskräfte und Bälgetreter seine Frau und seine Kinder abstellen zu müssen. Ein Abnahmegutachten ist nicht bekannt. 1718 erbaute Krippendorff noch ein kleines Instrument mit sechs Registern für die Kirche in Rohrborn bei Sömmerda. Als 1724 in seinem Wohn- und Heimatort Kölleda eine neue Orgel erbaut werden sollte, hören wir schon nichts mehr von Johann Georg Krippendorff, der 1727 verstorben ist und mit Ausnahme seiner Orgel in der Bonifatiuskirche Sömmerda ist von seinem Schaffen nichts erhalten geblieben.
Die Orgel in der Bonifatiuskirche zu Sömmerda wurde im 19. und 20. Jahrhundert mehrfach verändert. 1871 erfolgte eine durchgreifende klangliche Umgestaltung im Sinne der Romantik durch Louis Witzmann aus Kleinrudestedt. Und in den Jahren 1935 sowie 1951 führte der Orgelbauer Gerhard Kirchner aus Weimar in zwei Etappen eine ebenso deutliche Umdisponierung im Sinne des damals modernen Neobarock durch. 2008 erfolgte eine sorgfältige Restaurierung des Instruments durch die Firma Orgelbau Waltershausen GmbH, wobei auch spätere Zutaten, sofern musikalisch sinnvoll und qualitativ gut, beibehalten wurden. Die Orgel besitzt heute 30 Register auf zwei Manualen und Pedal. 13 Register sowie die Windladen der Manuale stammen hierbei noch von Krippendorff. Die Manuale haben einen Umfang bis zum d3. Das Hauptwerk besitzt 12 Stimmen: Bordun 16', Principal, Gedackt und Salicional 8', Octave und Gedackt 4', Quinta 3', die Octave 2', sodann eine Terz 1 3/5', eine prächtige 6fache Mixtur, eine hell glitzernde 2- bis 3fache Zimbel und eine Trompete 8'. Im Brustwerk sind 10 Register disponiert, nämlich Gedackt und Quintton 8', Principal und Spitzflöte 4', Octave 2', Nasat 1 1/3', eine Sifflöte 1', eine Sesquialtera, ein 4faches Scharff und ein Krummhorn 8'. Im Pedal, das heute über den modernen Umfang bis zum f1 verfügt, besitzt Subbaß und Principalbaß 16', Octavbaß und Gedacktbaß 8', Choralbaß 4', Nachthorn 2', eine 4fache Mixtur und eine Posaune 16', dazu kommt eine Manual- und eine Pedalkoppel. Trotz aller Umbauten und Veränderungen besitzt die Orgel sehr schöne, charaktervolle Einzelstimmen und nach der gelungenen Restaurierung einen hellen und strahlenden Gesamtklang. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Brustwerk, C-d3 Pedal, C-f1  
Bordun 16' Gedackt 8' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Quintton 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Principal 4' Octavbaß 8' Tremulant BW
Salicional 8' Spitzflöte 4' Gedacktbaß 8'  
Octave 4' Octave 2' Choralbaß 4'  
Gedackt 4' Nasat 1 1/3' Nachthorn 2'  
Quinta 3' Sifflöte 1' Mixtur 4f.  
Octave 2' Sesquialtera 2f. Posaune 16'  
Terz 1 3/5' Scharff 4f.    
Mixtur 6f. Krummhorn 8'    
Cymbel 2-3f.      
Trompete 8'      

In Sömmerda gespielte Stücke:
Anonymus: Praeludium in B >>>
Carl Philipp Emanuel Bach: Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ >>>
Johann Bernhard Bach: Wir glauben all an einen Gott >>>
Georg Friedrich Kauffmann: Auf meinen lieben Gott >>>
Georg Friedrich Kauffmann: Es ist das Heil uns kommen her >>>
Georg Friedrich Kauffmann: Jesu, deine tiefen Wünden >>>
Georg Friedrich Kauffmann: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>>
Georg Friedrich Kauffmann: Wir glauben all an einen Gott >>>



TÖTTELSTÄDT (Stadt Erfurt)
Ev. Kirche St. Nikolai




Erbauer: Georg Franz Ratzmann (Ohrdruf) 1825, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Töttelstädt ist ein Ortsteil der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt und liegt im Nordwesten der Stadt in Richtung Gotha. Töttelstädt liegt im südlichen Thüringer Becken am Fuße der Fahnerschen Höhe. In einer Schenkungsurkunde aus dem Jahre 874 wird „Tullinestat“ nebst anderen 116 Orten in Thüringen als dem Stift Fulda zehntpflichtig erwähnt. Der Ort gehörte zur Oberpflege der Herrschaft Tonna, welche ab 1677 als „Amt Tonna“ zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg gehörte. Zu DDR-Zeiten gehörte Töttelstädt zum Kreis Erfurt-Land. Nach der politischen „Wende“ war der Ort für kurze Zeit dem Landkreis Sömmerda zugeteilt worden, bis er 1994 in die Landeshauptstadt Erfurt eingemeindet wurde. Töttelstädt ist früher ein recht großer Ort gewesen und hatte zeitweise zwei Kirchen, aber die Pest 1610 und drei große Brandunglücke 1696, 1804 und 1824 haben der Entwicklung des Ortes zugesetzt. Heute leben 663 Einwohnerinnen und Einwohner in dem Ort. Bei der Feuersbrunst 1824 brannten die Kirche, zwei Schulen und 79 Wohnhäuser mit Wirtschaftsgebäuden ab. Es heißt, der damalige Pfarrer Wilhelm Hey, Textdichter von „Alle Jahre wieder“, gab seiner Gemeinde auf den Trümmern der Kirche stehend Mut und Hoffnung auf den Wiederaufbau. Die evangelische Kirche St. Nikolai ist eine Chorturmkirche. Der eingezogene Turm ist ein Rest der gotischen Vorgängerkirche aus dem Jahr 1492. Nach dem erwähnten Brand wurde die Kirche 1825 wiederaufgebaut und mit einer prachtvollen Orgel aus der Werkstatt von Georg Franz Ratzmann aus Ohrdruf versehen. 1787 wurde in Töttelstädt – im Haus neben der Kirche – Johann Ludwig Böhner geboren. Von seinem Vater, der in Töttelstädt Lehrer und Kantor war, erhielt er den ersten Musikunterricht. 1798 ging er nach Erfurt aufs Gymnasium und wurde dort Schüler Michael Gotthard Fischers sowie des Bach-Schülers Johann Christian Kittel – dies erfüllte ihn zeitlebens mit Stolz und gerade in seinen Orgelwerken ist die strenge, von Kittel vermittelte Bach-Schule oftmals deutlich erkennbar.
Stammvater der Orgelbauerfamilie Ratzmann war Georg Franz Ratzmann. 1771 in Cumbach bei Friedrichroda geboren, ließ er sich als Orgelbauer in Ohrdruf nieder, wo er in eine Schreinerei einheiratete. Ab kurz nach 1800 ist er mit eigenen Orgelbauen nachweisbar. Drei seiner Söhne erlernten ebenfalls das Orgelbauerhandwerk. Der drittälteste Sohn Johann Heinrich Ludwig Ratzmann, geboren 1804, führte nach dem Tod des Vaters 1846 die Ohrdrufer Werkstatt fort und zwar gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Bruder Johann Friedrich Heinrich Ratzmann. Ein dritter Sohn, Wilhelm August Ratzmann, geboren 1812, übersiedelte 1839 nach Gelnhausen, heiratete die Tochter eines Gastwirts und gründete daraufhin eine eigene Werkstatt in Gelnhausen. Der derzeit früheste bekannte Orgelneubau des Stammvaters Georg Franz Ratzmann entstand 1802 für die Kirche in Reinholdshain bei Glauchau, die allerdings nicht erhalten ist. 1814 bekam der Meister die Gelegenheit, für die Trinitatiskirche seiner Heimatstadt ein repräsentatives Werk zu errichten. Dem Werk in Ohrdruf folgten weitere größere Werke, z.B. in Friedrichroda, Wölfis oder Finsterbergen. 1825 erfolgte dann der Orgelbau in Töttelstädt, ein prachtvolles Werk mit 32 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Als dieses Instrument feierlich eingeweiht wurde, hatte der aus Töttelstädt gebürtige Böhner bereits einige erfolgreiche und produktive Jahre hinter sich, die ihm den Beinamen „Thüringer Mozart“ eintrugen. Aber 1820 erlitt er einen psychischen Zusammenbruch.  Von da an führte für die restlichen 40 Jahre seines Lebens Böhner ein rastloses und unstetes Wanderleben und lebte hauptsächlich davon, dass er seine Noten an Thüringer Pfarrer und Lehrer gegen ein geringes Entgelt oder auch nur ein Abendessen veräußerte. Diese selbst gewählte, wenngleich nicht ganz freiwillige Isolation trug zur Stabilisierung seines Gesundheitszustandes bei und vielleicht war er mit seiner Existenz gar nicht besonders unzufrieden; er hatte zwar kein Geld, aber auch keine Pflichten und war niemandem Rechenschaft schuldig. In jener Zeit entstanden zahlreiche Kompositionen meist kleinerer Art. Robert Schumann schrieb einmal über ihn: „In seiner Jugend war er so berühmt wie Beethoven, dann aber düster, öde und zerrissen wie Sturm und Schiffbruch.“
Die 1825 eingeweihte Ratzmann-Orgel der Nicolaikirche in Töttelstädt blieb für Johann Ludwig Böhner in seinem rastlosen Leben ein wichtiger Rückzugsort. Als er 1860 starb, war er völlig verarmt und vergessen. Ein eigenwilliges Genie, dem zeitlebens der große Ruhm versagt blieb. Und auch heute sind seine Kompositionen größtenteils vergessen. Die Orgel in Töttelstädt ist nahezu unverändert bis heute erhalten. Viele Jahre war sie in einem schlechten, kaum spielbaren Zustand. 1998 bis 2001 wurde die Kirche umfassend renoviert und zum Abschluß auch die Orgel denkmalgerecht restauriert. Diese Arbeiten führte die Firma Herbert Löbling aus Zimmernsupra aus. Die beiden Manuale besitzen einen Tonumfang vom Ton C bis zum f3. Das Hauptwerk besitzt 12 Stimmen und ist auf dem Principal 8' aufgebaut. Der Chor der Principale ist in klassischer Weise mit den Oktaven 4' und 2' nebst Quinta 3' nach oben geführt. Grundiert wird der Klang von einem Bordun 16' und fein schattiert von Hohlflöte, Bordun und Violdigambe 8' sowie einer Hohlflöte 4'. Kontur und Glanz bekommt das Hauptwerk durch ein 3faches Cornett, eine 4fache Mixtur und eine 3fache Cimbel. Das ebenfalls mit 12 Stimmen besetzte Oberwerk besitzt einen geradezu betörenden Reichtum frühromantischer Klangfarben. Ein Quintatön 16' bildet auch hier die Grundlage, es folgen Stillgedackt, Flötraversie, Salicional, Fugara und eine hauchzarte Clavaeoline 8', Principal, Floetraversie und Fugara 4', eine doppelt besetzte Octave 2', eine Sifflöte 1' und eine 4fache Mixtur. Im Pedal, das bis zum d1 ausgebaut ist, sind acht Register besetzt. Subbaß, Violon, eine Clavaeoline und ein Posaunenbaß 16', weiterhin Octavenbaß, Violoncellobaß und Clavaeoline 8'. Dazu kommt noch ein Untersatz 32', der dem Plenum mit seiner schillernden Farbigkeit eine beeindruckende Größe gibt. Die Ratzmann-Orgel in Töttelstädt ist, nicht nur wegen ihrer Größe und ihrer originalen Erhaltung, sondern auch wegen ihrer Verbindung zu Johann Ludwig Böhner eine der herausragenden und wichtigsten Orgeln der gesamten Thüringer Orgellandschaft.


Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:
 

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Quintatön 16' Untersatz 32' Manualkoppel
Principal 8' Stillgedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flötraversie 8' Violon 16'  
Bordun 8' Salicional 8' Clavaeoline 16'  
Violdigambe 8' Fugara 8' Octavenbaß 8'  
Octave 4' Clavaeoline 8' Violoncellobaß 8'  
Hohlflöte 4' Principal 4' Clavaeoline 8'  
Quinte 3' Flötraversie 4' Posaunenbaß 16'  
Octave 2' Fugara 4'    
Cornett 3f. Octave 2'    
Mixtur 4f. Sifflöte 1'    
Cimbel 3f. Mixtur 4f.    

In Töttelstädt gespielte Stücke:
Johann Ludwig Böhner: Ach, bleib mit deiner Gnade >>>
Johann Ludwig Böhner: Ach Gott und Herr >>>
Johann Ludwig Böhner: Adagio und Fuge d-moll >>>
Johann Ludwig Böhner: Fuge D-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Mache dich, mein Geist, bereit >>>
Johann Ludwig Böhner: Meinen Jesum laß ich nicht >>>
Johann Ludwig Böhner: Meinen Jesum laß ich nicht (Satz) >>>
Johann Ludwig Böhner: Nachspiel B-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium As-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium Es-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium G-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Wachet auf, ruft uns die Stimme >>>
Johann Ludwig Böhner: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Michael Henkel: Allegretto C-Dur >>>
Michael Henkel: Andantino h-moll >>>
Michael Henkel: Cantabile F-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato As-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato H-Dur >>>
Michael Henkel: Versett A-Dur >>>
Michael Henkel: Versett a-moll >>>
Michael Henkel: Versett C-Dur >>>
Michael Henkel: Versett D-Dur >>>
Michael Henkel: Versett e-moll >>>
Michael Henkel: Versett fis-moll >>>
Michael Henkel: Versett h-moll >>>
Michael Henkel: 5 Versetten F-Dur >>>
Michael Henkel: Vorspiel F-Dur >>>



TÖTTLEBEN (Stadt Erfurt)
Ev. Kirche St. Anna




Erbauer: Johann Georg Schröter (Erfurt) 1722, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Töttleben ist ein Ortsteil der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt mit heute etwas über 300 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt im Thüringer Becken in der Talsenke des Linderbachs. Die Umgebung ist waldarm und wird landwirtschaftlich genutzt. Nachbardörfer sind Kerspleben im Südwesten, Schwerborn im Nordwesten, Kleinmölsen im Nordosten und Vieselbach im Südosten. Töttleben wurde 1104 erstmals in einem Güterverzeichnis des Erfurter Petersklosters genannt. 1192 wurde Töttleben Teil der Grafschaft Vieselbach, die unter der Hoheit der Grafen von Gleichen-Tonna stand und 1343 kam das Dorf in den Besitz der Stadt Erfurt. 1815 wurde Töttleben Teil des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach und ab 1850 des Landkreises Weimar, bei dem es bis 1952 blieb. Danach wurde der Kreis Erfurt-Land gegründet, dem das Dorf zugeordnet wurde und 1960 erfolgte die Eingemeindung nach Kerspleben. Nach Auflösung des Kreises Erfurt-Land wurde Töttleben 1994 ein Stadtteil von Erfurt. Das Dorf lag an der „Via Regia“ von Frankfurt über Erfurt nach Leipzig, auf deren Trasse die heutige Landesstraße verläuft, die sich durch den Ort zieht; direkt an der Evangelischen Dorfkirche St. Anna vorbei, die in ihrem Kern noch aus dem 15. Jahrhundert stammt. Erbaut wurde sie zwischen 1430 und 1450 als spätgotische Saalkirche. Der barocke Kanzelaltar und die Emporen stammen aus den Jahren 1730 bis 1731. Zehn Jahre zuvor, 1720 bis 1722 hatte man sich in Töttleben schon eine neue Orgel geleistet, die aus der Werkstatt des Erfurter Orgelbauers Johann Georg Schröter stammte.
Die Orgel in Töttleben wurde von Johann Georg Schröter erbaut. Geboren wurde Schröter 1683 in Berlstedt und erlernte das Handwerk des Orgelbaus von 1701 bis 1708 bei Johann Conrad Vockeroth, der in Berlstedt ansässig war. Im Jahr 1712 zog er nach Erfurt, wo er dort das Bürgerrecht und das begehrte Orgelbauprivileg erwarb, wodurch er in den folgenden Jahren zahlreiche Aufträge in und um Erfurt erhielt. Eine zeitweilige Mitwirkung in der Werkstatt von Georg Christoph Stertzing ist wahrscheinlich, da Schröter dessen letzte Orgel in der Erfurter Augustinerkirche vollendete. Sein Schüler Franciscus Volckland stammte ebenfalls aus Berlstedt und war möglicherweise mit ihm verwandt. Volckland erreichte es im Gegensatz zu seinem Lehrmeister jedoch nicht, das begehrte Privileg zu erwerben und stand deshalb jahrelang mit Schröter im Streit. Beide prägten jedoch unabhängig voneinander einen Orgelbaustil, der richtungweisend für die mitteldeutsche Orgel im 18. Jahrhundert war. Schröters Orgeln haben einen reichen Fundus an färbenden Stimmen in der Grundtonlage und eine solide technische Anlage. Immer wieder attestierten ihm die an seinen Orgeln wirkenden Musiker deren gute Qualität. Als Beispiel sei Johann Sebastian Bach und sein Gutachten zur Schröter-Orgel der Augustinerkirche Erfurt genannt. Darin bestätigte Bach, dass „das von ihm verfertigte erstere Meisterstück so wohl gerathen, und also an seiner ferner-weitigen Arbeit nicht zu zweifeln“ sei. Johann Georg Schröter konnte mit dieser Würdigung über viele Jahre erfolgreich für sich werben und Aufträge erlangen. Schröter starb 1747 in Mühlhausen. Von seinen Schülern haben neben Volckland vor allem Johann Stephan Schmaltz aus Wandersleben, Johann Paul Trampel, der Begründer der Orgelbauerdynastie Trampeli und Schröters Neffe Johann Georg Stein Bedeutung erlangt. Frühere Organologen haben Schröter auch den „Thüringer Silbermann“ genannt. Heute sagt man das nicht mehr so, da es auch noch etwa ein Dutzend anderer „Thüringer Silbermänner“ gibt. Uns sind heute 27 Orgeln bekannt, die Johann Georg Schröter erbaut hat, davon sind jedoch nur ganz wenige erhalten. Die älteste hiervon ist die 1722 vollendete Orgel in Töttleben, seine bekannteste und größte erhaltene Arbeit steht allerdings in Wandersleben. Dieses Instrument wurde 1724 fertiggstellt. Weiterhin sind zu nennen das 1731 erbaute Instrument in Niedernissa, das sehr gut erhalten, derzeit aber leider unspielbar ist und die 1737 vollendete Orgel in Andisleben, alles Orte im näheren Umkreis von Erfurt. Ob die 1725 erbaute Orgel in Klettbach ebenfalls von Schröter stammt, ist nicht sicher belegbar.
Die von Johann Georg Schröter erbaute Orgel in Töttleben wurde im 19. Jahrhundert klanglich umgestaltet, „romantisiert“. Hiervon ist vor allem das vom ersten Manual aus angespielte Oberwerk betroffen. Bei der Restaurierung 1994 durch die Firma Hey Orgelbau aus Urspringen in der Rhön hat man diesen historisch gewachsenen Zustand bewahrt. Bemerkenswert ist die weitgehend original erhaltene Spielanlage, die in den Fußboden eingesenkt ist. Organisten, die längere Beine haben als ich, dürften damit ihre Probleme haben, zumal auch die Sitzbank nicht verstellbar und mit einem fast senkrechten Brett im hinteren Bereich begrenzt ist. Die Orgel besitzt 13 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Manuale haben einen Tonumfang vom Ton C ohne das große Cis bis zum c3. Das vom zweiten Manual aus anzuspielende Hauptwerk besitzt die Register Principal und Gedackt 8', Principal und Gedackt 4', Quinta 3' sowie eine 3fache Mixtur. Das klanglich veränderte Oberwerk verfügt über die Disposition Geigenprincipal, Lieblich Gedackt und Viola 8' sowie Spitzflöte 4'. Das Pedal schließlich, bis zum c1 geführt, ebenfalls ohne das große Cis, besitzt die drei Register Subbaß 16' sowie Oktavbaß und Gedacktbaß 8', dazu kommt eine Manual- und eine Pedalkoppel. Beide Manualwerke stehen auf einer Zwillingslade und gekostet, dies sei auch noch angemerkt, hat die Orgel seinerzeit 185 Reichsthaler. Als eine der ganz wenigen Instrumente aus der Werkstatt des Erfurter Orgelmachers Johann Georg Schröter kommt ihr eine wichtige Stellung innerhalb der Thüringer Orgellandschaft zu. 

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Disposition:

Hauptwerk, CD-c3 Oberwerk, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Principal 8' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Gedackt 8' Lieblich Gedackt 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel
Principal 4' Viola 8' Gedacktbaß 8'  
Gedackt 4' Spitzflöte 4'    
Quinta 3'      
Mixtur 3f.      

In Töttleben gespielte Stücke:
Johann Heinrich Buttstedt: Es stehn vor Gottes Throne >>>
Johann Heinrich Buttstedt: Herr Gott, dich loben alle wir >>>
Georg Andreas Sorge: Kleines Praeludium Nr. 17 g-moll >>>
Georg Andreas Sorge: Kleines Praeludium Nr. 18 g-moll >>>
Georg Andreas Sorge: Praeludium gis-moll >>>
Nicolaus Vetter: Ach Gott und Herr >>>
Nicolaus Vetter: Fuga in g >>>
Nicolaus Vetter: Nun komm der Heiden Heiland >>>



TRÖCHTELBORN (Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Bonifatius




Erbauer: Franziskus Volckland (Erfurt) 1756-1767
, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Tröchtelborn ist eine Gemeinde in der Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue im thüringischen Landkreis Gotha. Tröchtelborn liegt in der Senke zwischen den Fahnerschen Höhen im Norden und den Seebergen im Südwesten, an einer historischen Verbindungsstraße von Erfurt nach Gotha. Der Ort liegt in altem germanischem, vorher keltischem Siedlungsgebiet. Der Ortsname ist ebenfalls germanischen Ursprungs, er wurde spätestens 779 erstmals urkundlich erwähnt. Die Stadt Erfurt erwarb Tröchtelborn im Jahr 1351 aus dem Lehen der Grafen von Schwarzburg und gliederte ihn der Vogtei Nottleben an. Mit dem Wiener Kongress kam der Ort 1815 zu Preußen und wurde 1816 dem Landkreis Erfurt in der preußischen Provinz Sachsen angegliedert. Heute leben knapp über 300 Einwohnerinnen und Einwohner in der Gemeinde Tröchtelborn. Die St.-Bonifatius-Kirche ist eine Saalkirche mit Holztonne und dreiseitig geschlossenem Chor und stammt aus den Jahren 1603 bis 1605. Die Kirche besitzt noch spätgotische Maßwerkfenster und wurde in ihrem Inneren später durch Um- und Anbauten barockisiert. Im 18.Jahrhundert wurde eine zweigeschossige Empore eingezogen und die Kirche erhielt einen Taufstein und eine prachtvolle Orgel aus der Werkstatt von Franziskus Volckland aus Erfurt. Volckland ist einer der interessantesten Orgelbauer des 18. Jahrhunderts in Mitteldeutschland, seine wenigen erhaltenen Instrumente sind von außerordentlicher Qualität, klanglich wie technisch.
Franziskus Volckland wurde 1696 in Berlstedt bei Weimar geboren. Bei dem ebenfalls aus Berlstedt gebürtigen und in Erfurt wirkenden Orgelbauer Johann Georg Schröter erhielt er seine Unterweisung in der Kunst des Orgelbaues. Nach einer Zeit bei der Orgelwerkstatt Stertzing in Ohrdruf kehrte er 1718 nach Erfurt zurück und wurde dort „Biereigener“, d. h. er durfte Bier brauen und ausschenken. Darüber hinaus betrieb er einen Holz- und Fruchthandel und war, wie es heißt, „ein engagierter Bürger der Stadt“. Das von Volckland 1720 erbetene Orgelbau-Privileg wurde ihm allerdings nicht erteilt. Sein Lehrmeister Johann Georg Schröter besaß dieses und war darauf angewiesen, während Volckland auch ohne den Orgelbau sein Auskommen hatte. Schon in seiner Lehrzeit bei Schröter hatte es Auseinandersetzungen zwischen den beiden gegeben, die sich jetzt wegen der direkten Konkurrenz zueinander verstärkten. Volckland heiratete 1722 und nach dem Tod seiner ersten Frau 1768 noch mit 77 Jahren ein zweites Mal. Kinder hatte er jedoch nicht. Die ersten eigenen Instrumente erbaute Volckland 1721 in Vieselbach und 1722 bis 1726 in Ollendorf, jeweils vor den Toren Erfurts. Wegen der Streitigkeiten mit Schröter ließ sich Volckland, recht trickreich, den Orgelbau erst nachträglich genehmigen. 1729 schuf er eine große Orgel für Mühlberg, die in umgebauter Form bis heute erhalten ist. Prachtvoll geriet sein 1732 bis 1737 erbautes Werk für die Cruciskirche in Erfurt, die ebenfalls bis heute erhalten ist und deren „unvergleichlicher Klang“ von Zeitgenossen hoch gerühmt wurde. Erhalten sind ebenfalls die recht großen Instrumente in Zimmernsupra, 1738 erbaut und Elxleben bei Arnstadt, 1751 vollendet. Der Kontrakt für die Orgel in Tröchtelborn wurde 1756 unterschrieben, demnach sollte das Instrument 23 Register auf 2 Manualen und Pedal bekommen. Aber erst 1767 wurde die Bezahlung der Orgel quittiert. In der Zwischenzeit wütete der Siebenjährige Krieg und es erstaunt, daß der Orgelbau bald nach Kriegsende wiederaufgenommen wurde, denn die Dörfer waren gebrandschatzt und verarmt. An den wahrscheinlich vor Kriegsbeginn gefertigten gemischten Stimmen ist zu erkennen, daß dür den Bau der Orgel ausreichend Geld vorhanden war. Dem Orgelbauer war es immerhin vergönnt, aus der „veraccordirten“ 4fachen eine 6fache Mixtur und aus der 3fachen eine 4fache Cimbel zu machen. Darüber hinaus wurde ein Campanetta, ein Glockenspiel mit 33 Glocken angeschafft. Nach dem Orgelbau in Tröchtelborn schuf Volckland nur noch ein kleineres Instrument für Gottstedt. Er starb 1779 mit 83 Jahren.
„Volckland hätte unter günstigeren Verhältnissen den Ruf eines Silbermann erreichen können, indem Schärfe, unbeschreiblicher Schmelz und die reinste Klangfarbe der einzelnen Stimmen dieselben so sehr wie die schönste Vereinigung der Gesamtmasse auszeichnen.“ Dieses Urteil stammt aus dem Jahre 1861 und aus der Feder von Julius Hesse, dem letzten Sproß der Orgelbauerdynastie Hesse und zeugt von der Hochachtung, die man in Fachkreisen noch in einer ganz anderen Zeit dem Wirken Volcklands entgegenbrachte. Die Orgel in Tröchtelborn, die zum Abschluß der Arbeiten in der Kirche 1994 bis 1996 von der Orgelbaufirma Hoffmann aus Ostheim vor der Rhön vorbildlich restauriert wurde, besitzt zwei Manuale und Pedal. Das Hauptwerk, das vom oberen Clavier aus angespielt wird, hat wie das Oberwerk einen Umfang vom Ton C bis zum c3 ohne das große Cis. Eine Quintadena 16' grundiert den Klang, Principal, Hohlflöte, Gedackt und Violdigamba 8' bilden die wohlgewählten Grundstimmen, Oktave 4', Quinta 3', Oktave 2', eine Sexta 1 3/5' sowie eine 6fache Mixtur und eine 3fache Cimbel geben dem Plenum strahlende Pracht und Fülle. Die terzhaltige Mixtur verfügt übrigens ab dem c2 über eine 10 2/3'-Pfeifenreihe! Das Oberwerk enthält die Stimmen Quintadena und Gedackt 8', Principal und Nachthorn 4', Quinta 3', Oktava 2', Tertia 1 3/5' sowie eine 4fache Mixtur. Im Pedal schließlich, das bis zum c1 ausgebaut ist, finden sich die vier Stimmen Subbaß, Violonbaß und Posaunenbaß 16' sowie ein Oktavbaß 8'. Dazu kommt ein Tremulant aufs ganze Werk, ein als „Modulatio“ bezeichneter gesonderter Tremulant nur für das Hauptwerk, dazu ein Glockenaccord, das ist die Thüringische Bezeichnung für einen Cymbelstern und das erwähnte Campanetta, ein Glockenspiel mit 33 Schalenglocken über dem Spieltisch. Die Volckland-Orgel in Tröchtelborn zählt ohne Frage zu den bedeutendsten Instrumenten der Barockzeit in Thüringen und mit Fug und Recht Anziehungspunkt für Organisten aus der ganzen Welt.

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Disposition:


Hauptwerk, CD-c3 Oberwerk, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Quintadena 16' Quintadena 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Gedackt 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Principal 4' Octavbaß 8' Tremulant
Gedackt 8' Nachthorn 4' Posaunenbaß 16' "Modulatio" HW
Violdigamba 8' Quinta 3'   Glockenaccord
Octave 4' Octava 2'   Campanetta
Quinta 3' Tertia 1 3/5'    
Octave 2' Mixtur 4f.    
Sexta 1 3/5'      
Mixtur 6f.      
Cimbel 3f.      

In Tröchtelborn gespielte Stücke:
Johann Friedrich Agricola: O Ewigkeit, du Donnerwort >>>
Johann Friedrich Agricola: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Georg Christian Apel: O Ewigkeit, du Donnerwort >>>
Georg Christian Apel: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Johann Sebastian Bach: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>>
Johann Sebastian Bach: Vom Himmel hoch, da komm ich her BWV Anh. 63 >>>
August Eduard Grell: Präludium Nr. 27 e-moll >>>
August Eduard Grell: Präludium Nr. 28 e-phrygisch >>>
Michael Henkel: Andante cantabile e-moll >>>
Michael Henkel: Andante d-moll I >>>
Michael Henkel: Andante d-moll II >>>
Michael Henkel: Fughetta Allegretto D-Dur >>>
Michael Henkel: Largo h-moll >>>
Michael Henkel: Maestoso D-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato a-moll >>>
Michael Henkel: Moderato C-Dur >>>
Michael Henkel: Postludium Moderato d-moll >>>
Michael Henkel: Versett E-Dur >>>
Michael Henkel: 7 Versetten d-moll >>>
Michael Henkel: Vorspiel d-moll >>>
Michael Henkel: Vorspiel Moderato C-Dur >>>
Johann Christoph Kellner: Jesu, meine Freude >>>
Johann Kuhnau: Praeludium in B >>>
Christian Heinrich Rinck: Gelobet seist du, Jesu Christ I & II >>>
Nicolaus Vetter (Zuschreibung): Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>>



VIESELBACH (Stadt Erfurt)
Ev. Heiligkreuzkirche




Erbauer: Wilhelm Sauer, Inh. Oscar Walcker (Frankfurt/Oder) 1925, Taschenladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Vieselbach ist ein Ortsteil im äußeren Osten der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Der Ort liegt etwa sieben Kilometer östlich von Erfurt am Vieselbach, einem Nebenfluss der Gramme in einer landwirtschaftlich geprägten Umgebung. Südlich des Dorfes liegt die Talsperre Vieselbach. Der Ortsname Vieselbach geht auf den früher sehr geschlängelten Verlauf des Baches zurück. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Vieselbach im Jahr 1193, doch gehen Historiker davon aus, dass das Dorf wesentlich älter und wahrscheinlich um 900 entstanden ist. Im Mittelalter war Vieselbach Amtssitz der Grafschaft Vieselbach, die 17 Dörfer umfasste und den Grafen von Gleichen unterstand. Die Burg der Grafen lag auf dem so genannten Schlossberg und wurde wohl bereits im 14. Jahrhundert zerstört. 1343 verkauften die von Gleichen das Amt an die Stadt Erfurt beziehungsweise das Erzbistum Mainz. 1815 wurden Vieselbach sowie einige umliegende Dörfer als Folge des Wiener Kongresses Teil des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, bei dem der Ort bis zur Gründung des Landes Thüringen 1920 verblieb. 1994 wurde Vieselbach mit seinen knapp 2.200 Einwohnerinnen und Einwohnern in die Stadt Erfurt eingemeindet. Die 1894 bis 1895 errichtete, neugotische Heiligkreuzkirche steht an der Stelle eines mittelalterlichen Vorgängerbaues. Die heutige Orgel wurde 1925 eingebaut. Sie ist ein Instrument der “Orgelbau-Anstalt Sauer, Inhaber Oscar Walcker“ in Frankfurt an der Oder.
Die Orgel in Vieselbach ist eine Sauer-Walcker-Orgel. Stammvater der Orgelbauanstalt Sauer ist Wilhelm Sauer, 1831 in Schönbeck im damaligen Herzogtum Mecklenburg-Strelitz geboren. Er gründete 1856 seine eigene Orgelbaufirma und machte das Unternehmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur führenden Orgelbauanstalt Preußens und zu einer der größten und renommiertesten Orgelbaufirmen der Welt. Seit 1884 mit dem Titel „Königlicher Hoforgelmacher“ ausgestattet, entstanden unter seiner Leitung rund 1.100 Orgeln. Seine größten und bekanntesten Orgeln gehören zu den bedeutendsten Werken der Orgelromantik. Zu nennen sind hier die Orgeln in der Leipziger Thomaskirche, 1888 eingeweiht mit 88 Registern, im Berliner Dom, 1903 vollendet mit 113 Registern und in der Stadthalle in Görlitz von 1910 mit 72 Stimmen. Die damals größte Orgel der Welt in der Breslauer Jahrhunderthalle mit sage und schreibe 200 Registern, die 1913 fertiggestellt wurde, ist in ihrer ursprünglichen Form leider nicht erhalten. Sauer verkaufte das Unternehmen kurz vor seinem Tod 1916 an seinen langjährigen Geschäftsführer und Stellvertreter Paul Walcker aus Ludwigsburg, der die Firma 1917 an seinen Neffen Oskar Walcker übergab. Jener Oscar Walcker, 1869 geboren, war bereits seit 1908 Mitinhaber der renommierten, von seinem Großvater gegründeten Orgelbauanstalt Walcker in Ludwigsburg und leitete dieses Unternehmen ebenfalls sehr erfolgreich bis 1948. Er kam bereits früh mit den Ideen der elsässischen Orgelreform in Berührung und legte nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Bau der sogenannten Praetorius-Orgel in Freiburg die Grundlage für die spätere Orgelbewegung. Die Geschäftsführung der Werkstatt in Frankfurt an der Oder, die fortan unter dem Namen „Wilhelm Sauer Orgelbau, Inh. Dr. Oscar Walcker“ firmierte, übertrug er dem Orgelbaumeister Karl Ruther. Unter seiner umsichtigen Führung wurden Orgeln auch für Holland und Skandinavien erbaut, doch das Hauptabsatzgebiet war das Gebiet um Berlin sowie Schlesien. 1945 übertrug Oscar Walcker die Leitung des Betriebs dem Orgelbaumeister Anton Spallek, die er bis 1966 innehatte. 1972 wurde die Firma zum VEB Orgelbau Sauer und 1996 erfolgte die Umwandlung in eine GmbH mit Sitz und Werkstatt in Müllrose in Brandenburg. Original erhaltene Orgeln aus der Zwischenkriegszeit sind heutzutage eine ausgesprochene Seltenheit; zumal wenn sie so opulent disponiert und so gut unberührt erhalten sind wie das Instrument in Vieselbach.
Die Vieselbacher haben ihren großen musikalischen Schatz dem einst ortsansässigen Gutsbesitzer Otto Lippold zu verdanken. In der Trauer um seinen im Ersten Weltkrieg gefallen Sohn fand er über Gott den Weg zurück ins Leben. Aus dieser Dankbarkeit heraus stiftete er seiner Gemeinde die 1925 eingeweihte Sauer-Walcker-Orgel. Sie wurde in ihrem klingenden Bestand nie verändert und so wurde sie durch die Orgelbaufirma Christian Scheffler aus Jacobsdorf 2003 bis 2006 originalgetreu restauriert. Die Orgel besitzt pneumatische Taschenladen sowie 33 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Manuale besitzen einen bemerkenswerten Tonumfang bis zum a3. Das Hauptwerk besitzt 10 Register, nämlich Bordun 16', Principal, Viola di Gamba, Hohlflöte, Gedackt, Dulciana und eine Trompete 8', Octave und Rohrflöte 4' sowie eine 3-5fache Mixtur. Im zweiten Manual finden wir Lieblich Gedackt 16', sodann Flötenprincipal, Quintatön, Viola d´amour, Concertflöte und Clarinette 8', Traversflöte 4' und ein Flautino 2'. Die beiden Stimmen Zartquinte 2 2/3' und Terzflöte 1 3/5' sind allererste Anzeichen der damals gerade beginnenden, sogenannten Orgelbewegung. Die Register des zweiten und dritten Manuals stehen jeweils in einem Schwellkasten. Das vom dritten Manual aus angespielte Seitenwerk besitzt Lieblich Gedackt, Aeoline, Vox coelestis und Vox humana 8', eine Spitzflöte 4' und die Streichermixtur Harmonia aetheria 3fach. Das Pedal, das bis zum f1 ausgebaut ist, besitzt Subbaß, Contrabaß, Echobass und Posaune 16', Octavbaß und Cello 8' sowie einen Choralbaß 4'. Dazu kommen zahlreiche Spielhilfen, Normal-, Sub- und Superoktavkoppeln, freie Kombinationen und natürlich eine Crescendowalze. In Vieselbach spricht man gerne davon, daß in ihrer Kirche die „kleine Schwester“ der großen romantischen Orgel der Leipziger Thomaskirche stehe. In jedem Falle ist sie, nicht nur aufgrund des außergewöhnlich guten Erhaltungszustandes, eine der bedeutendsten Orgeln der Spätromantik in Thüringen und darüber hinaus. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-a3 Schwellwerk, C-a3 Seitenwerk, C-a3 Pedal, C-f1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel II-I
Principal 8' Flötenprincipal 8' Aeoline 8' Contrabaß 16' Manualkoppel III-I
Gedackt 8' Quintatön 8' Vox coelestis 8' Echobaß 16' Manualkoppel III-II
Hohlflöte 8' Viola d'amour 8' Spitzflöte 4' Octavbaß 8' Pedalkoppel zu I
Viola di Gamba 8' Concertflöte 8' Harmonia aetheria 3f. Cello 8' Pedalkoppel zu II
Dulciana 8' Traversflöte 4' Vox humana 8' Choralbaß 4' Pedalkoppel zu III
Octave 4' Zartquinte 2 2/3'   Posaune 16' Suboktavkoppel
Rohrflöte 4' Flautino 2'     Superoktavkoppel
Mixtur 3-5f. Terzflöte 1 3/5'     Tremulant
Trompete 8' Clarinette 8'     2 freie Kombinationen
        5 feste Kombinationen
        Walze

In Vieselbach gespielte Stücke:
Max Gulbins: Christe, du Lamm Gottes >>>
Max Gulbins: O Welt, sieh hier dein Leben >>>
Sigfrid Karg-Elert: Christe, du Lamm Gottes >>>
Sigfrid Karg-Elert: Erschienen ist der herrlich Tag >>>
Sigfrid Karg-Elert: Nun freut euch, lieben Christen g'mein >>>
Sigfrid Karg-Elert: Sollt ich meinem Gott nicht singen >>>
Fritz Lubrich jun.: In der Abendstille >>>



WAHLWINKEL (Stadt Waltershausen, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche




Erbauer: Georg Andreas Hesse (Dachwig) 1829, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wahlwinkel ist ein Ortsteil der Stadt Waltershausen im Landkreis Gotha in Thüringen. Der Ort mit seinen heute rund 600 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt im Osten von Waltershausen. Nur rund 200 Meter nördlich des Ortes durchläuft die Autobahn A4 das Gemeindegebiet, die Dorfkirche St. Gotthard ist von der Autobahn aus gut zu sehen. Im Jahr 1106 waren Teile des Umlandes um Waltershausen noch im Besitz des Grafen Siegmund von Orlamünde. Die Thüringer Landgrafen beschenkten 1186 ihr Hauskloster Reinhardsbrunn mit Wald und Ländereien; in einem Verzeichnis werden die heutigen Orte Ibenhain, Schnepfenthal und Wahlwinkel genannt. Später war der Ort ein sogenanntes ‚Pflegedorf‘ im Amt Tenneberg. Der Ort war im Mittelalter relativ stark befestigt, er verfügte über Zäune, Lehmwände und Tore, davor lag ein umlaufender Dorfgraben. Zwei Großbrände in den Jahren 1783 und 1863 haben viele schmucke Bauerngehöfte aus dem Dorfbild ausgelöscht. Die Eingemeindung nach Waltershausen erfolgte 1950. Als ältestes Gebäude des Ortes gilt die Kirche St. Gotthard, der Namenspatron ist auch Schutzpatron der Kreisstadt Gotha. 1827 musste die spätgotische, 1496 errichtete Kirche bis auf den Turm wegen Baufälligkeit neu errichtet werden. Im Inneren der Kirche findet der Besucher eine umlaufende Doppelempore und einen Kanzelaltar und, als Besonderheit, eine frühgotische Krypta. 1994/96 musste die Kirche restauriert werden, weil das Deckengewölbe infolge von Nässeeinwirkungen eingestürzt war. 1829 erhielt die Kirche eine Orgel aus der Werkstatt von Georg Andreas Hesse aus Dachwig.
Es ist ganz erstaunlich, in einer so kleinen Kirche ein derart großes Instrument anzutreffen. In anderen Regionen Deutschlands hätte sich ein Dorf von der Größe Wahlwinkels kaum mehr als ein einmanualiges Instrument mit zehn bis zwölf Registern geleistet! Man kann heute nur noch erahnen, welch hohen Stellenwert die Kirchenmusik damals im „Gothaischen Lande“ hatte, immerhin gehörte dieser Landstrich nicht unbedingt zu den reichsten Gegenden. Natürlich war eine große und schöne Orgel auch ein Prestigeobjekt gegenüber den Nachbardörfern, doch ohne eine entsprechende Wertschätzung der Instrumente hätte man sich zum Repräsentieren gewiß etwas Anderes ausgesucht, als gerade eine Orgel. Das Besondere an dem Instrument ist aber nicht nur die ungewöhnlich hohe Zahl der Register. Es wurde von der in jener Zeit besten Werkstatt der Region gefertigt. Der gute Ruf der Hesses aus Dachwig reichte weit über Thüringen hinaus, die Qualität der Instrumente wurde in mehreren zeitgenössischen Veröffentlichungen hoch gerühmt. Die Orgelbauerfamilie Hesse wirkte in insgesamt vier Generationen in Dachwig bei Erfurt. Ihr Stammvater war Johann Michael Hesse, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt. Ernst Ludwig Hesse hatte wiederum zwei Söhne, den 1798 geborenen Ernst Siegfried Hesse und dessen jüngeren Bruder Johann Michael Hesse II, der 1806 geboren wurde. Ernst Ludwig Hesse kam 1823 bei einem unglücklichen Sturz während des Baues der Orgel in Brüheim ums Leben, so dass die beiden Söhne nun gemeinsam mit ihrem Onkel Georg Andreas die Werkstatt führten. Die Orgel in Wahlwinkel, 1829 eingeweiht, wurde federführend von Georg Andreas Hesse geplant. Im direkten Vergleich mit der von seinem Neffen Ernst Siegfried nur zwei Jahre später erbauten und ebenfalls gut erhaltenen Orgel in Großvargula wirkt die Orgel in Wahlwinkel klanglich und optisch traditioneller. Eigentlich müßte das Gehäuse zu dieser Zeit klassizistische Züge tragen. Vielfach scheint aber von Seiten der Auftraggeber doch der Wunsch nach einer traditionellen Bauweise bestanden zu haben. Es kann als ein besonderer Glücksumstand gelten, daß dieses Instrument in seiner Substanz nie verändert wurde.
Die Orgel in Wahlwinkel, 1829 von Georg Andreas Hesse erbaut, besitzt eine technische Besonderheit in der Konstruktion ihrer Windladen. Die hier verwendete aufwendige Bauform mit abgewinkelten Kanzellen und hängenden Ventilen wurde nur bei ganz wenigen Instrumenten erprobt. Die Tonventile sind nicht wie üblich unter den Kanzellen angeordnet, sondern letztere sind nach unten abgewinkelt und die Ventile hängend befestigt. Diese werden durch Stecherdrähte aufgedrückt. Als zu aufwendig wurde diese Bauform jedoch nicht lange gepflegt. Bei der vorbildlichen Restaurierung, 2006 durch die Firma Orgelbau Waltershausen abgeschlossen, bereiteten diese hängenden Ventile besondere Probleme, da sie gelegentlich zum Hängenbleiben von Tasten führen – und dies wird auch in Zukunft nicht gänzlich zu verhindern sein. Die Orgel besitzt 21 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Manuale haben jeweils einen Umfang vom Ton C bis zum f3. Das Hauptwerk besitzt einen Quintatön 16', sodann Principal, Hohlflöte, Violadigamba und Grobgedackt 8', Oktave und Hohlflöte 4', eine Octave 2' sowie eine 4fache Mixtur und eine 3fache Cymbel. Das Oberwerk ist von bezaubernder, dennoch zurückhaltender Farbigkeit. Wir finden hier Flaute traverso, Kleingedackt und Salicional 8', Principal, Spitzflöte und Nachthorn 4' sowie eine Oktave 2'. Das Pedal, das bis zum c1 ausgebaut ist, verfügt über Subbaß, Violon und einen kräftigen Posaunenbaß 16' sowie einen Oktavenbaß 8'. Neben den üblichen beiden Koppeln besitzt die Orgel eine auf dem Registerzug so bezeichnete „Englische Schwebung“, das ist der – Tremulant. Darüber hinaus zwei Glockenakkorde, einer in C und einer in G. Die Hesse-Orgel in Wahlwinkel ist aufgrund ihrer selbst für thüringische Verhältnisse außergewöhnlich vollständig erhaltenen Originalsubstanz ein bedeutendes Zeugnis für den mitteldeutschen Orgelbau an der Schwelle zur Romantik. Die erhaltenen Instrumente der Familie Hesse verdienen in jedem Fall größere Beachtung, als ihnen heute zukommt. Ein sehr engagierter Hesse-Freundeskreis legt hierfür seit einigen Jahren die Grundlagen. Bleibt zu hoffen, dass das unersetzliche Kulturgut, das wir in so vielen gerade auch kleineren Kirchen Thüringens besitzen, von der Öffentlichkeit in seinem Wert erkannt und für die Zukunft erhalten wird.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-c1  
Quintatön 16' Kleingedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flaute traverso 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Salicional 8' Octavenbaß 8' "Engl. Schwebung"
Grobgedackt 8' Principal 4' Posaunenbaß 16' 2 Glockenaccorde
Violadigamba 8' Spitzflöte 4'    
Octave 4' Nachthorn 4'    
Hohlflöte 4' Octave 2'    
Octave 2'      
Mixtur 4f.      
Cymbel 3f.      

In Wahlwinkel gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Wer nur den lieben Gott läßt walten BWV 642 >>>
Ernst Ludwig Gerber: Allein Gott in der Höh sei Ehr I >>>
Ernst Ludwig Gerber: Allein Gott in der Höh sei Ehr II >>>
Ernst Ludwig Gerber: Andante zum Gebet G-Dur >>>
Ernst Ludwig Gerber: Fantasia d-moll >>>
Ernst Ludwig Gerber: Hast du denn, Jesu, dein Angesicht >>>
Ernst Ludwig Gerber: Nun danket all und bringet Ehr I >>>
Ernst Ludwig Gerber: Nun danket all und bringet Ehr II >>>
Carl Heinrich Graun: Fuge d-moll >>>
Michael Henkel: Allabreve C-Dur >>>
Michael Henkel: Allegretto G-Dur >>>
Michael Henkel: Allegro e-moll >>>
Michael Henkel: Allegro moderato C-Dur >>>
Michael Henkel: Andante G-Dur I >>>
Michael Henkel: Andante G-Dur II >>>
Michael Henkel: Andante h-moll >>>
Michael Henkel: Andante a-moll I >>>
Michael Henkel: Andante a-moll II >>>
Michael Henkel: Andantino F-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile H-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato C-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato e-moll >>>
Michael Henkel: Moderato H-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato D-Dur I >>>
Michael Henkel: Moderato D-Dur II >>>
Michael Henkel: Versett Andante a-moll >>>
Michael Henkel: Versett H-Dur >>>
Michael Henkel: 3 Versetten a-moll >>>
Michael Henkel: 3 Versetten B-Dur >>>
Michael Henkel: 3 Versetten Es-Dur >>>
Michael Henkel: 3 Versetten h-moll >>>
Michael Henkel: Versett Moderato Es-Dur



WALTERSHAUSEN (Landkreis Gotha)
Ev. Stadtkirche Zur Gotteshilfe




Erbauer: Tobias Heinrich Gottfried Trost (Altenburg) 1724-1755
, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die Stadt Waltershausen mit etwas über 13.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist die zweitgrößte Stadt im thüringischen Landkreis Gotha. Sie liegt zwischen dem Thüringer Becken im Nordosten und dem Thüringer Wald im Südwesten. Der Ort entwickelte sich an der Kreuzung der alten Salzstraße von Salzungen nach Erfurt und von Eisenach nach Saalfeld. Die Stadt selbst wurde 1209 erstmals urkundlich erwähnt und gehörte zur Grafschaft Mühlburg. 1392 wurden Waltershausen und die über der Stadt thronende Burg Tenneberg zum „Leibgedinge“ für die zukünftige Schwiegertochter des Thüringer Landgrafen bestimmt. In der Folgezeit gehörte Waltershausen zum wettinisch-ernestinischen Amt Tenneberg, welches ab 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha gehörte. Die Ev. Stadtkirche „Zur Gotteshilfe“ wurde 1719 bis 1723 anstelle einer spätgotischen Kirche erbaut. Entworfen hat sie der Gothaer Oberbaudirektor Wolf Christoph Zorn von Plobsheim. Der Rundbau gilt in Grundrissausbildung und Bauasführung als Vorläufer der Dresdner Frauenkirche. Orgelfreunde verbinden den Namen Waltershausen spätestens seit den 1990er Jahren mit der großen, 1724 begonnenen Trost-Orgel in dieser Kirche, die als größte und bedeutendste Barockorgel Thüringens und weit darüber hinaus gilt – ein Instrument der Superlative in nahezu allen Belangen. Seit der 1998 abgeschlossenen Restaurierung, also nunmehr seit 20 Jahren, ist die Trost-Orgel Anziehungspunkt für Organisten aus der ganzen Welt. Auch sind zahlreiche CD´s zwischenzeitlich hier eingespielt worden.
Tobias Heinrich Gottfried Trost wurde um 1680 als Sohn des Orgelbauers Johann Tobias Gottfried Trost geboren. Er erlernte sein Handwerk in der väterlichen Werkstatt und erlangte vor 1711 den Meistertitel. Trost zog Anfang 1718 zu seinem Schwager nach Mockern und 1722, nach dem Tod des Vaters, nach Altenburg, wo er im November 1723 nach einem Streit mit Johann Jacob Donati um Orgelbauprivilegien zum „Hoforgelbauer“ ernannt wurde. Seine frühen Werke, etwa die 1701 erbaute Orgel in Tonna und das 1705 fertiggestellte Instrument in Aschara, die er jeweils gemeinsam mit seinem Vater errichtete, existieren schon lange nicht mehr. Insgesamt schuf er bis zu seinem Tod im Jahre 1759 21 Neubauten und fünf Umbauten. Während sein berühmter Kollege Gottfried Silbermann eine eher konventionelle und standardisierte Bauweise pflegte, war Trost ausgesprochen experimentierfreudig. Er bevorzugte farbige Klänge und hatte eine besondere Vorliebe für Flöten- und Streicherstimmen. Dies erkennen wir schon an der 1717 fertiggestellten Orgel in der Walpurgiskirche zu Großengottern mit 22 Registern auf zwei Manualen und Pedal, die im Wesentlichen erhalten ist. 1722 legte Trost für Waltershausen ein Angebot mit 35 Registern auf zwei Manualen und Pedal vor. Nach zweijährigen Verhandlungen schloß man schließlich den Kontrakt über den Bau einer Orgel mit drei Manualen und nicht weniger als 47 Registern ab, die binnen zweieinhalb Jahren fertiggestellt werden sollte. Doch leider verzögerte sich der Bau und geriet schließlich ins Stocken. Denn das Problem von Tobias Heinrich Gottfried Trost war bei aller technischen Raffinesse und klanglichen Genialität seine Unfähigkeit in geschäftlichen Belangen. Zahlungsschwierigkeiten der Stadt Waltershausen kamen ab 1728 hinzu und verschärften die Situation. Schließlich reiste Trost 1730 aus der Stadt ab, ohne die Orgel vollendet zu haben; zu diesem Zeitpunkt waren sechs Register noch nicht fertiggestellt. Der damalige Bürgermeister der Stadt verfaßte sogar ein Schmähgedicht über den Orgelbauer: „Vor gethan und nach bedacht, hat manchen, und auch Uns bey diesem gantzen Kirch-Bau, in viel Leid und Unglück bracht. Der Orgelmacher heisst zwahr Trost, doch giebt Er uns gar schlechten Trost, Ach weren wir vom Trost erlost.“ 1755 wurde die Orgel schließlich von einem anderen Orgelbauer vollendet. 1731 wandte sich Trost dem Umbau der Donat-Orgel in der Schloßkirche zu Eisenberg zu, die ebenso wohl erhalten ist wie die große Orgel in der Schloßkirche zu Altenburg, die 1739 fertiggestellt wurde. Die Stärke der großen Orgel in Waltershausen ist weniger das Plenum, sondern die geradezu unglaubliche, ja überwältigende Vielfalt an warmen und differenzierten Farben.
Nach ihrer Vollendung 1755 erfolgte rund einhundert Jahre später eine erste klangliche Veränderung durch Johann Michael Hesse aus Dachwig, und nach dem Zweiten Weltkrieg tauschte man einzelne Register gegen damals modische Neobarockstimmen aus. In den Jahren 1995 bis 1998 erfolgte dann die Restaurierung durch die Firma Orgelbau Waltershausen, bei der dieses singuläre Instrument in allen Details auf den Ursprungszustand zurückgeführt wurde. Das imposante, 8.30 Meter hohe und 8.90 Meter breite Orgelgehäuse umfasst insgesamt 47 klingende Register und 2.806 Pfeifen. Die drei Manuale besitzen einen Klaviaturumfang bis zum c3. Das Hauptwerk umfasst 17 Register. Grundiert wird die Disposition von Portun-Untersatz und Groß Quintadena 16', es folgen Principal, Gemshorn, Viol di Gambe, Portun, Quintadena und Unda maris 8', Octava, Salicional und Rohrflöta 4', eine Celinderquinta 3', die Superoctava 2', eine 2fache Sesquialtera und eine 8fache Mixtur, dazu kommen die beiden Zungenstimmen Fagott 16' und Trompetta 8'. Das vom dritten Manual aus angespielte Oberwerk besitzt Hohl-Flöte, Flöte Dupla und Vagarr – also Fugara 8', Lieblich Principal, Geigenprincipal und Spitzflöte 4', Gedacktquinta 3', Waldflöte 2' und eine Vox humana 8'. Das Brustwerk verfügt über Gedackt und Nachthorn 8', Principal, Flöte douce, Nachthorn und Gemshorn 4', Spitzquinta und Nassatquinta 3' und eine Octava 2'; dazu kommen noch eine Sesquialtera und eine 4fache Mixtur sowie eine Hautbois 8'. Dann das gewaltige Pedalwerk, das bis zum d1 ausgebaut ist und zunächst acht eigene Register besitzt; dazu kommen noch sechs Transmissionen aus dem Hauptwerk. Da sind zunächst Großprincipal, Subbaß und Violon 16', Octavbaß 8' und eine Celinderquinta 6', sodann die zwei Posaunenbässe, 16' und 32' sowie ein Trompettenbaß 8'. Aus dem Hauptwerk transmittiert sind Quintadenabaß 16', Viol di Gambenbaß und Portunbaß 8', Superoctava und Rohrflötenbaß 4' sowie der Mixturbaß. Dazu kommen mehrere Tremulanten und zwei Cimbelsterne. Die Trost-Orgel in Waltershausen gilt heute als das Instrument, welches den klanglichen Vorstellungen Bachs vielleicht am nächsten kommt. Zahlreiche Konzerte und natürlich auch der derzeitige Kantor Theophil Heinke, der sich mit Leib und Seele um diese Königin der Königinnen kümmert, sind ein Glücksfall für die Musikkultur in Waltershausen. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-c3 Oberwerk, C-c3 Brustwerk, C-c3 Pedal, C-d1  
Portun-Untersatz 16' Hohl-Flöte 8' Gedackt 8' Großprincipal 16' Manualkoppel II-I
Groß Quintadena 16' Flöte Dupla 8' Nachthorn 8' Subbaß 16' Manualkoppel III-II
Principal 8' Flöte Travers 8' Principal 4' Violon 16' Pedalkoppel zu I
Gemshorn 8' Vagarr 8' Flöte douce 4' Quintadenbaß 16' (Tr.) Pedalkoppel zu II
Viol di Gambe 8' Lieblich Principal 4' Nachthorn 4' Viol di Gambenbaß 16' (Tr.) Tremulant
Portun 8' Geigenprincipal 4' Gemshorn 4' Octavbaß 8' 2 Cymbelsterne
Quintadena 8' Spitzflöte 4' Spitzquinta 3' Portunbaß 8' (Tr.)  
Unda maris 8' Gedacktquinta 3' Nassatquinta 3' Celinderquinta 6'  
Octava 4' Waldflöte 2' Octava 2' Superoctava 4' (Tr.)  
Salicional 4' Vox humana 8' Sesquialtera 2f. Rohrflötenbaß 4' (Tr.)  
Celinderquinta 3'   Mixtur 4f. Mixturbaß (Tr.)  
Superoctava 2'   Hautbois 8' Posaunenbaß 32'  
Sesquialtera 2f.     Posaunenbaß 16'  
Mixtur 8f.     Trompetenbaß 8'  
Fagott 16'        
Trompetta 8'        
         

In der Stadtkirche Waltershausen gespielte Stücke:
Johann Friedrich Agricola: Jesu, meine Freude >>>
Johann Friedrich Agricola: O Traurigkeit, o Herzeleid >>>
Andreas Armsdorff: Liebster Jesu, wir sind hier >>>
Andreas Armsdorff (Zuschreibung): Es stehn vor Gottes Throne >>>
Johann Ernst Bach: Valet will ich dir geben >>>
Johann Heinrich Ritz: Aus tiefer Not schrei ich zu dir >>>
Johann Heinrich Ritz: Christe, du Lamm Gottes >>>
Johann Heinrich Ritz: Christus, der uns selig macht >>>
Johann Heinrich Ritz: Fughetta g-moll >>>
Johann Heinrich Ritz: Menuett G-Dur >>>
Johann Heinrich Ritz: Nun laßt uns Gott, dem Herren >>>
Johann Heinrich Ritz: Praeludium e-moll >>>
Johann Heinrich Ritz: Praeludium und Fughetta A-Dur >>>
Johann Heinrich Ritz: Praeludium und Fughetta B-Dur >>>
Johann Heinrich Ritz: Praeludium und Fughetta D-Dur >>>
Johann Heinrich Ritz: Praeludium und Fughetta E-Dur >>>
Johann Heinrich Ritz: Praeludium und Fughetta H-Dur >>>
Johann Gottfried Walther: Partita "Wer nur den lieben Gott läßt walten" >>>



WALTERSHAUSEN (Landkreis Gotha)
Kapelle Schloß Tenneberg




Erbauer: Johann Christoph Thielemann (Arnstadt) 1721
, Rekonstruktion Orgelbau Waltershausen 2017, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die Stadt Waltershausen mit etwas über 13.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist die zweitgrößte Stadt im thüringischen Landkreis Gotha. Sie liegt zwischen dem Thüringer Becken im Nordosten und dem Thüringer Wald im Südwesten. Der Ort entwickelte sich an der Kreuzung der alten Salzstraße von Salzungen nach Erfurt und von Eisenach nach Saalfeld. Die Stadt selbst wurde 1209 erstmals urkundlich erwähnt und gehörte zur Grafschaft Mühlburg. Die 1176 erbaute Burg Tenneberg bot den Bewohnern der Stadt zusätzlichen Schutz. 1392 wurden Waltershausen und die Burg Tenneberg zum „Leibgedinge“ für die zukünftige Schwiegertochter des Thüringer Landgrafen bestimmt. In der Folgezeit gehörte Waltershausen zum wettinisch-ernestinischen Amt Tenneberg, welches ab 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha gehörte. Waltershausen hat eine im Jahr 1815 begründete Tradition als Puppenstadt. Es entstand im 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Spielzeug- und Puppenfabriken. Das Puppenmuseum im Schloss Tenneberg ist für junge und junggebliebene Besucherinnen und Besucher unbedingt sehenswert. Orgelfreunde verbinden den Namen Waltershausen spätestens seit den 1990er Jahren mit der großen Trost-Orgel in der Stadtkirche, die als größte und bedeutendste Barockorgel Thüringens und weit darüber hinaus gilt. Doch seit 2017 besitzt Waltershausen ein weiteres klingendes Kleinod, nämlich in der Schloßkapelle des bereits erwähnten Schlosses Tenneberg. Das Schloss selbst steht auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Burganlage. In der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts erfolgte unter Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg der Umbau zu einem Renaissance-Schloß. In der Folge diente das Schloss Tenneberg als Jagdschloss und Nebenresidenz der Gothaer Herzöge. Die prachtvolle Schlosskapelle wurde 1721 mit einem Festbankett eingeweiht. Die Kapelle ist ein Bauwerk des Herzoglich Gothaischen Oberbaudirektors Wolf Christoph Zorn von Plobsheim. Die Orgel lieferte der Orgelbauer Johann Christoph Thielemann aus Arnstadt.
Johann Christoph Thielemann, der 1721 die Orgel in der Kapelle des Schlosses Tenneberg erbaute, wurde 1682 geboren. Als Geburtsort wird „Wiegmar“ angegeben – es könnte sich hierbei um Wechmar handeln - Wechmar im Landkreis Gotha - aber das ist nicht sicher. Jedenfalls erlernte Johann Christoph Thielemannn sein Orgelbauhandwerk bei Christoph Donat (Donati) dem Älteren. Er ist ab 1710 mit selbstständigen Orgelbauen nachweisbar, ein Orgelbau für Boilstädt mit 5 Registern „nebst Cymbelstern“, wie es in den Akten heißt. Es folgten weitere, meist kleinere Arbeiten und 1728 bis 1731 die bis heute wohlerhaltene und mit gutem Recht berühmte Orgel in Gräfenhain mit 22 Registern auf zwei Manualen und Pedal, die in einem anderen Orgelportrait vorgestellt wird. Knapp zehn Jahre später erstellte Thielemann eine Orgel für die Kirche in Wölfis, die leider nicht erhalten ist, aber der Orgel in Gräfenhain weitgehend glich. In der Zwischenzeit, 1735, hatte Johann Christoph Thielemann das Gothaische Hoforgelmacher-Privileg erlangt. Sein 1750 begonnenes Instrument für Rehestädt konnte Thielemann nicht mehr vollenden; dies besorgte sein Schüler Johann Stephan Schmaltz. 1755 verstarb Johann Christoph Thielemann. Neben dem Instrument in Gräfenhain sind nur Fragmente seines Schaffens erhalten, in den Kirchen Grabsleben und im Schloß Tenneberg. Der Kontrakt für den Orgelbau in der Schloßkapelle wurde am 18.März 1721 mit Thielemann geschlossen. Als Termin zur Fertigstellung wurde das Johannisfest desselben Jahres „veraccordirt“, also der 24.Juni. Das sind nur knapp drei Monate, was kaum zu schaffen gewesen sein dürfte. Und doch wissen wir, dass Thielemann Ende Juni bereits mit dem Aufbau in der Schloßkirche beschäftigt war und die an Pfingsten 1721 geleistete Abschlagszahlung, die normalerweise bei Fertigstellung vorgesehen war, unterstreicht die große Wichtigkeit des Projekts für Thielemann, der mit Hochdruck an der Fertigstellung bis zur Einweihung am 29.Juli 1721 arbeitete. Nachdem die Orgel im 19. Jahrhundert in eine Art Dornröschenschlaf fiel, wurde nahezu ihr gesamtes Pfeifenwerk im Ersten Weltkrieg abgeliefert und eingeschmolzen. Seit 1991 hat die Stadt Waltershausen 4,2 Millionen Euro in die Sanierung des Schlosses Tenneberg investiert, die noch nicht abgeschlossen ist. Aber wovon man viele Jahre nur träumen konnte, wurde 2017 tatsächlich Wirklichkeit: die Firma Orgelbau Waltershausen wagte sich an die extrem anspruchsvolle Aufgabe einer Rekonstruktion der Thielemann-Orgel, die mit einem festlichen Konzert Ende September 2017 wieder eingeweiht werden konnte.
Das Orgelgehäuse auf Schloss Tenneberg steht über dem Altar und hinter der Kanzel und ist in seinen Proportionen auf den sich davor befindlichen Kanzelaufbau abgestimmt. Die Orgel besitzt nun wieder die 1721 vereinbarten neun Stimmen auf einem Manual und Pedal. Das Manual, das bis zum c3 ausgebaut ist, verfügt über die Stimmen Grobgedackt und Quintatön 8', Principal und Kleingedackt 4', die Octav 2', eine Quinta 1 1/2' sowie eine 3fache Mixtur. Das bis zum c1 geführte Pedal verfügt über die klassischen Stimmen Subbaß 16' und Principalbaß 8', dazu kommt noch eine Pedalkoppel. Auf zwei Besonderheiten der Orgel sei unbedingt noch hingewiesen. Oberhalb der mittleren Pfeifenfelder besitzt die Orgel inmitten einer Wolkendarstellung eine Sonne mit einem Strahlenkranz aus Orgelpfeifen und geschnitzten Sonnenstrahlen. Und diese Sonne klingt sogar. Im Kontrakt ist festgehalten, dass „die acht größten Claves der Mixtur in die Sonne sollen gesetzet werden“. Also eine Sonnenmixtur – und wer denkt da nicht sofort an die berühmte Sonnenorgel in Görlitz? Und je nach Betrachterstandpunkt, besonders aber von der Empore gegenüber erscheint dieser Strahlenkranz genau hinter dem Kopf des Predigers, wenn dieser die Kanzel betritt. So etwas ist in der Barockzeit niemals Zufall, sondern ein wohl kalkulierter Effekt. Der Wortverkündigung als Hauptbestandteil der protestantischen Liturgie wird hierdurch eine ganz besondere, plastische Gewichtung verliehen. 


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Disposition:
 

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Grobgedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Quintatön 8' Principalbaß 8'  
Principal 4'    
Kleingedackt 4'    
Octav 2'    
Quinta 1 1/2'    
Mixtur 3f.    

In der Schloßkirche Tenneberg gespielte Stücke:
Johann Michael Bach: In dich hab ich gehoffet, Herr >>>
Johann Michael Bach: Wenn mein Stündlein vorhanden ist >>>
Johann Kaspar Ferdinand Fischer: Da Jesus an dem Creutze stund >>>
Johann Kaspar Ferdinand Fischer: Kom, Heiliger Geist mit deiner genad >>>
Johann Erasmus Kindermann: Fuga sive Fantasia in G >>>
Johann Erasmus Kindermann: Praeambulum 11. et 12. toni I >>>
Johann Erasmus Kindermann: Praeambulum 11. et 12. toni II >>>
Johann Erasmus Kindermann: Praeambulum 7. et 8. toni >>>
Christian Michael: Praeludium a 3 in B >>>
Christian Michael: Praeludium a 3 in g >>>
Christian Michael: Praeludium a 4 in e >>>
Johann Caspar Simon: Praeludium und Fuge in d >>>
Georg Andreas Sorge: Toccatina a-moll >>>



WANGENHEIM (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Trinitatiskirche




Erbauer: Friedrich Knauf (Großtabarz) 1857, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wangenheim ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha und Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal. Die Gemeinde liegt im nordwestlichen Teil des Landkreises Gotha im Tal der Nesse am Südrand des Höhenzugs Große Harth, einem südöstlichen Ausläufer des Hainich. Sie ist jeweils etwa 15 Kilometer von Gotha und Bad Langensalza entfernt. Basierend auf archäologischen Funden in der Wangenheimer Flur wird angenommen, dass bereits zur Schnurkeramik- und Bronzezeit hier Menschen siedelten. Das Dorf selbst wurde im Jahre 860 urkundlich als Besitzung des Klosters Fulda erstmals erwähnt. 1133 tauchte das Adelsgeschlecht von Wangenheim in Urkunden auf, das die Entwicklung des Ortes im späten Mittelalter prägte. 1395 wurden sie Ministerialen der Thüringer Landgrafen. Das „Wangenheimsche Gericht“ war eine territoriale Verwaltungseinheit der Ernestinischen Herzogtümer. Das Patrimonialgericht der Herren von Wangenheim gehörte ab 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha, ab 1672 zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und ab 1826 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. Auf einem Hügel nördlich der nicht mehr existierenden Schlossanlage entstand um 1488 eine Kirche, die 1687 abgerissen wurde, die 1690 erneuert wurde. Der Turm wurde 1839 abgebrochen und neu errichtet. Im 19. Jahrhundert begann mit Unterstützung der Stifterfamilie von Wangenheim die schrittweise Neugestaltung des Innenbereiches, den Abschluß bildete 1911 die bemerkenswerte farbige Ausmalung mit biblischen Szenen. Erhalten blieben zahlreiche Grabmäler der Herren von Wangenheim, die heute an verschiedenen Stellen der Kirche an die große Vergangenheit des Ortes erinnern. 1857 erhielt die Kirche eine neue Orgel aus der Werkstatt von Friedrich Knauf aus Großtabarz.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18. Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Dieser wurde 1762 geboren und starb 1847. Seine beiden Söhne Friedrich und Gottlieb erlernten ihr Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. Während der jüngere, 1810 geborene Gottlieb Knauf später seine Werkstatt nach Bleicherode verlegte, übernahm der 1802 geborene Friedrich Knauf nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt in Großtabarz. Friedrichs Sohn Guido Knauf trat später in die Familienwerkstatt ein und arbeitete ab Mitte der 1850er Jahre mit dem Vater zusammen, der aber bis zu seinem Tod mit 81 Jahren 1883 mitarbeiten konnte. Unter der Ägide von Friedrich Knauf entwickelte sich die Firma Knauf zu einer der produktivsten Orgelbauwerkstätten zwischen Thüringer Wald und Harz. Die erste selbstständige Arbeit Friedrich Knaufs ist die 1833 aufgestellte Orgel in Klettenberg, Landkreis Nordhausen. 1840 errichtete Knauf in der Servatiuskirche zu Duderstadt sein größtes Instrument mit 42 Registern auf drei Manualen und Pedal. Beide genannten Orgeln sind nicht erhalten. Bis etwa 1840 baute Friedrich Knauf die Spieltraktur auf die überlieferte Weise mit Wellenbrettern und Wellenrahmen. Ab diesem Zeitpunkt macht sich der Einfluß von Johann Friedrich Schulze bemerkbar, dessen bahnbrechende Erfindungen Knauf vermutlich beim Weiterbau der von Schulze begonnenen, aber nicht vollendeten Orgel in Warza bei Gotha kennengelernt hat, die ebenfalls in dieser Reihe noch vorgestellt werden wird. So verfügen ab dann nahezu alle Knaufschen Orgeln über seitliche Manubrien, Strahlentraktur und chromatische Laden, da Kreuzungen der teilweise meterlangen Trakturelemente umständlich wären. Die Tasten sind einarmige Hebel, das Obermanual hat somit hängende Traktur, das Untermanual Stechermechanik. So ist auch die Orgel in Wangenheim gebaut, mit 25 Registern auf zwei Manualen und Pedal eines der größeren Instrumente aus der Knauf-Werkstatt.
Die Orgellandschaft rund um die alte Residenzstadt Gotha ist bis heute geprägt vom Wirken der Orgelbauerfamilie Knauf. Es gibt eigentlich keine Kirche im Umland, an denen ein Mitglied der Familie Knauf nicht irgendwann einmal kleinere oder größere Arbeiten durchgeführt hat. 33 Instrumente der Familie Knauf sind im heutigen Landkreis Gotha mehr oder weniger original und mehr oder weniger gut spielbar erhalten. Die Orgel in Wangenheim gehört dabei mit ihren 25 Registern zu den größeren. Der Prospekt mit Rundbögen und einer geschnitzten Lyra ist typisch für Friedrich Knauf in den 1850er Jahren. Das Pedal hat eine konkav geschweifte Klaviatur. Der Orgelbau erfolgte übrigens ohne Genehmigung der Behörden, dieser wurde erst im Dezember 1857 nachträglich erteilt. Die Manuale haben jeweils einen Tonumfang vom Ton C bis zum f3. Das Hauptwerk mit 11 Stimmen besitzt den klassischen, auf dem 8' aufgebauten und über die Oktaven 4' und 2' sowie einer Quinta 3' nach oben geführten Prinzipalchor. Ihm zur Seite steht ein fülliges Bordun 16' sowie Hohlflöte, Gedackt und Gambe 8' und eine Hohlflöte 4'. Glanz und Kontur verleihen dem Hauptwerk eine 4fache Mixtur und ein 3faches Cornett. Das Oberwerk, das interessanterweise um 90 Grad gedreht gebaut ist, besitzt neun Register, nämlich Lieblich Gedackt 16', sodann Geigenprincipal, Flautravers und Salicional 8', Ovtave, Flauto dolce und Lieblich Gedackt 4', eine Oktave 2' und eine 3fache Mixtur. Das Pedal schließlich, das bis zum d1 ausgebaut ist, verfügt über Subbaß, Violon und eine mit durchschlagenden Zungen versehene Posaune 16' sowie Octavbaß und Violoncell 8'. Die letzte Restaurierung fand schon in den 1980er Jahren statt. Aber die Orgel ist gut gepflegt und wird zum Glück - was leider heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist - auch regelmäßig gespielt. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flautravers 8' Octavbaß 8'  
Gedackt 8' Salicional 8' Violoncell 8'  
Gamba 8' Octave 4' Posaune 16'  
Octave 4' Lieblich Gedackt 4'    
Hohlflöte 4' Flauto dolce 4'    
Quinta 3' Octave 2'    
Octave 2' Mixtur 3f.    
Cornett 3f.      
Mixtur 4f.      

In Wangenheim gespielte Stücke:
Johann Ludwig Böhner: Ein feste Burg ist unser Gott >>>
Johann Ludwig Böhner: Variationen über "God save the king" >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium C-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium G-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Toccata D-Dur >>>
Michael Henkel: Allabreve A-Dur >>>
Michael Henkel: Allegretto E-Dur >>>
Michael Henkel: Fughetta A-Dur >>>
Michael Henkel: Fughetta e-moll >>>
Michael Henkel: Fughetta g-moll >>>
Michael Henkel: Fughetta F-Dur I >>>
Michael Henkel: Fughetta F-Dur II >>>
Michael Henkel: Moderato G-Dur >>>
Michael Henkel: Versett A-Dur >>>
Michael Henkel: Versett F-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten E-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten e-moll >>>
Michael Henkel: 3 Versetten f-moll >>>
Michael Henkel: 3 Versetten G-Dur >>>
Michael Henkel: 2 Versetten g-moll >>>
Günther Ramin: Liebster Immanuel >>>
Günther Ramin: Straf mich nicht in deinem Zorn >>>



WARZA (Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Johannes




Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1839-1840, Fertigstellung durch Friedrich Knauf (Großtabarz), Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Warza ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha und Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Nessetal. Der Ort liegt etwa 6 km nördlich von Gotha, etwa 14 km südlich von Bad Langensalza und etwa 30 km westlich von Erfurt. Die nächstliegenden Ortschaften sind Westhausen im Norden, Pfullendorf und Bufleben im Osten, Remstädt im Süden und Goldbach im Westen. Die erste urkundliche Erwähnung als „villa urze“ entstammt dem Jahre 822. Für das Jahr 1597 ist eine verheerende Pestepidemie überliefert. Damals sind ca. 160 der etwas über 200 Einwohner gestorben. Der Ort gehörte bereits im Jahr 1421 zum Amt Gotha, welches ab 1640 zum Herzogtum Sachsen-Gotha, ab 1672 zum Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg und ab 1826 zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha gehörte. Seit 1920 lag Warza im Land Thüringen. Die St. Johanneskirche liegt am südlichen Dorfende. Baubeginn für eine kleine Kapelle war das Jahr 1520. Einige der ursprünglichen Steine sind am Haupteingang wiederverwendet worden. Im Jahr 1554 wurde die Kapelle mit Turm vergrößert. 1728 wurde der Turm abgerissen und durch einen neuen ersetzt. Weitere Umbauen geschahen 1768. Im Inneren hat die Kirche eine doppelte Empore, eine Kanzel aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und eine höchst bemerkenswerte Orgel auf der zweiten Westempore. Sie wurde 1840 erbaut, kostete 1.400 Reichstaler und stammt aus der berühmten Werkstatt von Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella; doch ist dies nur die halbe Wahrheit…
Johann Friedrich Schulze, der Erbauer der Orgel in Warza, gilt als einer der bedeutendsten Orgelbauer im Deutschland des 19. Jahrhunderts überhaupt. Geboren wurde er 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld- Rudolstadt. Sein Vater Johann Andreas war, ebenso wie zwei Generationen zuvor, ebenfalls Orgelbauer, doch starb der Vater, als Johann Friedrich gerade einmal 13 Jahre alt war. So erlernte Johann Friedrich Schulze sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm. Nach dem Tod Witzmanns machte sich Schulze sodann Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann sagen – Weltgeltung. Maßgeblich für Schulzes künstlerische Entwicklung war die Zusammenarbeit mit dem Weimarer Organisten Johann Gottlob Töpfer. Schulze war der erste, der Töpfers Orgelbautheorien praktisch umsetzte und so schufen sie gemeinsam schufen Töpfer und Schulze ein neues Klangideal, und bereiteten den Weg für die deutsche Orgelromantik. Aber auch in technischer Hinsicht betrat Schulze vielfach Neuland. So geht die Trakturkonstruktion mit Wellenrahmen und Strahlentraktur auf Schulze zurück. Um 1850 stand Johann Friedrich Schulze auf dem Zenit seiner Meisterschaft, die in jener Zeit gebauten Großorgeln im Bremer Dom, in der Lübecker Marienkirche und sogar im Chrystal Palace in London zeigen, dass seine Kunst weithin Anerkennung fand. Von Schulze stammt nun also die Planung der Orgel in Warza, die bereits äußerlich durch ihren geschlossenen, pfeifenlosen Prospekt auffällt. Aus irgendeinem, nicht näher überlieferten Grund hat Schulze die Orgel aber nicht zuende gebaut, sondern er beauftragte Friedrich Knauf aus Großtabarz mit der termingerechten Fertigstellung der Orgel. Über Friedrich Knauf ist bei einigen anderen Orgeln dieser Reihe einiges gesagt worden, er wurde 1802 ebenfalls als Sohn eines Orgelbauers geboren. Nach seiner Lehre in der väterlichen Werkstatt arbeitete er ab etwa Mitte der 1830 zunehmend selbständig. Friedrich Knauf führte also den Orgelbau in Warza zu Ende und begegnete hierbei offenbar erstmals Schulzes neuartigen Konstruktionsprinzipien, also Strahlentraktur, chromatischen Laden und so weiter. Und obwohl er nie direkter Schüler Schulzes war, übernimmt Friedrich Knauf und später auch sein Bruder Gottlieb Knauf von da an wesentliche technische Elemente von Schulze. So besitzen ab 1841 nahezu alle seine Instrumente die erwähnte Strahlentraktur, chromatische Laden und seitlich angebrachte Registerzüge mit schräg zu den Schleifen führenden Registerschwertern. In Bezug auf die Entwicklung der Firma Knauf hat das Instrument in Warza also eine nicht zu unterschätzende Bedeutung als Wendepunkt in der klanglichen und technischen Ausrichtung des Unternehmens.
Die von Johann Friedrich Schulze begonnene und von Friedrich Knauf vollendete in Orgel in Gotha besitzt einen auffälligen, pfeifenlosen Prospekt, den Schulze in jener Zeit hin und wieder gebaut hat. Durch Schulzes vom Prospektaufbau unabhängiges Ladensystem sind die Prospektpfeifen, sofern er denn welche baute, sowieso nur stumme Attrappen; es ist also nur konsequent, diese auch da und dort gänzlich wegzulassen. Das Instrument besitzt 20 Register auf zwei Manualen und Pedal. Durch den geschlossenen Prospekt wirkt der Klang der Orgel ein wenig so, als würde das gesamte Werk in einem Schwellkasten stehen. Durch eine kräftige Intonation wird diesem Effekt entgegengewirkt. Die beiden Manuale besitzen jeweils einen Umfang vom Ton C bis zum f3. Die Disposition ist typisch für Johann Friedrich Schulze. Im Hauptwerk besitzt die Orgel den klassischen, auf dem Principal 8' aufgebauten Principalchor mit den Oktaven 4' und 2' sowie einer Quinta 3'. Dazu kommt als Grundierung ein Bordun 16' sowie Gedackt und Hohlflöte 8' sowie eine Flöte 4'. Als Klangkrone fungiert eine 4fache Mixtur. Das Oberwerk besitzt sechs Stimmen und ist gegenüber dem Hauptwerk deutlich zurückgenommen. Hier sind es die romantischen Flöten- und Streicherstimmen, die das Klangbild bestimmen. Geigenprincipal, Lieblich Gedackt, Flauto traverso und Salicional 8' sowie Principal und Flauto dolce 4' bilden zusammen die Disposition. Das Pedal, das bis zum d1 ausgebaut ist, besitzt Subbaß und Violon 16', einen Octavenbaß 8' und ein weiteres Violon-Register, ursprünglich 8' und irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem 4' abgesägt. Dazu kommt eine Pedal- und eine Manualkoppel. Das Instrument wurde vor einigen Jahren gereinigt und instandgesetzt, aber bis heute nicht grundlegend denkmalgerecht restauriert. Dies wäre zu wünschen, denn vom Schaffen des genialen und in seiner Bedeutung für den Orgelbau Deutschlands kaum hoch genug einzuschätzenden Meisters Johann Friedrich Schulze ist nicht allzu viel erhalten und die Orgel in Warza gehört durchaus schon zu seinen größeren Werken. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Violon 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Flauto traverso 8' Octavenbaß 8'  
Hohlflöte 8' Salicional 8' Violon 4'  
Octave 4' Principal 4'    
Flöte 4' Flauto dolce 4'    
Quinte 3'      
Octave 2'      
Mixtur 4f.      

In Warza gespielte Stücke:
Johann Ludwig Böhner: Allegro moderato C-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Christus, der ist mein Leben >>>
Johann Ludwig Böhner: Fantasie-Nachspiel D-Dur >>>
Johann Ludwig Böhner: Nachspiel g-moll >>>
Johann Ludwig Böhner: Nun laßt uns Gott, dem Herren >>>
Johann Ludwig Böhner: Präludium D-Dur >>>
Carl Loewe: Dir, dir, Jehovah, will ich singen >>>



WINDISCHHOLZHAUSEN (Stadt Erfurt)
Ev. Kirche St. Michaelis




Erbauer: Johann Wilhelm Salfelder (Stadtilm) 1820, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Windischholzhausen ist seit 1994 ein Stadtteil von Erfurt, der Landeshauptstadt Thüringens. Aus dem frühen Mittelalter, als Slawen hier angesiedelt wurden, stammt ein größeres Gräberfeld auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils. Der Ort wurde erstmals 1286 urkundlich erwähnt, als die Grafschaft Vieselbach ihn an die Stadt Erfurt verkaufte. Die Betonung des Wendischen im Namen bedeutet auch, dass Slawen in den Dörfern der Gegend nicht die Regel waren. 1802 kam der Ort mit dem Erfurter Gebiet zu Preußen und zwischen 1807 und 1813 zum französischen Fürstentum Erfurt. Mit dem Wiener Kongress kam er 1815 wieder zu Preußen und wurde 1816 dem Landkreis Erfurt in der preußischen Provinz Sachsen angegliedert. 1990 lebten rund 500 Einwohnerinnen und Einwohner in Windischholzhausen. Heute sind es rund viermal so viele, denn der beschauliche Ort unmittelbar vor den Toren Erfurts ist heute als Wohngebiet begehrt. Der Turm der evangelischen Dorfkirche St. Michaelis stammt vermutlich schon aus dem 12.Jahrhundert. Die grob zugehauene Sandsteintaufe im Turmraum stammt aus dem 10. oder 11. Jahrhundert und könnte noch von einer Vorgängerkirche stammen. 1710 wurde ein neues Kirchenschiff an den alten Turm angefügt. In Architektur und Innenausstattung entsprach dieser Neubau dem Stil dörflichen Barocks und protestantischer Prägung. Zwei Emporen und ein hoher bis zur Deckenwölbung reichender Kanzelaltar beherrschen den Raum. Die Orgel wurde im Jahre 1820 eingebaut. Sie stammt aus der Werkstatt des Stadtilmer Orgelbauers Johann Wilhelm Salfelder.
Was wir über den Erbauer der Windischholzhäuser Orgel, jenen Johann Wilhelm Salfelder sicher wissen, ist praktisch in einem Satz gesagt. Wir kennen von ihm weder das genaue Geburts-, noch das Todesjahr. Auch wo er seine Ausbildung erhielt, ist nicht bekannt. In Frage kommen hierfür vor allem die in Stadtilm ansässige Orgelbauerwerkstatt von Johann Benjamin Witzmann oder auch die Orgelbauerfamilie Schulze in Milbitz. Jedenfalls scheint sich Johann Wilhelm Salfelder irgendwann um 1810 selbstständig gemacht zu haben. In den Jahren 1812 bis 1813 errichtete er ein Instrument mit zehn Registern auf einem Manual und Pedal für die Kirche in Oberhasel im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. 1819 erbaute er ein zweimanualiges Instrument in Hohenfelden bei Weimar, das ebenfalls erhalten ist und in einem anderen Orgelportrait dieser Reihe vorgestellt wird. 1820 errichtete Salfelder dann das ebenfalls zweimanualige Instrument in Windischholzhausen. Nach 1820 scheint Salfelder seine Werkstatt von Stadtilm nach Tonndorf verlegt zu haben. 1827 heißt es über einen Orgelneubau in Tiefthal, heute ebenfalls ein Stadtteil von Erfurt: „Am 7. Oktober 1827 wurde allhier die vom Orgelbauer Herrn Wilhelm Saalfelder aus Tonndorf für 850 Taler neu erbaute achtfüßige Orgel mit zwei Manualen und 18 Stimmen von Herrn Musikdirektor Müller aus Erfurt genau revidiert, feierlich übernommen und das erste Mal zum Gottesdienst gespielt.“ Jene Orgel in Tiefthal ist leider nicht erhalten. Nach diesem Orgelbau verlieren sich die Spuren jenes Johann Wilhelm Salfelder, dessen Orgel in Windischholzhausen mit ihrem bemerkenswerten Biedermeier-Prospekt von der Kunst ihres Meisters beredtes Zeugnis ablegt.
Die 1820 erbaute Salfelder-Orgel in der Kirche zu Windischholzhausen wurde in späterer Zeit nicht wesentlich verändert. Bereits 1986 wurde der Entschluß zu einer grundlegenden Restaurierung des Instruments gefasst, doch es dauerte noch bis 1994, bis die Orgelbaufirma Karl-Heinz Schönefeld aus Stadtilm mit der Restaurierung beginnen konnte, die 1995 abgeschlossen werden konnte. Die Orgel besitzt heute wie ehedem 19 Register auf zwei Manualen und Pedal. Das Hauptwerk, das ebenso wie das Oberwerk vom Ton C bis zum f3 geführt ist, besitzt 8 Register. Principal, Gedackt und Hohlflöte 8', Oktave und Flöte 4', eine Quinte 2 2/3', die Oktave 2' und eine 3fache Mixtur. Das Oberwerk ist mit sieben Stimmen besetzt, nämlich Flöte traverse und Bordun 8', Principal, Gedackt und Flöte dolce 4', dazu ein Gemshorn 2' und ein Scharf 1'. Das Pedal ist bis zum d1 ausgebaut und verfügt über Subbaß, Violon und Posaune 16' sowie einen Oktavbaß 8'. Dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel sowie ein Tremulant. Optisch bemerkenswert ist der schöne, klassizistische Orgelprospekt mit seinen zierlichen Blumenornamenten.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Bordun 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Gedackt 8' Flöte traverse 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Principal 4' Octavbaß 8' Tremulant
Octave 4' Gedackt 4' Posaune 16'  
Flöte 4' Flöte dolce 4'    
Quinte 2 2/3' Gemshorn 2'    
Octave 2' Scharf 1'    
Mixtur 3f.      

In Windischholzhausen gespielte Stücke:

Johann Christoph Bach: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Johann Christoph Bach: Ich dank dir schon durch deinen Sohn >>>
Johann Christoph Bach: Liebster Jesu, wir sind hier >>>
Johann Christoph Bach: O Herre Gott, dein göttlich Wort >>>
Johann Christoph Bach: Vater unser im Himmelreich >>>
Christian Heinrich Rinck: Herr Gott, dich loben alle wir >>>
Christian Heinrich Rinck: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Christian Heinrich Rinck: Partita "Nun sich der Tag geendet hat" >>>
Johann Gottfried Vierling: Cantabile D-Dur >>>
Johann Gottfried Vierling: Vorspiel D-Dur >>>



WITTERDA (Erfüllende Gemeinde Elxleben, Landkreis Sömmerda)
Kath. Pfarrkirche St. Martin



Erbauer: Johann Michael Hesse II (Dachwig) 1846-1847, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Witterda ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Sömmerda, Erfüllende Gemeinde ist Elxleben. Der Ort mit rund 1.100 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt nordwestlich der Landeshauptstadt Erfurt am Nordhang der Fahner Höhe. 1144 ist im Copialbuch des Petersklosters Erfurt von einem „Wernhere de Witerde“ als Zeugen die Rede. Die Herren von Witerde waren höchstwahrscheinlich Ministeriale und hatten ihren Stammsitz wohl auf einer Anhöhe neben der Kirche, der noch heute „die Burg“ oder „Borke“ heißt. Der Ort selbst wird erstmals 1233 urkundlich erwähnt, als der Mainzer Erzbischof Siegfried III. die Vogteirechte über Witterda erwarb. Die Geschichte des Ortes ist eng an den damaligen Mainzer Hof in Erfurt geknüpft. Witterda gehörte ab dem 13. Jahrhundert zu den sogenannten „Küchendörfern“ um die Stadt Erfurt, die den Hof mit Lebensmitteln zu versorgen hatten und ihm mit unentgeltlichen Arbeitsleistungen frondienstpflichtig waren. Im Gegenzug waren diese Küchendörfer von bestimmten Abgaben befreit. Diese engen Beziehungen führten dazu, dass Witterda bis heute überwiegend katholisch ist. Und die Menschen lebten nicht schlecht; in einer Urkunde vom Ende des 16.Jahrhunderts heißt es wörtlich: „Kein Dorf hat so wohlhabende Pauern als wie zu Wietterde“. Die heutige katholische Pfarrkirche St. Martin wurde 1710 errichtet, hatte aber einen romanischen und einen gotischen Vorgängerbau. Der achtseitige Turm stammt überwiegend noch aus den Jahren 1550 bis 1553. Die heutige Orgel wurde in den Jahren 1846 bis 1847 errichtet und stammt aus der berühmten Werkstatt der Familie Hesse in Dachwig, genau genommen von Johann Michael Hesse II.
Der gute Ruf der Orgelbauerfamilie Hesse aus dem rund fünf Kilometer nördlich von Witterda gelegenen Dachwig reichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit über Thüringen hinaus. Die Qualität der Instrumente wurde in mehreren zeitgenössischen Veröffentlichungen hoch gerühmt. Ihr Stammvater war Johann Michael Hesse, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt. Ernst Ludwig Hesse hatte wiederum zwei Söhne, den 1798 geborenen Ernst Siegfried Hesse und dessen jüngeren Bruder Johann Michael Hesse II, der 1806 geboren wurde. Ernst Ludwig Hesse kam 1823 bei einem unglücklichen Sturz während des Baues der Orgel in Brüheim ums Leben, so dass die beiden Söhne nun gemeinsam mit ihrem Onkel Georg Andreas die Werkstatt führten. Gemeinsam errichteten sie unter anderem 1828 bis 1829 die ehemalige Erfurter Domorgel, die 56 Register auf drei Manualen und Pedal besaß. Ab 1833 übernahm Johann Michael Hesse II die Leitung des Familienunternehmens und konnte in den folgenden etwas über zwei Jahrzehnten manch edles und hochwertiges Instrument schaffen. Zu nennen sind hier etwa die Orgeln in Ottenhausen mit 17 Registern, 1834 fertiggestellt oder das 1842 vollendete Instrument in der Martinikirche zu Großengottern, das relativ gut die Zeiten bis heute überdauert hat. Die Orgel in Witterda kann man mit Fug und Recht als Höhepunkt im Schaffen von Johann Michael Hesse II bezeichnen. Mit 29 Registern ist sie prachtvoll ausgestattet und beeindruckt Hörer und Spieler mit einer geradezu überwältigenden Vielfalt an höchst charaktervollen und charmanten 8'-Stimmen. Johann Michael Hesse II starb wohl überraschend - erst 50jährig - im Jahre 1856 während des Baues der Orgel in Rockhausen, südlich von Erfurt. Sein erst 24jähriger Sohn Julius Hesse, der sehr an seinem Vater gehangen hat stand nun unvermittelt vor der Aufgabe, das begonnene Instrument in Rockhausen zu vollenden. Zum weiteren tragischen Schicksal von Julius Hesse und zum Ende der Orgelbautradition in Dachwig sei auf die Porträts der Instrumente in Rockhausen und Rehestädt verwiesen.
Die Orgel in Witterda besitzt 29 Register auf zwei Manualen und Pedal. Der sagenhafte Reichtum an frühromantischen Klangfarben beeindruckt jeden, der das Instrument hören oder gar spielen darf. Das Hauptwerk besitzt 12 Register und ebenso wie das Oberwerk einen Tonumfang bis zum f3. Basis hier ist der Principal 16', es folgt ein Principal 8' und zusätzlich ein zweiter, auf dem Registerzug als Oktave 8' bezeichneter „Principal secundo“. Weiterhin finden wir Hohlflöte, Bordun, Violdigamba und Gemshorn 8' sowie die Schweizerflöte 8', eine Gambenschwebung, die von Hesse und auch von Ratzmann in größeren Werken um 1850 einige Male disponiert wurde. Die Oktaven 4' und 2' leiten über zur Klangkrone, die aus einer 4fachen Mixtur und einem 5fachen Cornett besteht. Die Disposition des Oberwerks besteht aus 11 Stimmen, nämlich Quintatön 16', Geigenprincipal, Fugara, Lieblich Gedackt, Flauto traverso und Flauto piano 8', Principal und Fugara 4', der Octave 2' sowie einer 2fachen Sesquialtera und einer 3fachen Mixtur. Ddazu gesellt sich noch ein Tremulant, dieser ist Mitte des 19. Jahrhunderts nicht unbedingt mehr Standard in Thüringen. Das Pedal mit einem Tonumfang bis zum d1 verfügt über Principalbaß, Subbaß und Violon 16', Oktavbaß 8', Octave 4' sowie als einzige Zungenstimme in der ganzen Orgel eine Posaune 16'. Eine Manual- und eine Pedalkoppel vervollständigen das Klangbild. 2013 bis 2015 wurde das Instrument, das zu den bedeutendsten Denkmalorgeln des 19. Jahrhunderts in ganz Thüringen zählt, umfassend und stilgerecht durch Orgelbaumeister Bernhard Kutter aus Friedrichroda restauriert. Neu, allerdings vollständig reversibel hinzugefügt wurde lediglich ein pneumatischer Traktur-Servo für das Hauptwerk, um die vormals extrem schwere Spielart zu erleichtern. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 16' Quintatön 16' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Octave 8' Lieblich Gedackt 8' Violon 16' Tremulant OW
Hohlflöte 8' Fugara 8' Octavbaß 8'  
Bordun 8' Flauto traverso 8' Octave 4'  
Violdigamba 8' Flauto piano 8' Posaune 16'  
Gemshorn 8' Principal 4'    
Schweizerflöte 8' Fugara 4'    
Octave 4' Octave 2'    
Octave 2' Sesquialtera 2f.    
Cornett 5f. Mixtur 3f.    
Mixtur 4f.      

In Witterda gespielte Stücke:
Carl Czerny: Präludium und Fuge B-Dur >>>
Julius Katterfeldt: Adagio lugubre c-moll >>>
Julius Katterfeldt: Christus, der ist mein Leben >>>
Julius Katterfeldt: Den Manen Rincks >>>
Julius Katterfeldt: Jesu, meine Freude >>>
Julius Katterfeldt: Lobt Gott, ihr Christen, allzugleich >>>
Julius Katterfeldt: Nachspiel f-moll >>>
Julius Katterfeldt: Variationen über "O Sanctissima" >>>
Friedrich Silcher: Poco Adagio zu Kommunionen >>>



ZIMMERNSUPRA (Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue, Landkreis Gotha)
Ev. Kirche St. Jacobus



Erbauer: Franziskus Volckland (Erfurt) 1738, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Zimmernsupra ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Gotha und Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Nesseaue. Der Ort liegt ca. 12 km nordöstlich der Kreisstadt Gotha und ca. 12 km westlich von Erfurt. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes in einem Güterverzeichnis des Klosters Hersfeld entstammt dem Jahre 775. Hier wurde der Name „Cimbero“ für den Ort verwendet. Später hieß der Ort „Zimmern in montanis“, „Zcymmern vff dem bergen“, 1754 dann erstmals „Zimmernsupra“ und 1833 auch mal zur Abwechslung „Oberzimmern“. Die Grafen von Gleichen und das auch in Mittelthüringen reich begüterte Kloster Hersfeld waren bis Mitte des 14. Jahrhunderts die Besitzer des Dorfes. Ab 1358 gehörte der Ort zum Territorium der zur Großstadt heranwachsenden Handelsstadt Erfurt. Zur Verwaltung der Erfurter Außenbesitzungen wurden Vogteien gebildet, wobei Zimmernsupra der Vogtei Nottleben zugeteilt war. Später kam der Ort nach einer Verwaltungsreform zum neu gegründeten Amt Alach. Erfurt und seine Landgemeinden gingen 1802 von Kurmainz an Preußen über, ab 1816 wurde Erfurt ein Teil der preußischen Provinz Sachsen. Ab 1952 gehörte Zimmernsupra zum Kreis Erfurt-Land, ab 1994 dann zum neu gebildeten Landkreis Gotha und 350 Einwohnerinnen und Einwohner leben heute in dem Ort. Die Kirche St. Jacobus stammt aus mehreren Bauphasen. Von der 1494 erbauten Kirche ist der mächtige Westturm bis heute erhalten. 1725 wurde das jetzige Kirchenschiff im Barockstil errichtet. Der Innenraum erhielt eine reiche, einheitlich gestaltete Barockausstattung mit Kanzelaltar und bemalter Doppelempore. 1992 musste die Kirche baupolizeilich gesperrt werden. In den Jahren 1996 bis 2010 wurde die Kirche dann mit einem Aufwand von ca. 1,5 Mio. € grundhaft restauriert. In dem Zusammenhang wurde auch die Orgel restauriert, die 1738 eingebaut wurde und die aus der Werkstatt von Franziskus Volckland in Erfurt stammt.
Franziskus Volckland wurde 1696 in Berlstedt bei Weimar geboren. Bei dem ebenfalls aus Berlstedt gebürtigen und in Erfurt wirkenden Orgelbauer Johann Georg Schröter erhielt er seine Unterweisung in der Kunst des Orgelbaues. Nach einer Zeit bei der Orgelwerkstatt Lortzing in Ohrdruf kehrte er 1718 nach Erfurt zurück und wurde dort „Biereigener“, d. h. er durfte Bier brauen und ausschenken. Darüber hinaus betrieb er einen Holz- und Fruchthandel und war, wie es heißt, ein „engagierter Bürger der Stadt“. Das von Volckland 1720 erbetene Orgelbau-Privileg wurde ihm allerdings nicht erteilt. Sein Lehrmeister Johann Georg Schröter besaß dieses und war darauf angewiesen, während Volckland auch ohne den Orgelbau sein Auskommen hatte. Schon in seiner Lehrzeit bei Schröter hatte es Auseinandersetzungen zwischen den beiden gegeben, die sich jetzt wegen der direkten Konkurrenz zueinander verstärkten. Volckland heiratete 1722 und nach dem Tod seiner ersten Frau 1768 noch mit 77 Jahren ein zweites Mal und starb hochbetagt im Jahre 1779. Kinder hatte er jedoch nicht. Die ersten eigenen Instrumente erbaute Volckland 1721 in Vieselbach und 1722 bis 1726 in Ollendorf, jeweils vor den Toren Erfurts. Wegen der Streitigkeiten mit Schröter ließ sich Volckland, recht trickreich, den Orgelbau erst nachträglich genehmigen. 1729 schuf er eine große Orgel für Mühlberg, die in umgebauter Form bis heute erhalten ist. Prachtvoll geriet sein 1732 bis 1737 erbautes Werk für die Cruciskirche in Erfurt, die ebenfalls bis heute erhalten ist und deren „unvergleichlicher Klang“ von Zeitgenossen hoch gerühmt wurde. Neben der 1738 vollendeten Orgel in Zimmernsupra ist noch sein 1756 bis 1767 errichtetes Spätwerk in Tröchtelborn bemerkenswert, das - hervorragend erhalten und restauriert - eines der Glanzstücke der Thüringer Orgellandschaft darstellt und ebenfalls auf dieser Seite vorgestellt wird. Die Orgel in Zimmernsupra wurde im 19. Jahrhundert verändert, vor allem 1842 durch den Orgelbauer Ernst Siegfried Hesse aus Dachwig. Weitere Veränderungen erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg, bevor das Instrument durch den baulichen Zustand der Kirche und Schädlingsbefall in einen viele Jahre andauernden Zustand der Unspielbarkeit fiel.
Zum Baujahr der Volckland-Orgel in Zimmernsupra sind unterschiedliche Zahlen im Umlauf. Allgemein wird heute das Jahr 1738 für ihre Entstehung angenommen. Es gibt allerdings auch Quellen, die 1728 angeben. Nach der baulichen Sicherung der Kirche erfolgte in den Jahren 1998 bis 1999 eine Rückführung auf den Originalzustand durch den ortsansässigen Orgelbauer Herbert Löbling. Beide Manuale haben einen Tonumfang bis zum c1 ohne das große Cis. Das Hauptwerk wird vom unteren Clavier aus angespielt. Diese Tatsache ist ungewöhnlich, denn bei allen anderen Volckland-Orgeln ist das Hauptwerk dem oberen Manual zugeordnet. Doch ist dies original und nicht erst beim Umbau durch Hesse so gemacht worden, denn der Erfurter Organist Jakob Adlung erwähnt diesen Umstand bereits in seinem berühmten, 1768 erschienenen Buch „Musica Mechanica organoedi“. Das Hauptwerk besitzt 10 Register, nämlich Quintatön 16', Principal, Violdigambe, Gedackt und Trompete 8', Octave 4', eine Quinta 3', sodann eine Sesquialtera, eine 4fache Mixtur und eine 3fache Cymbel. Das Positiv, vom Obermanual aus zu „tractiren“, besitzt Lieblich Gedackt, Quintatön und Flauto traverso 8', Principal, Nachthorn und Spitzflöte 4', die Octave 2' und ein "Scharp", also Scharff 3fach. Das Pedal ist bis zum c1 ausgebaut und verfügt über die Register Subbaß, Violon und Posaune 16', einen Oktavbaß 8' und einen Cornetbaß 2', also eine hochliegende Zungenstimme als cantus-firmus-Register. Die Volckland-Orgel in Zimmernsupra mit ihren 22 Registern auf zwei Manualen und Pedale ist eine der bemerkenswertesten Orgeln der Bach-Zeit in Thüringen. 

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Disposition:
 

Hauptwerk, CD-c3 Positiv, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Quintatön 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Quintatön 8' Violon 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Flauto traverso 8' Octavbaß 8' Tremulant
Violdigambe 8' Principal 4' Posaune 16'  
Octave 4' Nachthorn 4' Cornetbaß 2'  
Quinta 3' Spitzflöte 4'    
Sesquialtera 2f. Octave 2'    
Mixtur 4f. Scharp 3f.    
Cymbel 3f.      
Trompete 8'      

In Zimmernsupra gespielte Stücke:
Johann Friedrich Agricola: Freu dich sehr, o meine Seele >>>
Johann Friedrich Agricola: Herr, ich habe mißgehandelt >>>
Andreas Armsdorff: Mitten wir im Leben sind >>>
Andreas Armsdorff: Nun danket alle Gott >>>
Andreas Armsdorff: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Johann Sebastian Bach: Jesus, meine Zuversicht BWV 728 >>>