Thüringen - Nord-Thüringen und Sachsen-Anhalt





(hier folgen noch einige Zeilen über die Orgellandschaft Nord-Thüringen und Sachsen-Anhalt)






ASCHARA (Stadt Bad Langensalza, Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Kirche St. Petri



Erbauer: Johann Valentin Nössler (Zella-Mehlis) 1751-1752, Umbau Gustav Koch (Gräfentonna) 1854, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Aschara ist ein Ortsteil der Stadt Bad Langensalza in Thüringen mit etwa 480 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt etwa 6 km südlich des Ortsrands von Bad Langensalza am Südosthang des Ascherbergs. Der Ortsname ist überregional vor allem den Liebhabern feiner Thüringer Fleisch- und Wurstwaren bekannt, die seit Jahrzehnten in Aschara hergestellt werden. Historiker kennen Aschara vielleicht auch im Zusammenhang mit der ältesten Glocke auf dem Gebiet der Thüringer Landeskirche, einer Bienenkorbglocke aus dem 12.Jahrhundert, die als Leihgabe der Kirchengemeinde Aschara heute im Glockenmuseum in Apolda ausgestellt ist. Im Güterverzeichnis des Klosters Hersfeld erscheint das Dorf unter den Schenkungen Karls des Großen an das Kloster, die bis zum Tod seines Gründers Lullus im Jahre 786 gemacht worden waren. So konnte Aschara im Jahre 2011 sein mindestens 1.225-jähriges Bestehen feiern. 1634 kam der Ort mit der Herrschaft Tonna infolge eines Erbfolgevertrags an den Freiherrn von Tautenburg und Frauenprießnitz und nach dessen Tod 1640 an den Grafen von Waldeck. Durch einen 1677 datierten Kaufvertrag fiel Aschara an Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg. 1994 wurde der Ort nach Bad Langensalza eingemeindet. Die heutige Kirche St. Petri wurde 1749 bis 1751 als Emporensaal mit Westturm auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Vorgängerkirche errichtet. In jener Vorgängerkirche stand übrigens eine der ersten Orgeln von Tobias Heinrich Gottfried Trost, 1705 errichtet und 1748 mit der Kirche abgebrannt. Die Ausstattung mit dem Kanzelaltar, der bemalten Holzdecke, dem Taufstein und der Orgel stammen im Wesentlichen aus der Erbauungszeit der heutigen Kirche. Die 1752 vollendete Orgel ist ein Werk von Johann Valentin Nössler aus Zella-Mehlis. Rund einhundert Jahre später wurde diese Orgel im Sinne der Romantik verändert. Diese Arbeiten verrichtete der Orgelbauer Gustav Koch aus Gräfentonna. Das bedeutende, zweimanualige Werk ist derzeit leider nur noch bedingt spielbar und wartet auf die Restaurierung.
Über den Erbauer der Orgel in Aschara, jenen Johann Valentin Nössler, ist nicht sehr viel bekannt. Nössler wirkte zunächst in Zelle, dem heutigen Zella-Mehlis, von wo aus er 1752 die neue Orgel für Aschara fertigte. 1755 erwarb er das Bürgerrecht in Ohrdruf, wo er am 17.August 1769 verstarb. Die genaue Verwandtschaft mit Caspar Moritz Nößler, der 1724 in Obersteinbach, dem heutigen Steinbach-Hallenberg geboren wurde, ist nicht geklärt. Es könnte sein Bruder oder sein Onkel sein, nachgewiesen ist jedenfalls eine enge verwandtschaftliche Beziehung. Jener Caspar Moritz Nößler lernte bei dem Orgelbauer Johann Georg Fincke aus Saalfeld und wurde später Geselle und schließlich Nachfolger von Johann Christoph Wiegleb in Wilhermsdorf. Wo unser Johann Valentin Nössler seine Ausbildung erhielt, ist nicht bekannt. Außer der Orgel in Aschara ist nur noch die 1748 vollendete Orgel in der Dorfkirche zu Henfstädt, bei Themar in Südthüringen, aus dem Oeuvre von Johann Valentin Nössler erhalten. Im Gegensatz zum veränderten Instrument in Aschara ist die Orgel in Henfstädt nahezu vollständig im Originalzustand erhalten. Der 1854 erfolgte Umbau im Sinne der Romantik wurde durch Gustav Hermann Hieronymus Koch durchgeführt, der 1819 in Neustädtel in Sachsen geboren wurde. Sein 1774 geborener Vater Adam Koch gründete bereits im Jahr 1800 eine Orgelbauwerkstatt in Gotha, die dann in den 1840er Jahren nach Gräfentonna verlegt wurde. Auch über das Wirken von Gustav Koch ist nicht allzu viel bekannt. Nach dem Umbau in Aschara erbaute er 1856 eine Orgel mit 18 Registern auf zwei Manualen und Pedal für die Kirche zu Illeben bei Gotha und 1857 in Remstädt, ebenfalls vor den Toren der Stadt Gotha. Sein 1840 geborener Sohn Ernst Bernhard Koch gründete nach der Lehre in der väterlichen Werkstatt später eine eigene Orgelbaufirma in Barmen bei Wuppertal. Auch die Enkel waren später im Orgelbau tätig und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg erzielte die Firma Gebrüder Koch in Wuppertal beachtliche Erfolge mit dem Bau von Positiven und Kleinorgeln bis 20 Registern. Mit dem Tod von Hans Koch 1977 erlosch die Firma. Wie bereits erwähnt, befindet sich die Orgel heute in einem schlechten Zustand, das Brustwerk ist überhaupt nicht und das Pedal nur sehr eingeschränkt spielbar. Einige Register, vor allem die offenbar originalen von Johann Valentin Nössler klingen allerdings sehr schön und sind sehr solide gefertigt.
Die 1752 vollendete Nössler-Orgel in Aschara wurde nach dem Umbau durch Gustav Koch 1854 in ihrem Bestand nicht mehr verändert, lediglich ein elektrisches Gebläse wurde eingebaut und die im Ersten Weltkrieg abgelieferten Prospektpfeifen durch Zinkpfeifen ersetzt. Die heutige Disposition umfasst 17 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Manuale, die noch die originalen Klaviaturen von Nössler besitzen, haben einen Umfang vom Ton C ohne das Cis bis zum c3. Ein Bordun 16' grundiert die Disposition, dazu kommen Principal, Grob Gedackt und Hohlflöte 8', Oktave und Kleingedackt 4', eine Quinte 3' sowie eine 3fache Mixtur. Das zur Zeit nicht spielbare Brustwerk verfügt über die Register Lieblich Gedackt, Quintatön und Viola di Gamba 8', ein Principal 4' und eine Octave 2'. Das bis zum c1 ausgebaute Pedal besitzt vier Stimmen, nämlich Subbaß und Violonbaß 16' sowie Octavenbaß und Flötenbaß 8'. Rund zehn bis elf Register sind aus der Orgel von Johann Valentin Nössler original erhalten. Aufgrund des hohen Anteils an originaler Substanz und auch darum, weil außer der Orgel in Aschara nur eine weitere Orgel von Nössler, nämlich die in Henfstädt erhalten ist, wäre eine Rekonstruktion des Originalzustandes wünschenswert. Ein solches Klangbild würde auch dem beeindruckenden, reich verzierten Barockprospekt entsprechen. Allerdings besitzen die 1854 hinzugefügten Register von Gustav Koch ebenfalls Denkmalwert, da auch von diesem Orgelbauer nur wenige Wirkungszeugnisse erhalten sind. Vielleicht kann man die Koch-Register bei einer anderen Orgel der Thüringer Romantik einbauen, die ihrerseits in den Originalzustand zurückversetzt werden soll, sollte man sich für eine Rekonstruktion des Originalzustandes in Aschara entscheiden. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=YBuTJvPDwmQ&t=588s

Disposition:

Hauptwerk, CD-c3 Brustwerk, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Quintatön 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Grob Gedackt 8' Viola di Gamba 8' Octavenbaß 8'  
Hohlflöte 8' Principal 4' Flötenbaß 8'  
Octave 4' Octave 2'    
Kleingedackt 4'      
Quinta 3'      
Mixtur 3f.      
       
In Aschara gespielte Stücke:
Johann Heinrich Buttstedt (Zuschreibung): Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>> https://www.youtube.com/watch?v=6FpsjCO2HeE
Karl Heinrich Davin: Largo a-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=bXacQVdsKa4
Johann Andreas Dröbs: Was mein Gott will, das gescheh allzeit >>> https://www.youtube.com/watch?v=1zAuSk9TYro
Johann Andreas Dröbs: Wir glauben all an einen Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=6ksC3Q-0XXQ
Christian Heinrich Rinck: Alle Menschen müssen sterben >>> https://www.youtube.com/watch?v=SlpMvRcmAoE
Christian Heinrich Rinck: Allegro moderato D-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=cRp47TOrb-g
Christian Heinrich Rinck: Andante c-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=SlXnathbHzk
Christian Heinrich Rinck: Jesu, meines Lebens Leben >>> https://www.youtube.com/watch?v=eVvsoRhV0pI
Christian Heinrich Rinck: Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist >>> https://www.youtube.com/watch?v=E8r5wg6EfbU



BAD LANGENSALZA (Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Bergkirche St. Stephani




Erbauer: Friedrich Erdmann Petersilie (Langensalza) 1884-1885, Kegelladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Bad Langensalza ist eine Kurstadt im Unstrut-Hainich-Kreis in Thüringen. Mit rund 17.500 Einwohnerinnen und Einwohnern ist sie nach der Kreisstadt Mühlhausen die zweitgrößte Stadt im Kreis und bildet das Mittelzentrum für dessen südöstlichen Teil sowie für einige Gemeinden im nördlichen Landkreis Gotha. Bad Langensalza gehört zu den historisch bedeutendsten Städten im Thüringer Becken, wovon die reichhaltige historische Bausubstanz in der Altstadt zeugt. Sie ist mit einer ummauerten Fläche von gut 50 Hektar nach denen der Nachbarstädte Erfurt und Mühlhausen die drittgrößte Altstadt in Thüringen. Bad Langensalza liegt im Thüringer Becken, dem fruchtbaren Tiefland entlang der Unstrut. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde erstmals ein Ort namens „Salza“ in einem Güterverzeichnis des Klosters Hersfeld erwähnt. 932 erfolgte die erste sichere urkundliche Erwähnung des Dorfes in einer Gütertausch-Urkunde zwischen dem deutschen König Heinrich I. und dem damaligen Abt des Klosters Hersfeld. 1212 soll Kaiser Otto IV. dem Dorf das Stadtrecht verliehen haben und um 1300 wurde die Stadtmauer fertiggestellt. Nach der sächsischen Erbteilung im Jahr 1485 gehörten Stadt und „Amt Salza“ zum albertinischen Herzogtum Sachsen, nach 1815 durch die Aufteilung Sachsens zu Preußen. 1952 wurde Langensalza Kreisstadt und führt seit 1956 den Namenszusatz „Bad“. 1994 wurde durch Zusammenlegung der Kreise Bad Langensalza und Mühlhausen der neue Unstrut-Hainich-Kreis gegründet. Älteste Kirche der Stadt ist die 1196 erstmals erwähnte Bergkirche St. Stephan. Aus der ursprünglichen Mönchskapelle entstand in der Zeit der Gotik eine stattliche, dreischiffige Basilika. Verschiedene Umbaumaßnahmen sind für 1394, 1535, 1558 und 1753 belegt. 1893 erfolgte eine Neugestaltung des Inneren im Sinne der Neugotik und bereits einige Jahre zuvor, 1884 bis 1885 schuf der einheimische Orgelbauer Friedrich Erdmann Petersilie ein stattliches dreimanualiges Werk mit 37 Registern auf drei Manualen und Pedal. Sie ist eine der bedeutendsten Instrumente der gesamten Thüringer Orgel-Romantik.
Der Orgelbauer Friedrich Erdmann Petersilie war, obwohl in Vergessenheit geraten oder seines Namens wegen belächelt, ein bedeutender Orgelbauer. Er wurde 1826 in Stadtilm geboren und erhielt seine Ausbildung bei keinem Geringeren als Johann Friedrich Schulze in Paulinzella. 1850 machte er sich in seiner Heimatstadt Langensalza selbstständig. Anfangs übernahm er zahlreiche technische Details wie etwa den Bau von Strahlentrakturen von seinem Lehrmeister. Bei der Mensurierung der Pfeifen folgte er ebenfalls dem Vorbild Schulzes und den Lehren Johann Gottlob Töpfers. Aber experimentierte auch viel, beispielsweise mit eigenen Bälgen für das Oberwerk, um sie mit geringerem Winddruck zu versorgen. Anfang der 1880er Jahre begann Petersilie mit dem Bau von Kegelladen und setzte bei größeren Instrumenten – so etwa auch in der Bergkirche St. Stephan in Bad Langensalza – Barkerhebel ein. Sein 1852 geborener Sohn Karl Otto Petersilie übernahm nach dem Tod des Vaters 1901 die Werkstatt, zeichnete aber wahrscheinlich schon einige Jahre zuvor für die ab etwa 1895 gebauten pneumatischen Trakturen verantwortlich. Anfang der 1920er Jahre erlosch das Unternehmen, Karl Otto Petersilie starb im Jahre 1928. Zusammen haben Vater und Sohn Petersilie an die 80 Orgeln errichtet, von denen gegenwärtig etwa 60 nachweisbar sind. Die große Orgel in der Bergkirche zu Bad Langensalza war das 52. Werk von Friedrich Erdmann Petersilie, bezahlt auf Bitten der Kirchengemeinde übrigens von der Städtischen Sparkasse. 1911 erfolgten Veränderungen durch Otto Petersilie, 1956 von Wiegand Helfenbein aus Gotha und 1973 durch Friedrich Löbling aus Erfurt. 1991 bis 1996 erfolgte eine Restaurierung und Rückführung auf den Ursprungszustand durch die Firma Herbert Löbling aus Zimmernsupra bei Erfurt.
Die große Petersilie-Orgel in der Bergkirche zu Bad Langensalza, eine der bedeutendsten Orgeln der Thüringer Orgelromantik, besitzt 37 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Manualwerke sind vom Ton C bis zum f3 ausgebaut. Das Hauptwerk besitzt 14 Stimmen, Principal und Bordun 16', Principal, Hohlflöte, Doppelgedackt, Gambe und Trompete 8', eine Quinte 5 1/3', Octave und Rohrflöte 4', eine Oktave 2' sowie eine 5fache Mixtur, ein 3faches Cornett und eine 3fache Cimbel. Das Oberwerk enthält eine ganze Reihe von für Petersilie ganz typischen Registern: Tibia major 16', Geigenprincipal, Salicional, Flauto harmonica, Lieblich Gedackt und Oboe 8', Geigenprincipal und Flauto amabili 4', ein Flautino 2' und eine Progressio harmonica 3fach. Das in einem Schwellkasten stehende Echowerk, spielbar vom dritten Manual, besitzt Concertflöte, Harmonika und Vox celeste 8' sowie eine Flauto traverso 4'. Das Pedal, ausgebaut bis zum d1, besitzt 9 Register und zwar Principalbaß, Subbaß, Violon und Posaune 16', eine Quinte 10 2/3', sodann Octavbaß, Violoncello und Baßflöte 8' sowie eine 3fache Pedalmixtur. Das ganze Werk steht, wie bereits erwähnt, auf mechanischen Kegelladen mit Barkerhebeln. Feste Kombinationen für Piano, Mezzoforte, Forte und Fortissimo, eine Crescendowalze und vier Koppeln ergänzen die dem Spieler zur Verfügung stehende Technik. Rund 20 Jahre nach der letzten Restaurierung benötigt das bedeutende Instrument in absehbarer Zeit eine erneute Renovierung, denn vor allem mit der Windversorgung hat die Orgel in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme gehabt, die leider auch von Jahr zu Jahr größer werden. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=IVdvR4rNbCk

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Echowerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 16' Tibia major 16' Concertflöte 8' Principalbaß 16' Manualkoppel II-I
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Harmonika 8' Subbaß 16' Manualkoppel III-I
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Vox celeste 8' Violon 16' Manualkoppel III-II
Hohlflöte 8' Flauto harmonica 8' Flauto traverso 4' Quinte 10 2/3' Pedalkoppel
Doppelgedackt 8' Salicional 8'   Octavbaß 8' Vier feste Kombinationen
Gambe 8' Geigenprincipal 4'   Violoncello 8' Crescendo (mechanisch!)
Quinte 5 1/3' Flauto amabili 4'   Baßflöte 8'  
Octave 4' Flautino 2'   Pedalmixtur 3f.  
Rohrflöte 4' Progessio harmonica 3f.   Posaune 16'  
Octave 2'        
Mixtur 5f.        
Cimbel 3f.        
Trompete 8'        
         
         
In der Bergkirche Bad Langensalza gespielte Stücke:
Otto Dienel: Aus tiefer Not schrei ich zu dir >>> https://www.youtube.com/watch?v=e2WXmFqB2fI
Otto Dienel: Ein feste Burg ist unser Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=HVlzpCz4cUc
Otto Dienel: Ich dank dir schon durch deinen Sohn >>> https://www.youtube.com/watch?v=nZdo5ewkmJU
Max Gulbins: Seele, geh nach Golgatha >>> https://www.youtube.com/watch?v=cLYdicRfQjk
Wilhelm Rudnick: Weihnachtsstimmung >>> https://www.youtube.com/watch?v=Nni-SjlbR0A
Robert Schaab: An einen Gott nur glauben wir >>> https://www.youtube.com/watch?v=mDimR1vGaCo
Robert Schaab: Auf meinen lieben Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=7kdLZnvO6N4
Robert Schaab: Herr, wie du willst, so schicks mit mir >>> https://www.youtube.com/watch?v=nXJm6_-kUXU
Robert Schaab: Jesus, meine Zuversicht >>> https://www.youtube.com/watch?v=dtKQJYCkh9s
Robert Schaab: Nun laßt uns den Leib begraben >>> https://www.youtube.com/watch?v=_wm6WBnL1rc
Robert Schaab: Schatz über alle Schätze >>> https://www.youtube.com/watch?v=FEpUTTjO1Rk



BAD LANGENSALZA (Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Trinitatiskirche




Erbauer: Friedrich Erdmann Petersilie (Langensalza) 1869, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Bad Langensalza ist eine Kurstadt im Unstrut-Hainich-Kreis in Thüringen. Mit rund 17.500 Einwohnerinnen und Einwohnern ist sie nach der Kreisstadt Mühlhausen die zweitgrößte Stadt im Kreis und bildet das Mittelzentrum für dessen südöstlichen Teil sowie für einige Gemeinden im nördlichen Landkreis Gotha. Bad Langensalza gehört zu den historisch bedeutendsten Städten im Thüringer Becken, wovon die reichhaltige historische Bausubstanz in der Altstadt zeugt. Sie ist mit einer ummauerten Fläche von gut 50 Hektar nach denen der Nachbarstädte Erfurt und Mühlhausen die drittgrößte Altstadt in Thüringen. Bad Langensalza liegt im Thüringer Becken, dem fruchtbaren Tiefland entlang der Unstrut. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde erstmals ein Ort namens „Salza“ in einem Güterverzeichnis des Klosters Hersfeld erwähnt. 932 erfolgte die erste sichere urkundliche Erwähnung des Dorfes in einer Gütertausch-Urkunde zwischen dem deutschen König Heinrich I. und dem damaligen Abt des Klosters Hersfeld. 1212 soll Kaiser Otto IV. dem Dorf das Stadtrecht verliehen haben und um 1300 wurde die Stadtmauer fertiggestellt. Nach der sächsischen Erbteilung im Jahr 1485 gehörten Stadt und „Amt Salza“ zum albertinischen Herzogtum Sachsen, nach 1815 durch die Aufteilung Sachsens zu Preußen. 1952 wurde Langensalza Kreisstadt und führt seit 1956 den Namenszusatz „Bad“. 1994 wurde durch Zusammenlegung der Kreise Bad Langensalza und Mühlhausen der neue Unstrut-Hainich-Kreis gegründet. Die evangelische ehemalige Gottesackerkirche St. Trinitatis steht im heutigen „Arboretum“ in Bad Langensalza. Für das als Begräbniskirche erbaute Gotteshaus wurden beim Bau 1734 bis 1739 Travertinsteine der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Marienkirche verwendet. Im Inneren ist das Gotteshaus reich ausgestaltet. Die Saalkirche besitzt zweigeschossige Holzemporen und einen barocken Kanzelaltar. In den Jahren 2008 und 2009 wurde die Friedhofskirche durch die Stadtverwaltung restauriert und seither schwerpunktmäßig als Ort für Konzerte genutzt. 1869 erhielt die Kirche eine Orgel des einheimischen Orgelbauers Friedrich Erdmann Petersilie.
Der Orgelbauer Friedrich Erdmann Petersilie war, obwohl in Vergessenheit geraten oder seines Namens wegen belächelt, ein bedeutender Orgelbauer. Er wurde 1826 in Stadtilm geboren und erhielt seine Ausbildung bei keinem Geringeren als Johann Friedrich Schulze in Paulinzella. 1850 machte er sich in seiner Heimatstadt Langensalza selbstständig. Anfangs übernahm er zahlreiche technische Details wie etwa den Bau von Strahlentrakturen von seinem Lehrmeister. Bei der Mensurierung der Pfeifen folgte er ebenfalls dem Vorbild Schulzes und den Lehren Johann Gottlob Töpfers. Aber experimentierte auch viel, beispielsweise mit eigenen Bälgen für das Oberwerk, um sie mit geringerem Winddruck zu versorgen. Anfang der 1880er Jahre begann Petersilie mit dem Bau von Kegelladen und setzte bei größeren Instrumenten – so etwa auch in der Bergkirche St. Stephan in Bad Langensalza – Barkerhebel ein. Sein 1852 geborener Sohn Karl Otto Petersilie übernahm nach dem Tod des Vaters 1901 die Werkstatt, zeichnete aber wahrscheinlich schon einige Jahre zuvor für die ab etwa 1895 gebauten pneumatischen Trakturen verantwortlich. Anfang der 1920er Jahre erlosch das Unternehmen, Karl Otto Petersilie starb im Jahre 1928. Zusammen haben Vater und Sohn Petersilie an die 80 Orgeln errichtet, von denen gegenwärtig etwa 60 nachweisbar sind. Die Orgel in der Trinitatiskirche seiner Heimatstadt wurde 1869 erbaut. Um die Kosten gering zu halten, warb er zunächst für den Bau einer kleinen Orgel „mit einer Suboctavkoppel, mit der vermittelst eines Registers die untersten Octaven im Manual angekoppelt werden können, wodurch eine mäßige Fülle und Kraft des Tons entwickelt werden kann“, wie Petersilie schrieb. Zur Ausführung kam dann aber ein anderer Plan, bei dem die Register Bordun und Hohlflöte sowie Stillgedackt und Salicional im Bass auf die gleichen Pfeifen zurückgreifen. Abgesehen von den im Ersten Weltkrieg, wie überall, abgelieferten Prospektpfeifen und der elektrischen Windversorgung ist die Orgel substantiell unverändert erhalten geblieben. Im Jahre 2009 wurde das Instrument durch die Firma Schönefeld Orgelbau aus Stadtilm denkmalgerecht restauriert.
Die Orgel in der Trinitatiskirche oder Gottesackerkirche in Bad Langensalza umfasst zehn Register auf zwei Manualen und Pedal. Der Tonumfang der Manuale geht vom Ton C bis zum f3. Ein fülliges Bordun 16' grundiert den Klang des Hauptwerks, das darüber hinaus über die Register Principal und Hohlflöte 8', eine Octave 4' und eine 3fache Mixtur verfügt. Das Oberwerk besitzt die Stimmen Stillgedackt und Salicional 8' sowie eine Flauto 4'. Im Pedal, das bis zum d1 ausgebaut ist, finden wir Subbaß 16' und Principalbaß 8', dazu kommt eine Manual- und eine Pedalkoppel. Die Orgel verfügt über eine fein aufeinander abgestimmte romantische Farbpalette. Darüber hinaus entwickelt das Plenum eine unerwartete Klangfülle und eine unaufdringliche Kraft. Die kleine Orgel von Friedrich Erdmann Petersilie ist ein beeindruckendes Kleinod der Thüringer Orgelbaukunst in der Zeit der Romantik. Der Raum der Trinitatiskirche verfügt zudem über eine hervorragende Akustik und so sind die Konzerte, die seit der Restaurierung durch die Stadt Bad Langensalza hier regelmäßig durchgeführt werden, in jedem Fall ein klanglicher Genuß. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=_mkcvX5YQI8&t=242s

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Stillgedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Salicional 8' Principalbaß 8' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flauto 4'    
Octave 4'      
Mixtur 3f.      
       
In der Trinitatiskirche Bad Langensalza gespielte Stücke:
Otto Dienel: Liebster Jesu, wir sind hier >>> https://www.youtube.com/watch?v=laxSAk44fsQ
Otto Dienel: Morgenglanz der Ewigkeit >>> https://www.youtube.com/watch?v=6Z-Ygrp6eDM
Otto Dienel: Nun danket alle Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=ECDXLqoBaN4
Heinrich Götze: Andante B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=PvZHOKWKI8U
Johannes Barend Litzau: O gesegnetes Regieren >>> https://www.youtube.com/watch?v=fvttrRUIghM
Christian Heinrich Rinck: Helft mir Gottes Güte preisen >>> https://www.youtube.com/watch?v=Qo4B7JXO0qk
Christian Heinrich Rinck: Vom Himmel hoch, da komm ich her >>> https://www.youtube.com/watch?v=FgkOXUCqDjc
Christian Heinrich Rinck: Warum sollt ich mich denn grämen >>> https://www.youtube.com/watch?v=3qld0Bg-knY
Robert Schaab: Eins ist Noth >>> https://www.youtube.com/watch?v=fl-rO9UqafU
Robert Schaab: Freu dich sehr, o meine Seele >>> https://www.youtube.com/watch?v=Mb_2Wmaz-Jc
Robert Schaab: Nun bitten wir den heiligen Geist >>> https://www.youtube.com/watch?v=PxK13u3A5jI
Robert Schaab: Vater unser im Himmelreich >>> https://www.youtube.com/watch?v=uw4CHJrGRhw



BADEBORN (Stadt Ballenstedt, Landkreis Harz)
Ev. Pfarrkirche St. Viti



Erbauer: Emil Reubke (Hausneindorf) 1883, Kastenladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Badeborn ist ein Ortsteil der Stadt Ballenstedt im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt. Badeborn liegt sechs Kilometer nördlich von Ballenstedt im Harzvorland; die nächsten größeren Städte sind Quedlinburg im Westen und Aschersleben im Osten. Nördlich von Badeborn verläuft die Bundesstraße 6, südlich die Bundesstraße 185. Urkundlich erstmals im Jahre 961 erwähnt, ist Badeborn eine der ältesten urkundlich erwähnten Ortschaften im Umkreis. Der Ortsname Badeborn verweist auf einen Brunnen, denn „Borne“ war die mittelniederdeutsche Bezeichnung für einen natürlich fließenden Quellbrunnen. 2002 wurde das Dorf ein Ortsteil der Stadt Ballenstedt. Der kleine Ausflug über den sonst bei diesen Orgelportraits üblichen Großraum Hessen-Thüringen-Unterfranken hinaus lohnt sich: denn in der Pfarrkirche St. Viti hat sich ein absolutes Unikum der romantischen Orgelbaukunst erhalten. Es ist die Orgel aus der Werkstatt von Emil Reubke aus Hausneindorf, die noch heute eine von Reubke selbst entwickelte Kastenlade sowie eine pneumatische Ton- und Registertraktur aus Pappröhren besitzt. Die Kirche St. Viti selbst wurde im 16.Jahrhundert auf den Grundmauern eines älteren Vorgängerbaues errichtet. Von 1584 bis 1590 wirkte hier der bedeutende nachreformatorische Theologe Johann Arndt, bevor er nach Quedlinburg wechselte und später als Generalsuperintendent in Celle wirkte.
Emil Reubke wurde 1836 als Sohn des Orgelbauers Adolf Reubke geboren. Dieser Adolf Reubke begann nach unvollendeter Lehre zum Kunstdrechsler größtenteils autodidaktisch zunächst mit dem Bau von Klavieren, später auch von Orgeln. Trotzdem konnte er als Orgelbauer im Bereich um Magdeburg Fuß fassen und schuf beispielsweise 1844 in Gröningen und 1847 in Egeln größere zweimanuale Instrumente mit 28 beziehungsweise 29 Registern. Die Werkstatt hatte ihren Sitz in Hausneindorf, heute ein Ortsteil der Gemeinde Selke-Aue, rund 12 km nordöstlich von Quedlinburg. Adolf Reubke hatte vier Söhne, die allesamt musikalisch hochbegabt waren. Der älteste war der 1830 geborene Carl Reubke, der allerdings bereits mit 20 Jahren an einer typischen Orgelbauerkrankheit starb. In einem kalten Kirchenraum hatte er sich bei der Arbeit schwer erkältet und überlebte die folgende Lungenentzündung nicht. Der zweite Sohn war der 1834 geborene Julius Reubke. Dieser geniale Liszt-Schüler starb ebenfalls früh, 1858 mit gerade einmal 24 Jahren. Seine epochemachende Orgelsonate „Der 94. Psalm“ hat zu Recht Weltruhm erlangt. Zwei Jahre jünger war sein Bruder Emil Reubke, der beim Vater die Kunst des Orgelbaus erlernte und ab 1860 Teilhaber des Unternehmens wurde, das fortan unter dem Namen „Reubke & Sohn“ firmierte. Nicht zu vergessen ist noch der 1842 geborene Otto Reubke, der ebenfalls bei Liszt und bei Thomaskantor Hauptmann studierte und später Universitätsmusikdirektor in Halle an der Saale wurde. Nach dem Tod von Adolf Reubke wurde Emil 1872 Alleininhaber der Werkstatt in Hausneindorf. Emil Reubke war zeitlebens technischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen. Ende der 1870er Jahre begann er mit der von dem Orgelbauer August Randebrock entwickelten mechanischen Kastenlade zu arbeiten, einer kanzellenlosen Windlade mit Hängeventilen. Reubke verbesserte diese Lade technisch und baute sie 1880 und 1881 mit mechanischer Traktur in zwei Orgeln ein. In dieser Zeit begann auch seine Beschäftigung mit der pneumatischen Traktur und 1881 erbaute Reubke in der Stadthalle zu Krefeld die erste vollständig pneumatische Orgel Deutschlands und zwar, wie in Badeborn, mit Kondukten aus Pappe. Reubke hat dieses System bis zu seinem frühen Tod 1884 immer weiter verfeinert und mehrfach in Orgelneubauten angewandt. Aber nur in Badeborn können wir diese Bauform heute noch bewundern und das ist durchaus wörtlich gemeint, denn man kann nur staunen, wie ästhetisch der Orgelbauer die 13 mm dicken Papprohre verlegt hat. Hier wurde nicht der kürzeste, sondern der eleganteste Weg gewählt, der allerdings bei weitem auch der längste war. Das Gutachten von Musikdirektor Theophil Forchhammer aus Magdeburg war ebenfalls voll des Lobes und im Herbst 1884 kam Forchhammer nochmals nach Badeborn, um ein Orgelkonzert zu geben.
Rund ein Jahr nach Vollendung der Orgel in Badeborn starb Emil Reubke, gerade einmal 48 Jahre alt. Die Werkstatt wurde von dem Orgelbauer Ernst Röver aus Stade übernommen, der ebenfalls bereits seit einiger Zeit mit der Kastenlade experimentierte. Das nun neu gewonnene Know-how aus der Reubke-Werkstatt brachte Röver dabei erheblich weiter und die sogenannte „verbesserte Röversche Kastenlade“ sicherte ihm in der Folgezeit zahlreiche Aufträge. 1890 ersetzte Röver die Pappkondukten des Schwellwerks in Badeborn durch Messingröhren, doch im Hauptwerk und im Pedal ist die wahrscheinlich in dieser Form weltweit einmalige Traktur mit Pappröhren bis heute erhalten – und man kann als Organist nur staunen, wie präzise sie funktioniert. Lediglich im Baß sind die Tonrepetitionen relativ träge, bedingt durch den weiten Weg des Windes. Die Orgel besitzt 20 Register auf 2 Manualen und Pedal. Im Hauptwerk stehen die Register Bordun 16', Principal, Hohlflöte, Gedackt und Viola di Gamba 8', Oktave und Flute harmonique 4', Quinte 2 2/3', Oktave 2' sowie eine 3fache Mixtur. Im schwellbaren zweiten Manual finden wir Geigenprincipal, Lieblich Gedackt, Violine und Flute harmonique 8' sowie Salicional und Flauto dolce 4'. Im Pedal sind die Register Subbaß und Violine 16' sowie Octavbaß und Gedacktbaß 8' disponiert, dazu kommt eine Manual- und eine Pedalkoppel. 



Link zum klingenden Orgelportrait: >>>

Disposition:


Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Violon 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Violine 8' Octavbaß 8'  
Gedackt 8' Flute harmonique 8' Gedacktbaß 8'  
Viola di Gamba 8' Flauto dolce 4'    
Octave 4' Salicional 4'    
Flute harmonique 4'      
Quinte 2 2/3'      
Octave 2'      
Mixtur 3f.      

In Badeborn gespielte Stücke:
Oscar Borg: Andante As-Dur >>>
Oscar Borg: Andante e-moll >>>
Oscar Borg: Singen wir aus Herzensgrund >>>
Mikolajus Konstantinas Ciurlionis: Präludium As-Dur >>>
Theophil Forchhammer: Herzliebster Jesu >>>
Theophil Forchhammer: O Lamm Gottes unschuldig >>>
Cornelius Gurlitt: Abendgebet >>>
Hermann Küster: Vorspiel F-Dur >>>
Franz Liszt: Angelus! Priere aux anges gardiens >>>
Franz Liszt: Ave Maria II >>>
Franz Liszt: Ave Maria IV >>>
Arnold Joseph Monar: Ave maris stella >>>
Heinrich Bernhard Stade: Ich singe dir mit Herz und Mund >>>
Sergej Iwanowitsch Tanejew: Choral varie >>>
Woldemar Voullaire: Präludium Nr. 24 g-moll >>>
Woldemar Voullaire: Präludium Nr. 25 c-moll >>>



BENDELEBEN (Gemeinde Kyffhäuserland, Kyffhäuserkreis)
Ev. Pfarrkirche St. Pankratius




Unbekannter Erbauer (Zuschreibung: Johann Benedikt Papenius, Nordhausen) 1660 oder 1666, Umbau Johann Heinrich Hartung (Kölleda) 1813-1815, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Bendeleben ist ein Ortsteil der Gemeinde Kyffhäuserland im thüringischen Kyffhäuserkreis, unweit der Kreisstadt Sondershausen an der Verbindungsstraße nach Bad Frankenhausen gelegen. In einer um 870 niedergeschriebenen Urkunde des Klosters Fulda wurde der Ort erstmals urkundlich genannt. Mitte des 12.Jahrhunderts wird das altritterliche thüringische Dienstmannengeschlecht der Herren von Bendeleben erstmals erwähnt, das die Geschicke des Ortes für Jahrhunderte prägen sollte. Ab dem 17.Jahrhundert war der Ort eine Exklave des Amtes Weißensee innerhalb des albertinischen Sekundogenitur-Fürstentums Sachsen-Weißenfels. Nach dem Wiener Kongress gehörte Bendeleben dann bis 1918 zum Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen. 2013 schloss sich die Gemeinde Bendeleben mit weiteren Gemeinden der bis dahin bestehenden „Verwaltungsgemeinschaft Kyffhäuser“ zur neuen Gemeinde Kyffhäuserland zusammen und wurde auch zum Sitz der neuen Gemeinde. 1539 wurde die Reformation in Bendeleben eingeführt und 1588 wurde die Kirche St. Pankratius in ihrer heutigen Form auf den Grundmauern eines Vorgängerbaues errichtet; der Kirchturm wurde 1623 vollendet. Das Gotteshaus verfügt über eine prachtvolle frühbarocke Ausstattung, die in ihrer Geschlossenheit und Qualität die protestantische Frömmigkeit und den Repräsentationswillen eines thüringischen Rittergeschlechtes bezeugt wie kaum eine andere Kirche der Region. Um 1660 entstand das sagenhaft reich geschmückte Epitaph der Herren von Bendeleben und in etwa zeitgleich erhielt die Kirche eine zweimanualige Orgel.
Bendeleben liegt etwas versteckt, abseits des heutigen – wenn man so will - „orgelmusikalischen Zentrums“ Thüringens rund um Arnstadt, Waltershausen und Weimar. Vielleicht deshalb ist es kaum bekannt, dass sich hier eines der ältesten Instrumente des Landes erhalten hat. Laut einer Inschrift im Gehäuse wurde die Orgel 1660 von Balthasar Ludwig von Bendeleben gestiftet. Die Lesart der Jahreszahl ist allerdings nicht ganz eindeutig, sie könnte auch 1666 lauten. Sicher ist, daß die Orgel ein Rückpositiv besaß, das nach einem Blitzschlag 1811 zu einem Unterwerk umgearbeitet wurde. Wer das Instrument erbaut hat, ist nicht überliefert. Aus meiner Sicht kommen theoretisch drei Orgelbauer hierfür in Frage, wobei ich persönlich relativ stark zum dritten der in der Folge kurz Genannten tendiere. Denkbar wäre zunächst der um 1600 in Neustadt an der Orla geborene Nikolaus Gutjahr. 1648 hat er unweit von Bendeleben die Orgel in der Schloßkirche zu Sondershausen erbaut. Relativ wenig wissen wir über Samuel Herold, der Mitte des 17.Jahrhunderts in Wernigerode wirkte und unter anderem 1657 in Nordhausen die Orgel der sog. „Frauenberger Kirche“ reparierte. Etwa um diese Zeit herum machte sich in Nordhausen auch Georg Benedikt Papenius selbstständig. Er ist der Stammvater einer Orgelbauerfamilie, die über drei Generationen hinweg im Harz, in Nordthüringen und Ostniedersachsen wirkte und zahlreiche bedeutende Instrumente schuf. Über Georg Benedikt Papenius besitzen wir – im Gegensatz zu seinen Söhnen und Enkeln - nur wenig gesicherte Daten, er starb 1709 in Nordhausen und ist seit 1662 als Orgelbauer nachweisbar. In jenem Jahre 1662 errichtete er ein Instrument in Bielen bei Nordhausen, das teilweise – wenn auch derzeit ausgelagert und unspielbar - erhalten ist. Die frappierende Ähnlichkeit des Prospekts in Bielen mit demjenigen in Bendeleben, vor allem des Schnitzwerks, fällt sofort ins Auge. Bedenken muss man bei dem Vergleich, dass beide Instrumente später mehr oder weniger stark verändert wurden. Die Orgel in Bendeleben wurde am 25.Juni 1811 bei einem Blitzschlag beschädigt. 1813 bis 1815 erfolgte sodann eine Reparatur durch den Orgelbauer Johann Heinrich Hartung aus Kölleda. Der 1769 geborene Hartung tauschte dabei einige wenige Register aus und wandelte das ursprüngliche Rückpositiv in ein Unterwerk um; dabei verwendete er einen Großteil des alten Pfeifenmaterials wieder. Kleinere Veränderungen der Disposition sind nochmals für das Jahr 1860 überliefert.
Die 1660 oder 1666 errichtete Orgel in Bendeleben, für die die Zuschreibung an Georg Benedikt Papenius aufgrund stilistischer Vergleiche zumindest nicht abwegig erscheint, besitzt heute 18 Register auf zwei Manualen und Pedal. Etwa die Hälfte des Pfeifenwerks hat sich aus der ursprünglichen Orgel des 17.Jahrhunderts bis heute erhalten. Die Manuale besitzen vermutlich seit dem Umbau Anfang des 19.Jahrhunderts den ungewöhnlichen Tonumfang vom D bis zum dreigestrichenen f. Die vorhandenen Tasten des C und des Cis sind in den Manualen, ebenso wie im Pedal, blind. Das vom „oberen Clavier“ aus angespielte Hauptwerk verfügt über Bordun 16', Principal und Gedackt 8', Octave und Gedackt 4', eine Quinta 3', die Octava 2' sowie eine 3fache Mixtur. Das heutige Unterwerk besitzt die Stimmen Gedackt und Flöte 8', Principal und Gedackt 4', sowie ebenfalls eine Octave 2' und eine 3fache Mixtur. Beim 4'-Principal des Unterwerks handelt es sich um die ehemaligen Prospektpfeifen des alten Rückpositivs. Das Pedal schließlich, nach oben bis zum c1 geführt, verfügt über Subbaß und Violonbaß 16' sowie Octavbaß und Violon 8', dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel. Im Jahr 2000 wurde die Orgel restauriert, wobei der Prospekt neu gefasst und die historisch gewachsene Klanggestalt beibehalten wurde. Derzeit leidet die Orgel ein wenig darunter, zu wenig gespielt zu werden, da es keinen ortsansässigen Organisten gibt. Dabei hätte die älteste Orgel Nordthüringens es verdient, bekannter zu sein, als sie heute ist. 

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Disposition:

Hauptwerk, D-f3 Oberwerk, D-f3 Pedal, D-c1  
Bordun 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flöte 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Principal 4' Octavbaß 8'  
Octave 4' Gedackt 4' Violon 8'  
Gedackt 4' Octave 2'    
Quinta 3' Mixtur 3f.    
Octave 2'      
Mixtur 3f.      
       
In Bendeleben gespielte Stücke:
Johann Samuel Beyer: Vom Himmel hoch, da komm ich her >>>
Christian Flor: Ein feste Burg ist unser Gott >>>
Christian Flor: Praeludium in e (I) >>>
Christian Flor: Praeludium in e (II) >>>
Ernst Ludwig Gerber: Rondo pro Organo G-Dur >>>
Johann Krieger: Praeludium in A >>>
Johann Pachelbel: Fuga in a >>>
Johann Pachelbel: Wir glauben all an einen Gott >>>
Delphin Strungk: Laß mich dein sein und bleiben >>>
Friedrich Wilhelm Zachow: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>>
Friedrich Wilhelm Zachow: Ach Herr, mich armen Sünder >>>
Friedrich Wilhelm Zachow: Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ >>>
Friedrich Wilhelm Zachow: Jesu, der du meine Seele >>>



BLIEDERSTEDT (Stadt Greußen, Kyffhäuserkreis)
Ev. Kirche St. Georg




Erbauer: Christoph Maul (Greußen) 1872, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

80 Einwohnerinnen und Einwohner leben heute in Bliederstedt, einem Ortsteil der Stadt und Landgemeinde Greußen im thüringischen Kyffhäuserkreis. Umgeben von Streuobstwiesen, Feldgehölzen und Hecken, liegt das im 10. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnte Bliederstedt am nördlichen Rand des fruchtbaren Thüringer Beckens an der südlichen Abdachung der Hainleite und rund 4 Kilometer nordöstlich von Großenehrich, mit dem das Dorf gemeindlich und pfarrlich verbunden ist. 2021 haben sich die seitherigen Gemeinden Großenehrich, Wolferschwenda und Greußen nebst ihren Ortsteilen zur neuen Stadt und Landgemeinde Greußen zusammengeschlossen. Früher gehörte Bliederstedt bis zum Untergang der Thüringer Kleinstaaten zur Unterherrschaft des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen. Diese Herrschaft war bis 1918 in drei räumlich weit voneinander liegende Territorien aufgeteilt, in die Oberherrschaft mit Arnstadt und Gehren sowie einigen Exklaven und die Unterherrschaft rund um Sondershausen, Ebeleben und Greußen. Der Turm der nicht sehr großen, dabei trutzig wirkenden Dorfkirche St. Anna stammt noch aus romanischer Zeit, Langhaus und Vorhalle entstanden 1668. Ein schöner gotischer Flügelaltar aus dem 15. Jahrhundert ist der kostbarste Schatz des Gotteshauses, natürlich neben der Orgel, die 1872 von dem einheimischen Orgelbauer Christoph Maul aus Greußen erbaut wurde.
Bis heute ist es nicht gelungen, die Biographie jenes Christoph Maul über das hinaus zu erhellen, was er uns selbst durch seine Handwerkskunst hinterlassen hat. Wir wissen also weder sein Geburtsjahr noch seinen Lehr- und Gesellenweg. Die Kirchenbücher von Greußen enthalten zwischen 1850 und 1920 jedenfalls keinen Hinweis auf ihn. Ob er ein Geselle der Familie Hesse in Dachwig war oder, was vielleicht etwas wahrscheinlicher ist, er zuvor bei Julius Strobel in Sondershausen in Lohn und Brot stand, darüber können wir nur spekulieren. Erstmals begegnet er uns 1854 anläßlich eines Umbaus der Orgel in Grüningen bei Greußen und 1856 gibt er einen Kostenanschlag für eine geplante Reparatur in Straußfurt ab. Seine wenigen Orgelneubauten errichtete Maul alle zwischen 1870 und 1877 in einem relativ engen Umfeld rund um Greußen. 1870 die erste in Kirchengel mit 10 Registern, dann 1871 in Niederbösa mit 13 Stimmen. 1872 folgt dann der Orgelbau in Bliederstedt, 1875 im benachbarten Otterstedt und 1877 in Westerengel. Von diesen sind neben Bliederstedt die Orgeln in Kirchengel und Westerengel bis heute erhalten. Auf der Rückseite des Klaviaturrahmens zu Bliederstedt hat er sich als F. C. Maul verewigt und die Tatsache, dass wir heute nicht einmal mehr seinen ersten, mit F beginnenden Vornamen wissen zeigt einmal mehr, wie vollständig vergessen dieser lokale Meister lange Zeit war – und es über sein enges Wirkungsumfeld hinaus auch heute noch ist. Dabei hat er in Bliederstedt auf kleinem Raum ein gediegenes Werk geschaffen, das optisch und klanglich hervorragend in den Raum eingepasst ist. Er gab ihr mechanische Schleifladen im Manual und eine Registerkanzellenlade in Stile von Kegelladen im Pedal. Hier verwendete er interessanterweise statt der Kegel belederte Holzplatten mit Bleiauflagen, wie wir es ganz ähnlich bei Emil Reubke in Hausneindorf bei Magdeburg finden. Sollte Christoph Maul aus dieser Gegend nach Thüringen eingewandert sein? 1899 wurde die Orgel in Bliederstedt durch Friedrich Wilhelm Böttcher aus Sömmerda leicht umgebaut und in den folgenden rund 110 Jahren nur noch bei Bedarf repariert. 2020 erfolgte dann eine Restaurierung durch Gerhard Walcker-Mayer aus Kleinblittersdorf. 
Die Orgel in Bliederstedt besitzt 7 Register. Im Manual besitzt die Stimmen Principal, Gedackt und Gamba 8' sowie Octave und Flöte 4'. Diese hölzerne 4'-Flöte wurde übrigens zu unbekannter Zeit durch Absägen der ehemaligen Aeoline hergestellt. Insgesamt ist es eine sparsame, dennoch für den Raum vollkommen ausreichende Disposition, die im Pedal durch Subbaß 16' und Violon 8' grundiert wird. Dazu kommt eine Pedalkoppel. Orgeln wie die in Bliederstedt sind in ihrer Bescheidenheit wichtige Denkmale ihrer Zeit und ihrer Region, gehörte doch die schwarzburg-sondershäusische Unterherrschaft damals zu den wirtschaftlich rückständigsten Gegenden aller Thüringischen Staaten und viele Dorfkirchen in ihr hatten bis dahin überhaupt keine Orgeln besessen.  

 
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Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-c1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Violon 8'  
Gamba 8'    
Octave 4'    
Flöte 4'    

In Bliederstedt gespielte Stücke:
Gustaf Hägg: Ach, sagt mir nichts von Gold >>>
Gotthilf Wilhelm Körner: Da Christus geboren war >>>
Johannes Barend Litzau: Der graue Winter weit und breit >>>
Carl Loewe: Allegro moderato D-Dur >>>
Carl Loewe: Allegro A-Dur >>>
Carl Loewe: Andante g-moll >>>
Carl Loewe: Moderato g-moll >>>
Karl Piutti: Herzlich lieb hab ich dich, o Herr >>>
Adolf Heinrich Sponholtz: Präludium As-Dur >>>
Adam Gottlieb Theile: Jesus, meine Zuversicht >>>
Adam Gottlieb Theile: Präludium e-moll >>>
Johann Gottlob Töpfer: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>>
Johann Gottlob Töpfer: Christ lag in Todesbanden >>>
Johann Gottlob Töpfer: Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn >>>
Johann Gottlob Töpfer: Von Gott will ich nicht lassen



BURGKEMNITZ (Gemeinde Muldestausee, Landkreis Anhalt-Bitterfeld)
Ev. Kirche Christi Himmelfahrt




Erbauer: Friedrich Wilhelm Wäldner (Halle) 1851, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Zwischen Dessau-Roßlau und Bitterfeld, am Rande der Dübener Heide, liegt Burgkemnitz, heute ein Ortsteil der Gemeinde Muldestausee im Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit 815 Einwohnerinnen und Einwohnern. 1456 urkundlich erstmals genannt, doch sicher älter, gehörte der Ort zum ernestinischen Kurfürstentum Sachsen und wurde 1816 der preußischen Provinz Sachsen zugeteilt. Das prachtvolle Schloß am Rande des Dorfes war seit 1665 bis zur Enteignung nach dem Zweiten Weltkrieg Sitz des Rittergutes der Familie von Bodenhausen. Aus der Burgkemnitzer Linie derer von Bodenhausen gingen mehrere Domherren in Merseburg und Naumburg, preußische Kammerherren und Landräte hervor. Heute steht das von einem prächtigen Park mit mehreren Teichen umgebene Schloß leer – ein trauriger Anblick. Ganz anders die ehemalige Patronatskirche gleich nebenan – eine der prachtvollsten ländlichen Barockkirchen weit und breit. Ein Blick im Inneren zur Decke offenbart uns förmlich den Himmel auf Erden mit seiner riesigen Himmelfahrtsszenerie; und auch die dreiseitigen, doppelten Emporen sind mit Bibelszenen und –Versen über und über ausgestaltet. Ferdinand von Bodenhausen legte 1722, also vor nunmehr 300 Jahren den Grundstein zu dem Gotteshaus, um dessen Erhaltung sich neben der Gemeinde seit 30 Jahren auch der rührige Förderverein Barockkirche Burgkemnitz e.V. kümmert. Eine der ersten Aufgaben des Vereins war 1992 bis 1993 die Restaurierung der Orgel, die 1851 von Friedrich Wilhelm Wäldner aus Halle erbaut wurde. 
Friedrich Wilhelm Wäldner wurde 1785 in Olbersleben im heutigen thüringischen Landkreis Sömmerda geboren. Nach seiner Lehre, entweder bei Johann Friedrich Leberecht Zuberbier oder Carl Albrecht von Knoblauch, erwarb er 1815 das Bürgerrecht in Halle und machte sich in der Stadt als Orgelbauer selbstständig. Bis zu seinem Tod 1852 entstanden rund 40 Werke, meist kleinere und mittelgroße Instrumente wie jene Orgel in Burgkemnitz, die 1851 als eines seiner letzten Werke fertiggestellt wurde. Zeitgleich arbeitete Wäldner seit 1847 an der neuen Orgel für den Hallenser Dom, die mit 33 Registern seine größte werden sollte und die bis heute wohlerhalten ist. Bei diesen Arbeiten wurde er von seinem 1817 geborenen Sohn August Ferdinand Wäldner unterstützt, der von klein auf in der väterlichen Werkstatt mitwirkte und diese 1851, kurz nach Abschluß der Arbeiten in Halle und Burgkemnitz, übernahm. Er ist bis 1897 als Orgelbauer nachweisbar und starb hochbetagt im Jahre 1905. Von Friedrich Wilhelm Wäldner, also dem Vater, seien exemplarisch erwähnt die erhaltenen Orgeln in Ausleben bei Oschersleben von 1828, ein sehr schönes Werk mit 13 Registern nebst Glockenaccord, sowie die Instrumente in Brehna von 1835 mit 22 Stimmen und in Reideburg bei Halle, dem Geburtsort Hans-Dietrich Genschers, von 1847 mit 16 Registern.  Aus der Ära des Sohnes seien, ebenfalls nur beispielhaft, die Orgeln in Unterteutschenthal im Saalkreis von 1856 mit 16 Registern und das nach der Hallenser Domorgel größte erhaltene Werk der Familie Wäldner in Sandersleben im Landkreis Mansfeld-Südharz mit 25 Stimmen genannt. Doch ist letztere Orgel derzeit unspielbar; sie wartet wie auch noch manch anderes Meisterwerk - nicht nur der Firma Wäldner - dornröschengleich darauf, irgendwann einmal angemessen beachtet und wieder zu klingendem Leben erweckt zu werden. 
Die Orgel in Burgkemnitz, etwas beengt auf der zweiten Empore über der Patronatsloge direkt unter der Decke thronend, besitzt 13 Register und einen zeittypischen, klassizistischen Prospekt mit drei Feldern. 1993 wurde das nahezu unverändert erhaltene Instrument durch die Firma Schuster & Sohn aus Zittau denkmalgerecht restauriert. Im Hauptwerk stehen die Register Bordun 16', Principal 8' und 4', Gedackt 8' und 4', die Octave 2' und eine 3fache Mixtur; also eine ganz klassische, schnörkellose Disposition. Die romantischen Farben sind allesamt im Oberwerk vereint, hier finden wir Viola di Gamba und Flauto traverso 8' sowie Flauto amabile und Salicional 4'. Das Pedal tritt mit Subbaß 16' und Violoncello 8' dazu, die übliche Manual- und Pedalkoppel ergänzt das Klangbild. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Flaut traverso 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Viol di Gamba 8' Violon Cello 8' Pedalkoppel
Gedackt 8' Flaut amabile 4'    
Principal 4' Salicional 4'    
Gedackt 4'      
Octave 2'      
Mixtur 3f.      

In Burgkemnitz gespielte Stücke:
Victor Klauß: Allegro maestoso D-Dur >>>
Karl Kühn: Da Christus geboren war >>>
Karl Kühn: O du Hüter Israels >>>
Arnold Mendelssohn: Mein Heiland nimmt die Sünder an >>>
Wilhelm Rust: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Wilhelm Rust: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Friedrich Schneider: Trio As-Dur >>>
Friedrich Schneider: Trio Es-Dur >>>
Friedrich Schneider: Trio f-moll >>>
Friedrich Wilhelm Stade: Fantasie d-moll >>>



CHÖRAU (Gemeinde Osternienburger Land, Landkreis Anhalt-Bitterfeld)
Ev. Bethaus




Erbauer: Eduard Zuberbier (Dessau) 1857, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Chörau ist ein Ortsteil der Gemeinde Osternienburger Land im sachsen-anhaltinischen Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Das Dorf liegt einige Kilometer westlich von Dessau-Roßlau am Rande des Biosphärenreservates Flusslandschaft Mittlere Elbe. Der Ort lag in einer slawisch besiedelten Gegend und wird 1147 erstmals in einer Urkunde König Konrads III. erwähnt, in der dieser das Dorf Chörau – villa Curouue – an das Prämonstratenserkloster Gottesgnaden bei Calbe (Saale) übertrug. Anfang des 15. Jahrhunderts kam das Gebiet dann zusammen mit der benachbarten Stadt Aken an das Erzstift Magdeburg, aus dem das Herzogtum Magdeburg entstand, das ab 1680 zu Kurbrandenburg gehörte. Doch war Chörau zwischenzeitlich wüst gefallen, denn in dem 1842 erschienenen „historisch-geographisch-statistisch-topographischen Handbuch vom Regierungsbezirke Magdeburg“ lesen wir: Chörau, Land- und Stadgericht Kalbe, ein in der Mitte des vorigen Jahrhunderts angelegtes Kolonisten-Erbpachtsdorf, nach Aken eingepfarrt, 3 1/2 Meilen südöstlich von Kalbe, 7 Meilen von Magdeburg und eine Meile von Aken; der östlichste Ort des Kreises, dicht an der Anhalt-Dessauischen Grenze; 1 evangelisches Bethaus, worin alle 14 Tage Gottesdienst gehalten wird.“ 2010 schloß sich Chörau mit 13 anderen Gemeinden zur neuen Einheitsgemeinde Osternienburger Land zusammen. Das erwähnte Bethaus ist ein schlichter, klassizistischer Bau ohne Glockenturm, der 1790 eingeweiht wurde und stilistisch von dem bedeutenden Dessauer Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff beeinflußt ist. Einziger Schmuck im Inneren ist neben einem modernen Bilderzyklus des Köthener Malers Steffen Rogge die 1857 erbaute Orgel aus der Werkstatt von Eduard Zuberbier in Dessau. 
Der Orgelbauer Eduard Zuberbier ist der zeitlich letzte Vertreter einer der bedeutendsten und verzweigtesten mitteldeutschen Orgelbauerfamilien des 18. und 19. Jahrhunderts. Ihr Stammvater war der 1682 in der Nähe von Quedlinburg geborene David Zuberbier, der in Bernburg, Köthen und Halle wirkte. Seine vier Söhne wurden ebenfalls Orgelbauer. Der Bedeutendste von ihnen war der um 1713 geborene Johann Christoph Zuberbier, der später als Hoforgelmacher in Köthen und Halle wirkte. Sein 1725 geborener Bruder Johann Andreas Zuberbier errichtete seine eigene Werkstatt in Zerbst, verlegte diese später zunächst in die Bergstadt Obernkirchen bei Bückeburg und 1774 nach Clausthal und wirkte hauptsächlich in den „Hannoverschen Landen“ bis an die Grenze zu Hessen-Kassel. Ein dritter Sohn, der 1716 geborene Johann Georg Zuberbier wäre kaum der Erwähnung wert, wenn er nicht der Vater des 1739 zur Welt gekommen Andreas Ludwig Zuberbier wäre, der bei seinem Onkel Johann Christoph in Köthen in die Lehre ging und sich 1770 in Zörbig und zehn Jahre später in Dessau niederließ, wo er zum Hoforgelbauer ernannt wurde. Noch in Zörbig wurde 1776 dessen Sohn Adolph Zuberbier geboren, der nach dem Tod des Vaters 1798 das Amt des Dessauer Hoforgelbauers weiterführte. Um 1840 arbeitete bei Adolph Zuberbier auch der große Friedrich Ladegast für einige Zeit als Geselle, wo er auch dem 1825 geborenen Eduard Zuberbier begegnet sein dürfte, der nach Adolphs Tod 1856 die Werkstatt übernahm. Er schuf bezaubernd klangschöne und solide gebaute, kleine Orgeln wie das Instrument in Chörau, von denen sich aber nur wenige erhalten haben. Ein ganz ähnliches Werk steht noch in Thießen bei Coswig in Anhalt aus der Zeit um 1860. Der letzte orgelbauende Zuberbier starb 1887 in Dessau. 
Die kleine Zuberbier-Orgel in Chörau besitzt sechs Register, vier im Manual und zwei im Pedal, eine Pedalkoppel ist nicht vorhanden. Gedackt und Flaut travers 8', Principal und Gedackt 4', Subbaß 16' und Gedacktbaß 8', mehr nicht. Doch füllen diese sechs wohlgewählten und fein aufeinander abgestuften Stimmen, die mit Ausnahme des Principal 4' allesamt aus Holzpfeifen bestehen, den kleinen Raum mit einer eigentümlich charmanten und liebenswerten Wärme und Fülle, wie man sie bei manch größerem Instrument vergeblich sucht.  

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Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-c1
Gedackt 8' Subbaß 16'
Flaut travers 8' Gedecktbaß 8'
Principal 4'  
Gedackt 4'  

In Chörau gespielte Stücke:
Johann Ernst Altenburg: Affectuoso e-moll >>>
Gustav Flügel: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort >>>
Gustav Flügel: Herzliebster Jesu >>>
Gustav Flügel: Jesu, meines Lebens Leben >>>
Gustav Flügel: Zion klagt mit Angst und Schmerzen >>>
Sigfrid Karg-Elert: Cantata di chiesa (alla Bach) >>>
Carl Loewe: Andante e-moll >>>
Carl Loewe: Andante F-Dur >>> 
Carl Loewe: Andante G-Dur >>>
Carl Loewe: Maestoso B-Dur I >>>
Carl Loewe: Maestoso B-Dur II >>>
Friedrich Nietzsche: Einleitung zu "Weihnachten" >>>
Friedrich Nietzsche: Hirtenchor aus "Weihnachten" >>>
Robert Papperitz: Herzliebster Jesu >>>
Georg Rathgeber: Vorspiel Des-Dur >>>
Georg Rathgeber: Vorspiel Es-Dur >>>
Hermann Schellenberg: Pastorale G-Dur



DÖRNA (Gemeinde Anrode, Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Kirche St. Georg




Erbauer: Johann Friedrich Wender (Mühlhausen) 1700-1701, Rekonstruktion Kristian Wegscheider (Dresden) 1998-2001, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Dörna ist ein nordwestlich von Mühlhausen gelegenes Dorf, das in einer Talmulde vom Schildbach durchflossen wird. Es liegt innerhalb des Mühlhäuser Landgrabens am Rande des Eichsfeldes. Das Dorf ist uralt; schon im 1. Jahrhundert gab es im Ortsbereich eine Eisenschmelzerei neben einer Siedlung von Hermunduren, das ist ein germanischer Volksstamm. Eine zweite Ansiedlung dieses Stammes mit Kultstätte lag im Bereich des heutigen Kirchbergs. Aus dieser Siedlung ging das Dorf „Thurnithi“ hervor, dessen Name „Dorniges“ bedeutet. Die älteste schriftliche Erwähnung von „Dornede“ erfolgte in einer Urkunde aus dem Jahr 1004. Auf der heidnischen Kultstätte erbaute man 1119 eine dem heiligen Georg geweihte Kirche, die bis 1713 mehrfach erneuert und erweitert worden ist. 1302 erwarb die Freie und Reichsstadt Mühlhausen das Dorf. 1802 fiel Dörna zusammen mit Mühlhausen an das Königreich Preußen und nach dem Wiener Kongress an die Provinz Sachsen. 1997 wurde Dörna zu einem Ortsteil der Gemeinde Anrode im Unstrut-Hainich-Kreis und hat heute rund 380 Einwohnerinnen und Einwohner. Die im Kern romanische Saalkirche ist noch heute von einem wehrhaften Mauerring umgeben. 1655 wurde in dieser Kirche in Dörna Johann Friedrich Wender getauft, der berühmte Orgelbauer, der nach 1700 mehrfach mit dem jungen Johann Sebastian Bach zusammenarbeitete.
Die Vorfahren Johann Friedrich Wenders stammten aus dem mittelfränkischen Ort Ostheim bei Gunzenhausen. 1655 wurde Wender in der Kirche zu Dörna getauft. Wo er seine Ausbildung zum Orgelmacher erhielt, wissen wir nicht. Sollte es in Mühlhausen gewesen sein, so käme eigentlich nur die Werkstatt des Orgelbauers Jost Sieburg in Frage, über den wir allerdings äußerst wenig wissen. 1682 ist Wender erstmals mit einer eigenen Orgelarbeit in Bollstedt nachweisbar. Ab 1687 führte er umfangreichere Arbeiten an den Orgeln der beiden Mühlhäuser Hauptkirchen durch und richtete seine Werkstatt dann auch in der freien Reichsstadt ein. Nach weiteren Arbeiten in Rastenberg, Höngeda und Horsmar schloß Wender mit der Gemeinde der „Neuen Kirche“ in Arnstadt den Vertrag zum Bau einer neuen Orgel. Nach einigen Verzögerungen konnte die Abnahme dieser Orgel schließlich 1703 durch Johann Sebastian Bach vorgenommen werden. Bach und Wender müssen sich der 30 Jahre Altersunterschied gegenseitig geschätzt haben, und Wender empfahl Bach schließlich 1707 dem Mühlhäuser Rat für die vakante Organistenstelle an Divi Blasii. Parallel zum sich hinziehenden Orgelbau in Arnstadt erbaute Wender eine kleine Orgel für die Kirche St. Maria Magdalena im ehemaligen Mühlhäuser Brückenkloster, die 1701 fertiggestellt wurde. Die kleine Kirche war eine Filiale von Divi Blasii und es ist durch entsprechende Rechnungen nachgewiesen, dass auch Johann Sebastian Bach in seiner Mühlhäuser Zeit hier regelmäßig den Organistendienst versah. Die Wender-Orgel in St. Maria Magdalena wurde in der Folgezeit mehrfach umgebaut und spätestens nach 1950 verwahrloste das Instrument mehr und mehr. Schließlich wurden die Reste der Orgel 1985 abgetragen und in der Kirche von Wenders Geburtsort Dörna neu aufgestellt. Nach der politischen Wende wurde der rührige „Förderverein Bach-Orgel Dörna e.V.“ gegründet. Ihm ist es zu verdanken, dass 2001 die Wiedereinweihung der rekonstruierten Orgel feierlich vollzogen werden konnte. Die höchst anspruchsvollen Arbeiten hatte man der Orgelwerkstatt von Kristian Wegscheider in Dresden übertragen. Einige Jahre nach dem Bau der Brückenhof-Orgel, zu Bachs Mühlhäuser Amtszeit, beauftragte der Rat der Stadt Wender mit dem Umbau der Orgel in Divi Blasii nach Bachs Angaben. Erwähnenswert in seinem weiteren Schaffen ist vor allem noch der 1714 fertiggestellte Neubau der Orgel in der Erfurter Severikirche mit drei Manualen und 28 Stimmen. 1729 starb Johann Friedrich Wender und sein Sohn Christian Friedrich übernahm die Werkstatt, konnte allerdings nicht mehr an die Qualitätsmaßstäbe seines Vaters anknüpfen.
Von der Orgel Johann Friedrich Wenders, die heute in Dörna steht, sind im Originalzustand das Gehäuse, die originale Windlade mit Traktur und Wellenbrettern, einige Registerzüge und die Manualklaviatur erhalten. Diese Windlade war im Rahmen der Rekonstruktion der Bach-Orgel in Arnstadt ein wichtiges Vorbild für die dortigen Arbeiten; umgekehrt waren die Mensuren der erhaltenen Wender-Register in Arnstadt wichtig für die Rekonstruktion des Pfeifenwerks in Dörna. Weitere Vorbilder waren einige erhaltene Register von Wenders Schülern Johann Christian und Johann Eberhard Dauphin, zum Beispiel in Iba bei Bebra. Die Orgel in Dörna, die heute auch gerne als Bach-Orgel bezeichnet wird, besitzt 7 Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual hat einen Umfang vom Ton C bis zum c3 ohne das Cis und ist klanglich auf dem Principal 4' aufgebaut. Dazu gesellen sich die Stimmen Gedackt 8', Flöte 4', eine Quinta 3', eine Spitzflöte 2' und eine dreifache Mixtur. Das Pedal, das bis zum c1 ausgebaut ist, besitzt einen Subbaß 16' und ist überdies fest ans Manual gekoppelt. Die interessant geformte Manualklaviatur, deren Originale heute im Bachhaus zu Eisenach aufbewahrt werden, wurde rekonstruiert und spielt sich ausgesprochen angenehm – wenn man sich erst einmal an sie gewöhnt hat. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel (fest)
Principal 4'    
Flöte 4'    
Quinta 3'    
Spitzflöte 2'    
Mixtur 3f.    
     
In Dörna gespielte Stücke:
Johann Friedrich Agricola: Herzliebster Jesu >>>
Johann Friedrich Agricola: Ich hab mein Sach Gott heimgestellt >>>
Andreas Armsdorff: Aus tiefer Not schrei ich zu dir >>>
Andreas Armsdorff: Gott hat das Evangelium >>>
Andreas Armsdorff: Herr Jesu Christ, du höchstes Gut >>>
Andreas Armsdorff: Wie's Gott gefällt, gefällt mir`s auch >>>
Johann Sebastian Bach: Durch Adams Fall ist ganz verderbt BWV 705 >>>
Johann Sebastian Bach: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend BWV 726 >>>
Johann Krieger: Gott, der Vater steh uns bei >>>
Johann Krieger: Wir Christenleut >>>
Johann Pachelbel: Praeludium und Fuge in d >>>
Johann Caspar Simon: Ach, was soll ich Sünder machen >>>



FRIEDRICHSLOHRA (Gemeinde Großlohra, Landkreis Nordhausen)
Ev. Kirche St. Bonifatius



Erbauer: Robert Knauf & Sohn, Inhaber Friedrich Johnsen (Bleicherode) 1906, Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Friedrichslohra ist ein Ortsteil der Gemeinde Großlohra im Landkreis Nordhausen in Thüringen. Der Ort liegt am nordwestlichen Ausläufer des Höhenzuges Hainleite. Vom Fuß der Hainleite flacht gen Norden die Landschaft kupiert ab und geht in kleinere Anhöhen über. Friedrichslohra wurde erst im 18. Jahrhundert durch eine Siedlungsmaßnahme Friedrichs des Großen gegründet. Daher auch der Name des Ortes. Die ersten Ansiedler waren Wollspinner und Weber hauptsächlich aus dem Eichsfeld, aber auch aus Österreich und Italien. Die Straße, in der die ersten 22 Häuser errichtet wurden, heißt deshalb heute immer noch ganz offiziell „22-er Straße“. 1950 entstand die Gemeinde Großlohra durch den Zusammenschluss der bisherigen Gemeinden Friedrichslohra, Großwenden und Kleinwenden. Das Dorf Friedrichslohra besitzt zwei Kirche, eine evangelische und eine katholische und beide sind dem Heiligen Bonifatius geweiht. Und noch etwas haben beide Kirchen gemeinsam, denn beide besitzen Orgeln aus der Werkstatt der Familie Knauf in Bleicherode. Das Instrument in der katholischen Kirche wurde 1844 von Gottlieb Knauf errichtet, später allerdings im Klangbild verändert. Die 1852 erbaute evangelische Kirche, eine Saalkirche aus Fachwerk ohne Turm, bekam nach ihrer Errichtung ebenfalls eine Orgel von Gottlieb Knauf, deren schlichter, nachklassizistischer Prospekt noch heute vorhanden ist. Das klingende Innenleben wurde 1906 erneuert und zwar durch die Firma Robert Knauf und Sohn, Inhaber Friedrich Johnsen. Von den rund 175 bis heute mehr oder weniger verändert erhaltenen Orgeln aller Generationen der Familie Knauf ist sie eine der zeitlich allerletzten überhaupt.
Die Geschichte der Orgelbauerfamilie Knauf beginnt im späten 18.Jahrhundert mit dem 1762 geborenen Valentin Knauf. Dieser hatte seine Werkstatt in Großtabarz bei Gotha und sein Sohn Friedrich Knauf übernahm später die väterliche Werkstatt. Sein 1810 geborener jüngerer Bruder Gottlieb Knauf heiratete 1838 eine Frau aus Bleicherode und errichtete im selben Jahr eine eigene Orgelmacherwerkstatt in seiner neuen Heimatstadt. Nach Gottlieb Knaufs Tod 1872 ging die Werkstatt an seinen Sohn 1839 geborenen Robert Knauf über und als dieser im Jahre 1900 verschied, stand bereits der 1869 geborene Ernst Knauf bereit, um die Familienwerkstatt zu übernehmen. Ernst Knauf hatte im väterlichen Unternehmen sein Handwerk erlernt und dann vermutlich in Luzern, bei der Firma Goll gearbeitet, wo er den Bau pneumatischer Trakturen kennenlernte. Doch bereits vier Jahre nach der Übernahme des Unternehmens, Ende 1904, verstarb Ernst Knauf im Alter von gerade einmal 35 Jahren an einer Blutvergiftung. Einige Monate zuvor, im Januar 1904 war Friedrich Johnsen als persönlich haftender Gesellschafter in die Firma Knauf eingetreten, die seitdem als Offene Handelsgesellschaft firmierte. Johnsen wurde 1873 in Humtrup bei Süderlügum in Nordfriesland geboren. Er arbeitete zunächst bei der K.u.K. Hoforgelfabrik Gebr. Rieger in Jägerndorf im damaligen Österreichisch-Schlesien, wo er es bereits in jungen Jahren zum Direktor brachte. Nach dem plötzlichen Tod von Ernst Knauf erwarb Friedrich Johnsen von dessen Witwe die gesamte Fabrik und erbaute mit Hilfe eines Darlehens des Bleicheröder Bankhauses Frühberg neue Werkshallen. Das Unternehmen hieß nun Kunstanstalt für Orgelbau Knauf und Sohn, Inhaber Johnsen und Co. Doch offensichtlich hatte sich Johnsen damit finanziell übernommen, schon 1906 zeichneten sich wirtschaftliche Probleme ab und 1908 mußte schließlich das Konkursverfahren über das traditionsreiche Unternehmen eröffnet werden. Von Johnsens Arbeiten ist vor allem die Konzertorgel des Frühschen Gesangvereins im Saal des Gasthauses „Drei Linden“ in Nordhausen bekannt geworden. Doch ist diese Vorzeigeorgel bereits im Ersten Weltkrieg geplündert und später aufgegeben worden. Erhalten sind aus der kurzen Zeit seines Schaffens nur zwei kleine, einmanualige Orgeln, beide 1906 erbaut. Sie stehen in Kraja und in Friedrichslohra. Über das weitere Schicksal von Friedrich Johnsen ist nichts bekannt, 1909 schrieb er letztmals eine Postkarte aus Berlin und verschwand dann spurlos. Einige Jahre später wurde seine Frau als Witwe anerkannt.
Die 1906 vollendete Orgel von Friedrich Johnsen in Friedrichslohra besitzt 8 Register auf einem Manual und Pedal mit pneumatischen Kegelladen. 1960 wurde die Gambe entfernt. Im Rahmen der letzten Restaurierung 1999 durch den Orgelbauer Karl Brode aus Heiligenstadt wurde wieder eine historische Gambe - aus der abgebauten Kießling-Orgel in Obergebra - eingebaut und somit das originale Klangbild wiederhergestellt. Das Manual hat einen Umfang bis zum f3 und die Register Principal, Gamba, Hohlflöte und Gedackt 8', eine Oktave 4' und eine Rauschquinte 2fach als Klangspitze. Das Pedal hat einen Tonumfang bis zum d1 und verfügt über Subbaß 16' und ein Violoncello 8' Die Orgel besitzt feste Kombinationen für Piano und Forte sowie eine Pedalkoppel und eine Superoktavkoppel. Mit Hilfe dieser Superoktavkoppel entwickelt das kleine Instrument eine ungeahnte Klangfülle und einen fast schon sinfonischen Charakter. Die Orgel in Friedrichslohra – letzter Ausklang eines Unternehmens, das den mitteldeutschen Orgelbau im 19.Jahrhundert und die Orgellandschaft Thüringens wesentlich mitgeprägt hat.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Violoncello 8' Superoktavkoppel
Gamba 8'    
Gedackt 8'    
Octave 4'    
Rauschquinte 2f.    

In Friedrichslohra gespielte Stücke:
Max Gulbins: Ich hatt' einen Kameraden >>>
Sigfrid Karg-Elert: O Santissima >>>
Sigfrid Karg-Elert: Requiem aeternam (alla Palestrina) >>>
Sigfrid Karg-Elert: Villanella (alla Orlando di Lasso) >>>
Albert Steinicke: Gebetswünsche zum Geburtstag Sr. Majestät >>>
Bernhard Sulze: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Bernhard Sulze: Nach einer Prüfung kurzer Tage >>>
Wilhelm Volckmar: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>>
Wilhelm Volckmar: Es ist das Heil uns kommen her >>>
Wilhelm Volckmar: Jesu, Arzt todtkranker Seelen >>>



GEISLEDEN (Verwaltungsgemeinschaft Leinetal, Landkreis Eichsfeld)
Kath. Pfarrkirche St. Cosmas und Damian




Erbauer: Anton Feith II (Paderborn) 1936, Kegelladen, elektrische Spiel- und Registertraktur

Geisleden ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Sie gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Leinetal. Der Ort liegt ungefähr vier Kilometer südöstlich von Heiligenstadt im Tal der Geislede. Urkundlich erwähnt wird Geisleden schon um das Jahr 1022 als kaiserliches Reichsdorf. Der Name könnte sich von „Geislaha“ für Ziegenlache oder Ziegenbach ableiten. Begütert waren hier die Herren von Hanstein, von Worbis und von Geisleden. An dem Ort führt der Pilgerweg vom Kloster Loccum zum Kloster Volkenroda entlang; die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner bewegt sich knapp unter der Grenze von 1.000. Die heutige katholische Pfarrkirche St. Cosmas und Damian ist eine dreischiffige Hallenkirche, die 1924 unter Einbeziehung des Chores eines Vorgängerbaues von 1780 bis 1783 errichtet wurde. Der prachtvolle barocke Hochaltar stammt ebenso wie die Seitenaltäre und die Kanzel ebenfalls aus der spätbarocken Vorgängerkirche. Zwölf Jahre nach dem Abschluß der Umbauarbeiten, 1936, erhielt die Kirche dann eine neue Orgel. Sie stammt aus der Werkstatt von Anton Feith aus Paderborn. Der Orgelbau in Deutschland in den 1930er Jahren war starken Veränderungen unterworfen. Einerseits hielt man an den technischen Neuheiten der Spätromantik wie Kegelladen und pneumatischen und zunehmend elektrischen Trakturen fest, andererseits wandelte sich das Klangideal unter dem Einfluß der rückblickend so genannten Orgelbewegung sehr deutlich.
Die Firma Anton Feith ist aus der Eggert Orgelbau-Anstalt entstanden, die 1840 von Karl Joseph Eggert in Paderborn gegründet und von dessen Sohn Franz Eggert im Jahre 1874 fortgeführt wurde. Weil Franz Eggert keine Kinder hatte, verkaufte er 1902 das Unternehmen an den 1872 in Köln geborenen Anton Feith. Dieser hatte sein Handwerk in der Orgelbaufirma Schlimbach in Würzburg gelernt und machte sich 1897 in Köln-Ehrenfeld selbstständig. Nachdem Feith 1902 die Firma von Eggert übernommen hatte, errichtete er 1906 eine große Fabrikationshalle. Nach dem Tod von Anton Feith 1929 übernahm sein gleichnamiger, 1902 geborener Sohn das Unternehmen, den wir deshalb heute als Anton Feith II bezeichnen. Er leitete die Firma bis 1972. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Orgelbau wiederaufgenommen, 1960 hatte die Firma bereits wieder 45 Mitarbeiter. 1972 übernahm der Orgelbauer Siegfried Sauer den Betrieb und verlegte die Werkstatt nach Ottbergen. Im Jahre 1979 ist Anton Feith verstorben. Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Firma Feith eine der führenden Orgelbaufirmen Deutschlands. Aus der Werkstatt stammen hochwertige Instrumente in solider Bauweise, die verhältnismäßig früh mit elektrischer Traktur ausgestattet wurden. Auch die Orgel in Geisleden, 1936 mit 29 Registern auf zwei Manualen und Pedal erbaut, besitzt eine elektrische Spieltraktur sowie Kegelladen. In der Disposition finden wir eine interessante Mischung von romantischen Grundstimmen und einer ganzen Reihe von Neobarock-Stimmen, wie sie die Orgelbewegung forderte. Ihren Anfang nahm die Orgelbewegung unter anderem mit dem Neubau der sogenannten Praetorius-Orgel im Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Freiburg im Jahre 1921. Diese richtungweisende Orgel war zwar in ihrem Klangkonzept an einer Disposition des frühen 17.Jahrhunderts orientiert, hatte aber ansonsten Taschenladen und eine pneumatische Traktur. Klanglich dürfte die im Zwieten Weltkrieg zerstörte Praetorius-Orgel dem Instrument in Geisleden teilweise ähnlich gewesen sein, vor allem bei den Zungenstimmen.
Die von Anton Feith 1936 fertiggestellte Orgel in der Kirche zu Geisleden im Eichsfeld besitzt 29 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Manuale haben den heute üblichen Umfang vom Ton C bis zum g3. Das Hauptwerk verfügt über die Register Quintatön 16', Principal, Lieblich Gedackt, Gemshorn und Dolce 8', sodann Oktave 4', Nachthorn 2', eine Terzflöte 1 3/5' und als Klangkrone eine 3- 6fache Mixtur. Weiterhin besitzt das Hauptwerk zwei kräftige Zungenstimmen, nämlich eine Trompete 8' und einen Zink 4'. Im Oberwerk wird das Nebeneinander von Spätromantik und Neobarock besonders deutlich. Hier finden wir zunächst eine breite Palette spätromantischer Klangfarben, nämlich Seraphonprincipal, Doppelflöte, Rohrgedackt, Gamba, Zartgeige und Schwebung 8', sodann die orgelbewegten Stimmen Blockflöte 4', Quintflöte 2 2/3', eine Terzcimbel 3fach sowie ein Singend Regal 8'. Das bis zum f1 ausgebaute Pedal besitzt 8 Stimmen, nämlich Principalbaß, Subbaß und Zartbaß 16', Oktavbaß, Rohrgedackt und Cello 8', eine Kupferflöte 4' sowie eine schmetternde Posaune 16'. Dazu kommen zahlreiche Spielhilfen wie Schweller und Walze, eine Freie Kombination und verschiedene Normal, Sub- und Superoktavkoppeln. Im Jahre 2009 wurde das Instrument durch die Firma Johannes Motz Orgelbau aus Diedorf restauriert. Ein besonderes und in dieser Form selten gewordenes Orgeldenkmal wurde somit für die Zukunft bewahrt. 

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Disposition:


Hauptwerk, C-g3 Oberwerk, C-g3 Pedal, C-f1  
Quintatön 16' Seraphonprincipal 8' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Doppelflöte 8' Subbaß 16' Pedalkoppel zu I
Lieblich Gedackt 8' Rohrgedackt 8' Zartbaß 16' Pedalkoppel zu II
Gemshorn 8' Gamba 8' Oktavbaß 8' Suboktavkoppeln
Dolce 8' Zartgeige 8' Rohrgedackt 8' Superoktavkoppeln
Oktave 4' Schwebung 8' Cello 8' Freie Kombination
Nachthorn 2' Blockflöte 4' Kupferflöte 4' Crescendo-Walze
Terzflöte 1 3/5' Quintflöte 2 2/3' Posaune 16  
Mixtur 3-6f. Terzzimbel 3f.    
Trompete 8' Singend Regal 8'    
Zink 4'      

In Geisleden gespielte Stücke:
Frank Martin: Agnus Dei >>>
Ernst Maschke: Gedächtnisfeier >>>
Christian Michael: Courant in B >>>
Hermann Schroeder: Ihr Hirten, erwacht >>>
Hermann Schroeder: Kindelein zart >>>
Hermann Schroeder: Laßt uns das Kindlein wiegen >>>
Hermann Schroeder: Zu Bethlehem geboren >>>




GROSSENEHRICH (Stadt Greußen, Kyffhäuserkreis)
Ev. Stadtkirche St. Crucis



Erbauer: August Witzmann (Stadtilm) 1851, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
(Bordun 16') (Geigenprincipal 8') Subbaß 16' Manualkoppel
(Principal 8') Holzgedackt 8' Gedacktbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' (Flöte amabile 8') (Violon 16')  
(Hohlflöte 8') (Salicional 8') (Principalbaß 8')  
(Gambe 8') Principal 4' (Octavbaß 8')  
Octave 4' Metallgedackt 4' (Choralbaß 4')  
Flöte 4' Octave 2'    
Quinte 2 2/3' Quinte 1 1/3'    
Octave 2'      
Mixtur 4f.      

In Großenehrich gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Nun komm der Heiden Heiland BWV 599 >>>
Friedrich Brauer: Vorspiel C-Dur >>>
Friedrich Brauer: Vorspiel e-moll >>>
Jan Albert van Eijken: Ach, was bin ich, mein Erretter >>>
Jan Albert van Eijken: O Lamm Gottes, der du trugest >>>
Ludwig Ernst Gebhardi: Dir, dir, Jehovah, will ich singen >>>
Ludwig Ernst Gebhardi: Himmelan, nur himmelan >>>
Ludwig Ernst Gebhardi: Ich will dich lieben, meine Stärke >>>
Christian Gottlob Höpner: Allegro D-Dur >>>
Gotthilf Wilhelm Körner: Die güldne Sonne >>>
Friedrich Kühmstedt: Fahre fort, Zion, fahre fort >>>
Friedrich Kühmstedt: Wachet auf, ruft uns die Stimme >>>
August Michel: Drücket euch an meine Lippen >>>
Gustav Heinrich Gottfried Siebeck: Fuge C-Dur >>>
Wilhelm Wedemann: Ach Gott und Herr 



GROSSENGOTTERN (Landgemeinde Unstrut-Hainich, Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Pfarrkirche St. Walpurgis




Erbauer: Tobias Heinrich Gottfried Trost (Tonna) 1712-1717, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Großengottern ist ein Ortsteil der Landgemeinde Unstrut-Hainich im gleichnamigen thüringischen Landkreis. Der Ort liegt im nördlichen Thüringer Becken zwischen den beiden Städten Mühlhausen und Bad Langensalza. Die Ortslage von Großengottern liegt im Bereich des Innerthüringer Ackerhügellandes, der Norden und mit dem „Gotternschen Ried“ auch der Osten in der Unstrutaue. Urkundlich erwähnt wurde der Ort erstmals im Jahr 811. Im Bereich des Walpurgisfriedhofes befand sich früher eine Burgstelle. Das Torhaus des Friedhofs und der Kirchturm der heutigen evangelischen Dorfkirche St. Walpurgis, 1494 erbaut, besitzen noch deutlich wehrhaften Charakter. Der Ort gehörte bis 1815 zum kursächsischen Amt Langensalza und nach seiner Abtretung an Preußen bis 1944 zum Landkreis Langensalza in der Provinz Sachsen. Schon aus der Ferne grüßt der Ort mit seinen zwei Kirchen. Die ältere der beiden Kirchen ist St. Martini im Unterdorf. Sie besitzt eine bemerkenswerte Orgel von Johann Michael Hesse II aus dem Jahre 1842, die im kommenden Jahr restauriert wird. Im Oberdorf steht die Kirche St. Walpurgis, die, wie bereits erwähnt, im Jahre 1494 im spätgotischen Stil ihre heutige Gestalt erhielt. In der im Turmraum eingerichteten Jakobuskapelle bewundern wir den romanischen Taufstein und den spätgotischen Jakobusaltar, bevor sich unser Blick nach oben hin zur berühmten Orgel von Tobias Gottfried Heinrich Trost richtet. 1717 eingeweiht, ist sie heute die älteste Orgel, die uns aus dem Schaffen dieses bedeutenden Meisters bis heute erhalten sind.
Tobias Heinrich Gottfried Trost wurde um 1680 als Sohn des Orgelbauers Johann Tobias Gottfried Trost vermutlich in Halberstadt geboren und erlernte sein Handwerk in der väterlichen Werkstatt. Gemeinsame Orgelbauten führten Trost junior mit seinem Vater in Greußen, Tonna und Eckartsleben aus, bevor er 1705 in Goldbach und Aschara die ersten eigenen Orgeln schuf. Alle diese frühen Werke existieren schon lange nicht mehr. Um 1711 legte er wahrscheinlich die Meisterprüfung ab und im selben Jahr legte er einen ersten Entwurf für den geplanten Neubau in Großengottern vor. Trost zog Anfang 1718 zu seinem Schwager nach Mockern und 1722, nach dem Tod des Vaters, nach Altenburg, wo er im November 1723 nach einem Streit mit Johann Jacob Donati um Orgelbauprivilegien zum Hoforgelbauer ernannt wurde. Ein für Trost günstig formuliertes Gutachten seines berühmten Kollegen Gottfried Silbermanns hat hierbei den Ausschlag gegeben. Während Silbermann bei seinen Orgeln eine eher konventionelle und standardisierte Bauweise pflegte, war Trost ausgesprochen fantasievoll und experimentierfreudig. Er bevorzugte farbige Klänge und hatte eine besondere Vorliebe für Flöten- und Streicherstimmen. Dies erkennen wir schon an der 1717 fertiggestellten Orgel in der Walpurgiskirche zu Großengottern mit 22 Registern auf zwei Manualen und Pedal. 1722 begann Trost mit der Planung einer neuen Orgel für die Stadtkirche in Waltershausen. Was daraus entstand, nach Jahren und Jahrzehnten, ist eine der ungewöhnlichsten und grandiosesten Barockorgeln weltweit und das größte Instrument der Bachzeit in Thüringen. In einem anderen Orgelportrait wird sie näher vorgestellt. 1731 wandte sich Trost dem Umbau der Donat-Orgel in der Schloßkirche zu Eisenberg zu, die ebenso wohl erhalten ist wie die große Orgel in der Schloßkirche zu Altenburg, die 1739 fertiggestellt wurde. Insgesamt schuf er bis zu seinem Tod im Jahre 1759 21 Neubauten und fünf Umbauten, von denen neben ein paar Prospekten nur die vier bereits genannten Orgeln in Großengottern, Waltershausen, Eisenberg und altenburg erhalten sind. Sie zählen zum bedeutendsten Erbe der deutschen Orgelkunst überhaupt. Die akustischen Bedingungen der thüringischen Kirchen mit sehr viel Interieur aus Holz, mehreren Emporen und den typischen Tonnengewölben machten einen recht grundtönigen Klang notwendig, den Trost mit einem großen Fundus an 8'-Stimmen und terzhaltigen Mixturen erzielte. Darüber hinaus baute er sehr sensible und subtile Flöten- und Streicherstimmen, die in der heraufziehenden galanten Epoche und sogar noch im 19. Jahrhundert höchste Anerkennung fanden.
Die Trost-Orgel in Großengottern wurde 1848 bis 1849 durch Ernst Siegfried Hesse aus Dachwig leicht romantisch angepasst und erhielt einen neuen Spielschrank. Nach einer ersten Überholung, die in den Jahren des Zweiten Weltkriegs von Rudolf Kühn aus Merseburg unter Beratung von Rudolf von Beckerath ausgeführt wurde, erfolgte in den Jahren bis 1999 eine grundlegende und stilgerechte Restaurierung durch die Firma Eule Orgelbau aus Bautzen. Hierbei wurden alle späteren klanglichen Veränderungen rückgängig gemacht und die ursprüngliche Disposition Trosts wiederhergestellt. Der denkmalwerte Spielschrank von Hesse wurde hingegen beibehalten. Die Disposition umfaßt 22 Register auf zwei Manualen und Pedal, dazu kommen noch 4 Transmissionsregister ins Pedal. Die Manuale haben einen Tonumfang bis zum c3 ohne das Cis. Im Hauptwerk stehen die Stimmen Quintatön 16', Principal, Bordun und Violdigambe 8', Octave und Gemshorn 4', Quinta und parallel noch ein Nassat 3', Octave 2', ein Sesquialter und eine 4fache terzhaltige Mixtur, dazu kommt noch eine Trompete 8'. Das Positiv umfasst Lieblich Gedackt 8', Principal und "Flötuse" 4', Quinte 2 2/3', Octave 2' und eine Mixtur 3fach. Die Bezeichnung „Flötuse“, eingedeutscht für Flute douce steht tatsächlich so auf dem Registerschild. Im Pedal schließlich, das bis zum c1 geführt ist, finden wir Subbaß und Violonbaß 16', Octavenbaß 8' und Posaunenbaß 16', dazu kommen die vier Transmissionen aus Hauptwerk Quintatönbaß 16', Bordunbaß 8', Octavenbaß 4' und Trompetenbaß 8'. Eine Manual- und zwei Pedalkoppeln, ein Tremulant und zwei Cymbelsterne in C-Dur und G-Dur ergänzen die Klanggestalt dieser außergewöhnlich prachtvollen und wertvollen Orgel. Sie zeigt uns exemplarisch, wie im 18.Jahrhundert nicht nur die großen Städte, sondern auch die kleinen Dörfer Thüringens hinsichtlich der Pracht ihrer Kirchen und Orgeln miteinander wetteiferten. Die Orgel übernahm einen zentralen Part in der Kirchenmusik und sollte „zur Ehre Gottes und der ganzen Gemeinde zur Aufmunterung erklingen“, wie Trost es in seinem Entwurf für die Orgel in Großengottern 1714 schrieb. 

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Disposition:

Hauptwerk, CD-c3 Positiv, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Quintatön 16' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16'  Manualkoppel
Principal 8' Principal 4' Violonbaß 16' Pedalkoppel zu I
Bordun 8' Flötuse 4' Quintatönbaß 16' (Tr.) Pedalkoppel zu II
Violdigambe 8' Quinte 2 2/3' Octavenbaß 8' Tremulant
Octave 4' Octave 2' Bordunbaß 8' (Tr.) Zwei Cymbelsterne
Gemshorn 4' Mixtur 3f. Octavenbaß 4' (Tr.)  
Quinta 3'   Posaunenbaß 16'  
Nassat 3'   Trompetenbaß 8' (Tr.)  
Octave 2'      
Sesquialter 2f.      
Mixtur 4f.      
Trompete 8'      

In Großengottern gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Ach Gott und Herr BWV 714 >>>
Johann Sebastian Bach: Ach Gott, tu dich erbarmen BWV 1109 >>>
Johann Sebastian Bach: Herzlich lieb hab ich dich, o Herr BWV 1115 >>>
Georg Böhm: Praeludium, Fuge und Postludium g-moll >>>
Gottlieb Muffat: Capriccio desperato >>>
Nicolaus Vetter: Fuga in A >>>
Nicolaus Vetter: Fuga in G >>>
Nicolaus Vetter (Zuschreibung): Partita "Christus, der uns selig macht" >>>
Nicolaus Vetter (Zuschreibung): Partita "Nun freut euch, lieben Christen g'mein" >>>
Johann Gottfried Walther: Preludio con fuga in d >>>
Johann Gottfried Walther: Von Gott will ich nicht lassen >>>
Johann Gottfried Walther: Wachet auf, ruft uns die Stimme >>>



GROSSVARGULA (Erfüllende Gemeinde Herbsleben, Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Pfarrkirche St. Jacobi




Erbauer: Ernst Siegfried Hesse (Dachwig) 1831, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Großvargula ist eine Gemeinde im Unstrut-Hainich-Kreis in Thüringen. Erfüllende Gemeinde für Großvargula ist die Gemeinde Herbsleben. 785 wurde der Ort erstmals als „Varila“ erwähnt. Die in der Unstrutschleife von Wassergräben umgebende Burg Großvargula wurde 1281 urkundlich genannt. 1727 wurde das Schloss erbaut. Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren die Gebäude des Nachfolgebaus gut erhalten. Das mittelalterliche Tor existiert heute noch. Nach dem Ort und der Burg benannten sich auch die Schenken von Vargula. Ihre Stammlinie starb Mitte des 14. Jahrhunderts aus. 1323 verkauften ihre Nachfolger Großvargula an das Kloster Fulda und dieses den Ort im Jahr 1340 an den Deutschen Ritterorden. Der Ritterorden verkaufte bereits 1385 Großvargula an die Stadt Erfurt, welche 1403 einen Amtmann für den Ort einsetzte. Nachdem die Stadt Erfurt im Jahr 1664 ihre Selbständigkeit verloren hatte, gehörte Großvargula als Teil ihres Territoriums zum Erfurter Staat des Erzbistums Mainz. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurden das geistliche Gebiet des Erfurter Staats aufgelöst und Preußen angegliedert. Nach der Auflösung des Fürstentums Erfurt kam der Ort 1814 wieder zu Preußen und wurde 1816 dessen Landkreis Langensalza in der Provinz Sachsen angegliedert, zu dem er bis 1944 gehörte. Der Ort hat heute 731 Einwohnerinnen und Einwohner. Nach der Ortschronik von soll der Bau der heutigen St.Jacobi Kirche im Jahre 1434 begonnen worden sein. Weiter kann man dort lesen: „Die älteste Jahreszahl 1570 befindet sich am Opferstock, die folgende 1575 befand sich an den beiden Fenstern des Westgiebels, wo sie bei dem Neubau des Giebels 1913 wieder mit den Fenstersteinen eingesetzt wurde. Dies läßt darauf schließen, daß unsere Kirche ursprünglich anders ausgesehen haben muß.“ Der Glockenturm wurde 1662 angebaut und 1831 erhielt die Kirche eine neue Orgel aus der kunstberühmten Werkstatt von Ernst Siegfried Hesse aus Dachwig.
Die Orgelbauerfamilie Hesse wirkte in insgesamt vier Generationen in Dachwig bei Erfurt. Ihr Stammvater war Johann Michael Hesse, der 1734 in Molschleben bei Gotha geboren wurde. Seine beiden Söhne Ernst Ludwig Hesse, geboren 1768 und Georg Andreas Hesse, 1784 zur Welt gekommen, übernahmen nach dem Tod des Vaters 1810 die elterliche Werkstatt. Ernst Ludwig Hesse hatte wiederum zwei Söhne, den 1798 geborenen Ernst Siegfried Hesse und dessen jüngeren Bruder Johann Michael Hesse II, der 1806 geboren wurde. Ernst Ludwig Hesse kam 1823 bei einem unglücklichen Sturz während des Baues der Orgel in Brüheim ums Leben, so dass die beiden Söhne nun gemeinsam mit ihrem Onkel Georg Andreas die Werkstatt führten. Das größte Orgelwerk von Ernst Siegfried Hesse, der 1831 auch die Orgel in Großvargula erbaut hat, kam 1835 in den Dom zu Erfurt, wo es leider nicht erhalten ist. Um 1830 wurde Julius Hesse geboren, der ab 1858 nach dem Tod des Vaters die Werkstatt in Dachwig übernahm. Sein 1862 begonnener Umbau der berühmten Wender-Orgel in Arnstadt nahm einen unglückseligen Verlauf, um den sich verschiedene Darstellungen ranken. Letztendlich führten die Ereignisse aber dazu, daß Julius Hesse gezwungen war, seine Werkstatt wegen zu hoher Schulden aufzugeben. Auf diese Ereignisse und die Folgen wird beim Orgelporträt der Julius-Hesse-Orgel in Rockhausen näher eingegangen. Die Orgeln der Familie Hesse wurden von ihren Zeitgenossen stets hoch gerühmt. So lesen wir etwa in dem 1815 erschienenen Buch „Anleitung zur Kenntnis, Beurteilung und Erhaltung der Orgeln“ über die Hesse-Orgeln: Sie sind mehr als Meisterwerke, sie sind vollenedete Kunstprodukte eines Genies.“ Bis ins späte 19.Jahrhundert hinein blieben die Orgeln der Orgelbauerfamilie Hesse trotz des sich wandelnden Zeitgeschmacks stets geschätzt. Vom Ruhm und Können des Begründers der Familie profitierten die nachfolgenden Generationen, die ebenfalls für ihre gewissenhafte Vorgehensweise gelobt wurden. Schlichte Schönheit, solide und beständige Fertigung in Kombination mit Liebe zum Detail zeichnen alle Instrumente dieser für die Orgellandschaft Thüringens ganz wichtigen Familie aus, die erst langsam – nach und nach und durch die Bemühungen einiger unermüdlicher Idealisten - wieder der Vergessenheit entrissen werden.
Die 1831 von Ernst Siegfried Hesse erbaute Orgel in der Jacobikirche zu Großvargula besitzt 23 Register auf 2 Manualen und Pedal. In der Disposition vereinigen sich in geradezu idealer Weise spätbarocker Glanz mit klassizistischer Farbigkeit und ersten, frühromantischen Einflüssen. Das Hauptwerk ist bis zum f3 ausgebaut und hat besitzt einen lückenlosen Principalchor 8', 4' und 2' nebst Quinta 3'. Grundiert wird der Klang des Hauptwerks von einem fülligen Bordun 16', dazu gesellen sich Hohlflöte, Gedackt und Viola di Gamba 8'. Bekrönt wird der Klang des Hauptwerks von einer 4fachen Mixtur und einer 3fachen Cimpel. Das Oberwerk ist sehr farbig gestaltet mit Stillgedackt, Gemshorn und Flauto travers 8', Principal und Flauto dolce 4' und einer Octave 2'. Für Glanz sorgt auch hier eine 3fache Mixtur, für Kontur eine Sesquialtera 2fach. Das Pedal geht bis zum d1 und besitzt Principalbaß, Subbaß, Violon und Posaune 16' sowie einen Oktavbaß 8'. Im Gegensatz zur nur zwei Jahre älteren Orgel seines Onkels Georg Andreas in Wahlwinkel verzichtet Ernst Siegfried Hesse in Großvargula auf die sonst in Thüringen so beliebten Effektregister wie Tremulant oder den Glockenakkord. Hierin macht sich die neue, in die Romantik weisende Klangvorstellung von Ernst Siegfried Hesse bemerkbar, in der solche Stimmen mehr und mehr abgelehnt werden. Im Revisionsprotokoll von 1831 heißt es, daß „die neue Orgel im Ganzen und in ihren einzelnen Theilen völlig gut gebaut und sehr gut gerathen ist. Der Gemeinde zu Großvargula kann man daher Glück wünschen, welche in ihrer Kirche zur Verherrlichung des Gottesdienstes ein so gutes und schönes Orgelwerk bekommen hat.“ Das Instrument ist bis heute fast völlig unverändert erhalten, ein besonderer Glücksfall für die nicht gerade arme Thüringer Orgellandschaft. 1999 begann Orgelbaumeister Jörg Dutschke aus Salzwedel mit der Instandsetzung des Instruments. Allerdings mussten die Arbeiten für längere Zeit wegen schäden am Kirchendach unterbrochen werden und so konnte erst 2013 die Wiedereinweihung der Hesse-Orgel stattfinden. Das eben zitierte Urteil aus dem Revisionsprotokoll von 1831 hat bis heute uneingeschränkt Gültigkeit. Die prächtige Orgel von Ernst Siegfried Hesse in Großvargula gehört zu den bedeutenden Denkmalorgeln der frühen Romantik in Thüringen.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Stillgedackt 8' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Gemshorn 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flauto travers 8' Violon 16'  
Gedackt 8' Principal 4' Octavbaß 8'  
Viola di Gamba 8' Flauto dolce 4' Posaune 16'  
Octave 4' Octave 2'    
Quinta 3' Sesquialtera 2f.    
Octave 2' Mixtur 3f.    
Mixtur 4f.      
Cimpel 3f.      

In Großvargula gespielte Stücke:
Michael Henkel: Adagio d-moll >>>
Michael Henkel: Andante c-moll >>>
Michael Henkel: Andante con moto e-moll >>>
Michael Henkel: Erbarme dich, Gott, über mich >>>
Michael Henkel: Fantasia c-moll >>>
Michael Henkel: Fughetta - Nachspiel D-Dur >>>
Michael Henkel: Trio Larghetto c-moll >>>
Michael Henkel: Vier Versetten D-Dur >>>
Michael Henkel: Vorspiel D-Dur >>>



HAURÖDEN (Landgemeinde Am Ohmberg, Landkreis Eichsfeld)
Ev. Kirche St. Trinitatis




Erbauer: Friedrich Wilhelm Holland (Schmiedefeld) 1861, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Hauröden ist ein Ortsteil der Landgemeinde Am Ohmberg im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Der Ort liegt südlich von Bischofferode und rund neun Kilometer nordöstlich von Leinefelde-Worbis in einem muldenartigen Kessel am Nordostrand des Ohmgebirges. 17 Kilometer westlich von Hauröden, schon in Niedersachsen gelegen, finden wir das alte Fachwerkstädtchen Duderstadt. Von den Hauröder Klippen hat man einen herrlichen Fernblick bis zum Harz und zum Kyffhäuser. 1206 wurde das Dorf erstmals urkundlich genannt. Hauröden gehörte allerdings nicht zum historischen, mainzischen und damit überwiegend katholischen Eichsfeld, sondern lag einen knappen Kilometer östlich der alten Grenze zu diesem. Zunächst Bestandteil der Grafschaft Lohra, dann der Grafschaft Hohnstein, kam das Hohnsteinische Amtsdorf Hauröden 1593 zum späteren Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, bei dem es bis 1918 blieb. Seit 2011 gehört der Ort zur neu gegründeten Landgemeine Am Ohmberg. Die 1687 bis 1692 errichtete Fachwerkkirche St. Trinitatis darf unstreitig zu den schönsten Kirchen Nordthüringens gezählt werden. Ihre reiche und im Prinzip unverändert erhaltene Innenausstattung mit dem mächtigen, 1692 datierten Kanzelaltar und dem feinen Schnitzwerk sucht weit und breit ihresgleichen. Die 1861 erbaute Orgel fügt sich trotz des stilistisch abweichenden Prospekts harmonisch in das Gesamtbild ein. Erbaut hat sie Friedrich Wilhelm Holland aus Schmiedefeld am Rennsteig. 
Der Begründer der Schmiedefelder Orgeltradition im Süden Thüringens war Johann Michael Wagner, der 1723 ebendort geboren wurde und sein Handwerk bei dem Gothaer Hoforgelmacher Heinrich Carl Christian Hoffmann lernte. Durch grandiose Neubauten in der Dresdner Kreuzkirche und sogar in Arnheim in der niederländischen Provinz Gelderland erwarb er sich Ruhm und Anerkennung. Wagners „Principal“, erster Mitarbeiter und Werkmeister war über viele Jahre der 1747 in Asbach bei Schmalkalden geborene Johann Caspar Holland. Nach Wagners Tod 1801 übernahm der dessen Werkstatt und führte sie gut 20 Jahre weiter, bevor er sie an seinen 1778 geborenen Sohn Johann Michael Holland weitergab. Bei näherem Interesse kann man hier Porträts der Wagner-Orgel in Gersfeld, der Johann-Caspar-Holland-Orgel in Jesuborn und der Johann-Michael-Holland-Orgel in Vacha finden. Etwa zeitgleich mit der Übernahme der Werkstatt durch Johann Michael Holland trat dessen 1804 geborener Sohn Friedrich Wilhelm als Lehrling in das Unternehmen ein. Nahezu gleichzeitig mit diesem erhielt dort auch der sechs Jahre ältere Michael Schmidt sein Rüstzeug im Orgelbau, der sich 1837 in Schmiedefeld und damit in Konkurrenz zu Holland selbstständig machte. Friedrich Wilhelm Holland finden wir erstmals 1833 an der Wagner-Orgel in Belrieth am Werk, wo er seine Signatur am Windkanal hinterließ. 1842 übernahm er die Familienwerkstatt und errichtete in den Folgejahren einige durchaus beachtliche Werke, so etwa 1846 in Lauchröden bei Eisenach mit 16 Registern und fast zeitgleich in Urspringen in der Rhön mit 20 Stimmen; beide Instrumente sind bis heute erhalten. 1850 führte er einen Umbau der Orgel in der Erfurter Predigerkirche durch, dem sich 1854 ein Neubau mit 33 Registern in der Erfurter Augustinerkirche anschloß, der ebenso wie die 1860 erbaute Orgel mit 26 Stimmen in der Reglerkirche nicht erhalten ist. 1861 erfolgte dann der Orgelbau in Hauröden, mit 8 Registern nicht gerade groß dimensioniert, doch geschmackvoll und seiner Substanz bis auf die 1917 abgelieferten Prospektpfeifen unverändert bis heute erhalten. 1873 wurde Theodor Kühn Geschäftsführer der Firma Holland, der bereits zuvor auch die Werkstatt von Michael Schmidt in Schmiedefeld übernommen hatte. Friedrich Wilhelm Hollands Sohn August verlegte daraufhin seine Werkstatt nach Untersuhl, wo er bis zu seinem Tod 1902 als Orgelbauer tätig war. Friedrich Wilhelm Holland starb 1879 in Schmiedefeld. 
Die 1861 erbaute Orgel in Hauröden besitzt acht Register. Sechs davon stehen im bis zum f3 ausgebauten Manual, nämlich Principal, Hohlflöte und Gamba 8', Octave und Gedackt 4' sowie eine Octave 2'. Im Pedal finden wir Subbaß 16' und Violon 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Karl und Sebastian Brode, Orgelbauer aus Heiligenstadt, haben vor einigen Jahren das Instrument instandgesetzt und dabei die nach ersten Weltkrieg eingesetzten minderwertigen Zinkpfeifen im Prospekt wieder durch solche aus Zinn ersetzt. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Violon 8'  
Gamba 8'    
Octave 4'    
Gedackt 4'    
Octave 2'    

In Hauröden gespielte Stücke:
Otto Brieger: In Wasserflüssen Babylon >>>
Otto Brieger: Herzlich tut mich verlangen >>>
Carl Gertler: Fuge über das Wort "Gebet" >>>
Carl Gertler: Postludium C-Dur >>>
Alexander Wilhelm Gottschalg: Constitutions-Lied (Schubert) >>>
Wilhelm Kienzl: Alle Menschen müssen sterben >>>
Carl Loewe: Allegro D-Dur >>>
Carl Loewe: Andante a-aeolisch >>>
Carl Loewe: Con moto e-phrygisch >>>
Carl Loewe: Grave d-moll >>>
Carl Loewe: Moderato d-dorisch >>>
Carl Loewe: Moderato C-ionisch >>>
Georg Scheel: O du Liebe meiner Liebe >>>
Georg Scheel: Sollt ich meinem Gott nicht singen >>>
Friedrich Silcher: Wie groß ist des Allmächt'gen Güte >>>
Max Wagenknecht: Moderato g-moll >>>
Max Wagenknecht: Sollt ich meinem Gott nicht singen >>>



HERINGEN/HELME (Landkreis Nordhausen)
Ev. Stadtkirche




Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1843, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die Stadt Heringen/Helme ist eine Landgemeinde im Landkreis Nordhausen in Thüringen. Heringen liegt am südlichen Rand der Goldenen Aue, zwischen Südharz und Windleite. Etwa 15 km nordwestlich liegt die Kreisstadt Nordhausen. Durch die Stadt fließt der Fluss Helme. Im Jahr 1155 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Heringen in einer Urkunde des Klosters Fulda. Die Stadtrechte besaß der Ort mindestens seit 1327, da er in jenem Jahr als Stadt erwähnt wurde. 1417 fiel die Stadt und das Amt Heringen nach einem Erbstreit in Teilen an die Grafen von Schwarzburg und die Grafen zu Stolberg. Durch den Wiener Kongress wurde die Domäne und das Heringer Schloss im Jahr 1815 zum königlich-preußischen Besitz. 2010 schlossen sich die Stadt Heringen/Helme sowie die Gemeinden Auleben, Hamma, Uthleben und Windehausen zur neuen „Landgemeinde Stadt Heringen/Helme“ zusammen. Der Ort hat heute rund 4.900 Einwohnerinnen und Einwohner. Mitten in der historischen Altstadt Heringens steht die Stadtkirche St. Michaelis. Das 1738 nach einem großen Brand erneuerte Gotteshaus ist auf den ersten Blick von außen gar nicht als Kirche erkennbar. Denn der zur Kirche gehörende Glockenstuhl ist niedriger als die Kirche selber und steht direkt auf dem Marktplatz neben dem Feldsteinbau des Kirchensaales. Das Innere der Kirche birgt eine der größten und am besten erhaltenen Orgeln aus der Werkstatt des berühmten Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella.
Johann Friedrich Schulze wurde 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geboren. Er wurde in eine Orgelbauerfamilie hineingeboren, die vor ihm bereits in drei Generationen hauptsächlich im näheren Umkreis von Milbitz wirkte. Er erlernte sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm, der seinerseits allerdings wiederum ein Schüler von Johann Andreas Schulze war. Dieser war der Vater von Johann Friedrich, er starb aber, als der Sohn erst 13 Jahre alt war. Nach dem Tod Witzmanns machte sich sodann in Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann sagen – Weltgeltung. Johann Friedrich Schulze war unbestritten einer der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten des deutschen Orgelbaues im 19.Jahrhundert, in seiner Bedeutung nur mit Eberhard Friedrich Walcker vergleichbar. Gemeinsam mit dem Organisten und Orgelbau-Theoretiker Johann Gottlob Töpfer schuf Schulze ein neues Klangbild, das vom Spätbarock den Weg in die Romantik weist. Ohne die von Töpfer und Schulze gelegten Grundlagen sind die späteren Meisterwerke etwa eines Friedrich Ladegast oder eines Wilhelm Sauer so nicht denkbar. Neben zahlreichen klanglichen Neuerungen – Schulze bevorzugte etwa bis zur 4'-Länge Holz als Material für seine Pfeifen – betrat er auch in der technischen Entwicklung vielfach Neuland. Um 1850 stand Johann Friedrich Schulze auf dem Zenit seiner Meisterschaft, die in jener Zeit gebauten Großorgeln im Bremer Dom, in der Lübecker Marienkirche und sogar im Chrystal Palace in London zeigen, dass seine Kunst weithin Anerkennung fand. Leider sind seine großen Orgeln samt und sonders entweder dem Zeitgeist oder dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. In Thüringen existieren aber noch eine Reihe kleinerer und mittelgroßer Orgeln Johann Friedrich Schulze und mit 25 Registern auf 2 Manualen und Pedal ist das Instrument in der Stadtkirche zu Heringen an der Helme eines der größten. Nachdem sie die Zeiten seit ihrer Erbauung ohne nennenswerte Veränderungen überstanden hatte, drang 1980 Wasser durch das Kirchendach in die Orgel ein und beschädigte sie schwer. Doch schon kurz nach der politischen Wende entschloß man sich zu einer umfassenden Restaurierung, die 1992 von Kristian Wegscheider aus Dresden durchgeführt wurde. Eine Pioniertat, war es doch die erste Schulze-Orgel überhaupt, die nach neuesten Erkenntnissen der Denkmalpflege restauriert wurde. Die Orgel besitzt eine extrem gravitätische Disposition; so finden wir unter anderem einen Bordun 32' im Hauptwerk.
Die Johann-Friedrich-Schulze-Orgel in Heringen/Helme wurde 1843 erbaut und von Johann Gottlob Töpfer abgenommen. Sie zeigt in mancherlei Hinsicht sehr moderne Züge. Der Prospekt besteht vollständig aus stummen Zinkpfeifen, die beiden Manualwerke stehen hintereinander in chromatischer Anordnung auf gemeinsamen Windladen, die in Baß- und Diskantlade geteilt sind. Die durchschlagende Posaune im Pedal enthält Zinkstiefel eigenartiger Bauart, sie stammen von Carl Giesecke, der in jener Zeit Mitarbeiter Schulzes war. Schulze konstruierte in Heringen die von ihm eingeführte Strahlenmechanik, bei der die Abstrakten fächerförmig ohne alle Wellenbretter geführt sind. Das Hauptwerk, das vom Ton C bis zum f3 geführt ist, besitzt 12 Register. Ein fülliger Bordun 16' grundiert den Klang und der bereits erwähnte Bordun 32' gibt dem Plenum eine geradezu unglaubliche Fülle. An 8'-Stimmen besitzt das Hauptwerk Principal, Gambe, Hohlflöte und Gedackt, alle aus Holz, es folgt eine Quinte 6' und Oktave und Flöte 4'. Die Quinte 3' und die Oktave 2' sind zu einem Registerzug zusammengefasst. Klangkronen sind eine 5fache Mixtur und eine 3fache Cimbel. Das Hinterwerk besitzt 7 Stimmen, ein Lieblich Gedackt 16', sodann Geigenprincipal, Flaut traverseur, Salicional und Lieblich Gedackt 8', ein Geigenprincipal 4' und ein Scharf 3fach. Das Pedal besitzt Subbaß, Violonbaß und Posaune 16' sowie Oktavbaß, Violonbaß und Gedacktbaß 8'. Neben zwei Koppeln besitzt die Orgel noch einen Registerzug mit der Bezeichnung Pedalsperre, dieser blockiert die Pedaltasten, so dass die Füße beim Manualiterspiel dort risikolos abgestellt werden können. Als eine der größten noch erhaltenen Orgeln aus einer der bedeutendsten Orgelbauwerkstätten des 19.Jahrhunderts kommt dem Instrument in der Stadtkirche zu Heringen an der Helme ganz besondere Bedeutung. Ihr beeindruckender Klang und ihre technischen Besonderheiten könnten sie zu einer Wallfahrtsstätte für Orgelkundler aus Fern und Nah werden lassen. In seiner Bedeutung für die Thüringer Orgellandschaft ist dieses Meisterwerk Johann Friedrich Schulzes jedenfalls kaum zu unterschätzen.

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Hinterwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 32' Lieblich Gedackt 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Flaut traverseur 8' Octavbaß 8'  
Hohlflöte 8' Lieblich Gedackt 8' Gedacktbaß 8'  
Gedackt 8' Salicional 8' Violonbaß 8'  
Gambe 8' Geigenprincipal 4' Posaune 16'  
Quinte 6' Scharf 3f.    
Octave 4'      
Flöte 4'      
Quinte-Octave 3' + 2'      
Mixtur 5f.      
Cimbel 3f.      

In Heringen/Helme gespielte Stücke:
Michael Henkel: Andante e-moll >>>
Michael Henkel: Andantino G-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile a-moll >>>
Michael Henkel: Moderato C-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato e-moll >>>
Michael Henkel: Nachspiel Es-Dur >>>
Michael Henkel: Fünf Versetten Es-Dur >>>
Michael Henkel: Vorspiel C-Dur >>>




HERRENGOSSERSTEDT (Gemeinde An der Poststraße, Burgenlandkreis)
Ev. Kirche St. Trinitatis




Erbauer: Johann Christoph Dinger (Großbrembach) 1786, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Herrengosserstedt ist ein Ortsteil der Gemeinde An der Poststraße im sachsen-anhaltinischen Burgenlandkreis. Wir befinden am südlichen Rand der Finne, direkt an der Landesgrenze zu Thüringen. Ausgedehnte Waldgebiete, sanfte Hügelketten und tief eingeschnittene Bachtäler, dazwischen Dörfer, Kirchen und Weinberge – diese Elemente prägen auch heute noch die Landschaft. Unter der Bezeichnung Gozherestet findet sich die erste nachgewiesene Erwähnung des Ortes in einer Urkunde des Klosters Fulda aus dem Jahre 874, doch war das Gebiet schon in der Bronzezeit besiedelt. Durch den heutigen Ort zogen sich zwei uralte Straßen. Über die Kupferstraße wurde das abgebaute Kupfer aus dem Mansfeld nach Italien transportiert und die Poststraße führte von Kassel nach Leipzig. Im Mittelalter nannte man das Unterdorf Gosserstedt-Crucis, das Oberdorf Gosserstedt-Mariae nach den jeweiligen Kirchen. Um 1400 wurde das uralte Thüringer Geschlecht der Marschalle zunächst im Oberdorf ansässig und kamen mit der Reformation auch in den Besitz des Unterdorfes. 1539 wird der Name Herrengosserstedt erstmals genannt. Nach den Napoleonischen Kriegen kam das Dorf zum Landkreis Eckartsberga im Königreich Preußen, 1952 zum Kreis Naumburg und seit 1994 zum neu gegründeten Burgenlandkreis. Die Kirche St. Trinitatis ist eine Saalkirche mit mittigem Dachturm wurde 1659 bis 1679 errichtet. Im Inneren ist die Kanzel aus der Bauzeit bemerkenswert und natürlich die Orgel auf zweiten Empore aus der Werkstatt von Johann Christoph Dinger aus Großbrembach.  
Johann Christoph Dinger wurde 1732 in Priestädt geboren, das heute zur Stadt Stößen im Burgenlandkreis gehört. Ob er sein Handwerk in der Werkstatt des Orgelbauers Johann Georg Molau gelernt hat, wissen wir nicht; jedenfalls arbeitete er spätestens ab Mitte der 1760er Jahre in Molaus Werkstatt in Großbrembach bei Buttstädt und heiratete 1770 dessen Tochter. Nach Molaus Tod 1773 übernahm Johann Christoph Dinger die Werkstatt seines Schwiegervaters und errichtete in den Folgejahren bis 1776 sein erstes Werk unter eigenem Namen in Neuengönna im Saaletal nördlich von Jena. Die aufgrund der am Prospekt zu lesenden Jahreszahl 1776 in manchen Quellen Dinger zugeschriebene Orgel in Nerkewitz wurde jedoch schon von Johann Georg Molau 1769 errichtet und erhielt 1776 nur nachträglich die heute noch bestehende, farbliche Fassung. Nach der Vollendung der großen Orgel in der Nikolaikirche zu Schmölln begann Dinger 1784 mit dem Instrument für Herrengosserstedt, das 415 Taler kostete. 75 Euro davon trug der Kirchenpatron von Münchhausen, der unter anderem als Justizminister unter Friedrich dem Großen gedient hatte. Das 1786 vollendete und eingeweihte Werk ist mit 19 Register auf zwei Manualen und Pedal und einem schönen Rokoko-Prospekt prachtvoll disponiert. Zeitgleich begann Dinger eine Orgel für die Kirche zu Teuchern zwischen Weißenfels und Zeitz, die ursprünglich 24 Register besaß, später aber durchgreifend umgebaut wurde. Nach einer Orgel für Zäckwar, die 1788 vollendet war, begann Dinger im selben Jahr eine Orgel für Kleinkayna. Dieser Ort lag im Geiselbachtal im Leipziger Tiefland und wurde im Zuge des Braunkohleabbaus zerstört. Doch konnte Dinger diese Orgel nicht mehr vollenden. Im Kirchenbuch von Obernessa bei Weißenfels lesen wir: „Herr Johann Christoph Dinger, ein Orgelmacher von Großbrembach im Weimarischen wurde den 5. December früh um 8 Uhr in der hiesigen Dorfpfütze – gemeint ist der Dorfteich – am Pfarrgarten am Rande tod aus dem Wasser gezogen; den siebten ist er mit dem Segen Gottes christlich zur Erde auf dem hiesigen Gottesacker betötiget worden.“ War es ein Unfall? Es spricht alles dafür, denn es war Dezember und möglicherweise ist er auf frischem Glatteis ausgerutscht und in den Dorfteich gestürzt. Genaueres wissen wir jedoch nicht. Die Orgel in Kleinkayna wurde daraufhin von seinem jüngeren Bruder Johann Gottfried Dinger sowie einem gewissen Paul Schmidt aus Mannstedt, vermutlich einem Gesellen Dingers, vollendet.  
Die Orgel in Herrengosserstädt hat die Zeitläufe nicht ohne Eingriffe überstanden. 1885 ersetzte der Orgelbauer Emil Heerwagen aus Klosterhäseler die Trompete des Hauptwerks durch eine Flöte und 1917 wurden, wie überall, die Prospektpfeifen für „Kaiser und Vaterland“ geopfert. 1937 erfolgte eine Instandsetzung durch die Firma Furtwängler&Hammer aus Hannover, bei der jedoch auch leider mehrere originale Stimmen durch Moderegister der Orgelbewegung ersetzt wurden. Ende der 1990er Jahre entschloß man sich zum Glück, die Orgel durch die Firma Hartmut Schüßler aus Greiz restaurieren und die originale Klanggestalt wiederherstellen zu lassen. 2001 konnten die Arbeiten abgeschlossen werden. Im Hauptwerk besitzt das Instrument – heute wie ehedem - Bordun, Quintatön und Viol di Gamb 8', Principal und Gemshorn 4', Octav 2', Quinta 1 1/2' sowie eine 3fache Mixtur. Das Oberwerk, ebenso wie das Hauptwerk mit einem Umfang bis zum c3, verfügt über Lieblich Gedackt und Flaute traverse 8', Kleingedackt 4', Principal und Waldflöte 2' sowie eine Sifflöte 1'. Das Pedal schließlich gibt mit Subbaß 16' sowie Principalbaß und Violonbaß 8' das gehörige Fundament dazu. Eine Manual- und eine Pedalkoppel sowie ein Tremulant ergänzen die Klanggestalt, zu der ursprünglich noch eine Trompete im Hauptwerk und ein Posaunenbaß im Pedal gehörten, die vorläufig noch nicht rekonstruiert wurden. 
 
Link zum klingenden Orgelportrait: >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-c3 Oberwerk, C-c3 Pedal, C-d1  
Bordun 8' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Quintathön 8' Flaute traverse 8' Principalbaß 8' Pedalkoppel
Viol di Gamb 8' Kleingedackt 4 Violonbaß 8' Tremulant
Principal 4' Principal 2' (Posaunenbaß 16')  
Gemshorn 4' Waldflöte 2'    
Octav 2' Sifflöte 1'    
Quinta 1 1/2'      
Mixtur 3f.      
(Trompet 8')      

In Herrengosserstedt gespielte Stücke:
Ludwig van Beethoven: Fuga a 4 cromatica >>>
Ludwig van Beethoven: Fuga a tre sogetti >>>
Johann Georg Bernhard Beutler: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Heinrich Börner: O Haupt voll Blut und Wunden >>>
Johann Wilhelm Häßler: Largo a-moll >>>
Johann Wilhelm Häßler: Vorspiel G-Dur >>>
Gotthilf Wilhelm Körner: Präludium d-moll >>>
Johann Christian Samuel Müller: Fantasia con Fuga c-moll / C-Dur >>>
Samuel Wesley: Air in F >>>
Samuel Wesley: Gavotte in F >>>
Friedrich August Zimmer: Christ ist erstanden >>>



HOHENWEIDEN (Gemeinde Schkopau, Saalekreis)
Ev. Kirche 



Erbauer: Carl Heinrich Albrecht von Knoblauch (Halle) 1819, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

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Disposition:

Manual, CD-d1 Pedal, CD-c1  
Bordun 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Principalbaß 8'  
Flute travers 8' (Posaune 16')  
Viola de Gamba 8'    
Principal 4'    
Gemshorn 4'    
Quinte 3'    
Octave 2'    
Tertie 2' (= 1 3/5')    
Suifflette 1'    

In Hohenweiden gespielte Stücke:
Johann Christoph Altnikol: Largo c-moll >>>
Adam Wilhelm Erk: Grazioso D-Dur >>>
Adam Wilhelm Erk: Vorspiel F-Dur >>>
Carl Christian Kegel: Allegretto D-Dur >>>
Wilhelm Adolph Müller: Fantasie und Fuge F-Dur >>>
Christian Friedrich Rudolph: Fughetta E-Dur >>>
Christian Friedrich Rudolph: Praeludium A-Dur >>>
Christian Friedrich Schale: Adagio non troppo h-moll >>>
Christian Friedrich Schale: Moderato F-Dur >>>
Christian Friedrich Schale: Un poco adagio a-moll >>>
Georg Gottlieb Scheibner: Cantabile A-Dur >>>
Adam Valentin Volckmar: Andante f-moll >>>
Bernhard Christian Weber: Präludium und Fuge f-moll >>>
Johann Friedrich Zachariä: Fantasia d-moll >>>




KEHMSTEDT (Erfüllende Gemeinde Bleicherode, Landkreis Nordhausen)
Ev. Kirche St. Martin



Erbauer: Gottlieb Knauf (Bleicherode) 1850-1851, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Kehmstedt ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Nordhausen. Erfüllende Gemeinde ist die Stadt Bleicherode. Der Ort liegt am Osthang des Tals des Bölinger Grabens, eines Bachlaufs, der seine Quellbächlein in den teils bewaldeten Anhöhen westlich der Ortslage hat. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes ist für das Jahr 1093 nachweisbar. Der Historiker Johann Georg Leuckfeld schrieb, dass die Grafen von Northeim im 11. Jahrhundert einen Teil des Ortes an das Kloster Bursfelde abgetreten hätten und dass ein Graf Heinrich von Kercberch im Jahre 1295 „drei Hufen im Kemstede“ an das Kloster Walkenried abgetreten habe. Zinsen von Kehmstedt bezogen das Kreuzstift und das Nonnenkloster auf dem Frauenberg in Nordhausen sowie das Kloster Ilfeld. Heute hat die kleine Gemeinde rund 460 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Silhouette des Ortes wird geprägt durch die markante Dorfkirche St. Martin. Der im Verhältnis zum Langhaus mächtige Turm ist der älteste Gebäudeteil, vermutlich aus dem 13.Jahrhundert. Das heutige Schiff ist um 1619 entstanden und wurde 1850 nach Norden über den Chor hinaus verbreitert. Im Zuge dieser Baumaßnahmen im Jahre 1850 erhielt die Kirche auch eine neue Orgel. Sie kam ganz aus der Nähe, aus der Werkstatt von Gottlieb Knauf in Bleicherode.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18.Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Dieser wurde 1762 geboren und starb 1847. Seine beiden Söhne Friedrich und Gottlieb erlernten ihr Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. Während der ältere, der 1802 geborene Friedrich Knauf später die väterliche Werkstatt übernahm, machte sich dessen 1810 geborener Bruder Gottlieb Knauf im Jahre 1838 in Bleicherode selbstständig. Der Grund hierfür war die Liebe – Gottfried heiratete im selben Jahr eine Frau aus Bleicherode, die er sicher beim noch von Friedrich Knauf federführend geplanten Orgelbau in Bleicherode kennengelernt hat. Schon bald florierte die neue Werkstatt. Gottlieb Knauf baute zahlreiche, meist kleinere Orgeln in den Dörfern um Bleicherode sowie im Eichsfeld. Ab 1845 haben mit wenigen Ausnahmen fast alle Orgeln Gottlieb Knaufs Strahlenmechanik und chromatische Windladen. Diese von Johann Friedrich Schulze herrührende Konstruktionsweise hat Gottlieb sicher von seinem Bruder Friedrich Knauf übernommen, der diese neuen Elemente einige Jahre zuvor ebenfalls bei sich eingeführt hat. In den 1840er Jahren arbeitete auch der Schulze-Schüler Carl Heyder als Geselle bei Gottlieb Knauf, bevor dieser sich 1848 selbstständig machte. Das größte Instrument von Gottlieb Knauf mit 21 Registern in Leimbach im Landkreis Nordhausen ist klanglich erheblich entstellt, die zweitgrößte in Keula im Kyffhäuserkreis mit 18 Registern leider zur Zeit nicht spielbar. So ist die 1850 fertiggestellte und 1851 eingeweihte und so gut wie unveränderte Orgel in Kehmstedt mit ihren 14 Registern eine Besonderheit mit hohem Denkmalwert. Gottlieb Knauf starb 1872 mit 61 Jahren. Sein 1839 geborener Sohn Robert Knauf übernahm die väterliche Werkstatt. Wie sein Vater war er zeitlebens ein Verfechter der Schleiflade und der mechanischen Traktur. Die gegen Ende des 19.Jahrhunderts aus der Knauf-Werkstatt hervorgegangenen pneumatischen Instrumente sind bereits von Roberts Sohn Ernst Knauf federführend geplant worden, der nach dem Tod von Robert Knauf im Jahre 1900 auch die Werkstatt übernahm. Doch starb auch er bald danach und die über einhundertjährige Orgelbautradition der Familie Knauf hörte auf zu existieren. Während Orgeln von Gottliebs Bruder Friedrich Knauf vor allem im Raum zwischen Eisenach und Erfurt auch heute noch zahlreich erhalten sind, so besitzen Instrumente von der Hand seines Bruders Gottlieb Knauf heute durchaus Seltenheitswert, noch zumal in gutem Zustand.
Die Orgel in Kehmstedt besitzt 14 Register auf zwei Manualen und Pedal und insgesamt einen starken und gravitätischen Klang. Die Manuale haben einen Tonumfang bis zum d3. Wir finden im Hauptwerk die Register Principal, Bordun, Hohlflöte und Viola di gambe 8', Oktave und Flöte 4', die Oktave 2' und eine 4fache Mixtur. Das zweite Manual, das über eine hängende Traktur verfügt, währenddessen das Hauptwerk Stechermechanik besitzt, ist klanglich gegenüber dem Hauptwerk deutlich zurückgenommen und besitzt die romantischen Charakterstimmen Lieblichgedackt und Flautraversa 8' sowie ein Geigenprincipal 4'. Die Flautraversa besitzt in für Gottlieb Knauf typischer Weise einen achteckigen Korpus mit aufgesetzten Labien. Das Pedal schließlich, das nach oben bis zum d1 geführt ist, verfügt über Subbaß und Bordunbaß 16' sowie einen Violonbaß 8'. Überdies finden wir noch eine Manual- und eine Pedalkoppel sowie einen Pedalverschluß. Wenn man diese Spielhilfe betätigt, kann der Organist oder die Organistin beim Manualiterspiel ganz bequem die Füße auf den Pedaltasten abstellen. Tja, wäre der Bedarf nicht für so etwas dagewesen, hätte man es nicht gebaut. Erwähnenswert ist noch die eigenwillige Prospektgestaltung in Kehmstedt, die sich in kein stilistisches Klischee einordnen läßt. Bereits 1992 konnte die Orgel durch die Firma Hammer-Orgelbau aus Arnum restauriert werden. Und mit ihrer fast unveränderten Erhaltung ist sie eine der wenigen Orgeln aus diesem Bleicheröder Zweig der Orgelbauerfamilie Knauf, die heute noch genauso klingt wie zur Zeit ihrer Erbauung in der Mitte des 19.Jahrhunderts.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Lieblichgedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Bordun 8' Flautraversa 8' Bordunbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Geigenprincipal 4' Violonbaß 8' Pedalverschluß
Viola di Gamba 8'      
Octave 4'      
Flöte 4'      
Octave 2'      
Mixtur 4f.      

In Kehmstedt gespielte Stücke:
Salomo Heinrich Bodenschatz: Andante a-moll >>>
Salomo Heinrich Bodenschatz: Andante g-moll >>>
Salomo Heinrich Bodenschatz: Larghetto G-Dur >>>
George Hepworth: Variationen über "O Sanctissima" >>>
Julius Katterfeldt: Andante F-Dur >>>
Franz Liszt: Regina coeli (Orlando di Lasso) >>
Clara Schumann: Präludium und Fuge d-moll op. 16,3 >>>
Simon Sechter: Fuge über "Gott erhalte Franz den Kaiser" >>>



KRINA (Gemeinde Muldestausee, Landkreis Anhalt-Bitterfeld)
Ev. Trinitatiskirche




Erbauer: Andreas Ludwig Zuberbier (Dessau) 1795, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

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Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Bordun 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Viola 8' Tremulant
Flute travers 8' Choralbaß 4'  
Viola di Gamba 8' Posaune 16'  
Principal 4'    
Gedackt 4'    
Flute douce 4'    
Octave 2'    
Cornett 3f.    
Mixtur 3f.    
Trompete 8'    

In Krina gespielte Stücke:
Johann Christoph Bach: Aria variata in a >>>
Gotthilf Friedrich Ebhardt: Befiehl du deine Wege >>>
Gotthilf Friedrich Ebhardt: Vom Himmel hoch >>>
Georg Friedrich Händel: Passacaglia g-moll >>>
Johann Adrian Junghanns: Brich entzwei, mein armes Herze >>>
Johann Adrian Junghanns: O Traurigkeit, o Herzeleid >>>
Johann Adrian Junghanns: Präludium F-Dur >>>
Moritz Friedrich August Kähler: Herzlich tut mich verlangen >>>
Christian Friedrich Schale: Cantabile F-Dur >>>
Christian Friedrich Schale: Largo B-Dur >>>
Christian Friedrich Schale: Largo h-moll >>>
Johann Gottfried Walther: Wenn dich Unglück tut greifen an >>>



KROPPENSTEDT (Landkreis Börde)
Ev. Kirche St. Martini




Erbauer: Esaias Compenius (Halberstadt) 1611, Rekonstruktion Reinhard Hüfken (Halberstadt) 2014, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, CDE-c3  
Principal 8' (kein Pedal)
Grobgedeckt 8'  
Quintatena 8'  
Principal 4'  
Rohrflöten 4'  
Gemshörner 2'  
Krumbhorn 8'  

In Kroppenstedt gespielte Stücke:
Heinrich Beginiker: A solis ortus cardine >>>
Heinrich Beginiker: Dies est laetitiae >>>
Heinrich Beginiker: Psallite unigenito >>>
Heinrich Compenius: Gib Glück und Heil, Herr Jesu Christ >>>
Leonhard Kleber: La spania in re >>>
Leonhard Kleber: Preambalon in re >>>
Leonhard Kleber: Preambalum in re >>>
Leonhard Kleber: Preambalum in ut >>>
Leonhard Kleber: Preambalum in sol molle >>>
Jakob Paix: Schirazula marazula >>>
Jörg Schapf: Preambalon in fa >>>



LANGULA (Landgemeinde Vogtei, Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Pfarrkirche St. Georg



Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1844, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Langula ist ein Ortsteil der Landgemeinde Vogtei im thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis. Der Ort liegt am Westrand des Thüringer Beckens, ca. 7 km von Mühlhausen entfernt und ca. 20 km nordwestlich von Bad Langensalza. Die Gemarkung schließt im Westen große Waldgebiete des Hainich mit ein. 1278 wird der Ort erstmals urkundlich erwähnt, er gehörte damals zur Vogtei Dorla. Bis 1329 hatten das Erzbistum Mainz und die Herren von Treffurt das Sagen in den drei Dörfern der Mark Dorla, also Niederdorla, Oberdorla und Langula. Nach einem kurzen Krieg gegen die Treffurter Raubritter setzten die Sieger - Mainz, Hessen und Sachsen - ab 1333 je einen Vogt in die drei Dörfer zur Verwaltung ein. So entstand wohl das kleinste Territorium des damaligen Reiches; und weil dieses Ländchen von also drei Vögten regiert wurde, hießen die Einwohner der drei Dörfer von da an und bis heute „Vogteier“. Die Gemeinde Langula schloss sich 2013 mit weiteren Gemeinden der bis dahin bestehenden Verwaltungsgemeinschaft Vogtei zur neuen Gemeinde Vogtei zusammen. Johann Sebastian Bach weilte während seiner Mühlhäuser Zeit einige Male in Langula, er traf sich in der alten Schule am Anger mit dem Langulaer Kantor Adam Jakob Schröter. Schiff und Chorraum der Kirche St. Georg wurden 1842 bis 1845 errichtet, der Westturm ist im Kern gotisch. Das Innere der Kirche ist einheitlich in einer frühen Form der damals gerade in Mode kommenden Neogotik ausgestattet. Auch die 1844 eingebaute Orgel besitzt ein neogotisches Gehäuse. Sie stammt aus der damals bereits weitberühmten Werkstatt von Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella.
Johann Friedrich Schulze wurde 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geboren. Er wurde in eine Orgelbauerfamilie hineingeboren, die vor ihm bereits in drei Generationen hauptsächlich im näheren Umkreis von Milbitz wirkte. Aber sein Vater Johann Andreas Schulze, geboren 1753, starb, als Johann Friedrich Schulze gerade einmal 13 Jahre alt war. Und so erlernte dieser sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm, der seinerseits wiederum ein Schüler von Johann Andreas Schulze war. Nach dem Tod Witzmanns vollendete Johann Friedrich Schulze mit 22 Jahren seine erste eigene Orgel und machte sich im Folgenden in Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann sagen – Weltgeltung. Johann Friedrich Schulze war unbestritten einer der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten des deutschen Orgelbaues im 19.Jahrhundert, in seiner Bedeutung nur mit Eberhard Friedrich Walcker vergleichbar. Maßgeblich für seine künstlerische Entwicklung war der Umbau der Trampeli-Orgel in der Stadtkirche zu Weimar, wo er mit dem dortigen Organisten Johann Gottlob Töpfer zusammenarbeitete und dessen Orgelbau-Theorien als erster Orgelbauer überhaupt praktisch umsetzte. Gemeinsam schufen Töpfer und Schulze ein neues Klangbild, das vom Spätbarock in die Romantik weist. Aber auch in technischer Hinsicht betrat Schulze vielfach Neuland. So geht die Trakturkonstruktion mit Wellenrahmen und Strahlentraktur auf Schulze zurück. Um 1850 stand Johann Friedrich Schulze auf dem Zenit seiner Meisterschaft, die in jener Zeit gebauten Großorgeln im Bremer Dom, in der Lübecker Marienkirche und sogar im Chrystal Palace in London zeigen, dass seine Kunst weithin Anerkennung fand. Johann Friedrich Schulze starb am 9.Januar 1858. Die 1844 erbaute Orgel in Langula ist in jeder Hinsicht typisch für das Schaffen Schulzes. Die bereits zu Schulzes Lebzeiten gerühmten „unübertrefflichen Bässe“ finden sich in Langula ebenso wie die bereits erwähnte Strahlentraktur, die als durchschlagende Zungenstimme gebaute Posaune im Pedal und die typische Flauto traverso. Diese Flauto traverso wurde in Schulzes Werkstatt zunächst rundgedrechselt und dann hohl gebohrt, ein sehr aufwändiges Verfahren, das höchste Präzision verlangt.
Die großen Orgeln Johann Friedrich Schulzes, etwa im Bremer Dom oder in der Lübecker Marienkirche, sind samt und sonders entweder dem jeweils aktuelleren Zeitgeist oder spätestens dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Darum ist es ein großes Glück, dass in Thüringen noch einige kleinere und mittelgroße Orgeln Schulzes erhalten sind und unter diesen ist das Instrument in Langula eines der größeren und eines der am besten und ursprünglichsten erhaltenen. Denn die Bedeutung Schulzes für die deutsche Orgelromantik kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Friedrich Ladegast, Wilhelm Sauer und wie sie alle hießen, sie alle bauen auf den Grundlagen auf, die Johann Friedrich Schulze gelegt hat. Die Orgel in Langula besitzt 17 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Manuale haben einen Tonumfang bis zum f3. Das Hauptwerk besitzt einen Bordun 16', sodann Principal, Hohlflöte, Gedackt und Gamba 8', eine Oktave 4' und dann die für Schulze typische Klangkrone, bestehend aus einer 3fachen Mixtur und einem 3fachen Scharff. Das Oberwerk besitzt eine charakteristische, romantische Disposition, bestehend aus Lieblich Gedackt 16', Flauto traverso, Lieblich Gedackt und Salicional 8' und einem Principal 4'. Das Pedal mit einem Umfang bis zum d1 verfügt über Subbaß und Posaune 16', letztere mit durchschlagenden Zungen, sowie Oktavbaß und Violon 8', dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flauto traverso 8' Violon 8'  
Gedackt 8' Salicional 8' Posaune 16'  
Gamba 8' Principal 4'    
Octave 4'      
Mixtur 3f.      
Scharff 3f.      

In Langula gespielte Stücke:
Johannes Brahms: O Welt, ich muß dich lassen op. 122,3 >>>
Carl Czerny: Präludium und Fuge D-Dur >>>
Karl Franz Pitsch: Fuga h-moll >>>
Carl Rundnagel: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Carl Rundnagel: Jesus, meine Zuversicht >>>
Johann Georg Sachs: "Fromme Freude" a-moll >>>
Johann Georg Sachs: Gebet Es-Dur >>>
Johann Georg Sachs: Nachspiel C-Dur >>
Johann Georg Sachs: "Zuversicht zum Herrn" F-Dur >>>
Johann Gottlob Töpfer: O Traurigkeit, o Herzeleid >>>
Johann Gottlob Töpfer: Warum sollt ich mich denn grämen >>>




MÜHLHAUSEN/THÜRINGEN (Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Pfarrkirche St. Petri



Erbauer: Wilhelm Rühlmann (Zörbig) 1910, (Prospekt Johann Friedrich Schulze, Paulinzella 1834), Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Mühlhausen/Thüringen ist die Kreisstadt des Unstrut-Hainich-Kreises und zehntgrößte Stadt Thüringens. Im Mittelalter war die freie Reichsstadt Mühlhausen nach Erfurt die zweitmächtigste Stadt im Thüringer Raum. Bekannt ist Mühlhausen auch für sein reichhaltiges historisches Erbe, so war es eine Zeitlang die Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach sowie von Thomas Müntzer. Im Jahre 967 wurde Mühlhausen erstmals als „mulinhuson“ erwähnt. Es war Zentrum eines bedeutenden Reichsgutbezirkes mit Königshof, dessen Ursprünge bis in das Reich Karls des Großen zurückreichen. Im Jahre 1135 war Mühlhausen der erste Ort im heutigen Thüringen, der die Stadtrechte erhielt. In der Folge blühte der Ort wirtschaftlich auf und trat der Hanse bei. 1802 endete mit dem Einrücken Napoleons die Reichsfreiheit und Mühlhausen kam mit seinem Umland zum Königreich Preußen. Die größten Kirchen Mühlhausens sind die Marienkirche mit ihrer großen Sauer-Orgel und Divi Blasii, an der bekanntlich Bach wirkte. Die Ursprünge der St.-Petri-Kirche am nordwestlichen Rand der Altstadt gehen auf das Jahr 1250 zurück. 1356 wurde die Kirche erweitert und unterstand bis zur Reformation dem Deutschen Ritterorden. Bei einem Umbau von 1893 bis 1895 erhielt die Kirche ihre heutige Gestalt mit dem beeindruckend farbigen Dach. 1713 schuf der berühmte Mühlhäuser Orgelbauer Johann Friedrich Wender eine Orgel für die Kirche, die 1834 durch ein Werk von Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella ersetzt wurde. Und 1910 erbaute die Orgelbauanstalt Wilhelm Rühlmann ein neues klingendes Werk in den klassizistischen Schulze-Prospekt.
Wilhelm Rühlmann wurde 1842 in Zörbig, einer Stadt im Süden Sachsen-Anhalts zwischen Bitterfeld und Köthen geboren. Er erlernte das Orgelbauhandwerk bei seinem Vater Friedrich Wilhelm Rühlmann, der aber nur eine kleine Werkstatt besaß. Seine entscheidende künstlerische Prägung erhielt er ab 1860 als Geselle bei Friedrich Ladegast in Weißenfels. 1866 übernahm er die Werkstatt des Vaters und vertiefte auf Anregung Ladegasts seine Kenntnisse durch Studienreisen ins baltische Livland und 1879 nach Paris, um Aristide Cavaille-Coll und seine Kunst kennenzulernen. 1883 errichtete er am Stadtrand Zörbigs die Orgelbau-Anstalt Wilhelm Rühlmann, die in den folgenden Jahrzehnten zu einer der größten Werkstätten Mitteldeutschlands werden sollte. Sein Erstlingswerk erbaute Rühlmann 1866 in der Dorfkirche zu Domnitz im nördlichen Saalekreis, das zum Glück bis heute wohl erhalten ist. In der Folge entstanden zahlreiche Instrumente, darunter nicht wenige mit drei Manualen und 40 und mehr Registern. Exemplarisch seien nur die Orgeln in der Agnuskirche in Köthen von 1881 mit 33 Registern, in Herzberg/Elster mit 47 Stimmen von 1896 und in der Stadtkirche zu Hettstedt im östlichen Harzvorland mit 45 Registern aus dem Jahr 1905 genannt. 1887 hatte Rühlmann in einer ebenfalls dreimanualigen Orgel für Bernburg erstmals die pneumatische Traktur angewandt und gehörte damit zu den ersten Firmen in Deutschland, die das neuartige Traktursystem zum Werkstattstandard erhoben. 1912 trat der 1882 geborene Sohn Wilhelm Rühlmann junior als Geschäftsführer in das Unternehmen ein und führte es bis zum Zweiten Weltkrieg fort. Der Firmengründer starb 1922 in Zörbig. Zwischen 1866 und 1939 entstanden rund 460 Orgeln in der Rühlmann-Werkstatt, wozu Neubauten ebenso zählen wie größere Umbauten. Wir finden sie vor allem in der damaligen Provinz Sachsen, was im Wesentlichen dem heutigen Sachsen-Anhalt entspricht, aber auch in den angrenzenden Gebieten Sachsens, Brandenburgs und Thüringens. In Mühlhausen ist Wilhelm Rühlmann erstmals 1898 mit einem Neubau in der St.-Nikolaikirche mit 22 Registern anzutreffen. Und 1910 errichtete er als sein opus 325 die Orgel in der St.-Petrikirche mit 27 Stimmen. Sie ist bis heute im Prinzip unverändert erhalten geblieben und konnte 2010 durch die Firma Jehmlich aus Dresden denkmalgerecht restauriert werden.
„Diese Orgel ist außerordentlich schön. Sie zeigt im Tutti majestätische Wucht bei harmonischer Abrundung und in den Einzelstimmen vielseitige Schönheit und feinste Nuancierung. Alles Pfeifenwerk steht leicht zugänglich auf pneumatischen Laden, der Spieltisch ist übersichtlich angelegt, die Spielart leicht und angenehm wie bei einem Blüthner-Flügel.“ Das wird um 1905 über ein neues Werk aus der Rühlmann’schen Werkstatt berichtet, das dem Werk in Mühlhausen nicht unähnlich war. Das Instrument in der Mühlhäuser Petrikirche besitzt 27 Stimmen. Im Hauptwerk finden wir Bordun 16', Principal, Gedackt, Rohrflöte, Gemshorn und Gambe 8', Octave und Flute harmonique 4', eine Rauschquinte 2fach sowie eine 3-5fache Mixtur und eine Trompete 8'. Im Schwellwerk stehen Lieblich Gedackt 16', dann Geigenprincipal, Flauto traverso, Doppelflöte und Voix celeste 8', Fugara und Flauto amato 4' sowie die Streichermixtur Harmonia aetherea 3fach und eine Oboe 8'. Das Pedal mit einem Umfang bis zum f1 besitzt Subbaß, Violon und Harmonikabaß 16', Principalbaß und Cello 8', Oktave 4' und eine Posaune 16'. Dazu kommen Koppeln, eine freie Kombination, eine Pianopedalschaltung, Schweller und Walze. Chefintonateur der Rühlmann-Werkstatt in jenen Jahren war übrigens Georg Eule, der 1882 geborene und im Ersten Weltkrieg gefallene Sohn von Hermann Eule aus Bautzen. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-g3 Oberwerk, C-g3 Pedal, C-f1  
Bordun 16' Lieblich Gedackt 16' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Geigenprincipal 8' Violon 16' Pedalkoppel zu I
Gedackt 8' Flauto traverso 8' Harmonikabaß 16' Pedalkoppel zu II
Rohrflöte 8' Doppelflöte 8' Principalbaß 8' Superoktavkoppel HW
Gemshorn 8' Voix celeste 8' Cello 8' Freie Kombination
Gambe 8' Fugara 4' Octave 4' Pianopedal
Octave 4' Flauto amato 4' Posaune 16' Schweller

Flute harmonique 4'

Harmonia aetherea 3f.   Crescendowalze
Rauschquinte 2f. Oboe 8'    
Mixtur 3-5f.      
Trompete 8'      

In Mühlhausen/Thüringen gespielte Stücke:
Anton Bruckner: Perger Präludium C-Dur >>>
Edward Elgar: Vesper Voluntary VII d minor >>>
Sigfrid Karg-Elert: Etwas bewegt, festlich aus W13 >>>
Sigfrid Karg-Elert: In ruhigem Choralzeitmaße aus W13 >>>
Sigfrid Karg-Elert: Verklärt, weihevoll und ruhig aus W13 >>>
Anton Wilhelm Leupold: Nun danket alle Gott >>>
Anton Wilhelm Leupold: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Reinhold Lichey: Elegie F-Dur >>>
Reinhold Lichey: Erinnerung F-Dur >>>
Hans Pfitzner: Allein Gott in der Höh sei Ehr >>>
Jean Sibelius / Esa Ylönen: Andante festivo >>>
Jean Sibelius: Surusoitto op. 111b >>>
Richard Trägner: Christe, du Lamm Gottes >>>



NÄGELSTEDT (Stadt Bad Langensalza, Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Stiftsgutkirche St. Georg



Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1829-1830, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Nägelstedt ist ein Stadtteil der Kurstadt Bad Langensalza im Unstrut-Hainich-Kreis in Thüringen. Der 730 Einwohner zählende Stadtteil von Bad Langensalza liegt 6,5 km von der Kernstadt entfernt. Nägelstedt liegt am Tor zum Unstruttal. Im Jahre 977 wird der Ort erstmals als „Negelstete“ erwähnt. Um 1200 hatten bereits die Herren von Döllstedt im Ort Besitz aufzuweisen. 1222 erwarb der Deutsche Orden, Ballei Thüringen in Nägelstedt einen Gutshof mit Patronatsrecht über die Kirche St. Georg. Der Orden festigte seine Stellung in der Region durch Ausbau dieser Besitzung zum Komturhof Nägelstedt. Der Komturhof wurde Verwaltungsmittelpunkt für eine Anzahl von Orten im Umkreis von zwanzig Kilometern. Die im 17. Jahrhundert errichtete Kirche St. Michael steht im westlichen, früheren Oberdorf. Im östlichen Ortsbereich, dem früheren Unterdorf, befindet sich eine zweite Kirche, die Kirche St. Georg. Sie diente auch dem Deutschen Ritterorden als Gotteshaus und stammt aus dem 13. Jahrhundert. Sie wird auch die Stiftsgutkirche genannt, weil sie direkt an das Gelände des erwähnten Gutshofs des Deutschen Ordens grenzt. Vom romanischen Bau erhalten sind die kreuzförmigen Ostteile mit Mittelturm. Spätere Anbauten geschahen im 16.Jahrhundert und im 18.Jahrhundert schließlich wurde das heutige Langhaus errichtet. 1830 wurde die Orgel eingeweiht. Sie stammt aus der Werkstatt von Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella und weist einige Besonderheiten auf, auf die wir noch näher eingehen werden.
Johann Friedrich Schulze wurde 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geboren. Er wurde in eine Orgelbauerfamilie hineingeboren, die vor ihm bereits in drei Generationen hauptsächlich im näheren Umkreis von Milbitz wirkte. Aber sein Vater Johann Andreas Schulze, geboren 1753, starb, als Johann Friedrich Schulze gerade einmal 13 Jahre alt war. So erlernte dieser sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm, der seinerseits allerdings wiederum ein Schüler von Johann Andreas Schulze war. Nach dem Tod Witzmanns vollendete Johann Friedrich Schulze mit 22 jahren seine erste eigene Orgel und machte sich im Folgenden in Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann sagen – Weltgeltung. Johann Friedrich Schulze war unbestritten einer der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten des deutschen Orgelbaues im 19. Jahrhundert. Seine enge Zusammenarbeit mit dem Weimarer Organisten und Orgelbau-Theoretiker Johann Gottlob Töpfer, dessen bahnbrechende Ideen Schulze als erster praktisch umsetzte, führten Schritt für Schritt zu einem neuen Klangideal, das wir heute die Romantik nennen. Neben zahlreichen klanglichen Neuerungen – Schulze bevorzugte etwa bis zur 4'-Länge Holz als Material für seine Pfeifen – betrat er auch in der technischen Entwicklung vielfach Neuland. So geht die Trakturkonstruktion mit Wellenrahmen und Strahlentraktur auf Schulze zurück. Die Prospektpfeifen in den meisten Schulze-Orgeln sind nicht klingende Pfeifenattrappen aus Zink. Bei einigen Orgeln – so auch in Nägelstedt – hat Schulze gänzlich auf Prospektpfeifen verzichtet und das Gehäuse stattdessen ausschließlich mit reich geschnitzten Ornamenten gestaltet. Die Ventile sind in Nägelstedt nicht wie üblich liegend, sondern hochkant eingebaut. Höchst bemerkenswert ist schließlich der für die damalige Zeit außergewöhnliche Umfang der Manualklaviaturen. Diese reichen vom Ton C bis zum c4, umfassen also volle fünf Oktaven. Die Orgel in Nägelstedt ist die einzige Schulze-Orgel, bei der dieser extreme Klaviaturumfang erhalten ist. Später ist Schulze hiervon wieder abgerückt; beispielsweise besitzt die 20 Jahre später erbaute Orgel in Meuselbach, die in einem anderen Orgelportrait vorgestellt wird, einen Manualumfang lediglich bis zum c3, also eine ganze Oktave weniger. 2011 bis 2012 wurde die Schulze-Orgel in Nägelstedt durch die Firma Mitteldeutscher Orgelbau Voigt aus Bad Liebenwerda umfassend restauriert.
Die Johann-Friedrich-Schulze-Orgel in Nägelstedt, 1830 vollendet, ist eines der früheren Werke dieses großen Orgelbauers, der um 1850 sein Lebenswerk mit den großen Orgeln für den Bremer Dom und die Lübecker Marienkirche krönen sollte. Erwähnt wurde bereits der ungewöhnliche große Manualumfang bis zum c4. Eigenartig wirkt auf den ersten Blick auf die 19 Register umfassende Disposition auf zwei Manualen und Pedal. Durch den großen Manualumfang ist es aber möglich, auf dem Instrument entweder in der Normallage oder eine Oktave höher zu spielen. Ein wenig erinnert dies an die Ideen Abbé Voglers. Das Hauptwerk besitzt 8 Register und eine Disposition mit Kraft und Glanz, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt. Grundlage sind die drei 8'-Register Principal, Gamba und Gedackt, grundiert von einem fülligen Bordun 16'. Für eine besondere Note sorgt die Hohlflöte 6', darüber stehen noch Oktave und Flöte 4' sowie eine 5fache Mixtur. Das Oberwerk ist mit 7 Registern sehr farbig disponiert. Hier finden wir Geigenprincipal, Lieblich Gedackt, Traversflöte und Salicional 8', Principal und Dolcflöte 4' sowie ein Scharff 3fach. Dieses Soloregister hat Schulze öfter gebaut, es hat die Zusammensetzung 2', 1 1/3' und 1' und repetiert ab dem Ton g° auf 4', 2 2/3' und 2'. Das Pedal, hier mit normaler, gerader Pedalklaviatur, hat einen Tonumfang bis zum d1. Es besitzt vier Register, nämlich Subbaß und Violon 16' sowie Oktavbaß und Traversenbaß 8'. Es sind nicht allzu viele Orgeln dieses großen und in seiner Bedeutung für den romantischen Orgelbau kaum zu überschätzenden Orgelbauers Johann Friedrich Schulze erhalten. Somit besitzen die meist kleineren und mittelgroßen Instrumente in Thüringen eine besondere Bedeutung für die deutsche Orgellandschaft. Einige davon sind bis leider bis heute noch nicht restauriert und in teilweise sehr schlechtem Zustand. Umso dankbarer können wir sein, daß die Orgel in Nägelstedt nahezu völlig im Originalzustand erhalten geblieben und seit 2012 vorbildlich restauriert ist.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:


Hauptwerk, C-c4 Oberwerk, C-c4 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Violon 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Traversflöte 8' Octavbaß 8'  
Gamba 8' Salicional 8' Traversenbaß 8'  
Hohlflöte 6' Principal 4'    
Octave 4' Dolcflöte 4'    
Flöte 4' Scharff 3f.    
Mixtur 5f.      

In Nägelstedt gespielte Stücke:
Michael Henkel: Adagio E-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile e-moll >>>
Michael Henkel: Larghetto a-moll >>>
Michael Henkel: Larghetto lamentoso c-moll >>>
Michael Henkel: Moderato A-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato c-moll >>>
Michael Henkel: Versett Es-Dur >>>
Michael Henkel: Fünf Versetten e-moll >>>
Michael Henkel: Vorspiel e-moll >>>



NEUSTADT/HARZ (Landgemeinde Harztor, Landkreis Nordhausen)
Ev. Pfarrkirche St. Georg




Erbauer: Friedrich Ladegast (Weißenfels) 1875, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Ganz im Norden Thüringens, nahe der Grenze zu Sachsen-Anhalt, liegt Neustadt/Harz, heute ein Ortsteil der Landgemeinde Harztor im Landkreis Nordhausen. Die einen Kilometer nördlich des Ortes stehende Burg Hohnstein, von der man einen wunderbaren Blick über das südliche Harzvorland hat, entstand Mitte des 12. Jahrhunderts. 1372 wurde Novenstadt erstmals urkundlich genannt, das unter der Herrschaft der auf Hohnstein ansässigen Grafen zu Stolberg rasch aufblühte und schon bald Markt- und Braurechte erhielt. Nachdem sich im 19. Jahrhundert der Fremdenverkehr zu entwickeln begann, baute man 1870 in „Neustadt unterm Hohnstein“, wie der Ort damals genannt wurde, ein Kurhaus, später ein Badehaus und ein Sanatorium. 1898 wurde die Harzquerbahn in Betrieb genommen, deren Haltepunkte Ilfeld bzw. Niedersachswerfen rund 3 Kilometer östlich von Neustadt liegen, das sich seit 1890 Luftkurort nennen darf. Die Kirche St. Georg, eine barocke Saalkirche, entstand nach einem Brand in den Jahren 1679 bis 1705. Der prachtvolle barocke Kanzelaltar ist eine Stiftung der Familie zu Stolberg. 1712 erhielt die Kirche eine Orgel aus der Werkstatt des Orgelbauers Johann Georg Papenius, die später durch ein Instrument von Julius Strobel ersetzt wurde, das Anfang der 1980er Jahre fast unspielbar war. Durch glückliche Umstände, von denen später noch die Rede sein wird, ergab sich 1983 die Gelegenheit, eine Orgel von Friedrich Ladegast zu erwerben, die ursprünglich 1875 für die Kirche des Dorfes Eythra erbaut wurde. Dieser in der Leipziger Tieflandsbucht südlich von Leipzig, an der Weißen Elster gelegene Ort ist, wie viele Dörfer der Region, dem Braunkohletagebau zu Opfer gefallen.  
Friedrich Ladegast wurde 1818 in Hochhermsdorf, heute ein Ortsteil der Gemeinde Zettlitz im Landkreis Mittelsachsen geboren. Seine erste Ausbildung erhielt er in der Werkstatt seines älteren Bruders Christlieb und erbaute sein op. 1 1838 für die Dorfkirche zu Tanneberg bei Mittweida. Seine zunftgemäßen Wanderjahre führten ihn zu Urban Kreutzbach in Borna, Johann Gottlob Mende in Leipzig und Eduard Zuberbier in Dessau. 1847 ließ sich Ladegast in Weißenfels nieder, wo er im Umfeld der durch die Industrialisierung aufblühenden Stadt und ohne regionale Konkurrenz ein reiches Betätigungsfeld vorfand. Nach einigen kleineren Werken und der 1852 mit 24 Registern erbauten Orgel in Hohenmölsen erhielt Friedrich Ladegast 1853 den Auftrag zum Bau der Merseburger Domorgel mit 81 Stimmen, die ihn mit einem Schlag in Deutschland und darüber hinaus berühmt machte. Danach ging es rasch voran. 1862 vollendete er in der Leipziger Nikolaikirche eine Orgel mit 84 Registern auf vier Manualen und Pedal, 1864 in der Schloßkirche Wittenberg mit 39 Stimmen auf drei Manualen. Es ist schier unmöglich, hier alle Meisterwerke Ladegasts zu nennen, die es verdient hätten, erwähnt zu werden. Die Orgel in Eythra entstand 1875 als sein op. 69 und kostete 1.900 Taler. Ganz ähnliche Orgeln lieferte Ladegast im selben Jahr in die Dorfkirche zu Taucha bei Hohenmölsen, die noch erhalten ist und in die Schloßkirche zu Goseck im Burgenlandkreis, die sich dem Betrachter heute leider nur als traurige Ruine darbietet. Friedrich Ladegast war zeitlebens ein überzeugter Anhänger der Schleiflade und der mechanischen Traktur. Erst spät und nur zögernd wandte er sich dem Bau von Kegelladen zu. Den Bau der unvermeidlich gewordenen Röhrenpneumatik überließ er seinem 1858 geborenen Sohn Oskar, der 1898 die väterliche Werkstatt übernahm. Zur Würdigung von Friedrich Ladegasts Schaffen, der 1905 in Weißenfels starb, seinen zwei berühmte Organisten zitiert. Zunächst Albert Schweitzer: „Der große französische Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll hat ihn als den besten unter den zeitgenössischen Orgelbauern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschätzt. Ich habe Cavaillé-Coll noch gekannt und kann bestätigen, daß er von Ladegast stets mit Bewunderung sprach.“ Und der langjährige Merseburger Domorganist Hans-Günther Wauer äußerte sich einmal: „Ich halte Friedrich Ladegast für den bedeutendsten Orgelbauer nach Silbermann, dessen Tradition er fortsetzt. Sowohl in technischer wie auch in klanglicher Hinsicht sind seine Schöpfungen in gewisser Hinsicht einzigartig. Ich selber war ergriffen von der Spielart und der Tonschönheit der Ladegast-Orgeln, die ich unter die Finger bekam und habe Organisten, die ihre Ladegast-Orgeln umbauen und modernisieren wollten, von dieser Sünde abgeraten. In der Tonqualität stelle ich Ladegast-Orgeln sogar über die von Cavaillé-Coll.“ 
"1982 war Pfarrer König aus Eythra im Urlauber-Raum unseres Pfarrgrundstückes zum Urlaub. Im Gottesdienst erlebt er die Schäden unserer Strobel-Orgel, die 1983 völlig aufgab. Er berichtete von dem Braunkohlentagebau um Eythra und den beschlossenen Abbruch des Ortes und der Kirche. Wir sollten uns die Ladegastorgel mal ansehen und um Kauf und Übernahme bemühen, denn viele Gemeinden wollten sie gerne übernehmen. Nach 5 Telefonaten mit Leipzig und der Zusage, daß wir an der romantischen Klangstruktur nichts ändern werden, bekamen wir die Zusage.“ So heißt es im Archiv der Kirchengemeinde. Den Abbau und den 1985 abgeschlossenen Wiederaufbau in Neustadt besorgte der Weimarer Orgelbauer Norbert Sperschneider. Und so steht das Instrument mit seinen 17 Registern heute in Thüringen, bis auf die Prospektpfeifen unverändert und klangschön wie am ersten Tag. Im Hauptwerk stehen Bordun 16', Principal, Rohrflöte und Gambe 8', Principal und Flöte minor 4', Nassat 2 2/3', Octave 2' und eine 2-4fache Mixtur. Im Oberwerk finden wir Lieblich Gedeckt, Flöte und Viola d’amour 8' sowie eine Flöte douce 4'. Das Pedal gibt mit Subbaß und Violon 16' sowie Octavbaß und Cello 8' das gehörige Fundament. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Lieblich Gedeckt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flöte 8' Violon 16' Pedalkoppel
Rohrflöte 8' Viola d'amour 8' Octavbaß 8'  
Gambe 8' Flöte douce 4' Cello 8'  
Principal 4'      
Flöte minor 4'      
Nassat 2 2/3'      
Octave 2'      
Mixtur 2-4f.      

In Neustadt/Harz gespielte Stücke:
Carl Friedrich Engelbrecht: Aus meines Herzens Grunde >>>
Carl Friedrich Engelbrecht: Erschienen ist der herrlich Tag >>>
Carl Friedrich Engelbrecht: Valet will ich dir geben >>>
Alexander Wilhelm Gottschalg: Chor der älteren Pilger (Wagner) >>>
Alexander Wilhelm Gottschalg: Gebet aus "Rienzi" (Wagner) >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 1 Es-Dur >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 2 e-moll >>>
Friedrich Kühmstedt: Präludium Nr. 3 A-Dur >>>
Franz Liszt: Der Papst-Hymnus >>>
Hermann Schellenberg: Fantasie über den Namen BACH >>>



NIEDERDORLA (Landgemeinde Vogtei, Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Kirche St. Johannes



Erbauer: Emil Reubke (Hausneindorf) 1874, Umbau Robert Knauf (Bleicherode1899, Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Niederdorla ist ein Ortsteil der Landgemeinde Vogtei im thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis. Der Ort liegt am Nordrand des Nationalparks Hainich etwa 5 Kilometer südlich von Mühlhausen. Etwa 500 Meter nördlich von Niederdorla befindet sich übrigens der geographische Mittelpunkt Deutschlands. Neben einer Linde findet der Besucher dort einen markanten Stein mit einer entsprechenden Informationstafel. Nicht weit davon entfernt befindet sich eine vorgeschichtliche Kultstätte, das Opfermoor von Niederdorla. Das Opfermoormuseum und das benachbarte Museumsdorf am Nordrand von Niederdorla sind unbedingt einen Besuch wert. Rund 1.350 Einwohnerinnen und Einwohner leben heute in dem Ort, der im Jahre 1223 erstmals urkundlich genannt wurde. Das Dorf gehörte damals zur Vogtei Dorla. Bis 1329 hatten das Erzbistum Mainz und die Herren von Treffurt das Sagen in den drei Dörfern der Mark Dorla, also Niederdorla, Oberdorla und Langula. Nach einem kurzen Krieg gegen die Treffurter Raubritter setzten die Sieger - Mainz, Hessen und Sachsen - ab 1333 je einen Vogt in die drei Dörfer zur Verwaltung ein. So entstand wohl das kleinste Territorium des damaligen Reiches; und weil dieses Ländchen von also drei Vögten regiert wurde, hießen die Einwohner der drei Dörfer von da an und bis heute „Vogteier“. Niederdorla schloss sich 2013 mit weiteren Gemeinden der bis dahin bestehenden Verwaltungsgemeinschaft Vogtei zur neuen Gemeinde Vogtei zusammen. Die evangelische Pfarrkirche, die Johanneskirche ist eine Saalkirche, die in den Jahren 1740 bis 1772 in mehreren Bauabschnitten neu errichtet wurde. 1874 erhielt die Kirche auf der zweiten Empore eine prachtvolle, neue Orgel aus der Werkstatt von Emil Reubke aus Hausneindorf im Harz. Der Magdeburger Domorganist August Gottfried Ritter examinierte das Werk und war voll des Lobes.
Der 1805 in Halberstadt geborene Adolf Reubke begann nach unvollendeten Lehre zum Kunstdrechsler größtenteils autodidaktisch zunächst mit dem Bau von Klavieren, später auch von Orgeln. Trotzdem konnte er als Orgelbauer im Bereich um Magdeburg Fuß fassen und schuf beispielsweise 1844 in Gröningen und 1847 in Egeln größere zweimanuale Instrumente mit 28 beziehungsweise 29 Registern. Die Werkstatt hatte ihren Sitz in Hausneindorf, heute ein Ortsteil der Gemeinde Selke-Aue rund 12 km nordöstlich von Quedlinburg. Adolf Reubke hatte vier Söhne, die allesamt musikalisch hochbegabt waren. Der älteste war der 1830 geborene Carl Reubke, der allerdings bereits mit 20 Jahren an einer typischen Orgelbauerkrankheit starb. In einem kalten Kirchenraum hatte er sich bei der Arbeit schwer erkältet und überlebte die nachfolgende Lungenentzündung nicht. Der zweite Sohn ist der 1834 geborene Julius Reubke. Dieser geniale Liszt-Schüler starb ebenfalls früh, 1858 mit gerade einmal 24 Jahren. Seine epochemachende Orgelsonate in c-moll „Der 94.Psalm“ hat zu Recht Weltruhm erlangt und. Zwei Jahre jünger war sein Bruder Emil Reubke, der beim Vater die Kunst des Orgelbaus erlernte und ab 1860 Teilhaber des Unternehmens wurde, das fortan unter dem Namen Reubke & Sohn firmierte. Nicht zu vergessen ist noch der 1842 geborene Otto Reubke, der ebenfalls bei Liszt und bei Thomaskantor Hauptmann studierte und später Universitätsmusikdirektor und Professor in Halle an der Saale wurde. Nach dem Tod von Adolf Reubke wurde Emil 1872 Alleininhaber der Werkstatt in Hausneindorf. 1874 erbaute er in Niederdorla jene Orgel mit drei Manualen und Pedal, die klanglich bis heute noch weitgehend unberührt erhalten ist. Reubke stellte das Pfeifenwerk auf Kegelladen mit mechanischer Traktur. Ab etwa 1880 experimentierte Emil Reubke, der zeitlebens technischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen war, mit pneumatischen Trakturen, doch nahm ihm der Tod im Jahre 1884 mit nur 48 Jahren seine innovativen Pläne aus der Hand. Die Intonation und echt künstlerische Klanggestalt aller Reubke-Orgeln wird, heute wie damals, ausnahmslos gerühmt und das mit vollem Recht. Das Problem von Reubkes mechanischen Orgeln ist die überdurchschnittlich schwergängige Traktur. Und so kam es, dass die Orgel in Niederdorla bereits nach 25 Jahren, 1899, durch die Firma Robert Knauf und Sohn aus Bleicherode neue Laden, einen neuen Spieltisch und vor allem eine pneumatische Traktur erhielt. Knauf gab der Orgel seine Opus-Nummer 205, denn zwischen Umbau und Neubau hat man in jeder Zeit nicht allzu scharf getrennt.
Nachdem die Orgeln in Niederdorla rund 30 Jahre zum Schweigen verurteilt war, wurde sie 2014 bis 2016 durch die Firma Karl Brode aus Heiligenstadt stilgerecht restauriert. Dabei stellte sich heraus, dass Knauf das Pfeifenwerk von Emil Reubke bei seinem Umbau komplett übernommen hatte und das ist von besonderer Bedeutung, denn so zumindest klanglich vollständig erhalten finden wir sonst fast keine Orgel aus Reubkes Werkstatt. Das prachtvolle Instrument besitzt 31 Register auf drei Manualen und Pedal. Im Hauptwerk finden wir Bordun 16', Principal, Bordun, Hohlflöte, Gambe und eine Trompete 8', sodann Octave und Flöte harmonique 4', ein 3faches Cornett und eine 4fache Mixtur. Die auf dem Registerschild als Quarte 2' bezeichnete Stimme ist eine Rauschquinte, bestehend aus 2' und 2 2/3'. Im zweiten Manual finden wir Gedackt 16', sodann Geigenprincipal, Quintatön, Salicional und Flöte harmonique 8', Octave und Gemshorn 4', eine Waldflöte 2' und eine 3fache Mixtur. Das dritte Manual ist ein Echowerk und steht in einem Schwellkasten. Es verfügt über Gedackt, Harmonika und Vox coelestis 8' sowie eine Flöte 4'. Dazu kommt noch eine Oboe 8', gebaut als zarte durchschlagende Harmoniumstimme, also als Physharmonika. Im Pedal schließlich stehen Subbaß, Violon und Posaune 16' sowie Offenbaß, Violoncello und Gedacktbaß 8'. Dazu kommen noch eine freie und drei feste Kombinationen sowie die üblichen Koppeln, darunter auch eine Manualoktavkoppel. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Echowerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Gedackt 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel II-I
Principal 8' Geigenprincipal 8' Harmonika 8' Violon 16' Manualkoppel III-I
Bordun 8' Quintatön 8' Vox coelestis 8' Offenbaß 8' Manualkoppel III-II
Hohlflöte 8' Salicional 8' Flöte 4' Violoncello 8' Manualoktavkoppel
Gambe 8' Flöte harmonique 8' Oboe 8' Gedacktbaß 8' Pedalkoppel zu I
Octave 4' Octave 4'   Posaune 16' Pedalkoppel zu II
Flöte harmonique 4' Gemshorn 4'     Freie Kombination
Quarte 2' (2f.) Waldflöte 2'     3 feste Kombinationen
Cornett 3f. Mixtur 3f.      
Mixtur 4f.        
Trompete 8'        

In Niederdorla gespielte Stücke:
Theophil Forchhammer: Christ ist erstanden >>>
Theophil Forchhammer: Die Sonn hat sich mit ihrem Glanz gewendet >>>
Sigfrid Karg-Elert: Clair de lune op. 72,2 >>>
Sigfrid Karg-Elert: Träumerei (Schumann) >>>
Robert Schaab: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Robert Schaab: Ich dank dir schon durch deinen Sohn >>>
Robert Schaab: Nun komm der Heiden Heiland >>>
Robert Schaab: Wenn wir in höchsten Nöten sein >>>



OBERSACHSWERFEN (Gemeinde Hohenstein, Landkreis Nordhausen)
Ev. Kirche St. Marien



Erbauer: Heinrich Deppée (Nordhausen) um 1810, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Obersachswerfen ist ein Ortsteil der Gemeinde Hohenstein im thüringischen Landkreis Nordhausen mit 115 Einwohnerinnen und Einwohnern. Wir sind in der Karstlandschaft des Vorharzes, nur einen Kilometer von der Landesgrenze zu Niedersachsen entfernt im Gebiet der alten Grafschaft Hohnstein. Nach dem Tod des letzten Grafen von Hohnstein und der anschließenden Aufteilung des Territoriums kam das 1129 erstmals urkundlich erwähnte Obersachswerfen 1593 als Teil der Herrschaft Klettenberg an die Grafen zu Stolberg und nach dem Westfälischen Frieden 1648 zum Kurfürstentum Brandenburg. 1816 wurde die alte Grafschaft Hohenstein und damit auch Obersachswerfen ein Teil der preußischen Provinz Sachsen. 1946 kam der Ort zu Thüringen. Seit 1991 gehörte er der Verwaltungsgemeinschaft Grenzland an, die 1996 in der neuen Gemeinde Hohenstein aufging. Die heutige Marienkirche entstand im Jahre 1790 anstelle einer älteren Vorgängerin. Das turmlose Gotteshaus besitzt in seinem schlichten Inneren eine Orgel aus der Zeit des Klassizismus, die von Johann Heinrich Adam Deppée aus Nordhausen errichtet wurde. 
Geburtsort und –jahr von Heinrich Deppée, dem Erbauer der Orgel in Obersachswerfen, sind unbekannt. Er stammte "aus dem Zweibrückischen", also dem damaligen Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, zu dem auch Kusel, Nahfelden, Meisenheim und die Exklave Bergzabern gehörte. Sein Geburtsjahr dürfte um 1767 anzusetzen sein. Er hatte noch einen 1773 geborenen Bruder Ludwig, der mit ihm zusammenarbeitete. Wo er sein Handwerk erlernte, wissen wir nicht. Denkbar wäre eine Lehr- oder Gesellenzeit bei dem Pfalz-Zweibrückischen Hoforgelbauer Matthias Christian Baumann, bei dem unter anderem sogar Mozart einmal ein Clavier orderte. Seit etwa 1800 lebte er in Nordhausen. Aufgrund des für die Region ungewöhnlichen Nachnamens - mit Accent aigu auf dem e nach dem Doppel-P - begegnet er uns in den folgenden 30 Jahren auch mit den Namensformen Deppe, Dippe, Teppe und Töppe. Er hatte seine Werkstatt an der alten Kuttelpforte, heute Königshof Nr. 12. Zusammen mit seinem Bruder Ludwig baute er in allen Nordhäuser Stadtkirchen mit Ausnahme des Doms und der Siechenhofkapelle neue Orgeln, von denen aber nur der Prospekt in der Altendorfer Kirche erhalten ist. Die größte von ihm erbaute Orgel war die der Nordhäuser Frauenbergkirche mit 26 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Dazu kamen einige kleinere Instrumente in Dörfern der Umgebung, in Pützlingen, Kleinwerther, Stempeda und Kleinberndten, die aber alle entweder später verändert wurden oder sich heute in keinem guten Zustand befinden. In Nohra bei Bleicherode und in Hohenstein-Trebra sind gar noch die alten Prospekte, jedoch kein altes Pfeifenmaterial mehr erhalten. Somit ist die Orgel in Obersachswerfen, deren Baujahr nicht genau bekannt ist, aber um 1810 anzusetzen sein dürfte, heute das einzige Instrument aus der Werkstatt dieses Nordhäuser Orgelbauers, der 1830 nach längerer Krankheit verstarb, und das uns auch einen guten und weitgehend authentischen Eindruck vom Klang seiner Orgeln vermittelt. Der Bruder Ludwig Deppée erbaute 1832 ein Instrument für Kleinbrüchter im heutigen Kyffhäuserkreis, die zwar erhalten, aber dringend restaurierungsbedürftig ist und starb 1848.  
Die durch einen Wasserschaden stark in Mitleidenschaft gezogene Orgel in Obersachswerfen wurde Anfang der 2000er-Jahre durch Karl Brode aus Heiligenstadt instandgesetzt. Bis auf die im Ersten Weltkrieg abgelieferten Prospektpfeifen ist das Instrument ansonsten nicht verändert worden. Der ganze technische Aufbau und auch die Disposition wirken für die Zeit um 1810, auf die man das Instrument allgemein datiert, sehr konservativ. Doch zeigt die Orgel in ihrem klanglichen Aufbau mehrere Eigentümlichkeiten, die im Thüringischen Orgelbau jener Zeit sonst nicht zu finden sind. Das Manual hat einen Umfang bis zum c3 - noch ohne das Cis - und die Register Gedackt und Flöte 8', Principal, Gedackt und Hohlflöte 4', Octave und Spitzflöte 2' sowie eine 3fache Mixtur. Bemerkenswert ist das Fehlen eines Streichers und einer Quinte 3', dafür fällt der vollständige Flötenchor 8', 4' und 2' ins Auge. Das Pedal ist bis zum c1 ausgebaut und verfügt über Subbaß 16' und Octav 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. 
 

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Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Gedact 8' Supbaß 16' Pedalkoppel
Flöte 8' Octav 8'  
Principal 4'    
Gedact 4'    
Hohlflöte 4'    
Octav 2'    
Spitzflöte 2'    
Mixtur 3f.    

In Obersachswerfen gespielte Stücke:
Ludwig van Beethoven: Fuga a 4 >>>
Ludwig van Beethoven: Fuga a tre >>>
Ludwig van Beethoven: Präludium durch alle Tonarten op. 39,1 >>>
Michael Gotthard Fischer: Christ fuhr gen Himmel >>>
Michael Gotthard Fischer: Schließt euch, ihr Wolken, auf >>>
Ernst Ludwig Gerber: Allein Gott in der Höh sei Ehr I >>>
Ernst Ludwig Gerber: Allein Gott in der Höh sei Ehr II >>>
Ernst Ludwig Gerber: Allein Gott in der Höh sei Ehr III >>>
Carl Christian Kegel: Jesus, meine Zuversicht >>>
Carl Christian Kegel: Vorspiel d-moll >>>
Johann Andreas Loewe: Andante F-Dur >>>
Sigismund Ritter von Neukomm: Andante maestoso d-moll >>>
Sigismund Ritter von Neukomm: Andantino A-Dur >>>


OSTRAU (Gemeinde Elsteraue, Burgenlandkreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Johann Nikolaus Zimmermann (Camburg) um 1800, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die ehemals selbständigen Dörfer Reuden, Predel und Ostrau bildeten, bedingt durch ihre gemeinsame Lage im Überschwemmungsgebiet der "Weißen Elster", schon seit langer Zeit politische Zweckgemeinschaften. 1950 wurden die drei Ortschaften zur Gemeinde Reuden zusammengefasst, die 2003 wiederum in die Gemeinde Elsteraue eingegliedert wurde. Wir befinden uns im Burgenlandkreis, im Süden Sachsen-Anhalts nahe der Landesgrenze zu Thüringen. Ostrau ist dabei das älteste der drei Dörfer der Gemeinde Reuden, urkundlich erstmals genannt wurde die slawische Siedlung „Ostrovu“ in einer Stiftungsurkunde des Klosters Posa aus dem frühen 12. Jahrhundert. Heute leben 85 Einwohnerinnen und Einwohner in dem kleinen Dorf. Ostrau und die umliegenden Ortschaften gehörten bis 1815 zum sächsischen Amt Weißenfels, später zum Kreis Zeitz in der preußischen Provinz Sachsen. 2004 begann der Aufschluss des zum Tagebau Profen gehörenden Baufeldes Schwerzau, wodurch Reuden, Bornitz, Draschwitz und Predel im Zuge des Braunkohlenabbaus in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einen großen Teil ihrer Feldgemarkungen verlieren werden. Die Kirche in Ostrau ist eine ältesten in der Gegend. Als Saalkirche mit Ostturm wurde sie als Stiftungskirche eines Ritters Conradus um 1175 erbaut. Später wurde an der Ostseite des Turmes ein rechteckiger Chor angebaut. Die Kirche besitzt einen frühbarocken Altar aus dem Jahr 1637 und 1710 wurde der Turm über dem gotischen Chor erneuert. Die barocke Orgel entstand wohl 1726 und wurde um 1800 weitgehend erneuert. Auf die details werden wir gleich noch näher eingehen.
Über die Orgel in Ostrau kursieren unterschiedliche Altersangaben in den Quellen. Gesichert ist, dass im Jahre 1726 in Ostrau eine Orgel erbaut wurde, allerdings wissen wir nicht den Namen ihres Meisters. Um das Jahr 1800 wurde diese Orgel durch einen Neubau ersetzt oder zumindest wesentlich umgebaut durch den Orgelbauer Johann Nikolaus Zimmermann aus Camburg. Camburg liegt etwa 45 Kilometer westlich von Ostrau im heutigen Saale-Holzland-Kreis. Über das Leben von Johann Nikolaus Zimmermann wissen wir nur sehr wenig. Als Geburtsjahr kann 1746 wohl als gesichert angenommen werden. 1766 wird in einem Kostenvoranschlag für die Erneuerung der Orgel in Bürgel unter den Mitarbeitern des Orgelbauers Justinus Ehrenfried Gerhardt ein „Tischlergesell Johann Nikolaus Zimmermann von Gumperda“ erwähnt. Gumperda ist ein Ort etwa fünf Kilometer westlich von Kahla im Reinstädter Grund, ebenfalls im heutigen Saale-Holzland-Kreis. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich hierbei um unseren Johann Nikolaus Zimmermann, der also ein Schüler des großen Justinus Ehrenfried Gerhard in Lindig bei Kahla war. Wann genau sich Zimmermann dann in Camburg selbstständig gemacht hat, ist noch unerforscht. 1799 führte er eine größere Reparatur an der Orgel der Stadtkirche in Eisenberg aus und 1801 ist ein Orgelneubau in Bergsulza nachgewiesen, der allerdings nicht erhalten ist. Das ist auch schon fast alles, was wir über Johann Nikolaus Zimmermann wissen, der laut dem Lexikon norddeutscher Orgelbauer „nach 1826“ verstorben ist. Sein Sohn Johann Friedrich Zimmermann erlernte ebenfalls das Handwerk des Orgelbaues, vermutlich in der väterlichen Werkstatt, ist aber nur mit kleineren Reparaturen und Umbauten in den Jahren 1815 und 1820 nachzuweisen.
Die um 1800 von Johann Nikolaus Zimmermann erbaute Orgel in der beschaulichen Dorfkirche von Ostrau besitzt 8 Register auf einem Manual und Pedal. Bereits 1942 wurde das Instrument erstmals durch die Firma Emil Hammer aus Hannover in einer für die damalige Zeit vorbildlichen Art und Weise instandgesetzt. 2018 bis 2019 wurde das Instrument durch Orgelbaumeister Gerd-Christian Bochmann aus Kohren-Sahlis nun denkmalgerecht restauriert. Die Orgelweihe 2019 war Höhepunkt und Abschluss der Kirchenrenovierung, in die die kleine Gemeinde in den letzten Jahren insgesamt 350.000 Euro investiert hat. Das Manual mit einem Umfang bis zum c3, aber noch ohne das Cis besitzt die sechs Register Gedackt und Viola di Gamba 8', Principal und Gemshorn 4', die Octave 2' sowie eine 3fache Mixtur. Das Pedal ist ebenfalls ohne das Cis bis zum c1 geführt und verfügt über Subbaß 16' und Principalbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Unbekanntere Orgeln wie das Instrument in Ostrau haben es in der faszinierend reichen und vielgestaltigen Orgellandschaft Mitteldeutschlands nicht leicht, aus dem Schatten von größeren und von bedeutenderen Meistern geschaffenen Mitköniginnen heraus zu treten. Die Bedeutung jeder einzelnen zu erkennen und diese Bedeutung der Öffentlichkeit zu vermitteln, ist eine wichtige Verpflichtung in unserer schneller und oberflächlicher werdenden Gegenwart. Herders Wort: "Orgeln sind Wunderbauten, Tempel, von Gottes Hauch beseelt" wird auch künftig nicht an Wahrheit verlieren.

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Disposition:


Manual, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Viola di Gamba 8' Principalbaß 8'  
Principal 4'    
Gemshorn 4'    
Octave 2'    
Mixtur 3f.    

In Ostrau gespielte Stücke:
Johann Heinrich Buttstedt: Aria variata in F >>>
Johann Heinrich Buttstedt: Praeludium und Capriccio in d >>>
Nicolaus Vetter (Zuschreibung): Partita "Dies sind die heilgen zehn Gebot" >>>



PREDEL (Gemeinde Elsteraue, Burgenlandkreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Gottfried Zehm (Zipsendorf) 1699, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die ehemals selbständigen Dörfer Reuden, Predel und Ostrau bildeten, bedingt durch ihre gemeinsame Lage im Überschwemmungsgebiet der "Weißen Elster", schon seit langer Zeit politische Zweckgemeinschaften. 1950 wurden die drei Ortschaften zur Gemeinde Reuden zusammengefasst, die 2003 wiederum in die Gemeinde Elsteraue eingegliedert wurde. Wir befinden uns im Burgenlandkreis, im Süden Sachsen-Anhalts nahe der Landesgrenze zu Thüringen. Predel und die umliegenden Ortschaften gehörten bis 1815 zum sächsischen Amt Weißenfels, später zum Kreis Zeitz in der preußischen Provinz Sachsen. Das Gebiet war bereits in der Bronzezeit besiedelt, die erste urkundliche Erwähnung von Predel liegt uns aus dem Jahr 1154 vor. 2004 begann der Aufschluss des zum Tagebau Profen gehörenden Baufeldes Schwerzau, wodurch Reuden, Bornitz, Draschwitz und Predel im Zuge des Braunkohlenabbaus in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einen großen Teil ihrer Feldgemarkungen verlieren werden. Die in ihrem Kern romanische Kirche von Predel mit ihrem markanten, weithin sichtbaren schiefen Kirchturm, ist eine der malerischsten Dorfkirchen der Gegend. Ein Idyll wie aus einer anderen Zeit. Im spätgotischen, kreuzrippengewölbten Chor finden wir einen kostbaren Altarschrein aus dem 15.Jahrhundert und eine ebenso prachtvolle barocke Orgel aus dem Jahre 1699. Gottfried Zehm, ein Lehrer und Küster aus Zipsendorf hat sie erbaut.
Über den Erbauer der Orgel in Predel wissen wir so gut wie nichts. Gottfried Zehm, so sein Name, wirkte als Lehrer und Küster in Zipsendorf. Zipsendorf, heute ein Ortsteil von Meuselwitz im Landkreis Altenburger Land, liegt rund 12 Kilometer südöstlich von Predel. Über seine Ausbildung ist nichts bekannt und es scheint sogar so zu sein, daß er im Orgelbau Autodidakt war. Den spärlichen Quellen können wir entnehmen, dass Gottfried Zehm die Orgel im Jahre 1699 zusammen mit seinen Söhnen erbaut habe und daß dieselbe zu Johanni des Jahres 1700 feierlich eingeweiht wurde. Der überaus reichhaltige Zierrat des Prospekts läßt darauf schließen, daß hier örtliche Handwerker mitwirkten, denen natürlich viel daran gelegen war, alles so prachtvoll wie möglich ausgestaltet zu sehen. Bei der umfassenden Restaurierung der Orgel in den Jahren 2007 bis 2008 durch die Firma Orgelbau Wünning aus Großolbersdorf wurden weitere Indizien dafür gefunden, daß sich Zehm die Kunst des Orgelbaues wohl weitgehend selbst beigebracht hat. Einerseits fanden in der Gehäuse- und Kanalkonstruktion Holzschrauben Verwendung, was als auf der Höhe der damaligen Zeit stehend gelten kann. Andererseits waren an der Ton- und Registertraktur Ungenauigkeiten auffällig, die ein professionell geübter Meister seines Fachs so sicher nicht zugelassen hätte. Eindeutig originaler Bestand sind das Gehäuse, der Mehrfaltenbalg mit Schöpfer, die Windlade, der Klaviaturrahmen, Teile der Ton- und Registertraktur sowie ein überwiegender Teil des Pfeifenwerks. Nach umfangreichen Beratungen mit Orgelsachverständigen entschloss man sich zu einer konsequenten Restaurierung inklusive einer stilgerechten Rekonstruktion fehlender Teile, um ein nachhaltiges Ergebnis mit Bewahrung aller historischen Teile und einer adäquaten Klangaussage zu erreichen. Dazu gehört auch die mitteltönige Stimmung, die das Instrument im Zuge der Restaurierungsarbeiten erhalten hat. Die klangsensiblen, original erhaltenen Stimmen in Verbindung mit der alten Stimmung läßt Musik aus der Zeit vor 1700 ganz besonders authentisch lebendig werden.
Die in den Jahren 1699 bis 1700 vom Zipsendorfer Lehrer Gottfried Zehm geschaffene Orgel ist eine der ältesten Barockorgeln des Landes Sachsen-Anhalt und gilt als außergewöhnlich schönes Stück aus der Übergangszeit zwischen vorbarockem und barockem Orgelbau. Sie besitzt knapp 300 Pfeifen und sechs klingende Register, jedoch kein Pedal. Die Klaviatur hat einen Tonumfang bis zum c3 ohne das Cis. Aufgebaut ist der Klang auf den Principal 4', darüber hinaus besitzt die Orgel Grobgedackt 8', Kleingedackt 4', Quinte 3', Octave 2' sowie eine 2fache Mixtur. Dazu kommt ein Tremulant und ein auf dem Registerzug als „Gloria“ bezeichneter Zimbelstern. Die wunderbaren, original erhaltenen Register in Verbindung mit der mitteltönigen Stimmung, das Ganze in einem außergewöhnlich stimmungsvollen Kirchenraum machen das Orgeljuwel in Predel auch zu einem idealen Instrument für ganz alte Orgelmusik. 

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Disposition:

Manual, CD-c3  
Grobgedackt 8' Tremulant
Principal 4' "Gloria" (= Cymbelstern")
Kleingedackt 4' kein Pedal
Quinte 3'  
Octave 2'  
Mixtur 2f.  

In Predel gespielte Stücke:
Johann Rudolph Ahle: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>>
Johann Friedrich Alberti: Te Deum laudamus >>>
Johann Sebastian Bach: Es spricht der Unweisen Mund wohl >>>
Johann Sebastian Bach: Herr Christ, der einig Gottes Sohn BWV Anh. 75 >>>
Girolamo Frescobaldi: Toccata ottava >>>
Paul Hofhaimer: Tanndernack >>>
Johann Heinrich Kittel: Praeambulum in d >>>
Bernhard Meyer: Fuga ex a >>>
Moritz Landgraf von Hessen: Fuga VI in d >>>
Gioacchino Rossini: Sonata in C >>>
Jan Pieterszoon Sweelinck: Toccata in a >>>
Johann Ulich: Allein zu dir, Herr Jesu Christ >>>
Johann Ulich: Erbarm dich mein, o Herre Gott >>>
Johann Vierdanck: Toccata in d >>>



RENGELRODE (Stadt Heilbad Heiligenstadt, Landkreis Eichsfeld)
Kath. Kirche St. Johannes




Erbauer: Johann Wilhelm Schmerbach III (Frieda) 1838, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Rengelrode ist ein Stadtteil der thüringischen Stadt Heilbad Heiligenstadt im Landkreis Eichsfeld. Der Ort liegt drei Kilometer westlich von Heiligenstadt an der Beber zwischen der Autobahn B38 im Norden und dem Leinetal im Süden. Die erste urkundliche Erwähnung datiert auf das Jahr 1184 als „Ringelderode“. Im Mittelalter hatte ein nach dem Dorf benanntes Rittergeschlecht seinen Stammsitz in Rengelrode. Bis zur Säkularisation gehörten Rengelrode und die umliegenden Orte zu Kurmainz, später waren sie Teil der Provinz Sachsen. 1991 wurde Rengelrode in die benachbarte Stadt Heiligenstadt eingemeindet, die seit den 1990er Jahren mit dem offiziellen Namenszusatz Heilbad Heiligenstadt heißt. Die katholische Kirche St. Johannes der Täufer in Rengelrode ist eine Filialkirche der Altstädter Kirche St. Marien in Heiligenstadt. Im Ursprung ist sie mittelalterlich, das Schiff wurde 1738 bis 1739 neu errichtet. Die Ausstattung stammt bis auf eine Holzskulptur des 18. Jahrhunderts, die Johannes den Täufer zeigt, größtenteils aus dem 20.Jahrhundert. Die Orgel auf der Empore wurde 1837 bis 1838 erbaut und stammt aus der Werkstatt von Johann Wilhelm Schmerbach dem Jüngeren in Frieda bei Eschwege. Die Hauptvertreter dieser über drei Generationen hinweg hauptsächlich in Nordhessen und dem Eichsfeld tätigen Orgelbauerfamilie hießen alle Johann Wilhelm. Darum werden sie heute üblicherweise als Johann Wilhelm Schmerbach I, II oder III oder fast noch häufiger als Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere, der Mittlere und der Jüngere unterschieden.
Stammvater der Orgelbauerfamilie Schmerbach war der 1726 geborene Johann Wilhelm Schmerbach der Ältere. Auch sein Vater Conrad Schmerbach war bereits Orgelbauer, doch sind von ihm keine Instrumente erhalten. Johann Wilhelm lernte sein Handwerk also vermutlich bei seinem Vater und baute seine früheste bekannte Orgel 1763 in Altenburschla bei Wanfried. Er war bekannt für seine reichlich vorhandenen hochliegenden Farbregister im Manual, wofür er sich seinerzeit auch die Kritik der Kirchenmusiker einhandelte. Sein 1765 geborener Sohn Johann Wilhelm Schmerbach der Mittlere hatte bereits 1804 einen „guten Ruf“. Als im Kurfürstentum Hessen Kreisorgelbauer offiziell eingeteilt wurden, wurden ihm 1825 die Kreise Hofgeismar und Wolfhagen zugeteilt, doch er baute auch viel im Kreis Eschwege. Von ihm sind einige klanglich höchst bemerkenswerte Instrumente erhalten, zwei davon, nämlich die Orgeln in Niedergandern und Untergeis, werden ebenfalls hier vorgestellt. Johann Wilhelm Schmerbach der Jüngere wurde 1795 geboren und übernahm nach dem Tod seines Vaters 1831 dessen Amt als Kreisorgelbauer für die Kreise Hofgeismar und Wolfhagen. Er hatte sein Handwerk allerdings nicht in der väterlichen Werkstatt, sondern bei dem Kasseler Hoforgelbauer Georg Wilhelm (oder Wilhelmi) erlernt. Wilhelmi war ein Kollege von Schmerbach und ab 1825 Kreisorgelbauer für die Kreise Kassel, Fritzlar und Homberg. Seine erste eigene Orgel errichtete „der Jüngere“ 1832 in Gerbershausen, diese ist allerdings nicht erhalten. Relativ gut auf uns gekommen ist das 1835 fertiggestellte Instrument in Heimarshausen bei Naumburg mit 11 Registern und sodann 1838 unsere Orgel in Rengelrode mit 16 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Die letzte nachgewiesene Schmerbach-Orgel lieferte der Meister 1857 in die Kirche von Niederdresselndorf im südlichen Siegerland. Johann Wilhelm Schmerbach der Jüngere starb 1872. Sein Sohn Jakob erlernte zwar das Orgelbauhandwerk, gab die Werkstatt dann aber auf und wurde Holzhändler.
Die 1838 eingeweihte Orgel von Johann Wilhelm Schmerbach dem Jüngeren in Rengelrode besitzt 16 Register auf zwei Manualen und Pedal. Einer Überlieferung zufolge hat bei seinem Orgelbau sieben Register einer älteren Orgel wiederverwendet, die 1695 durch Johann Friedrich Wender gebaut worden war und bis 1811 im Kloster Anrode stand. Welche Register das sind, konnte ich allerdings nicht feststellen. Die Manuale haben einen Tonumfang bis zum f3. Im Hauptwerk, das vom zweiten Manual aus angespielt wird, findet sich folgende prächtige Disposition: Bordun 16', Principal, Gedackt und Viola di Gamba 8', Octave und Rohrflöte 4' und die Octave 2'. Gefärbt und bekrönt wird der Klang durch eine 2fache Sesquialtera und eine 4fache Mixtur. Das vom ersten Manual aus anzuspielende Positiv verfügt über die vier Register Gemshorn und Quintatön 8', Gemshorn 4' und eine Blockflöte 2'; es ist also ein reines Farbwerk ohne Prinzipalstimme, wie wir es später in der Romantik öfter finden. Das Pedal schließlich, ausgebaut bis zum d1, besitzt Subbaß 16', Octavbaß 8' und einen Posaunenbaß 16', dazu kommt eine Manual- und eine Pedalkoppel. Bei der letzten Generalinstandsetzung, ausgeführt durch Orgelbaumeister Karl Brode aus Heilbad Heiligenstadt, wurde die sehr gut erhaltene Originalsubstanz behutsam restauriert, lediglich die Mixtur musste größtenteils rekonstruiert werden. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Positiv, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Quintatön 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Gemshorn 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel
Gedackt 8' Gemshorn 4' Posaune 16'  
Viola di Gamba 8' Blockflöte 2'    
Octave 4'      
Rohrflöte 4'      
Octave 2'      
Sesquialtera 2f.      
Mixtur 4f.      

In Rengelrode gespielte Stücke:
Anna Amalie von Preußen: Freu dich sehr, o meine Seele >>>
Anna Amalie von Preußen: Ich hab mein Sach Gott heimgestellt >>>
Johann Ernst Bach: Präludium und Fuge F-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio e-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Adagio G-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: O Lamm Gottes unschuldig I >>>
Christian Heinrich Rinck: O Lamm Gottes unschuldig II >>>
Christian Heinrich Rinck: O Mensch, bewein dein Sünde groß >>>
Christian Heinrich Rinck: O Traurigkeit, o Herzeleid I >>>
Christian Heinrich Rinck: O Traurigkeit, o Herzeleid II >>>



ROSSLEBEN (Stadt Roßleben-Wiehe, Kyffhäuserkreis)
Kirche der Klosterschule



Erbauer: Dalstein & Haerpfer (Bolchen) 1911-1913, Taschenladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Roßleben ist ein Ortsteil der Stadt und Landgemeinde Roßleben-Wiehe im thüringischen Kyffhäuserkreis. Der Ort liegt im Tal der Unstrut zwischen dem Bergrücken des Ziegelrodaer Forsts und der Hohen Schrecke. Der vier Kilometer südöstlich liegende Nachbarort Memleben, bekannt durch die ottonische Kaiserpfalz, gehört schon zum sachsen-anhaltinischen Burgenlandkreis. Die erste urkundliche Erwähnung von Roßleben finden wir im Hersfelder Zehntverzeichnis aus der Zeit um 890. 1140 stifteten Graf Ludwig von Wippra und seine Gemahlin ein Augustinerkloster, das 1250 in ein Zisterzienserinnenkloster umgewandelt wird. 1549 beauftragte der auf der nahen Burg Wendelstein residierende Heinrich von Witzleben seinen Inspektor, im Roßlebener Kloster eine Knabenschule einzurichten. Mit dem Unterricht wurde 1554 begonnen. Bis 1815 gehörte Roßleben zum sächsischen Amt Wendelstein und danach bis 1945 zur preußischen Provinz Sachsen. 1999 wurde Roßleben mit seinen rund 4.800 Einwohnerinnen und Einwohnern offiziell die Stadtrechte verliehen. 2019 schlossen sich Roßleben und die benachbarte Stadt Wiehe nebst zwei weiteren Gemeinden zur neuen Stadt und Landgemeinde Roßleben-Wiehe zusammen. Die Mitte des 16.Jahrhunderts ins Leben gerufene Klosterschule ist heute ein staatlich anerkanntes Gymnasium in freier Trägerschaft mit integriertem Internat und Tagesinternat. Ununterbrochen seit der Schulstiftung 1554 bis heute steht ein Mitglied der Familie von Witzleben der Stiftung als Erbadministrator vor. 1727 begann der Bau des heutigen Schulgebäudes, welches 1742 eingeweiht wurde. Der danach begonnene Bau der Kirche kam jedoch im Siebenjährigen Krieg zu erliegen und wurde erst 1911 wiederaufgenommen. 1913 konnte der Nordflügel der Anlage mit der Kirche eingeweiht werden und mit diesem zusammen die in Mitteldeutschland einmalige Orgel aus der lothringischen Werkstatt Dalstein & Hærpfer.
1863 gründete der 1835 geborene Johann Karl Härpfer, der bei Steinmeyer in Oettingen gelernt und später bei Walcker in Ludwigsburg und Friedrich Haas in Luzern gearbeitet hatte, zusammen mit dem zuvor bei Cavaillé-Coll in Paris tätigen, 1834 geborenen Nicolas-Etienne Dalstein eine Orgelbau-Werkstatt in Bolchen, heute Boulay-Moselle in Lothringen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden hier in Zusammenarbeit mit Albert Schweitzer bedeutende Orgeln der sogenannten elsässischen Orgelreform. Dabei ging es im Wesentlichen um die Abkehr von der sogenannten Fabrikorgel hin zu klanglich an der elsässischen Silbermann-Tradition und an Cavaille-Coll orientierten Orgeln, ohne dabei die technischen Neuerungen wie etwa die pneumatische Traktur und moderne Spielhilfen abzulehnen. 1909 übernahmen der 1879 geborene Fritz Hærpfer sowie der 1868 zur Welt gekommene Paul Dalstein die Firmenleitung. 1919 wurde Fritz oder Frédéric Hærpfer Alleininhaber der Firma, die fortan „Manufacture Lorraine des Grandes Orgues“ hieß. 1946 schloss sich dessen Sohn Walter Hærpfer mit Pierre Erman unter dem Namen „Hærpfer & Erman“ zusammen. 1979 übernahm Theo Hærpfer die Firma, die nach dessen Tod 1998 aufgelöst wurde. Vor allem zwischen Fritz Hærpfer und Albert Schweitzer entwickelte sich über Jahrzehnte eine enge Zusammenarbeit und Freundschaft. 1909 erschien das wesentlich von Albert Schweitzer verfaßte Internationale Regulativ für den Orgelbau, in dem viele, für uns heutige Organisten selbstverständliche Details zum ersten Mal festgeschrieben wurden. Und Dalstein & Hærpfer waren die ersten, die diese Empfehlungen konsequent umsetzten. Auch die 1913 in der Schulkirche in Roßleben vollendete Orgel trägt alle Züge der elsässischen Orgelreform und ist, was sie zu einem ganz besonderen und höchst seltenen Schatz macht, so gut wie unverändert erhalten.
Die Orgelbaufirma Dalstein & Hærpfer ist untrennbar mit dem Namen Albert Schweitzers verbunden. 1931 ließ sich Schweitzer in seinem Heimatort Günsbach eine Orgel nach seinen Plänen erbauen, die in der Klanggestalt größte Ähnlichkeit mit dem Instrument in Roßleben aufweist und auf der der Meister später zahlreiche seiner legendären Schallplatten mit Bachs Orgelwerken aufgenommen hat. Es ist nicht vermessen, die Orgel in Roßleben als Schwesterinstrument des Günsbacher Instruments zu bezeichnen, das überdies 1960 durch einen Neubau ersetzt wurde. Das Hauptwerk in Roßleben besitzt Bordun 16', Principal, Flöte, Gedackt, Cello und Salicional 8', Octav und Rohrflöte 4', Oktav 2', sodann ein Mixtur-Cornett und eine Trompete 8'. Das Schwellwerk verfügt über Quintatön 16', Hornprincipal, Gamba, Lieblich Gedackt, Aeoline und Vox coelestis 8', Traversflöte 4', Flageolet 2', eine Mixtur - und spätestens bei den letzten beiden Registern merkt man deutlich den Einfluß der elsässischen Orgelreform - sowie eine Clarinett 8'. Im Pedal schließlich finden wir die Stimmen Principalbaß, Subbaß und Violonbaß 16', Flötenbaß und Violoncello 8' sowie eine Flöte 4'. Das Instrument besitzt pneumatische Taschenladen, zahlreiche Koppeln, Schweller und Walze sowie einen interessanten, neobarocken Prospekt. 1995 wurde die Orgel durch die Firma Rösel und Hercher aus Saalfeld instandgesetzt, nachdem sie aufgrund eines Wasserschadens viele Jahre unspielbar war. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-g3 Oberwerk, C-g3 Pedal, C-f1  
Bordun 16' Quintatön 16' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Hornprincipal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel zu I
Flöte 8' Gamba 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel zu II
Gedackt 8' Lieblich Gedackt 8' Flötenbaß 8' Suboktavkoppeln
Cello 8' Aeoline 8' Violoncello 8' Superoktavkoppeln
Salicional 8' Vox coelestis 8' Flöte 4' Freie Kombination
Octave 4' Traversflöte 4'   4 feste Kombinationen
Rohrflöte 4' Flageolet 2'   Crescendo-Walze
Octav 2' Mixtur 3f.    
Cornett-Mixtur 3-4f. Clarinett 8'    
Trompete 8'      

In Roßleben gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Liebster Jesu, wir sind hier BWV 731 >>>
Léon Boëllmann: Allegretto e-moll >>>
Léon Boëllmann: Allegretto F-Dur >>>
Léon Boëllmann: Allegro C-Dur >>>
Léon Boëllmann: Andante marcato g-moll >>>
Léon Boëllmann: Tempo di minuetto cis-moll >>>
Sigfrid Karg-Elert: Alla Musette aus W13 >>>
Sigfrid Karg-Elert: Gemessen, ernst aus W13 >>>
Sigfrid Karg-Elert: Mystisch, feierlich aus W13 >>>
Sigfrid Karg-Elert: Ruhevoll aus W13 >>>
Sigfrid Karg-Elert: Schwer, schreitend aus W13 >>>
Sigfrid Karg-Elert: Sehr langsam, mit schmerzlicher Empfindung aus W13 >>>
Sigfrid Karg-Elert: Weihevoll, gemessen (Alla Graduale) aus W13 >>>
Franziskus Nagler: Kommet, ihr Hirten >>>
Franziskus Nagler: O du Fröhliche >>>


SCHELLSITZ (Stadt Naumburg (Saale), Burgenlandkreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Matthias Vogler (Naumburg) 1819, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Schellsitz ist ein Ortsteil der Stadt Naumburg an der Saale, ganz im Süden des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, inmitten des Naturparks „Saale-Unstrut-Trias-Land“ im Burgenlandkreis. Der an drei Seiten von der Saale umgebene Ort liegt idyllisch am Nordufer des Flusses gegenüber der Mündung der Wethau, 3 Kilometer östlich von Naumburg. Bis 1815 lag Schellsitz im Amt Freyburg, einer Verwaltungseinheit innerhalb des Kurfürstentums Sachsen und – in der Barockzeit für rund ein Jahrhundert – des albertinischen Sekundogenitur-Fürstentums Sachsen-Weißenfels. Nach dem Wiener Kongreß wurde der Ort dem Königreich Preußen zugesprochen und lag sodann im Kreis Naumburg der neu gebildeten Provinz Sachsen. 1950 erfolgte die Eingemeindung in die Stadt Naumburg. Die Kirche des 1186 erstmals urkundlich genannten Dorfes stammt in ihren Grundzügen aus romanischer Zeit. Von 1682-86 und nochmals 1719 erfolgten Umgestaltungen an der kirche, deren schön gearbeiteter Kanzelaltar sowie der spätgotische Flügelaltar auf der Empore die Aufmerksamkeit der Besucher fesseln. Die Orgel mit ihrem liebevoll-detailreich verzierten, klassizistischen Prospekt entstand 1820 und stammt aus der Werkstatt des Orgelbauers Mathias Vogler aus Naumburg. 
Der Orgelbauer Matthias Vogler wurde 1750 im „Bayerischen“ geboren. Wo er sein Handwerk erlernte, ist nicht überliefert. Man kann aber davon ausgehen, dass er als Geselle bei dem Leipziger Universitätsorgelmacher Johann Gottlob Mauer gearbeitet hat, bevor er sich um 1780 selbstständig machte. Als Mauer 1780 nämlich Hals über Kopf aus Leipzig floh – sein Unternehmen war in Konkurs gegangen und er versuchte in Rußland einen Neuanfang – brachte dessen Geselle und Nachfolger als Universitätsorgelmacher, Gottlob Göttlich den von Mauer begonnenen Umbau der Orgel im Wurzener Dom gemeinsam mit Mathias Vogler zu Ende. Und noch 1804 erhielt Vogler den Auftrag, die ebenfalls von Mauer begonnene und nicht vollendete Orgel in Zweimen im heutigen Saalekreis fertigzustellen. Mathias Vogler hatte sich in Naumburg niedergelassen und geheiratet, aber offenbar kein Bürgerrecht erworben, denn dieses wird nur für seine aus Pegau stammende Frau Johanna Rosina Mönch verzeichnet. Seine erste eigene Orgel schuf er 1785 für Plennschütz bei Teuchern und in den folgenden 30 Jahren entstanden 13 weitere Instrumente, mit wenigen Ausnahmen alle im engeren Umkreis von Naumburg; und auch in Naumburg selbst finden wir Vogler im Dom und an der berühmten Hildebrandt-Orgel der Wenzelskirche bei der Arbeit. Erhalten blieben etwa die zweimanualige, 1789 vollendete Orgel in Niedertrebra bei Bad Sulza im thüringischen Landkreis Weimarer Land, die ebenfalls zweimanualige, 1806 vollendete Orgel in der Stadtkirche zu Schildau nordöstlich von Torgau und zwei nicht weniger schöne, einmanualige Orgeln in Dothen bei Schkölen im Saale-Holzland-Kreis von 1812 und in Auerstedt bei Bad Sulza von 1818, die aus dem dem Braunkohlentagebau zum Opfer gefallenen Dorfe Döbris bei Zeitz stammt. Die 1820 vollendete, zweimanualige Orgel in Schellsitz ist das letzte Werk des mittlerweile 70jährigen, in der er noch einmal seine ganze Kunst in reifster Form zur Entfaltung bringen konnte. Danach setzte sich Mathias Vogler in Naumburg zur Ruhe, wo er 1829 verstarb. Das Schaffen von Mathias Vogler fällt in eine Zeit des Übergangs, barocker Glanz und Farbigkeit verbinden sich mit sanften, empfindsamen Klängen zu einer Melange von großem Reiz. 
Die 1820 vollendete Orgel in Schellsitz besitzt 15 Register. Das Hauptwerk mit einem Umfang bis zum d3 besitzt zunächst einen klassischen, auf dem 8' aufgebauten Principalchor, der über die Octaven 4' und 2' nebst Quinta 3' lückenlos nach oben wächst und von einer 4fachen Mixtur bekrönt und von einem ebenfalls vierfachen Cornett charakteristisch gefärbt wird. Daneben steht ein Weitchor aus Bordun 16' und zwei Gedackten in 8'- und 4'-Lage. Das Oberwerk besitzt Portunalflöte und Gemshorn 8' sowie eine Rohrflöte 4'. Das Pedal, das bis zum c1 ausgebaut ist, verfügt über Subbaß 16' sowie Principalbaß und Violonbaß 8', dazu kommen eine Pedalkoppel und ein Cymbelstern. Die Orgel in Schellsitz, letztes Werk ihres Meisters Mathias Vogler, wurde 2016 durch die Firma Alexander Schuke, mittlerweile in Werder im Havelland ansässig, überholt und instandgesetzt. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Portunalflöte 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Gemshorn 8' Principalbaß 8' Cymbelstern
Gedackt 8' Rohrflöte 4' Violonbaß 8'  
Octave 4'      
Gedackt 4'      
Quinte 3'      
Octave 2'      
Cornett 4f.      
Mixtur 4f.      


In Schellsitz gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Quodlibet aus BWV 988 >>>
Wilhelm Herschel: Allegro g-moll >>>
Wilhelm Herschel: Praeludium XI >>>
Gottfried August Homilius: Nun komm der Heiden Heiland >>>
Carl Christian Kegel: Christe, aller Welt Trost >>>
Carl Christian Kegel: Kyrie, Gott Heiliger Geist >>>
Carl Christian Kegel: Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit >>>
Johann Immanuel Müller: Variationen über "Jesu, komm doch selbst zu mir" >>>
Johann Carl Friedrich Rellstab: Sonata D-Dur >>>
Georg Andreas Sorge: Trio C-Dur >>>
Georg Andreas Sorge: Trio G-Dur >>>



TASTUNGEN (Verwaltungsgemeinschaft Lindenberg/Eichsfeld, Landkreis Eichsfeld)
Ev. Kirche St. Gallus



Erbauer: Johannes Creutzburg (Wendehausen) 1727, Umbau Johann Friedrich Große (Mühlhausen) 1859-1860, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

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Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-a°  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Violon 8'  
Gamba 8'    
Octav 4'    
Flöte 4'    
Octav 2'    
Mixtur 3f.    

In Tastungen gespielte Stücke:
Gottlob Bachmann: Adagio G-Dur >>>
Gottlob Bachmann: Adagio und Allegro D-Dur >>>
Gottlob Bachmann: Andante pastorale e-moll >>>
Gottlob Bachmann: Fuga Allegro f-moll >>>
Jan Albert van Eijken: O Traurigkeit, o Herzeleid >>>
Carl Stein: Wie schön leuchtet der Morgenstern >>>
Georg Christoph Stolze: Der lieben Sonne Licht und Pracht >>>
Georg Christoph Stolze: Nicht so traurig, nicht so sehr >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Was Gott tut, das ist wohlgetan >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Was mein Gott will, das g'scheh allzeit >>>
Heinrich Wilhelm Stolze: Wenn mein Stündlein vorhanden ist >>>
Christian Friedrich Gottlieb Wilke: Variationen über "Jesus, meine Zuversicht" >>>



UDERSLEBEN (Stadt Bad Frankenhausen/Kyffhäuser, Kyffhäuserkreis)
Ev. Kirche St. Galli




Erbauer: Julius Strobel (Frankenhausen) 1884, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Udersleben ist ein Ortsteil von Bad Frankenhausen im nordthüringischen Kyffhäuserkreis. Als „Otratesleibe“ wird der Ort - am Südhang des Kyffhäusergebirges - bereits im 9. Jahrhundert in einer Urkunde des Klosters Fulda genannt. Ortsnamen, die auf „leben“ enden, finden wir gerade in Thüringen und Sachsen-Anhalt häufig. Das kommt vom althochdeutschen „leibe, oder altsächsisch „leva“, altnordisch „leif“ - das bedeutet soviel wie Erbe oder Hinterlassenschaft. Das englische „to leave“ für hinterlassen kommt auch daher. Otratesleibe ist also die Hinterlassenschaft eines Odrat. Im Mittelalter war der Ort im Besitz der mächtigen Grafen von Beichlingen in deren Amt Ichstedt. 1377 übertrugen sie das Gebiet an die Grafen von Schwarzburg, Linie Schwarzburg-Blankenburg. Seit 1599 bis 1918 gehörte Udersleben dann zur Unterherrschaft der Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt. 1994 erfolgte die Eingemeindung in Stadt Bad Frankenhausen. Die spätromanische Kirche St. Galli wurde wohl Anfang des 13. Jahrhunderts vom Klosters Oldisleben aus begründet und später mehrfach verändert. Die hochrechteckigen Fenster etwa stammen von einem Umbau in der Barockzeit. Die heutige Orgel wurde 1884 in der Werkstatt von Julius Strobel aus Bad Frankenhausen geschaffen. Zwei Jahre später vollendete die Firma Julius Strobel Söhne den grandiosen Orgelumbau in der Frankenhäuser Unterkirche, die bei der Abnahme durch den Weimarer Hoforganisten Alexander Wilhelm Gottschalg als „zu den vorzüglichsten in Deutschland“ gezählt wurde. 
Der Orgelbauer Julius Alexander Strobel wurde 1814 in Bösenbrunn bei Oelsnitz im Vogtland geboren. Er wollte zunächst Goldschmied werden, mußte aber wegen eines Augenleidens davon Abstand nehmen und erlernte dann auf Wunsch seines Vaters das Handwerk des Orgelbaus bei Johann Gottlob Mende in Leipzig. Als Geselle fand er Lohn und Brot bei Carl Friedrich Ferdinand Buckow in Hirschberg in Schlesien, bei Urban Kreutzbach in Borna und ab 1839 bei Johann Friedrich Schulze in Paulinzella. Strobel entwickelte sich schnell zu einem der besten Mitarbeiter Schulzes, der ihn 1843 als Werkmeister den Umbau der großen Orgel in der Unterkirche zu Bad Frankenhausen ausführen ließ. Auf Bitten der dortigen Behörden machte er sich daraufhin in Frankenhausen selbstständig. In rund 40 Schaffensjahren, in denen er zum bedeutendsten Orgelbauer Nordthüringens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde, entstanden rund 70 Neubauten in seiner Werkstatt, die zum überwiegenden Teil noch heute vorhanden sind. Sein Arbeitsgebiet waren zunächst die Fürstentümer Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen, doch lieferte er auch mehrere Instrumente in die Niederlande, darunter alleine drei nach Haarlem. Sein op. 1 in Wasserthaleben im Kyffhäuserkreis von 1845 ist ebenso erhalten wie die Orgeln in der Schloßkirche zu Sonderhausen von 1859 mit 20 Stimmen, die gleich große Orgel in der Ulricikirche zu Sangerhausen von 1860, die Instrumente in Gehofen im Kyffhäuserkreis von 1861 mit 26 Stimmen und eine Reihe von Instrumenten mit 15 bis 20 Registern im heutigen sachsen-anhaltinischen Landkreis Mansfeld-Südharz, in Schwenda, Breitenstein, Uftrungen und Roßla. 1872-76 führte Julius Strobel einen Generalumbau samt Erweiterung auf 62 Register der alten Gloger-Orgel in St. Sixti im niedersächsischen Northeim durch; es blieb sein größtes Werk. Die Orgel in der Unterkirche zu Bad Frankenhausen fügt sich wie Alpha und Omega um das Leben des Meisters Julius Strobel. War sie einst seine erste eigenständige Arbeit, wurde es auch seine letzte. Kurz nach Beginn des großen Erweiterungsumbaus starb Julius Strobel im August 1884, der daraufhin von seinen Söhnen Reinhold und Adolph Strobel zur vollsten Zufriedenheit nicht nur Gottschalgs ausgeführt wurde.  
Nach dem Tod von Julius Strobel führten seine 1846 bzw. 1857 geborenen Söhne Reinhold und Adolph Strobel das Unternehmen unter dem Namen Julius Strobel und Söhne weiter. Nach dem Tod Adolph Strobels 1922 sechs Jahre nach seinem Bruder Reinhold übernahm der 1875 geborene Paul Strobel die Firma, doch konzentrierte er sich bis zu seinem Tod 1943 vorrangig auf Wartungs- und Pflegearbeiten. Die Orgel in Udersleben besitzt im Hauptwerk Bordun 16', Principal, Hohlflöte und Gamba 8', die Octaven 4' und 2' sowie eine nicht originale 3fache Cimbel anstelle der der ursprünglichen Mixtur. Im Oberwerk stehen Geigenprincipal, Lieblich Gedackt und Flöte 8' sowie eine Flöte 4', während im Pedal die klassischen Fundamentregister Subbaß 16' und Principalbaß 8' zu finden sind, dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel. Die Orgel in Udersleben, im Todesjahr Strobels 1884 entstanden, zeigt uns ihren Meister als durchaus eigenständig denkenden und schaffenden Vollender der Schulze-Tradition, der zeitlebens unbeirrt an der klassischen Schleiflade und der Strahlentraktur festhielt. Den nicht wenigen erhaltenen Werken des Meisters gerade in Nordthüringen ist heute vor allem ein regelmäßiger Gebrauch zu wünschen, denn der immer mehr zum Problem werdende Organistenmangel führt schon heute vielerorts dazu, dass die alten mechanischen Trakturen zu wenig bewegt werden und in der Folge nicht mehr richtig funktionieren. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Principalbaß 8' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Flöte 8'    
Gambe 8' Flöte 4'    
Octave 4'      
Octave 2'      
Cimbel 3f.      

In Udersleben gespielte Stücke:
Max Birn: Mach's mit mir, Gott, nach deiner Güt >>>
Max Birn: Macht hoch die Tür >>>
Wilhelm Kienzl: Herzlich tut mich verlangen >>>
Reinhold Lichey: Gib dich zufrieden und sei stille >>>
Reinhold Lichey: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Carl Reinecke: Jesu, meine Freude
Hugo Riemann: Herr, ich habe mißgehandelt >>>
Camillo Schumann: Schmücke dich, o liebe Seele >>>
Camillo Schumann: Sollt ich meinem Gott nicht singen >>>
Camillo Schumann: Straf mich nicht in deinem Zorn >>>
Camillo Schumann: Vater unser im Himmelreich >>>
Camillo Schumann: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Paul Stöbe: Sollt es gleich bisweilen scheinen >>>
Josef Venantius von Wöss: Kehre wieder >>>



WINDEBERG (Stadt Mühlhausen/Thüringen, Unstrut-Hainich-Kreis)
Ev. Kirche St. Nikolai




Erbauer: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) 1829-1831, Schleifladen (Windladen in technisch einmaliger, schräger Bauweise), mechanische Spiel- und Registertraktur

Windeberg ist ein Ortsteil der Kreisstadt Mühlhausen im thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis. 250 Einwohnerinnen und Einwohner leben in diesem Ort am Rande der Südabdachung des Dün am Übergang ins Thüringer Becken, rund sechs Kilometer nordöstlich der Kernstadt Mühlhausen. Im Jahre 1296 erfolgte die urkundliche Ersterwähnung des Ortes. Über Jahrhunderte zählte er zum Einflussbereich der Freien und Reichsstadt Mühlhausen. Im Jahr 1750 fielen weite Teile des Ortes, einschließlich der Dorfkirche einem Brand zum Opfer. 1802 kam Windeberg zusammen mit Mühlhausen an das Königreich Preußen, von 1807 bis 1813 an das von Napoleon geschaffene Königreich Westphalen und wurde nach dem Wiener Kongress 1816 dem Landkreis Mühlhausen in der preußischen Provinz Sachsen zugeordnet. Im Jahr 1992 erfolgte die Eingemeindung nach Mühlhausen. Die evangelische Dorfkirche St. Nikolai stammt im Wesentlichen aus dem Jahre 1802. Der Turm ist älter, er stammt noch aus dem 16.Jahrhundert und hat den Großbrand Mitte des 18.Jahrhundert überstanden. Auf der rückwärtigen Empore steht die Orgel, die aus der Werkstatt des berühmten Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella stammt. Es handelt sich in technischer Hinsicht um die vielleicht außergewöhnlichste aller erhaltenen Schulze-Orgeln; doch ist diese Tatsache und damit die orgelbaugeschichtliche Bedeutung des Instruments in Windeberg selbst so gut wie unbekannt. Bei dieser 1829 bis 1831 erbauten Orgel hat Johann Friedrich Schulze schrägliegende Windladen und eine terrassenförmige Aufstellung der Manualregister konstruiert. Umso bedauerlicher ist der derzeitige Zustand des Instruments, das leider auch nur äußerst selten zum Klingen gebracht wird.
Johann Friedrich Schulze wurde 1793 in Milbitz, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt geboren. Er wurde in eine Orgelbauerfamilie hineingeboren, die vor ihm bereits in drei Generationen hauptsächlich im näheren Umkreis von Milbitz wirkte. aber sein Vater Johann Andreas Schulze, geboren 1753, starb, als Johann Friedrich Schulze gerade einmal 13 Jahre alt war. So erlernte dieser sein Handwerk bei Johann Benjamin Witzmann in Stadtilm, der seinerseits allerdings wiederum ein Schüler von Johann Andreas Schulze war. Nach dem Tod Witzmanns vollendete Johann Friedrich Schulze mit 22 Jahren seine erste eigene Orgel und machte sich im Folgenden in Milbitz selbstständig. Die Werkstatt wurde dann 1825 ins romantisch gelegene Paulinzella verlegt und erlangte von dort aus – man kann sagen – Weltgeltung. In einem Musiklexikon jener Zeit heißt es: „Zu dem seinen Werken eigenen charaktervollen, frisch-kräftigen Gesamtklang kam Schulze dadurch, daß er als der erste die Errungenschaften der Töpferschen Orgelbautheorie praktisch verwertete und dadurch vor allem eine Windgebung erzielte, bei der er den vollen Wind aus den Bälgen lassen und jede Stimme so intonieren konnte, daß sie den in ihr liegenden Ton auch vollständig hergibt.“ Für den romantischen Orgelbau Deutschlands war Johann Friedrich Schulze einer der wichtigsten Begründer und Wegbereiter. Zahlreiche Erfindungen und Neuerungen stammen von ihm, so etwa auch der Bau schrägliegender Windladen. Wegen der enorm aufwändigen Bauweise solcher Windladen blieben sie jedoch ein Prototyp. Schulze hat sie nur wenige Male versuchsweise gebaut und diese Erfindung dann wieder verworfen. In Windeberg sind die einzigen dieser schrägen Windladen bis heute erhalten. In Otto Wangemanns 1881 erschienener „Geschichte der Orgel“ lesen wir darüber folgendes: „Schulze führte die schrägen Windladen ein. Dieselben gewähren den Vorteil, jede folgende, sich vom Prospekt entfernende Stimme 2 bis 3 Zoll höher stellen zu können. Hierdurch wird das Anblasen der Pfeifen befördert und eine reinere Stimmung erzielt.“ Bedenkt man, dass die Orgel in rund 190 Jahren seit ihrer Erbauung niemals grundlegend restauriert wurde, so hat sich dieser Mehraufwand in jedem Fall bewährt.
Johann Friedrich Schulze hatte an die 120 Orgeln gebaut, von denen die Hälfte über die Grenzen Thüringens hinaus bis nach Riga und Philadelphia gegangen waren, als er sein Lebenswerk mit den grandiosen Neubauten im Bremer Dom - 1850 vollendet - und in der Marienkirche zu Lübeck krönte, wo 1851-54 ein Werk von 80 Registern auf 4 Manualen und Doppelpedal entstand, das Schulzes größtes bleiben sollte. Die Orgel in Windeberg ist eine der frühesten erhaltenen Orgeln des Meisters und vollkommen im Originalzustand auf uns gekommen, wenngleich derzeit stark restaurierungsbedürftig und auch relativ stark verstaubt. Das Instrument besitzt 12 Register auf einem Manual und Pedal. Neun Register bilden die Disposition des Manuals und in der Zusammenstellung der Register erkennen wir das für Johann Friedrich Schulze so typisch Bestreben nach Gravität. Wir finden hier zunächst einen fülligen Bordun 16', sodann Principal, Gedackt und Gamba 8'. Es folgt eine ungewöhnliche Hohlflöte 6', die als tiefes Quintregister klanglich auf den Bordun bezogen ist, sodann Octave und Flöte 4' sowie eine Oktave 2'. Bekrönt wird der Klang von einer 3fachen Mixtur. Das Pedal ist bis zum d1 ausgebaut und verfügt über die drei Stimmen Subbaß 16' sowie Principalbaß und Violon 8', doch ist das Pedal derzeit leider so gut wie unspielbar. Dazu kommt eine Pedalkoppel und ein Calcantenzug, der auch heute noch in Gebrauch ist. Denn, und auch das ist eine heutzutage äußerst seltene Besonderheit der Windeberger Orgel, das Instrument besitzt bis heute kein elektrisches Gebläse. Somit ist man, wie in alter Zeit, auf die Dienste eines Calcanten angewiesen, der den Balg tritt. Ein herzliches Dankeschön geht hier an meinen Freund und Sangesbruder Lothar Hanzog aus Burghaun-Steinbach, der freundlicherweise diese Aufgabe während unseres Besuches in Windeberg verrichtet hat.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Subbaß 16' Pedalkoppel
Principal 8' Principalbaß 8'  
Gedackt 8' Violonbaß 8'  
Gamba 8'    
Hohlflöte 6'    
Octave 4'    
Flöte 4'    
Octave 2'    
Mixtur 3f.    

In Windeberg gespielte Stücke:
August Eduard Grell: Präludium Nr. 21 F-Dur >>>
August Eduard Grell: Präludium Nr. 22 a-moll >>>
Johann Pachelbel: Es woll uns Gott genädig sein >>>
Christian Heinrich Rinck: Andante C-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Eins ist Not I >>>
Christian Heinrich Rinck: Eins ist Not II >>>
Christian Heinrich Rinck: Moderato F-Dur >>>
Carl Theodor Seiffert: Andantino g-moll >>>



WINTZINGERODE (Stadt Leinefelde-Worbis, Landkreis Eichsfeld)
Kapelle der Burg Bodenstein



Unbekannter Erbauer um 1730
, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Die Burg Bodenstein ist eine mittelalterliche Burg oberhalb des Dorfes Wintzingerode. Wintzingerode selbst ist heute ein Stadtteil von Leinefelde-Worbis im thüringischen Landkreis Eichsfeld, etwa drei Kilometer nordnordwestlich von Worbis im Ohmgebirge. Der Ort wurde 1209 erstmals urkundlich erwähnt. Die Burg Bodenstein gilt als die am besten erhaltene Burg im Eichsfeld. Ursprünglich war sie wohl ein Grenzposten zwischen den Stämmen der Sachsen und der Franken, später unter den frühen Sachsenkaisern liudolfingisches Hausgut. In der Zeit des salischen Kaisers Heinrich IV. gehörte Bodenstein zum Besitz des Grafen Otto von Northeim, eines Verwandten der Liudolfinger und Führers der sächsischen Adelsopposition. Im Folgenden taucht eine dynastische Familie von Bodenstein auf, die vermutlich eine Seitenlinie der Northeimer war, die sich nach ihrem neuen Stammsitz benannte. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts verlor sie jedoch an Einfluss, und die Herrschaft Bodenstein fiel 1275 an die Welfen. In den folgenden Jahrzehnten wechselte der Besitz des Öfteren. Bis 1448 lösten die Herren von Wintzingerode ihre Mitbesitzer auf dem Bodenstein aus und blieben von da an bis 1945 Alleinbesitzer der Burg. Als Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges wurde die evangelische Konfession und die Stellung der Herren von Wintzingerode in ihrem Herrschaftsgebiet weiter gestärkt. Bis 1803 verfügte sie dort als einzige nichtfürstliche Familie des Alten Reichs über sämtliche landesherrlichen Rechte. Besonders stach dabei die Ausübung des Episkopalrechts heraus, was die kleine Herrschaft zum kirchlichen Zentrum des Evangelischen im Untereichsfeld werden ließ. 1668 wurde die Burg um eine Kapelle erweitert. Noch viel könnte man über die Geschichte dieser Burg erzählen, doch dazu reicht der Platz hier nicht aus. Heute befindet sich hier die Familienerholungs- und Begegnungsstätte der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands. Thematische Freizeiten werden ebenso angeboten wie Konzerte und Kleinkunstabende. In der bereits erwähnten Burgkapelle steht eine kleine, aber äußerst bemerkenswerte Orgel.
Die romantisch anheimelnde Burgkapelle wurde 1648 bis 1668 in gotisierendem Barock erbaut. In der Herrschaftsloge befinden sich Wandteppiche mit antiken Szenen. Bemerkenswert ist ein Glasfenster aus dem frühen 14.Jahrhundert, das die Heilige Katharina zeigt und der an der Decke schwebende große Taufengel. Oberhalb des Altars befindet sich die Orgel mit ihren fünf klingenden Registern, die in ihrer heutigen Form etwa um 1730 von einem nicht bekannten Orgelbauer geschaffen wurde. Bei diesem Orgelbau wurden allerdings große Teile eines älteren Instrumentes wiederverwendet, neben einigen Registern vor allem das Gehäuse, das stilistisch noch ganz dem 17.Jahrhundert verhaftet ist. Es ist nicht bekannt, ob dieses ältere Instrument ursprünglich als selbstständiges Positiv erbaut wurde oder ob es sich hierbei vielleicht um das Rückpositiv einer größeren Orgel handelte. Ein solche „Zweitverwertung“ älterer Rückpositive gab es in der Barockzeit häufiger. Denken wir etwa an Ohrdruf, wo das alte Rückpositiv von St. Michaelis, an dem aller Wahrscheinlichkeit nach Johann Sebastian Bach das Orgelspiel lernte, später in die Trinitatiskirche versetzt wurde. Oder an die legendäre Schloßorgel in Gröningen, deren Rückpositiv später in die Dorfkirche von Harsleben gelangte. Für diese Theorie spricht die Tatsache, dass das Werk von Anfang an ohne Pedal konzipiert wurde und dass die ursprüngliche Prospektpfeifengruppierung einer sogenannten kurzen Oktave entspricht. Seit dem Umbau zu einer vollständigen großen Oktave außer dem Cis sind die Platzverhältnisse in der Orgel recht eng. In der Folgezeit musste die Orgel mehrfach Veränderungen über sich ergehen lassen. Im 19. Jahrhundert wurde sie um ein Pedal erweitert, was allerdings recht große Einschnitte in die ursprüngliche Substanz bedeutete. Außerdem wurde die Balganlage erweitert und die Disposition im Sinne der damaligen Zeit umgeändert. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts erhielt die Orgel dann einen Subbaß 16' im Pedal, der seitlich hinter der Orgel stand. Um 1960 wurde das Instrument dann in seiner Disposition nochmals im Sinne des damals modernen Neobarock verändert.
Die Burg Bodenstein und mit ihr die Burgkapelle und die Orgel wurden 1991 bis 1994 umfassend denkmalgerecht saniert. Das Konzept zur Restaurierung der Orgel sah eine möglichst konsequente Rückführung auf den ursprünglichen Zustand nach dem Einbau in die Burgkapelle um 1730 vor. Diese anspruchsvolle Aufgabe wurde der Orgelbauwerkstatt Kristian Wegscheider in Dresden anvertraut, der die Arbeiten 1994 abschließen konnte. Die ältesten Teile der heutigen Orgel sind neben dem Orgelprospekt die Pfeifen von Gedackt 8' und Spitzflöte 2', die beide noch aus der Orgel des 17. Jahrhunderts stammen und behutsam restauriert werden konnten. Es folgt der barocke Principal 4' im Prospekt mit vergoldeten Labien, der aus der Zeit um 1730 stammt. Darüber hinaus finden wir in Manual, das einen Umfang vom Ton C ohne das Cis bis zum c3 besitzt, noch die Stimmen Gedackt minor 4' und eine 2fache Mixtur, dazu kommt ein Tremulant. Ein Pedal ist nicht vorhanden. Raum und Instrument bilden in der Burgkapelle auf Bodenstein eine vollkommene Einheit und versetzen die Zuhörerinnen und Zuhörer unmittelbar in eine ganz besondere, schwer zu beschreibende Stimmung. Bei Konzerten, besonderen Gottesdiensten und bei den Burgführungen am Wochenende erklingt die Barockorgel regelmäßig. Doch sollten Organisten, die das Instrument spielen möchten, zumindest ansatzweise sportlich sein. Denn der Zugang zur Spielanlage ist nur über den Kanzelkorb und von dort aus mit einem oder zwei mutigen Schritten nach schräg oben möglich, bei denen ein gutes Sich-Festhalten dringend anzuraten ist. 

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Disposition:

Manual, CD-c3  
Gedackt 8' Tremulant
Principal 4' kein Pedal
Gedackt minor 4'  
Spitzflöte 2'  
Mixtur 2f.  

In Wintzingerode, Burg Bodenstein gespielte Stücke:
Johann Michael Bach: Jesus Christus, unser Heiland >>>
Johann Michael Bach: Nun laßt uns Gott, dem Herren >>>
Girolamo Frescobaldi: Corrente Prima >>>
Girolamo Frescobaldi: Corrente Seconda >>>
Girolamo Frescobaldi: Corrente Terza >>>
Girolamo Frescobaldi: Corrente Quarta >>>
Hans Leo Hassler: Ach lieb hie ligt das Herz >>>
Hans Leo Hassler: Ach Schatz ich sing und lache >>>
Hans Leo Hassler: Ach weh des leidens >>>
Hans Leo Hassler: Mein gemüth ist mir verwirret >>>
Hans Leo Hassler: Zue dir steht all mein Sinn >>
Johann Krieger: Vater unser im Himmelreich >>>
Johann Kuhnau: Auf meinen lieben Gott >>>
Christian Michael: Toccata in d >>>
Thomas Tallis: Clarifica me pater I >>>
Thomas Tallis: Clarifica me pater II >>>
Thomas Tallis: Clarifica me pater III >>>



WORBIS (Stadt Leinefelde-Worbis, Landkreis Eichsfeld)
Kath. Antoniuskirche



Erbauer: Adam Oehninger (Miltenberg) 1696-1697, Rekonstruktion Orgelbau Waltershausen GmbH 2010-2012, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Worbis ist der nördliche Hauptort der Stadt Leinefelde-Worbis im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Rund 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner leben in Worbis, das etwa vier Kilometer nordöstlich von Leinefelde und 15 Kilometer östlich von Heilbad Heiligenstadt am Südrand des Ohmgebirges liegt. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1162 als „Wurbeke“. Die Gegend um Worbis lag im Ohmfeldgau im Herrschaftsbereich der Grafen von Lare. Der Ort wurde 1255 zur Stadt erhoben und war im Hoch- und Spätmittelalter der Mittelpunkt des gleichnamigen Amtes. 1348 kommt Worbis unter die gemeinschaftliche Herrschaft der Landgrafen von Thüringen und der Mainzer Kurfürsten, bevor der Mainzer Kurfürst Adolf von Nassau 1373 den restlichen Anteil von Worbis erwirbt. Worbis liegt an einer alten Nord-Süd-Verbindung des Pilgerweges, der von Lübeck ausgehend, über Duderstadt–Mühlhausen–Eisenach und Nürnberg nach Rom verlief. Von 1816 bis 1994 war Worbis die Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises. 2004 wurde aus den beiden bis dahin selbstständigen Städten Leinefelde und Worbis zusammen mit den Gemeinden Breitenbach und Wintzingerode die neue Stadt Leinefelde-Worbis gegründet. Als Teil des Fürstbistums Mainz war das Eichsfeld immer katholisch geblieben, was eine Besonderheit im überwiegend protestantisch geprägten Thüringen darstellt. Die katholische Stadtkirche St. Nikolaus beherrscht das Stadtbild. 1670 bis 1678 wurde anstelle eines mittelalterlichen Zisterzienserinnenklosters die Antoniuskirche als Klosterkirche des Franziskaner-Konvents Worbis errichtet. Maßgeblichen Anteil am Bau des Klosters hatte der italienische Baumeister Antonio Petrini, der ab 1660 in Würzburg und Mainz wirkte und den italienischen Barock als einer der ersten nach Deutschland brachte. Der prachtvolle Raum, der im Inneren 1775 bis 1779 im Stil des Rokoko umgestaltet wurde, gilt in Architektur und Ausstattung als einmalig in der Region und weit darüber hinaus. 1695 bis 1697 erhielt die Kirche eine prachtvolle Orgel. Ihr Erbauer ist Adam Oehninger, ebenfalls ein Franziskaner, der 1646 in Lohr am Main geboren wurde.
Adam Oehninger wurde um 1646 in Lohr am Main geboren. Die kleine Stadt im Spessart war im 17.Jahrhundert durch das Wirken der Orgelbauerfamilie Schleich ein prägendes Zentrum für den Orgelbau in den Fürstbistümern Mainz, Würzburg und Bamberg sowie dem Hochstift Fulda. Dass Oehninger den Orgelbau bei Schleich gelernt hat, ist nicht sicher erwiesen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Nach der Lehre trat Oehninger in das Franziskanerkloster Miltenberg am Main ein und wurde mit 25 Jahren zum Priester geweiht. Seine Orgeln erbaute er darum nahezu ausschließlich für Klosterkirchen der Franziskaner. 1676 errichtete er ein Instrument in der Klosterkirche auf dem Volkersberg in der Rhön, 1681 sodann in seinem Heimatkonvent in Miltenberg. Von diesen Orgeln ist nichts mehr erhalten. 1686 erbaute Oehninger eine Orgel für die Franziskanerkirche und heutige Stadtkirche St. Sebastian in Limburg an der Lahn. Hier in Limburg ist das prachtvolle Gehäuse, das heute eine Klais-Orgel birgt, erhalten. 1701 erbaute er eine Orgel für die Klosterkirche in Salmünster und in den Jahren 1708 bis 1713 errichtete er sein größtes Werk mit 41 Registern auf drei Manualen und Pedal im Dom zu Fulda, der damals ebenfalls eine Klosterkirche war, eine Benediktiner-Klosterkirche. Der prachtvolle barocke Orgelprospekt in Fulda aus der Werkstatt des Franziskanerpaters Georg Blank ist ebenfalls erhalten, jedoch wurde die Orgel bereits im 19.Jahrhundert erheblich umgebaut und 1875 durch einen Neubau von Wilhelm Sauer ersetzt. In Fulda ist Oehninger 1716 auch gestorben. Die 1697 eingeweihte Orgel in der Antoniuskirche zu Worbis, die mit 35 Registern auf drei Manualen und Pedal nur unerheblich kleiner war als die Fuldaer Domorgel, blieb von Umbauten ebenfalls nicht verschont. 1873 bis 1874 wurde sie durch den Orgelbauer Louis Krell aus Duderstadt bereits technisch und klanglich erheblich verändert und 1905 bis 1906 erbaute die Firma Krell in den barocken Prospekt eine neue Orgel mit pneumatischer Traktur und 43 Registern. Die originalen Prospektpfeifen des Principal 4' blieben als stumme Fassade erhalten; ein unglaublicher Glücksfall, denn diese Pfeifen sind heute die einzigen, die uns von Adam Oehninger im Original erhalten sind. Und mehr noch, diese Prospektpfeifen wurden nie verändert und haben sogar die originale, mitteltönige Stimmung des 17.Jahrhunderts bewahrt.
Die Firma Orgelbau Waltershausen GmbH erhielt 2010 den Auftrag, anhand der wenigen vorhandenen Reste die Orgel Oehningers zu rekonstruieren. Orgelbaumeister Joachim Stade und seine Mannschaft hat an vergleichbaren Instrumenten in Franken und Thüringen gründlich geforscht und das Projekt, das anfangs nahezu unmöglich erschien, einfühlsam und überzeugend umgesetzt. Grundlage war das erhaltene Gehäuse mit den Prospektpfeifen in der ursprünglichen Stimmung. Dieses erhaltene mitteltönige Stimmsystem galt schon zu Zeiten Bachs als veraltet, hat hier in Worbis aber sogar noch das ganze 19. Jahrhundert überdauert. Die drei Manuale haben jeweils einen Tonumfang bis zum c3 ohne das Cis. Im Hauptwerk, das vom oberen der drei Manuale angespielt wird, stehen Quintatön 16', Principal, Gedackt und Trompete 8', sodann die original erhaltene Octave 4', Quinte 3', Oktave 2', Quinte 1 1/3' und dann die gemischten Stimmen Mixtur 4-5fach, Cymbel 3fach und Cornett 4fach. Das vom mittleren Manual aus zu spielende Oberwerk besitzt Spitzflöte, Viol di Gamb und Quintatön 8', Principal und Gedackt 4', Octave und Nachtflöte 2', eine Sesquialtera und eine 3fache Mixtur. Das Rückpositiv besitzt neben dem ebenfalls von Oehninger original erhaltenen Principal 4' die Register Rohrflöte und Salicional 8', Flaute 4' und Octave 2', sodann eine 3fache Mixtur, eine 2fache Cymbel und ein 3faches Cornett, dazu kommt ein Kanaltremulant. Das Pedal mit einem Umfang bis zum c1 verfügt über die sechs Stimmen Principalbaß und Posaune 16', Octavbaß 8', Quinta 6', Superoctave 4' sowie eine 4fache Mixtur. Eine Manualkoppel und eine Pedalkoppel und zwar zum Rückpositiv ergänzen die Klanggestalt der 35 klingenden Register. Die Rekonstruktion der Oehninger-Orgel in Worbis hat der Orgellandschaft Thüringens eine seltene Perle mit ganz besonderem Glanz zurückgeschenkt. 

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Disposition:

Hauptwerk, CD-c3 Oberwerk, CD-c3 Rückpositiv, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Quintatön 16' Spitzflöte 8' Rohrflöte 8' Principalbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Quintatön 8' Salicional 8' Octavbaß 8' Pedalkoppel zu RP
Gedackt 8' Viol di Gamb 8' Principal 4' Quinta 6' Tremulant
Octave 4' Principal 4' Flaute 4' Superoctave 4'  
Quinte 3' Gedackt 4' Octave 2' Mixtur 4f.  
Octave 2' Octave 2' Cornett 3f. Posaune 16'  
Quinte 1 1/3' Nachtflöte 2' Mixtur 3f.    
Cornett 4f. Sesquialtera 2f. Cymbel 2f.    
Mixtur 4-5f. Mixtur 3f.      
Cymbel 3f.        
Trompete 8'        

In Worbis gespielte Stücke:
David Äbel: Praeludium in d >>>
Johann Bernhard Bach: Christ lag in Todesbanden >>>
Johann Bernhard Bach: Jesus, nichts als Jesus >>>
Johann Michael Bach: Auf meinen lieben Gott >>>
Johann Michael Bach: Mag ich Unglück nicht widerstahn >>>
Johann Michael Bach: Meine Seele erhebt den Herren >>>
Johann Heinrich Buttstedt: Kyrie eleison >>>
Johann Heinrich Buttstedt: Vom Himmel kam der Engel Schar >>>
Johann Kuhnau: Praeludium und Fuge in d >>>
Samuel Scheidt: Modus ludendi pleno Organo pedaliter >>>



WÜLFINGERODE (Gemeinde Sollstedt, Landkreis Nordhausen)
Ev. Kirche St. Elisabeth



Erbauer: Gottlieb Knauf (Bleicherode) 1858, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Wülfingerode ist ein Ortsteil der Gemeinde Sollstedt im Landkreis Nordhausen in Thüringen. Der Ort liegt im Tal der Wipper, umgeben ist er von dem bewaldeten Höhenzug Hainleite und dem Ohmgebirge, dessen südöstliche Ausläufer die Bleicheröder Berge sind. In unmittelbarer Nachbarschaft verläuft die Autobahn A38. Im Jahr 1154 wurde das Dorf Wülfingerode erstmals urkundlich genannt. Seit dem 15. Jahrhundert entwickelte sich in Wülfingerode die Leineweberei. Die Leineweberei wurde neben der Landwirtschaft betrieben, hauptsächlich im Winterhalbjahr. Aus Wülfingerode stammte der 1606 geborene Hans von Bodenhausen, königlich dänischer Offizier, der der Überlieferung nach 1684 in einem Goldenen Sarg bestattet wurde. Dass dieser Überlieferung ein wahrer Kern zugrunde liegt, konnte 1965 bewiesen werden. Damals konnte bei gezielten Grabungen der Sarg des Hans von Bodenhausen unterhalb der Kirche lokalisiert werden, der zwar nicht aus Gold besteht, aber doch zumindest aus mit Gold überzogenem Kupfer. Dieser sogenannte Goldene Sarg kann heute in der Kirche bewundert werden. Von 1993 bis 1996 war der Ort Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Eichsfelder Pforte. 1996 wurde Wülfingerode nach Sollstedt eingemeindet. Beigesetzt wurde jener Hans von Bodenhausen in der alten, um 1480 errichteten Kirche von Wülfingerode. Diese war im 19.Jahrhundert zunehmend baufällig geworden und so errichtete man 1858 an deren Stelle einen neuromanischen Saalbau mit eingezogenem Chor. Nach Abschluß der Bauarbeiten erhielt die neue Kirche St. Elisabeth sodann auch eine neue Orgel aus der Werkstatt von Gottlieb Knauf aus Bleicherode. Möglicherweise geht der für den Erbauer ungewöhnliche Flachfeldprospekt mit einem großen, rundbogigen Mittelfeld und zwei Seitenfeldern auf einen Entwurf des Architekten der Kirche zurück. Da alle Bauakten 1865 bei einem Großbrand verlorengegangen sind, läßt sich dies allerdings nur vermuten.
Die Orgelbauerfamilie Knauf ist in Großtabarz bei Gotha beheimatet gewesen, wo seit dem späten 18.Jahrhundert Johann Valentin Knauf als Orgelbauer nachzuweisen ist. Dieser wurde 1762 geboren und starb 1847. Seine beiden Söhne Friedrich und Gottlieb erlernten ihr Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. Während der ältere, der 1802 geborene Friedrich Knauf später die väterliche Werkstatt übernahm, machte sich dessen 1810 geborener Bruder Gottlieb Knauf im Jahre 1838 in Bleicherode selbstständig. Der Grund hierfür war die Liebe – Gottfried heiratete im selben Jahr eine Frau aus Bleicherode, die er sicher beim noch von Friedrich Knauf federführend geplanten Orgelbau in Bleicherode kennengelernt hat. Schon bald florierte die neue Werkstatt. Gottlieb Knauf baute zahlreiche, meist kleinere Orgeln in den Dörfern um Bleicherode sowie im Eichsfeld. Ab 1845 haben mit wenigen Ausnahmen fast alle Orgeln Gottlieb Knaufs Strahlenmechanik und chromatische Windladen. Diese von Johann Friedrich Schulze herrührende Konstruktionsweise hat Gottlieb sicher von seinem Bruder Friedrich Knauf übernommen, der diese neuen Elemente einige Jahre zuvor ebenfalls bei sich eingeführt hat. In den 1840er Jahren arbeitete auch der Schulze-Schüler Carl Heyder als Geselle bei Gottlieb Knauf, bevor er sich 1848 selbstständig machte. Das größte Instrument von Gottlieb Knauf mit 21 Registern in Leimbach im Landkreis Nordhausen ist klanglich erheblich entstellt, die zweitgrößte in Keula im Kyffhäuserkreis mit 18 Registern leider zur Zeit nicht spielbar. So ist die 1858 erbaute und so gut wie unveränderte Orgel in Wülfingerode mit ihren 16 Registern eine Besonderheit mit hohem Denkmalwert. Gottlieb Knauf starb 1872 mit 61 Jahren. Sein 1839 geborener Sohn Robert Knauf übernahm die väterliche Werkstatt. Wie sein Vater war er zeitlebens ein Verfechter der Schleiflade und der mechanischen Traktur. Die gegen Ende des 19.Jahrhunderts aus der Knauf-Werkstatt hervorgegangenen pneumatischen Instrumente sind bereits von Roberts Sohn Ernst Knauf federführend geplant worden, der nach dem Tod von Robert Knauf im Jahre 1900 auch die Werkstatt übernahm. Doch starb auch er bald danach und die über einhundertjährige Orgelbautradition der Familie Knauf hörte auf zu existieren. Während Orgeln von Gottliebs Bruder Friedrich Knauf vor allem im Raum zwischen Eisenach und Erfurt auch heute noch zahlreich erhalten sind, so besitzen Instrumente von der Hand seines Bruders Gottlieb Knauf heute durchaus Seltenheitswert, noch zumal in gutem Zustand.
Die Gottlieb-Knauf-Orgel in Wülfingerode besitzt 16 Register auf zwei Manualen und Pedal. Beide Manuale besitzen einen Tonumfang von C bis zum d3. Das betont kraftvolle und gravitätisch intonierte Hauptwerk besitzt ein fülliges Quintatön 16' als Grundlage, sodann Principal, Viola di Gambe, Hohlflöte und Bordun 8', die Octaven 4' und 2' und als Klangspitzen eine 3fache Mixtur und ein ungemein prächtiges Cornett 3fach. Dieses Cornett ist typisch für Gottlieb Knaufs mittelgroße Dorforgeln in jener Zeit. Es ersetzt im Plenum die Zungenstimmen, die er bei Orgelbauten in ländlichen Gebieten meist bewusst weggelassen hat. Dem Hauptwerk gegenüber tritt das Oberwerk klanglich zurück. Wir finden hier die sanften Stimmen Lieblich Gedackt, Geigenprincipal und Viola d´amore 8' sowie eine Flaute traversa 4'. Das Pedal ist bis zum d1 ausgebaut und verfügt über die drei Register Subbaß und Violonbaß 16' sowie einen Octavbaß 8'. Typisch für die Orgeln Gottlieb Knaufs ist auch die aufgrund großzügig bemessener Ventile etwas schwere Spielweise. Die 2011 abgeschlossene Reparatur unter restaurativen Gesichtspunkten durch Orgelbaumeister Reinhard Hüfken aus Halberstadt hat den prachtvollen, romantischen Klang der Knauf-Orgel wiedererstehen lassen. Neben dem Goldenen Sarg beherbergt die St.-Elisabeth-Kirche zu Wülfingerode seither wieder ein zweites und sogar klingendes Kleinod in ihren Mauern.

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Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Oberwerk, C-d3 Pedal, C-d1  
Quintatön 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Violonbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Viola d'amore 8' Octavbaß 8'  
Bordun 8' Flaute traversa 4'    
Viola di Gambe 8'      
Octave 4'      
Octave 2'      
Cornett 3f.      
Mixtur 3f.      

In Wülfingerode gespielte Stücke:
Michael Henkel: Allegretto g-moll >>>
Michael Henkel: Andante con espressione c-moll >>>
Michael Henkel: Nachspiel a-moll >>>
Michael Henkel: Nachspiel E-Dur >>>
Michael Henkel: Trio - Cantabile a-moll >>>
Michael Henkel: Versett c-moll >>>
Michael Henkel: Vier Versetten E-Dur >>>
Michael Henkel: Vorspiel c-moll >>>
Michael Henkel: Vorspiel E-Dur >>>