Hessen - Südhessen und Mittelrhein





(an dieser Seite wird noch gebaut !!
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Hier folgen einige Sätze zur Orgellandschaft Südhessen / Mittelrhein.




ALTENMITTLAU (Gemeinde Freigericht, Main-Kinzig-Kreis)
Kath. Pfarrkirche St. Markus




Erbauer: Gebrüder Wilhelm und Anton August Ratzmann (Gelnhausen) 1905, Kegelladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur

Altenmittlau ist ein Ortsteil der Gemeinde Freigericht im hessischen Main-Kinzig-Kreis. Der Ort Altenmittlau liegt am Birkigsbach im Naturpark Spessart auf einer Höhe von 160 Metern, knapp 9 Kilometer südwestlich von Gelnhausen direkt an der Landesgrenze zu Bayern. Die älteste erhaltene Erwähnung von Altenmittlau stammt aus dem Jahr 1191. Erwähnt wird dabei, dass das Mainzer Johannisstift im Besitz eines Hofes im Ort war. Das Dorf gehörte zum Gericht Somborn, das wiederum Teil des Freigerichts Alzenau war. Dieses war zwar reichsunmittelbar, aber das Reich verpfändete oder vergab das Gebiet immer wieder und so wechselten häufig die Landesherren, zu denen die Herren und späteren Grafen von Hanau, die Herren von Randenburg, die Herren von Eppstein und Kurmainz zählten. Das Dorf hatte im Mittelalter eine Kapelle, die dem Evangelisten Markus geweiht und nach Somborn eingepfarrt war. Später gehörte das Dorf zur Landgrafschaft Hessen-Kassel, nach den Wirren der Säkularisation schließlich zum Kurfürstentum Hessen und nach dem Krieg 1866 schließlich zum Königreich Preußen. 1970 wurde Altenmittlau im Rahmen der hessischen Gebietsreform mit vier weiteren Dörfern zur neuen Gemeinde Freigericht zusammengeschlossen. Im Jahre 1900 wurde der Grundstein für die heutige, stattliche Pfarrkirche St. Markus gelegt, die 1902 eingeweiht wurde. Drei Jahre später erhielt das Gotteshaus eine Orgel, mit deren Bau die Gebrüder Ratzmann aus Gelnhausen beauftragt wurden.
Die Gebrüder Ratzmann repräsentieren die dritte und letzte Generation der Orgelbauer-Dynastie der Familie Ratzmann, die mit dem Wirken des 1771 in Cumbach am Rande des Thüringer Waldes geborenen Georg Franz Ratzmann begann. Von dessen drei Söhnen führten die beiden älteren, Johann Friedrich Heinrich und Johann Heinrich Ludwig den väterlichen Betrieb nach dem Tod des Gründers ab 1846 gemeinsam weiter. 1839 führte Georg Franz Ratzmann ein großer Auftrag nach Niedergründau bei Gelnhausen, das prachtvolle Instrument in der dortigen Bergkirche ist bis heute wohl erhalten. Hierzu nahm Georg Franz seinen jüngsten, 1812 geborenen Sohn Wilhelm August Ratzmann mit. Und dann schlägt die Liebe zu: Wilhelm August verguckt sich in die Tochter eines örtlichen Gastwirts, heiratet diese 1840 und gründet ein Jahr später in Gelnhausen ein eigenes Unternehmen. In den folgenden erlebte der Orgelbau unter dem Namen Ratzmann eine Blütezeit; nicht wenige seiner Orgeln, vor allem in Süd- und Mittelhessen, sind bis heute erhalten. Wilhelm August Ratzmann hatte wiederum drei Söhne. Während der älteste, Jean Ratzmann, bei Wilhelm Sauer in Frankfurt an der Oder lernt und sich später wenig erfolgreich in Kesselstadt bei Hanau selbstständig macht, erlernten die beiden jüngeren Söhne ihr Handwerk bei Johann Georg Förster in Lich. Dies waren der 1846 geborene Wilhelm Ratzmann und sein sechs Jahre jüngerer Bruder Anton August Ratzmann. Nach dem Tod des Vaters 1880 betrieben beide die elterliche Werkstatt unter dem Namen Gebrüder Ratzmann weiter. Wilhelm, ein hart kalkulierender Geschäftsmann mit innovativen Ideen, hatte sich in seinen Wanderjahren viel Wissen angeeignet, unter anderem auch über die Pneumatik. Anton August war eher ein der traditionellen Bauweise verhafteter Handwerker und ausgezeichneter Intonateur. Durch dieses Zusammenspiel von Innovation und Bewahrung des „Guten Alten“ konnten die Brüder zukunftsweisende Instrumente erschaffen, die in ihrer klanglichen und technischen Qualität kaum zu überbieten waren. Von 1880 bis 1921 entstanden 48 Neubauten, meist im Raum Hessen, von denen jedoch viele später im Sinne der Orgelbewegung verändert wurden. Von all diesen ist die Orgel in Altenmittlau, 1905 vollendet, eine der größten und bedeutendsten. 1911 kam es nach dem Tod von Wilhelm Ratzmann zu Streitigkeiten über die Fortführung des Betriebes. Seine Witwe verkaufte die Werkstatt schließlich an den Orgelbauer Richard Schmidt. Unter Führung von dessen Enkel Andreas Schmidt existiert die Firma, jetzt mit Sitz in Linsengericht, bis heute.
Auch die Orgel in Altenmittlau wurde 1949 klanglich leicht verändert und 1973 erhielt das Instrument eine elektrische Traktur. Bei der 2002 durchgeführten Restaurierung durch die Firma Weiß aus Zellingen am Main entschloß man sich glücklicherweise zu einer stilgerechten Rückführung auf den Zustand, wie ihn die Gebrüder Ratzmann 1905 der Orgel gegeben hatten, einschließlich der Rekonstruktion der pneumatischen Traktur. Das Instrument besitzt 19 Register auf zwei Manualen und Pedal. Im bis zum f3 ausgebauten Hauptwerk finden wir Bourdon 16', Principal, Hohlflöte und Viola di Gamba 8', Octave und Rohrflöte 4', die Octave 2', eine 4fache Mixtur sowie eine Trompete 8'. Das zweite Manual verfügt über Geigenprincipal, Lieblich Gedackt, Harmonieflöte, Aeoline und Vox celeste 8' sowie Traversflöte und Fugara 4'. Im bis zum d1 geführten Pedal stehen Subbaß und Violon 16' sowie ein Violon 8'. Dazu kommen eine Manual- und zwei Pedalkoppeln sowie feste Kombinationen für Piano, Mezzoforte und Tutti. Interessanterweise besitzt die Orgel weder einen Schweller noch eine Crescendowalze – Zutaten, die sonst an kaum einer spätromantischen Orgel jener Zeit fehlen. Nach der Restaurierung kann man sich an hier exemplarisch überzeugen, wie pneumatische Traktur und romantisches Klangbild als ein Gesamtes zusammengehören. Als Organist ist man überrascht, mit welcher Präzision die pneumatische Traktur arbeitet. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=kywaJo3gHfY

Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Violon 16' Pedalkoppel zu I
Hohlflöte 8' Harmonieflöte 8' Violon 8' Pedalkoppel zu II
Viola di Gamba 8' Aeoline 8'   3 feste Kombinationen
Octave 4' Vox celeste 8'    
Rohrflöte 4' Traversflöte 4'    
Octave 2' Fugara 4'    
Mixtur 4f.      
Trompete 8'      


In Altenmittlau gespielte Stücke:
Jehan Alain: De Jules Lemaitre >>> https://www.youtube.com/watch?v=HCvFqeb8vHc&t=46s
Paul Claußnitzer: Nun sich der Tag geendet hat >>> https://www.youtube.com/watch?v=uW0l-wCnG4U
Paul Claußnitzer: Straf mich nicht in deinem Zorn >>> https://www.youtube.com/watch?v=DkhZa9BYqzk
Paul Claußnitzer: Wachet auf, ruft uns die Stimme >>> https://www.youtube.com/watch?v=gpKHK60SSvk
Gustav Geierhaas: Auf, auf, mein Herz und du, mein ganzer Sinn >>> https://www.youtube.com/watch?v=QFZbgDsDXYg
Sigfrid Karg-Elert: Am Abend W28 >>> https://www.youtube.com/watch?v=Xu8LAo15pLM&t=8s
Paul Krause: Werde munter, mein Gemüte >>> https://www.youtube.com/watch?v=p6eT8LYkl0Y&t=17s
Fritz Lubrich jun.: Die Toteninsel >>> https://www.youtube.com/watch?v=UUahs2dasKA&t=215s
Georg Lubrich: Ringe recht, wenn Gottes Gnade >>> https://www.youtube.com/watch?v=PelSgDzAWgk
Albert Therig: Nun singet und seid froh >>> https://www.youtube.com/watch?v=pZVY3yVKLoU
Woldemar Voullaire: Präludium Nr. 16 B-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=Ta-IZyXTHlo


 
ASTHEIM (Gemeinde Trebur, Landkreis Groß-Gerau)
Kath. Pfarrkirche St. Petrus in Ketten



Erbauer: Bernhard Dreymann (Mainz) 1833, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Astheim ist ein Ortsteil der Gemeinde Trebur im Kreis Groß-Gerau in Hessen; zusammen mit den Ortsteilen Trebur, Geinsheim, Kornsand und der Hessenaue. Astheim liegt also im Rhein-Main-Gebiet, etwa 8 km westlich von Groß-Gerau. Die Entfernung zu den Städten Mainz, Wiesbaden, Frankfurt am Main und Darmstadt beträgt etwa 20 bis 30 Kilometer. Archäologische Funde aus der Gemarkung des Ortes reichen bis in die Altsteinzeit zurück. Das Bestehen des Ortes ist unter dem Namen „Aske-muntesheim“ seit 830 im Lorscher Codex als Besitz des Klosters Lorsch urkundlich belegt. Im ausgehenden Mittelalter lag die Landeshoheit über das Dorf gemeinsam bei Kurmainz und den Herren und Grafen von Hanau. Nach der Säkularisation wurde Astheim dem Großherzogtum Hessen zugeschlagen. Dort gehörte es bis 1820 zum Amt Rüsselsheim. 1832 wurden die Verwaltungseinheiten vergrößert und es wurden erstmals Kreise geschaffen. Dadurch gelangte Astheim in den Kreis Groß-Gerau. 1977 ging Astheim im Zuge der hessischen Gebietsreform in der Gemeinde Trebur auf. Der Ort hat heute rund 2.200 Einwohner. Die katholische Kirche Astheims ist eines der Hauptdenkmäler der Astheimer Geschichte und birgt einen großen Reichtum an Entwicklung und auch Veränderung in sich. Obwohl urkundlich nicht festgestellt, besteht hier ein Gotteshaus seit dem 13. Jahrhundert. Die heutige Kirche wird erstmalig im Jahre 1651 erwähnt, als sie, wie so oft in ihrer Geschichte, durch Hochwasser zerstört wurde. Bis 1703 der Mainzer Weihbischof Edmund Geduld von Jungenfeld die Kirche weiht, ist wenig Geschichtliches überliefert. Aber bis heute wird am ersten Sonntag im September der Kirchweihtag (die Kerb) in Astheim mit einem Volksfest begangen. Zum Weihe- und Namenspatron hatte man den heiligen Petrus in Ketten ausgewählt. Der Apostel Petrus war für seinen Glauben im Gefängnis und wurde auf wunderbare Weise befreit Dies ist auf einem Gemälde an der Decke des Kirchenschiffs dargestellt. Mit dem barocken Hochaltar, einer vergoldeten Monstranz aus dem Jahr 1753 und einer Orgel von Bernhard Dreymann aus dem Jahre 1833 verfügt die Astheimer Kirche über bedeutende kulturelle Kleinodien.
Bernhard Dreymann, der Erbauer der Astheimer Orgel, wurde 1788 in Beckum in Westfalen getauft. Sein Vater Johann Hermann Dreymann war ebenfalls Orgelbauer. Nach der Lehre begab er sich anschließend auf Wanderschaft. Der Weg führte ihn unter anderem zu Caspar Melchior Vorenweg in Münster, Johann Simon Buchholz in Berlin, Johann Andreas Uthe in Dresden, und Christoph Erler in Wien. 1821 kam Dreymann nach Mainz. Die politische Neuordnung nach 1815 wirkte sich nun positiv auf die Entfaltung der Dreymann-Werkstatt aus: so galten etwa die Vertreter der Orgelbauwerkstatt Stumm im neu geschaffenen Großherzogtum Hessen-Darmstadt als „Ausländer“, da der Hunsrück seit jener Zeit zu Preußen gehörte. Bernhard Dreymann konnte auch durch seine ausgeprägte Geschäftstüchtigkeit und seinen mittlerweile hervorragenden Ruf nicht nur in Mainz und im Großherzogtum Hessen-Darmstadt tätig sein, wo er fast keine Konkurrenz zu fürchten hatte, sondern auch zahlreiche Instrumente in das benachbarte Herzogtum Nassau, in die Pfalz und sogar nach Belgien liefern. Dabei war für ihn die Förderung durch den berühmten Darmstädter Hoforganisten Christian Heinrich Rinck von herausragender Bedeutung. Es gelang Dreymann, durch die Anknüpfung an Traditionen seiner neuen Heimat sowie durch die in der Folgezeit immer stärker werdende Auseinandersetzung mit Eberhard Friedrich Walcker einen Personalstil zu entwickeln, der im mittelrheinischen Raum eine einzigartige Stellung einnimmt. 1833 nahm Christian Heinrich Rinck die Abnahme der Astheimer Orgel vornahm und stellte ihr ein „hervorragendes Zeugnis“ aus.
Die Dreymann-Orgel in Astheim besitzt 14 Register auf einem Manual und Pedal. Das Manual ist erstaunlicherweise vom C bis zum g3 ausgebaut und besitzt 10 Stimmen auf Principal 4'-Basis, nämlich Großgedackt, Flöte und Salicional 8', neben der erwähnten Principal noch Spitzflöte und Kleingedackt 4' sowie Octave und Flageolet 2'. Der Klang wird von einer 3-fachen Mixtur bekrönt. Dazu kommt noch das in dieser Gegend weit verbreitete Crumhorn 8'. Das Pedal geht vom C bis ins c1 und besitzt Subbaß und Posaune 16' sowie Oktavbässe in 8'- und 4'-Lage. Die Orgel blieb lange Zeit relativ unangetastet; die 1917 abgegebenen Prospektpfeifen wurden später durch solche aus Zink ersetzt. Schwerer wog ein Eingriff in den 1970er Jahren, der das eher zurückhaltende, frühromantische Klangbild Dreymanns in Richtung einer schrilleren, „barockeren“ Disposition veränderte. Diese Eingriffe wurden 2008 rückgängig gemacht und das Instrument fachgerecht restauriert und dabei unter anderem auch die beiden Zungenstimmen Posaune und Crumhorn rekonstruiert. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=RajGvNcida0

Disposition:

Manual, C-g3 Pedal, C-c1  
Großgedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Flöte 8' Octavbaß 8'  
Salicional 8' Octavbaß 4'  
Principal 4' Posaune 16'  
Spitzflöte 4'    
Kleingedackt 4'    
Octave 2'    
Flageolet 2'    
Mixtur 3f.    
Crumhorn 8'    
     
In Astheim gespielte Stücke:
Georg Andreas Henkel: Andantino f-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=uniDd7LXPSI
Georg Andreas Henkel: Fughetta Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=uniDd7LXPSI
Georg Andreas Henkel: Fughetta g-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=uniDd7LXPSI
Georg Andreas Henkel: Praeludium D-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=uniDd7LXPSI



BAD KÖNIG (Odenwaldkreis)
Ev. Schloßkirche




Erbauer: Johann Jost Schleich (Lohr am Main) 1700, technischer Neubau und Erweiterung Werner Bosch (Sandershausen) 1958, Hauptwerks-Prospekt von Johann Georg Hugo (Aschaffenburg) 1751, Schleifladen, mechanische Spiel- und elektrische Registertraktur (ein zweiter Spieltisch mit elektrischer Traktur steht auf der gegenüberliegenden Empore)

Die südhessische Kurstadt Bad König – seit 1948 staatlich anerkanntes Bad und seit 1980 mit Stadtrecht ausgestattet – ist einst aus einer alten Römersiedlung am Limes hervorgegangen und gehörte im Mittelalter zum Besitztum des Klosters Fulda. 1477 wurde „Künnig als Chur Maintzisch Lehn“ an das Geschlecht derer von Erbach übergeben, welche in dem Schloß und der Stadt gleichen Namens zehn Kilometer südwärts ihren Herrschaftssitz hatten. Spätestens ab 1559 errichteten die Grafen von Erbach das Schloss im heutigen Ortskern, zu dem auch die auf einer - ursprünglich mit einem Mauerring befestigten - Anhöhe gelegene Schloß- und Pfarrkirche gehörte. Ab 1806 gehörte König gemäß der Rheinbundakte zum Großherzogtum Hessen. Einen großen Aufschwung erlebte der Ort ab dem späten 19. Jahrhundert, als eine eisen- und manganhaltige Stahlquelle sowie eine 32 Grad warme Thermalquelle erschlossen wurden. Heute leben rund 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner in Bad König. Die 1750 bis 1751 errichtete Kirche, die noch über den 1479 entstandenen Wehrturm des alten Gotteshauses verfügt, besitzt eine von Johann Georg Hugo aus Aschaffenburg erbaute Orgel, die trotz zahlreicher Umbauten noch heute wesentliche Teile der um 1700 erbauten Vorgängerorgel beinhaltet.  
Im Jahre 1700 erhielt die alte Kirche in König eine kleine Orgel mit sechs Registern, die gemäß einem Zettel in der Windlade von Johann Jost Schleich aus Lohr am Main zusammen mit dem Gesellen Antonius Kallenbach erbaut wurde. Dieser um 1645 geborene und 1707 verstorbene Meister entstammte einer großen Orgelmacher-Dynastie und führte als Schüler seines Vaters Jost Philipp Schleich ab 1671 die Werkstatt in Lohr fort. Als bedeutendster unterfränkischer Orgelbauer in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schuf er große Werke, so etwa in Hammelburg, Ilbenstadt und Amorbach und belieferte mit seinen Instrumenten einen weiten Umkreis zwischen Steigerwald, Vogelsberg und Odenwald. Nur sehr wenige Prospekte und noch weniger klingendes Material ist hiervon bis heute erhalten geblieben. Seine Orgel in Bad König wurde beim Neubau 1750 durch Johann Georg Hugo als Rückpositiv übernommen. Johann Georg Hugo darf als einer der angesehensten Meister seiner Zeit gelten. 1717 in St. Blasien im Schwarzwald geboren, kam er 1741 im Gefolge des Orgelbauers Johann Georg Fischer nach Aschaffenburg erwarb 1745 das dortige Bürgerrecht. Hugos Orgeln können ihre oberrheinische Herkunft nicht verleugnen. In König baute er um das alte Positiv herum ein machtvolles Hauptwerk mit zehn und ein Pedal mit vier Registern durch zwei Oktaven. Das anmutige, fein ausschwingende Zierwerk am Prospekt hatte der Bildhauer Schüßler aus Wörth beigesteuert. Finanziert wurde all dies von den musikliebenden Grafen von Erbach. Vor allem einer von ihnen, der allerdings schon 1731 verstorbene Graf Friedrich Karl galt als „leidenschaftlicher Kenner und Liebhaber der Tonkunst“, verkehrte mit den Großen seiner Zeit, etwa Christoph Graupner und Georg Philipp Telemann. Er hatte sich in Erbach eine leistungsfähige kleine Hofkapelle zusammengestellt und komponierte auch selbst. Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg blieb dieses Prachtwerk mehr oder weniger unverändert erhalten. Erst danach – aus heutiger Sicht unverständlich – wurden zunächst die Mixturen, dann die Zungenstimmen entfernt. 1957 bis 1959 entstand dann ein technischer Neubau durch die Firma Werner Bosch aus Sandershausen bei Kassel, bei dem leider das Pfeifenwerk – bis auf dasjenige im Rückpositiv – weitgehend erneuert wurde. Zwar bekam die Orgel eine an Hugo orientierte Disposition und eine mechanische Traktur mit Schleifladen, dazu aber eine elektrische Registerschaltung und obendrein noch einen zweiten, elektrischen Spieltisch auf der gegenüberliegenden Empore. Die damaligen Orgelsachverständigen setzten im Eifer des Wirtschaftswunders „Erneuerung“ vor eine stilgerechte Restaurierung, nicht nur hier übrigens, sondern in weiten Teilen Deutschlands. Die Nachahmung des alten Klangs mit modernen Mitteln war entscheidender als die Bewahrung der alten Substanz. Doch ist es vom Grundgedanken heute so viel anders, wenn Elektroorgeln mit digitalen Samplesets so klingen sollen wie Schnitger-, Trost- oder Cavaille-Coll-Orgeln – schnell umschaltbar, austauschbar, beliebig - und die mit einer echten Orgel etwa so viel zu tun haben die „Königin der Blumen“ mit einer Plastikrose? 
Die Orgel in Bad König besitzt heute 20 Stimmen auf zwei Manualen, die jeweils bis zum dreigestrichenen c ausgebaut sind und Pedal. Dazu kommen fünf Register, die 1968 eingebaut wurden und nur über elektrische Zusatzschaltungen spielbar sind. Das Hauptwerk orientiert sich an Hugos Disposition mit Principal, Salicional und Quintatön 8', Octave und Gedacktflöte 4', Nasat 2 2/3', Nachthorn 2', einer zweifachen Octave 2' und 1' sowie einer 4fachen Mixtur und einer Trompete 8'. Das überwiegend Schleich’sches Pfeifenmaterial enthaltende Rückpositiv besitzt Gedackt 8', Principal 4', Octave 2', Quinte 1 1/3', ein Scharf 3fach und ein Krummhorn 8', dazu kommt ein Tremulant. Im Pedal schließlich stehen Subbaß und Posaune 16', Octavbaß 8' und Pommer 4'. Die fünf 1968 zusätzlich eingebauten Register sind Gedacktpommer 16' und Terz 1 3/5' im Hauptwerk sowie Metallgedackt 8', Trompete 4' und eine 5fache Mixtur im Pedal. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition (die mit (e) gekennzeichneten Artikel sind nur vom elektrischen Zweit-Spieltisch aus spielbar):

Hauptwerk, CD-c3 Rückpositiv, CD-c3 Pedal, CD-d1  
(Gedacktpommer 16') (e) Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Principal 4' Octavbaß 8' Pedalkoppel zu I
Quintatön 8' Spitzflöte 4' (Gedackt 8') (e) Pedalkoppel zu II
Salicional 8' Octave 2' Pommer 4' Tremulant RP
Octave 4' Quinte 1 1/3' (Mixtur 5f.) (e)  
Gedacktflöte 4' Scharff 3f. Posaune 16'  
Nasat 2 2/3' Krummhorn 8' (Trompete 4') (e)  
Nachthorn 2'      
Octave 2' + 1'      
(Terz 1 3/5') (e)      
Mixtur 4f.      
Trompete 8'      

In Bad König gespielte Stücke:
Philipp Friedrich Böddecker: Fantasia auff zwei Clavier >>>
Friedrich Carl Graf zu Erbach: Divertimento g-moll >>>
Johann Christian Christoph Richter: Jesu, meines Lebens Leben >>>
Joseph Schmitt: Andante F-Dur >>>
Georg Philipp Telemann: Fuga Nr. 18 F-Dur >>>
Georg Philipp Telemann: Fuga Nr. 19 D-Dur >>>
Georg Philipp Telemann: Fuga Nr. 20 a-moll >>>
Johann Gottfried Walther: Concerto del Sig. Telemann >>>
Franziskus Ziegler: Versetten ex f >>>



BÄRSTADT (Gemeinde Schlangenbad, Rheingau-Taunus-Kreis)
Ev. Martinskirche



Erbauer: Gebrüder Johann Philipp und Johann Heinrich Stumm (Sulzbach) 1769-1771, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Bärstadt ist der zweitgrößte Ortsteil der Gemeinde Schlangenbad im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis. Bärstadt liegt im Westen eines drei Kilometer langen Talkessels nahe den Kurbädern Schlangenbad und Bad Schwalbach. Umgeben von Feldern und Wiesen, schützen die umliegenden bewaldeten Höhen das Dorf vor dem Eindringen der nasskalten Witterung aus Nord und West. Bärstadt wurde zum ersten Mal 1194 erwähnt, allerdings war es zu dieser Zeit schon Hauptort eines ausgedehnten Kirchspiels, zu dem insgesamt 15 Dörfer zählten, darunter bis ins 13. Jahrhundert auch das heutige Bad Schwalbach, und bis Ende des 19. Jahrhunderts Schlangenbad. Bärstadt gehörte mit dem Rheingau zu Kurmainz und war nach einer Grenzbeschreibung von 1324 Hauptort der 15 „überhöhischen Dörfer“ im Einrich. Später kam das Gebiet zur Grafschaft Katzenelnbogen und im 19.Jahrhundert gehörte der Ort zum Herzogtum Nassau. Der Ortsname Bärstadt ist mir und vielen anderen sicher auch seit Kindertagen geläufig, denn der berühmte Bauwagen in der Fernsehserie „Löwenzahn“ stand damals in einem fiktiven Ort namens Bärstadt und das wurde in der Sendung auch mehrfach von Peter Lustig erwähnt. Das kam daher, weil einige Redakteure der Sendung Anfang der 1980er Jahre tatsächlich in Bärstadt wohnten und daher die Handlung in einen fiktiven Ort gleichen Namens verlegten, obwohl die Serie eigentlich in Berlin gedreht wurde – aber das nur am Rande. Die heutige Martinskirche im „echten“ Bärstadt entstand in ihrer heutigen Form in den Jahren 1709 bis 1717. Im Turm und in den Grundmauern gibt es romanische Bauteile. Außerdem wurden bei Ausschachtungsarbeiten Bodenplatten eines Vorgängerbaus gefunden, die um 1250 hergestellt wurden. Die Orgel über der Kanzel stammt aus einer der berühmtesten Orgelbauerdynastien Deutschlands, erbaut in den Jahren 1769 bis 1771 von den Gebrüdern Stumm aus Sulzbach im Hunsrück.
Stammvater der Orgelbauerfamilie Stumm war der 1683 in Sulzbach im Hunsrück geborene Johann Michael Stumm. Er lernte zunächst den Beruf des Goldschmieds und wandte sich erst mit rund 30 Jahren dem Orgelbau zu. Wir wissen aber nicht, wo er dieses Handwerk erlernte, jedoch zeigen seine Orgeln typisch französische Einflüsse. Die vier Söhne Johann Michael Stumms wurden ebenfalls alle Orgelbauer. Während der 1706 geborene Johann Nikolaus Stumm eine eigenständige Werkstatt in Kastellaun im Hunsrück eröffnete, führten die 1705 geborenen Johann Philipp und der zehn Jahre jüngere Johann Heinrich Stumm die Sulzbacher Werkstatt nach dem Tod des Vaters 1747 weiter. In dieser zweiten Generation erreichte die Stumm-Werkstatt hinsichtlich der technischen und klanglichen Qualität, aber auch mit Blick auf den Wirkungskreis ihre Blütezeit. Es entstanden großartige und richtungweisende Instrumente, erwähnt seien hier nur die Orgeln in der Stadtkirche zu Durlach, 1759 vollendet, in der Ludwigskirche zu Saarbrücken mit drei Manualen und 37 Stimmen, die 1775 fertiggestellt wurde und das große, bis heute berühmte Instrument in der Abteikirche zu Amorbach, deren Bau sich von 1774 bis 1782 hinzog. Von den heute 66 Registern in Amorbach stammen allerdings nur noch 17 vollständig und 4 weitere teilweise von Stumm, ebenso sind die Schleifladen dort allesamt rekonstruiert und auch die Spielanlage mit mechanisch-elektrischer Spieltraktur ist eher mit einer modernen als mit einer wirklich historischen Orgel vergleichbar. Die Söhne von Johann Philipp Stumm, Johann Michael Stumm II und Philipp bilden zusammen mit Johann Heinrichs Sohn Franz Stumm und deren Neffen Friedrich Carl Stumm ab etwa 1783 die dritte Generation. Unter ihnen wurde der rechtsrheinische Wirkungskreis weiter ausgebaut. Ab 1813 leiteten mit Carl Philipp und Franz Heinrich Stumm zwei Vettern zweiten Grades das Unternehmen in vierter Generation und verlegten den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit wieder links des Rheins auf die Pfalz. Immer noch entstanden großartige Instrumente, unter denen das 1842 vollendete Werk im sogenannten „Rheingauer Dom“ in Geisenheim mit 33 Stimmen herausragt. Friedrich Carl und Georg Karl Ernst Stumm, die beiden Söhne von Franz Heinrich Stumm, bilden die fünfte Generation von Orgelbauern der Familie. Unter Friedrich Carls Söhnen Friedrich und Karl II Stumm wurde 1896 die letzte Stumm-Orgel in Sulzbach gebaut und ein großes Kapitel deutscher Orgelkunst damit beschlossen. Die Familie Stumm schuf einen unverwechselbaren Personalstil, der für viele andere Meister zum Vorbild wurde. Stilistisch stehen die Instrumente der ersten drei Stumm-Generationen zwischen der niederrheinischen, der mainfränkischen und der ostfranzösischen Orgel. Es entsteht der mittelrheinische Typ, der für die Orgelkultur im deutschen Sprachraum ebenso bedeutsam ist wie etwa die stilprägenden Werke der beiden Silbermänner in Sachsen und im Elsaß, von Arp Schnitger im Norden und den schwäbischen Meistern wie etwa Joseph Gabler.
Die von den Gebrüdern Johann Philipp und Johann Heinrich Stumm 1771 vollendete Orgel in Bärstadt stammt aus der Blütezeit der Werkstatt und ist in erstaunlich hohem Maße technisch und klanglich original erhalten. 1971 wurde sie durch Rudolf von Beckerath und 2016 durch die Firma Förster & Nicolaus fachgerecht restauriert. Während der Gründer, Johann Michael Stumm, das zweite Manual noch oft als Rückpositiv gebaut hat, bevorzugt die zweite Generation den Bau eines Unterwerks, so auch in Bärstadt. Das vom zweiten Manual aus angespielte Hauptwerk besitzt die Stimmen Principal, Bourdon und Viola di Gamba 8', Octav, Flöt und Solicional 4', eine Quint 3', Superoctav 2', Terz 1 3/5' sowie eine 4fache Mixtur, dazu kommt eine in Baß und Diskant geteilte, ebenfalls originale Trompet 8'. Das Unterwerk verfügt über Gedackt und Flaut travers 8', letztere ist nur im Diskant ausgebaut, sodann über Principal und Flöt 4', Octav 2' und Quint 1 1/2', dazu kommt eine Vox humana 8' und eine zusätzliche Diskant-Trompete 8'. Während die Manuale einen Tonumfang bis zum d3 aufweisen, ist das Pedal – auch das ist typisch für Stumm, mit lediglich 15 Tasten bis zum d° recht klein gehalten. Hier finden wir Subbaß und Posaune 16' sowie einen Oktavbaß 8', dazu kommt eine Manual- und eine Pedalkoppel. In Hessen sind Stumm-Orgeln nicht gerade häufig, das Instrument in Bärstadt ist somit ein höchst bedeutsamer Farbtupfer in der vielgestaltigen hessischen Orgellandschaft. 

Link zum Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=AFi5TuKNTM8

Disposition:

Hauptwerk, C-d3 Unterwerk, C-d3 Pedal, C-d°  
Principal 8' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Bourdon 8' Flaut travers 8' (D) Octavbaß 8' Pedalkoppel
Viola di Gamba 8' Principal 4' Posaune 16'  
Octav 4' Flöt 4'    
Flöt 4' Octav 2'    
Solicional 4' Quint 1 1/2'    
Quint 3' Vox humana 8'    
Superoctav 2' Trompet 8' (D)    
Terz 1 3/5'      
Mixtur 4f.      
Trompet 8' (B/D)      

In Bärstadt gespielte Stücke:
Michael Samuel David Gattermann: Vom Himmel hoch, da komm ich her >>> https://www.youtube.com/watch?v=3EF-FjtLOu0
Jean Adam Guilain: Suite du second ton
Prelude >>> https://www.youtube.com/watch?v=EFz9DNOfe5U
Duo >>> https://www.youtube.com/watch?v=r66rKSQiQBg
Tierce en taille >>> https://www.youtube.com/watch?v=zwcenf3caro
Basse de Trompette >>> https://www.youtube.com/watch?v=JJ7j-YXWRxw
Trio de Flutes >>> https://www.youtube.com/watch?v=JQKidxtVsJs
Dialogue >>> https://www.youtube.com/watch?v=zCQ8t1DnCvw
Petit Plein jeu >>> https://www.youtube.com/watch?v=xNgPT1v2VAE
Georg Friedrich Händel: Voluntary Nr. 2 in C >>> https://www.youtube.com/watch?v=FxOxjO0qOPA
Justin Heinrich Knecht: Nachspiel d-moll >>> https://www.youtube.com/watch?v=foTUTr6KPs0
Justin Heinrich Knecht: Un poco Adagio F-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=Uy5t5yHosE8
Matthias Georg Monn: Praeludium und Versetten quarti toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=rhTjKyulxkc
Wolfgang Amadeus Mozart: Adagio und Fuge d-moll / D-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=VHzi6ZxkTh0
Wolfgang Amadeus Mozart: Andantino Es-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=JdnsLFE6EkQ
Wolfgang Amadeus Mozart: Zwei kleine Fugen G-Dur / D-Dur >>> https://www.youtube.com/watch?v=BWfLxPMdR6A
Johann Friedrich Schmoll: Ein feste Burg ist unser Gott >>> https://www.youtube.com/watch?v=1a9HJAtnxnA
Johann Friedrich Schmoll: Wach auf, mein Herz und singe >>> https://www.youtube.com/watch?v=dqOaHsgkoqQ&t=42s



BRETZENHEIM
 (Stadt Mainz)
Kath. Kirche St. Bernhard



Erbauer:
 Aristide Cavaillé-Coll (Paris) 1877, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Der Name Aristide Cavaille-Coll hat in der Orgelwelt einen einzigartigen, ja legendären Klang. Er gilt gemeinhin als Schöpfer der orchestral-symphonischen Orgel; sein Einfluß auf die Entwicklung des Orgelbaus weltweit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und auch die großen Kompositionen etwa von Cesar Franck, Louis Vierne, Charles-Marie Widor und Olivier Messiaen – um nur die Bekanntesten zu nennen – wären ohne das von Cavaille-Coll entwickelte Klangideal nicht denkbar. Sein Wirken war zwar nicht auf Frankreich beschränkt, doch lieferte er zu Lebzeiten keine einzige Orgel in die deutschsprachigen Länder. Und doch können wir heute eine originale Orgel des Meisters in Deutschland erleben und zwar in der 1992 eingeweihten Kirche St. Bernhard in der Hans-Böckler-Straße im Mainzer Stadtteil Bretzenheim. Das Instrument hat eine bewegte Geschichte. Ursprünglich wurde sie 1876 bis 1877 für die Kirche Saint-Ferdinand-des-Ternes et Sainte Thérèse de l'Enfant-Jésus im 17. Pariser Arrondissement erbaut. Für Jahrzehnte war hier Georges Jacob, ein Schüler Alexandre Guilmants als Organist tätig.
Aristide Cavaille-Coll wurde 1811 in Montpellier in eine südfranzösische Orgelbauerfamilie hineingeboren, die nach spanischem Brauch einen Doppelnamen führte. Er war nur kurz in der Schule und lernte sein Handwerk dann bei seinem Vater Dominique. Schon als Lehrling machte erste Erfindungen, etwa die mit dem Fuß zu bedienende Pedalkoppel. 1833 ging der junge Meister nach Paris und nicht ganz ohne Fürsprache von Gioacchino Rossini erhielt der erst 22jährige Aristide den Auftrag für den Orgelneubau in Saint-Denis. Es entstand in der Grabkirche der französischen Könige bis 1840 ein grandioses Instrument mit 69 Registern auf vier Manualen und Pedal, das ihn schlagartig berühmt machte. Diese Orgel besitzt auch schon den erst kurz zuvor erfundenen Barkerhebel, eine von dem Engländer Charles Barker erfundene pneumatische Maschine, mit deren Hilfe die Spielbarkeit der Manuale wesentlich erleichtert wurde. Bei seinen großen Werken setzte er diese Erfindung auch für die Registertraktur ein, um den Zugweg auf 1 bis 2 cm zu verkürzen und somit schnelleres Umregistrieren zu ermöglichen. Nach einer Studienreise durch Europa erbaute er weitere Orgeln, mit denen er Furore machte. Das Schwellwerk wurde zum Standard und mit der durch den Einsatz von Parallelbälgen absolut stabilen Windversorgung setzte er bis heute gültige Maßstäbe. 1862 vollendete Cavaille-Coll die Orgel in Saint Sulpice in Paris mit 100 Registern, die bei ihrer Einweihung die größte Orgel der Welt war; 1868 sodann das Instrument in Notre Dame. Ab 1866 lieferte das Unternehmen auch einige Instrumente nach England, worunter die 1873 vollendete Orgel in der Town Hall in Sheffield herausragt, die mit nicht weniger als drei Schwellwerken, einer vollständigen horizontalen Zungenbatterie und einem Manualumfang bis zum c4 ausgestattet war. Insgesamt verließen über 500 Orgeln das Pariser Atelier des Meisters, darunter viele kleinere und mittlere Instrumente. Die heute in Mainz-Bretzenheim stehende Orgel wurde zunächst für die Kirche Saint-Ferdinand-des-Ternes et Sainte Thérèse de l'Enfant-Jésus gebaut. Als man dort aber plötzlich mehr Geld als gedacht zur Verfügung hatte, entschied man sich nach einiger Zeit für ein größeres Orgel, das natürlich auch von Cavaille-Coll gebaut wurde. Er nahm das kleinere Instrument zurück und stellte es in seinem Atelier zum Testen neuer Techniken sowie als Ausstellungs- und Vorführinstrument auf. 1912 kaufte eine reiche Fabrikantentochter die Orgel für das Stadtpalais ihrer Familie in der Rue d'Anjou. 1951 kam das Instrument dann in das Oratoire de Louvre, der größten lutherischen Kirche in Paris und 1971 in die lutherische Kirche von Suresnes, 12 Kilometer nördlich des Stadtzentrums. 1997 wurde sie dann nach Mainz verkauft, in der Folge durch die Orgelbaufirma Claude Berger aus Clermont d'Hérlaut bei Montpellier umfassend restauriert und 1999 eingeweiht. Daniel Roth, der heutige Organist von Saint Sulpice, spielte das Einweihungskonzert.
Feinste Farben und ausdrucksstarke Flöten, ein geschmeidiger Ton und sonore Fülle sind nur einige der Merkmale Cavaille-Coll’scher Orgeln, auch der kleineren. Heute ist sie die einzige Schöpfung ihres Meisters in Deutschland; einige andere später angekaufte Orgeln wie etwa in Osnabrück, Köln, Kiel, Zaitzkofen und Borken in Westfalen stammen allesamt aus der Zeit nach 1898, als Aristide Cavaille-Coll drei Jahre vor seinem Tod die Werkstatt an Charles Mutin verkauft hatte - und die fortan als „Mutin-Cavaillé-Coll“ firmierte. Es wäre noch viel zu sagen über diesen "Maitre de maitre" des französisch-romantischen Orgelbaus, doch müssen wir uns aus Zeitgründen etwas beschränken. Das Grand-Orgue der Mainzer Orgel besitzt Bourdon 16', Montre und Flute harmonique 8' sowie den Prestant 4'. Im Recit expressive stehen Viole de Gambe, Cor de nuit und Voix celeste 8', eine Flute octaviante 4' und ein 4faches Plein-jeu, dazu kommen die Zungenstimmen Trompette harmonique und Basson-Hautbois 8'. Das Pedal besitzt vier Stimmen, allesamt Transmissionen aus dem Grand Orgue: Soubasse 16' sowie Bourdon, Basse und Violoncelle 8'. Dazu kommen Koppeln und ein Appeltritt für die Zungen. 

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Disposition:

Grand Orgue, C-g3 Recit expressif, C-g3 Pedal, C-f1  
Bourdon 16' Cor de nuit 8' Soubasse 16' Manualkoppel
Montre 8' Viole de Gambe 8' Bourdon 8' Pedalkoppel zu I
Flute harmonique 8' Voix celeste 8' Basse 8' Pedalkoppel zu II
Prestant 4' Flute octaviante 4' Violoncelle 8' Suboctavkoppel zu II
  Plein jeu 4f.   Schweller
  Trompette harmonique 8'   Appels für Zungen
  Basson-Hautbois 8'   Tremblant

In Bretzenheim gespielte Stücke:
Charles-Alexis Chauvet: L' Epiphanie >>>
Charles-Alexis Chauvet: Troisieme dimanche de l' Advent >>>
Aloys Claussmann: Elevation en sol majeur >>>
Georges Jacob: Alleluia en ut majeur >>>
Georges Jacob: Andantino en mi bemol majeur >>>
Georges Jacob: Magnificat en fa majeur >>>
Isaac Francois Lefebure-Wely: Sortie du clerge apres les salut >>>
Louis James Alfred Lefebure-Wely: Elevation en la mineur >>>
Louis James Alfred Lefebure-Wely: Pastorale en sol majeur >>>
Emile Wambach: Priere en sol majeur >>>



DIEDENBERGEN (Stadt Hofheim am Taunus, Main-Taunus-Kreis)
Ev. Pfarrkirche




Erbauer: Johann Conrad Bürgy (Homburg) 1767, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Diedenbergen ist ein Ortsbezirk der Kreisstadt Hofheim am Taunus und liegt im Südwesten des Main-Taunus-Kreises in Hessen. Der Ort liegt auf einer Südabdachung des Vordertaunus direkt unter dem Waldrand und mit einer Höhe von 190 Meter hoch über der Oberrheinischen Tiefebene. Wegen dieser exponierten Hanglage ist Diedenbergen schon von Weitem zu sehen. Diedenbergen liegt dort, wo eine alte Römerstraße auf dem schnurgeraden Weg von Mainz-Kastel in die Wetterau einen Taunusausläufer überwinden muss und ihre Scheitelhöhe erreicht. Im Mittelalter war diese Steinerne Straße als „Elisabethenstraße“ bekannt. In Diedenbergen trägt sie den Namen „Casteller Straße“ und ist noch immer die wichtigste Hauptverkehrsstraße des Ortes. Die erste bis heute überlieferte Erwähnung Diedenbergens geschah 1366. Eine Kirche in Diedenbergen wurde 1591 erstmals als Filialkirche von Marxheim erwähnt. 1754 bis 1756 ließ Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt eine neue Kirche errichten. Angeblich ist ihr Turm bei gutem Wetter von Darmstadt aus sichtbar. 1972 wurde Diedenbergen in die Stadt Hofheim am Taunus eingegliedert. Der Innenraum der Kirche ist mit Emporen ausgestattet und beherbergt neben einem Altar von 1761 eine Orgel von Johann Conrad Bürgy, die 1790 für 1400 Gulden erworben wurde. Erbaut wurde das Instrument ursprünglich 1768 für die Französisch-Reformierte Kirche in Bockenheim, damals noch ein selbstständiger Ort vor den Toren Frankfurts. Die Französisch-Reformierte Kirche stand zwischen der heutigen Rödelheimer und der Fritzlarer Straße und war in der typischen, ovalen Form gebaut. Das Gebäude diente dann später als Volksschule, als „Volkslesehalle“ und wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Als der Magistrat der Stadt Frankfurt 1787 widerstrebend auch wieder Gottesdienste im reformierten Ritus in ihren Mauern zuließ, verlor die Kirche in Bockenheim an Bedeutung, ein Teil ihrer Ausstattung gelangte in die neue reformierte Kirche nach Frankfurt, die ebenfalls 1944 zerstört wurde. Die Bürgy-Orgel wurde 1790 nach Diedenbergen verkauft. Da die Orgel in Diedenbergen nicht in die Kirche passte, musste die Decke erhöht werden.
Johann Conrad Bürgy, der Erbauer der heute in Diedenbergen stehenden Orgel, wurde 1721 in Schaffhausen in der Schweiz geboren. Nach seiner Lehre ging er, wie üblich, auf Wanderschaft und lebte und arbeitete seit spätestens etwa 1750 in der Wetterau als Geselle des Orgelbauers Johann Friedrich Syer in Nieder-Florstadt. 1757 heiratete er dessen Tochter Margaretha. Er gründete bald darauf seine eigene Werkstatt in Homburg und durfte sich bald des Titels „Hessen-Homburgischer Hoforgel- und Instrumenten-Baumeister“ erfreuen. Sein erstes eigenes Werk errichtete er 1765 in Rodheim vor der Höhe, ein einmanualiges Instrument mit 10 Registern. Die Orgel für die Französisch-Reformierte Kirche in Bockenheim war 1768 mit ihren zwanzig Registern die erste größere Orgel Bürgys mit zwei Manualen. In der Landgräflichen Schlosskirche von Bad Homburg ist das Gehäuse seiner größten Orgel, 1782 bis 1787 mit 37 Registern auf drei Manualen und Pedal erbaut, erhalten. Drei seiner Söhne führten die Orgelbauwerkstatt unter dem Namen Gebrüder Bürgy nach seinem Tode fort: Philipp Heinrich Bürgy, geboren 1759, Johann Ludwig Wilhelm Bürgy, geboren 1761 und der 1771 geborene Johann Georg Bürgy. Der Stammvater Johann Conrad Bürgy starb 1792 während des Orgelbaues für die katholische St.Ursula-Kirche in Oberursel, die dann von seinen Söhnen vollendet wurde.
Bürgy-Orgeln zeichnen sich durch einen festen, hellen, farbenreichen und vollen Klang aus. Das 1768 fertiggestellte Instrument war für die junge Orgelbaufirma ein repräsentatives Instrument unmittelbar vor den Toren Frankfurt. Einer Überlieferung zufolge soll sogar "Geheimrath Goethe" die neue Orgel mehrfach gehört und sich sogar selbst auf ihren Tasten „probirt“ haben. Bemerkenswert an ihrem Äußeren ist neben den hübschen Rokoko-Schnitzereien am Prospekt auch die sehr edel gestaltete Spielanlage mit den typischen Bürgy-Engelchen an den Fronten der Manualtasten. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert blieb das Instrument von größeren Umbauten verschont und auch den zweiten Weltkrieg hat die Orgel unversehrt überstanden. Von den insgesamt 18 Registern sind 15 nahezu vollständig erhalten. 1971 wurde die Orgel nach den damaligen Vorstellungen durch die Firma Oberlinger restauriert. Vornehmlich im technischen Bereich wurden dabei allerdings Eingriffe vorgenommen, die sich als problematisch erwiesen haben und die für die weitere Erhaltung der Orgel rückgängig gemacht werden müssen. Eine denkmalgerechte Restaurierung der Orgel soll 2017 erfolgen. Die Manuale besitzen einen Klaviaturumfang vom C bis zum e3. Das Hauptwerk ist mit 10 Registern ausgestattet auf Basis des Principal 4', der klassisch mit Quinta 3' und Octave 2' nach oben ergänzt wird. Gedackt, Gemshorn und Viola die Gamba 8' sowie Spitzflöte und Flaut minor 4' schattieren und differenzieren den Klang auf sehr ansprechende Art und Weise. Eine Sesquialtera 2fach und eine Mixtur 4fach bilden die Klangkrone des Hauptwerks, dessen kerniges, aber niemals schrilles Plenum sehr beeindruckend ist. Das vom unteren Clavier aus anzuspielende zweite Manual ist als Echowerk konzipiert. Wir finden hier die fünf Register Gedackt 8', Salicional 4', Principal 2', Quinta 1 1/2' und eine Vox humana 8'. Das Pedal ist mit drei Stimmen besetzt, Subbaß und Posaune 16' sowie einem Violon 8'. Die Orgel von Diedenbergen ist das größte, weitgehend im Originalzustand erhaltene Instrument ihres Erbauers Johann Conrad Bürgy. Aufgrund ihrer Größe, ihrer recht guten Erhaltung und ihrer Ausführungsqualität zählt sie zu den herausragenden hessischen Denkmalorgeln des 18. Jahrhunderts.

Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=KFZ0qKjH5og&t=708s

Disposition:

Hauptwerk, C-e3 Echowerk, C-e3 Pedal, C-c1  
Gedackt 8' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Gemshorn 8' Salicional 4' Violon 8' Pedalkoppel
Viola di Gamba 8' Principal 2' Posaune 16' Tremulant
Principal 4' Quinta 1 1/2'    
Spitzflöte 4' Vox humana 8'    
Flaut minor 4'      
Quinta 3'      
Octave 2'      
Sesquialtera 2f.      
Mixtur 4f.      
       
In Diedenbergen gespielte Stücke:
Michael Henkel: Alla Breve e-moll >>>
Michael Henkel: Allegretto e-moll >>>
Michael Henkel: Allegretto I & II C-Dur >>>
Michael Henkel: Andante C-Dur >>>
Michael Henkel: Andante I & II e-moll >>>
Michael Henkel: Andantino C-Dur >>>
Michael Henkel: Andantino F-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile C-Dur >>>
Michael Henkel: Cantabile F-Dur >>>
Michael Henkel: Larghetto c-moll >>>
Michael Henkel: Larghetto e-moll >>>
Michael Henkel: Larghetto F-Dur >>>
Michael Henkel: Maestoso F-Dur >>>
Michael Henkel: Un poco Allegretto e-moll >>>
Michael Henkel: Versett C-Dur >>>
Michael Henkel: Versett F-Dur >>>
Michael Henkel: 5 Versetten c-moll >>>
Michael Henkel: Versett d-moll >>>



ERBSTADT (Stadt Nidderau, Main-Kinzig-Kreis)
Ev. Kirche



Erbauer: Johann Friedrich Dreuth (Griedel) 1775, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Erbstadt ist ein Stadtteil von Nidderau im osthessischen Main-Kinzig-Kreis. Der Ort liegt am Rande der Wetterau in dessen naturräumlicher Teileinheit „Heldenbergener Wetterau“. Bei klarem Wetter kann man schon die Hochhäuser des rund 30 Kilometer südöstlich liegenden Frankfurt erkennen. 1237 wurde der Ort, in dem heute rund 1.400 Einwohner leben, erstmals nachweislich genannt. Erbstadt gehörte zum Amt Windecken innerhalb der Herrschaft und späteren Grafschaft Hanau. Im Dreißigjährigen Krieg verpfändeten die Hanauer Grafen Erbstadt und die benachbarte Kellerei Naumburg an die Landgrafschaft Hessen-Kassel. Nach 1803 kam der Ort dann zum Kurfürstentum Hessen und ging Anfang 1972 in der neu gegründeten Stadt Nidderau auf, die aus den Orten Heldenbergen, Windecken, Erbstadt, Eichen und Ostheim besteht. Die Kirche in Erbstadt ist eine barocke Saalkirche, die 1744 ihre heutige Form erhielt. Das in reformierter Tradition schlicht gestaltete Innere wird optisch beherrscht durch die Orgel auf der Ostempore. 1775 wurde sie von Johann Friedrich Dreuth aus Griedel, heute ein Ortsteil der Stadt Butzbach im Wetteraukreis, geschaffen.
Der Ort Griedel bei Butzbach war spätestens seit etwa 1670 Sitz einer Orgelbauwerkstatt. Stammvater war ein gewisser Johann Heinrich Grieb, über den wir aber nichts wissen. Ab 1673 arbeiteten der 1638 geborene Conrad Grieb und dessen sieben Jahre jüngerer Bruder Gottfried hauptsächlich in der damaligen Grafschaft Braunfels und in den Nachbargebieten Oberhessen. Eine um 1700 erbaute Orgel, die heute in der Kirche zu Oberbiel bei Solms im Lahn-Dill-Kreis steht, ist aus dem Schaffen der Grieb-Brüder bis heute gut erhalten. Gottfried Griebs 1679 geborene Tochter Anna Maria heiratete 1698 Johann Andreas Dreuth, deren 1703 geborener Sohn Georg Philipp Dreuth später die Orgelmacherwerkstatt seines Oheims übernahm. Er, der sich selbst meist Johann Philipp Dreuth nannte, gilt heute als der bedeutendste Meister der Familie. Von seinen charakteristischen fünfteiligen Prospekten auf Basis des Principal 4' sind noch einige erhalten, etwa in Dornholzhausen bei Langgöns von 1736, in Villingen bei Hungen aus dem Jahr 1740 und in der Schloßkirche Altenburg bei Alsfeld, die 1750 fertiggestellt wurde. Sein 1728 geborener Sohn Johann Friedrich Dreuth erlernte sein Handwerk allem Anschein nach in der väterlichen Werkstatt und wird, wie es damals üblich war, von frühester Jugend an den Vater unterstützt haben. Spätestens nach dessen Tod 1761 übernahm er die Werkstatt und führte sie bis kurz nach 1800 weiter. Johann Friedrich Dreuth blieb der relativ konservativen Bauweise der Familie zeitlebens treu, er verzichtete auch in seinen späten Werken auf das Cis und das Pedal besitzt anderthalb Oktaven. Typisch für Dreuths Klanggestaltung ist stets ein Gedackt aus reinem Blei sowie eine Superoctave 1'. Letztere fehlt in Erbstadt, da sich der zur Begutachtung des Angebots herangezogene Kasseler Hoforganist Johannes Becker ausdrücklich dagegen ausgesprochen hatte. Nach dem 1775 vollendeten Orgelbau in Erbstadt erbaute Dreuth noch Orgeln für Wolfenhausen bei Weilmünster im Landkreis Limburg-Weilburg, die 1780 vollendet wurde, in Burg-Gräfenrode bei Karben in der Wetterau, 1784 und als sein letztes Werk die Orgel in Oberwetz, einem Ortsteil der Gemeinde Schöffengrund im Lahn-Dill-Kreis. Mit Ausnahme der Orgel in Wolfenhausen, wo noch ein Teil des Pfeifenwerks erhalten ist, künden ebenfalls nur noch die Prospekte von Dreuths Instrumenten. Die Orgel in Erbstadt blieb in ihrer klingenden Substanz relativ gut erhalten. Leider wurden noch 1965 durch den Orgelbauer Heinrich Wilhelm Voigt aus Frankfurt-Höchst-Unterliederbach vier von zehn Register gegen neobarocke Moderegister ausgetauscht. Diese Arbeiten waren die letzten an der Orgel.
Johann Friedrich Dreuths Orgel in Erbstadt besitzt 10 Register. Im Manual mit einem Umfang bis zum c3 ohne das Cis stehen ein Bleigedackt und eine Rohrflöte 8', Principal und Gedackt 4', Nasat 2 2/3', Octave 2', eine Gemsquinte 1 1/3' sowie eine 3fache Mixtur. Das Pedal mit 17 Tasten bis zum f° besitzt Subbaß 16' und Octavbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Es wäre sehr zu wünschen, wenn die optisch sehr schöne und wertvolle Orgel in absehbarer Zeit restauriert und dabei die unpassenden Veränderungen der 1960er Jahre rückgängig gemacht würden. Die interessante und abwechslungsreiche Orgellandschaft in der Wetterau, dieser geschichtsträchtigen und fruchtbaren Landschaft zwischen Vogelsberg, Taunus und Frankfurt, würde damit ein wichtiges und sehr selten gewordenes Instrument in voller Schönheit zurückgeschenkt bekommen.
 
Link zum klingenden Orgelportrait >>> https://www.youtube.com/watch?v=L7qHE8FbDx8

Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-f°  
Bleigedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Rohrflöte 8' Octavbaß 8'  
Principal 4'    
Gedackt 4'    
Nasat 2 2/3'    
Octave 2'    
Gemsquinte 1 1/3'    
Mixtur 3f.    

In Erbstadt gespielte Stücke:
Bohuslav Matej Cernohorsky: Fuga in c >>>
Johann Kaspar Kerll: Magnificat quinti toni >>>
Johann Martin Spieß: Fuga F-Dur >>>
Johann Martin Spieß: Largo g-moll >>>
Johann Martin Spieß: Poco Allegro D-Dur >>>
Johann Martin Spieß: Praeludium d-moll >>>
Johann Martin Spieß: Preludio g-moll >>>
Johann Martin Spieß: Preludio non tanto allegro e-moll
Caspar Franz Stary: Praeludium und Fuge tertii toni >>>
Georg Christoph Wagenseil: Das Glockengeläut zu Rom dem Vatican >>>
Thomas Weelkes: Voluntary in a >>>
Anna Katharina Winteler: Alpenrosen-Bolka am Bühl >>>
Domenico Zipoli: Canzona in e >>>



FRÄNKISCH-CRUMBACH (Odenwaldkreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Eberhard Friedrich Walcker (Ludwigsburg) 1866, Kegelladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Fränkisch-Crumbach ist eine Gemeinde im südhessischen Odenwaldkreis mit rund 3.100 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt im hessischen Teil Frankens, genauer im Vorderen Odenwald. Nachbargemeinden sind Brensbach im Norden, Reichelsheim im Süden sowie Lindenfels und die Gemeinde Fischbachtal im Westen. Die älteste urkundliche Erwähnung als Crumbach datiert aus dem Jahr 1148. Seit 1822 ist die Namensform Fränkisch-Crumbach in Gebrauch. Bis zum Reichsdeputationshauptschluss 1806 gehörte der Ort als „Herrschaft Crumbach“ zur Rodensteiner Mark und war zunächst im Besitz der Herren von Rodenstein, die sich vor der Erbauung der Burg Rodenstein die Herren von Crumbach nannten. Nach deren Aussterben gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam Fränkisch-Crumbach zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, die 1806 im Großherzogtum Hessen aufging. Neben der wildromantischen Ruine der Burg Rodenstein etwas außerhalb des Ortes ist die evangelische Pfarrkirche St. Laurentius sehenswert. Sie wurde im 12.Jahrhundert erbaut und erhielt 1485 einen Turm und einen spätgotischen Chor mit Rippengewölbe. Bemerkenswert sind die zahlreichen Grabdenkmäler der Herren von Rodenstein. Das Epitaph von Hans dem Älteren von Rodenstein gehört zu den bedeutenden Werken der deutschen Spätgotik. Auch die Orgel ist höchst bemerkenswert, auch wenn sie fast das jüngste Ausstattungsstück der Kirche sein dürfte. Sie wurde 1866 von dem berühmten Eberhard Friedrich Walcker aus Ludwigsburg erbaut und ist vollständig im Originalzustand erhalten.
Eberhard Friedrich Walcker wurde 1794 als Sohn des Orgelbauers Johann Eberhard Walcker, der 1780 in Cannstatt seine Werkstatt gegründet hatte, geboren. 1820 überführte er die Firma nach Ludwigsburg, dem langjährigen Firmensitz. Eberhard Friedrich Walcker gilt als der bedeutendste deutsche Orgelbauer des 19. Jahrhunderts. Sein erstes bedeutendes Werk war die 1833 vollendete Orgel in der Frankfurter Paulskirche mit 74 Registern, die international Beachtung fand und viele Bewunderer nach Frankfurt zog. Zu Walckers epochemachenden Innovationen im Orgelbau gehören die Perfektionierung und Verbreitung der Kegellade, eine für die deutsche Orgelromantik stilbildende Dispositionsweise und die Einführung des Jalousieschwellers in Deutschland. Das Unternehmen expandierte rasch, große Orgelwerke entstanden in rascher Folge. Nur einige Beispiele in stichpunktartiger Aufzählung: 1839 Stiftskirche Stuttgart, 74 Register, 1944 zerstört. Im selben Jahr Sankt Petersburg in Rußland, 63 Register, ebenfalls nicht erhalten. 1847 Kilianskirche Heilbronn, 50 Register, 1944 zerstört. 1855 Kathedrale in Zagreb in Kroatien, 52 Register, weitgehend erhalten. 1857 Ulmer Münster, 100 Register, im selben Jahr Frankfurter Dom, 51 Register, beide nicht erhalten. 1863 Boston Music Hall, 89 Register, umgebaut erhalten – und so weiter. 1866 wurde dann als Opus 223 jene Orgel mit 11 Registern in Fränkisch-Crumbach erbaut, die als eine der ganz wenigen Orgeln des großen Eberhard Friedrich Walcker, hier im Odenwald völlig unverändert die Zeiten bis heute überdauert hat. 1854 bereits traten seine Söhne Heinrich und Friedrich in das Unternehmen ein, das fortan unter Eberhard Friedrich Walcker & Cie. firmierte. Später kamen die übrigen drei Söhne dazu, Karl, Paul und Eberhard, die dann das Unternehmen nach dem Tod Eberhard Friedrich Walckers 1872 bis 1916 gemeinsam führten. Danach wurde der 1869 geborene Oscar Walcker, Sohn von Friedrich, Alleinhaber des Unternehmens. Er übernahm fast gleichzeitig die Firma Sauer in Frankfurt an der Oder und wurde zum wahrscheinlich bedeutendsten Orgelbauer Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Orgelbaufirma Walcker in Ludwigsburg gehörte über Jahrzehnte zu den größten und renommiertesten weltweit. Auch heute noch besteht das Unternehmen weiter, nach einer Insolvenz 1999 allerdings in veränderter Form. Gerhard Walcker-Mayer hat sich in Kleinblittersdorf bei Saarbrücken hauptsächlich auf die Restaurierung von Orgeln der Romantik spezialisiert und Michael Walcker-Mayer wirkt in Guntramsdorf in Österreich. Darüber hinaus besteht die walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Studien, die sich heute verstärkt darum bemüht, daß die Orgel neues Interesse in der Gesellschaft findet.
Die 1866 erbaute Walcker-Orgel in Fränkisch-Crumbach besitzt einen dreiteiligen Prospekt sowie mechanische Kegelladen. 1971 wurde sie letztmals durch die Firma Förster & Nicolaus in Lich restauriert. Doch ist eine erneute Überholung in nicht allzu ferner Zukunft geplant. Das bis zum f3 ausgebaute Manual besitzt folgende Stimmen: Principal, Gedackt, Viola di Gamba und Salicional 8', Octav und Flöte 4', Quint 2 2/3', Oktav 2' sowie eine 3fache Mixtur. Im Pedal mit einem Umfang bis zum d1 finden wir Subbaß 16' und Violonbaß 8', dazu kommt eine Copula zum Pedal. Als eine der ganz wenigen völlig unverändert erhaltenen Instrumente ihres Erbauers ist sie von größtem Wert nicht nur für die lokale Orgellandschaft im Odenwald. Kleine Orgel eines großen Meisters. Doch kommt man dem ursprünglichen Klang und dem ursprünglichen Spielgefühl einer Walcker-Orgel der ersten Generation vermutlich nirgendwo so nahe wie in der Kirche der beschaulichen Odenwald-Gemeinde Fränkisch-Crumbach. 

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Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-d1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Violonbaß 8'  
Viola di Gamba 8'    
Salicional 8'    
Octav 4'    
Flöte 4'    
Quint 2 2/3'    
Octav 2'    
Mixtur 3f.    

In Fränkisch-Crumbach gespielte Stücke:
Julius André: Andante A-Dur >>>
David Hermann Engel: Lobe den Herren >>>
Robert Führer: Trauer-Präludium F-Dur >>>
Robert Führer: Trauer-Präludium d-moll >>>
Adolf Friedrich Hesse: Allegro moderato B-Dur >>>
Adolf Friedrich Hesse: Andante a-moll I >>>
Adolf Friedrich Hesse: Andante a-moll II >>>
Adolf Friedrich Hesse: Durch Adams Fall ist ganz verderbt >>>
Benedikt Jucker: Largo c-moll >>>
Hermann Küster: Vorspiel C-Dur >>>
Hermann Küster: Vorspiel G-Dur >>>
Paul Niepel: Es ist genug >>>
Paul Niepel: Ich klopfe an zum heiligen Advent >>>
Paul Niepel: O Gott, du frommer Gott >>>
Traugott Immanuel Pachaly: Largo g-moll >>>
Woldemar Voullaire: Präludium Nr. 22 d-moll >>>
Woldemar Voullaire: Präludium Nr. 23 G-Dur >>>



GAU-BISCHOFSHEIM (Verbandsgemeinde Bodenheim, Landkreis Mainz-Bingen)
Kath. Kirche St. Petrus in Ketten



Erbauer:
 Johann Peter Geißel (Mainz) 1667, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-d1  
Coppel 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlpfeif 8' Octavbaß 8'  
Octav 4' Flötbaß 4'  
Hohlflötgen 4'    
Quintflöt 2 2/3'    
Superoctav 2'    
Nazart 2f.    
Mixtur 3f.    
Trompet 8'    

In Gau-Bischofsheim gespielte Stücke:
Conrad Brumann: Carmen in sol >>>
Eustache du Caurroy: Une jeune filette >>>
Christian Erbach: Fantasiae primorum tonorum >>>
Christian Erbach: Introitus und Versus secundi toni >>>
Christian Erbach: Kyrie triplex >>>
Christian Erbach: Praeambulum in G >>>
Christian Erbach: Ricercar primi toni >>>
Christian Erbach jun.: Canzon secundi toni >>>
Franziskus Ziegler: Versetten ex d >>>



GEMÜNDEN (Verbandsgemeinde Westerburg, Westerwaldkreis)
Ev. Stiftskirche St. Severus




Erbauer: Johann Wilhelm Schöler (Bad Ems) um 1765, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Den Namen Gemünden tragen insgesamt sieben Orte in Deutschland. Zur Unterscheidung wird in der Regel das Gebirge oder der Fluß an den Ortsnamen angehängt, in oder an dem das jeweilige Gemünden liegt. Unser Gemünden ist eine Ortsgemeinde im Westerwaldkreis, hat knapp 1000 Einwohnerinnen und Einwohner und gehört der Verbandsgemeinde Westerburg an. Der Ort liegt östlich von Westerburg, in einem nach Norden und Osten von Bergen geschützten, nach Süden weit geöffneten Talbereich. 879 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung Gemündens. In diesem Jahr wurde im Beisein König Ludwigs des Jüngeren das Stift St. Severus eingeweiht. Das Stift spielte eine bedeutende Rolle bei der Christianisierung des Westerwalds, erlangte später sogar die Reichsunmittelbarkeit und der Stiftsbesitz erstreckte sich bis an den Rhein. Die Stiftskirche ist eine dreischiffige, romanische Pfeilerbasilika mit Querhaus und quadratischem Chor, die in wesentlichen Teilen noch auf den Ursprungsbau des Jahres 879 zurückgeht. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts erfolgte die Errichtung des heutigen Westwerkes mit zwei geplanten Türmen, von denen jedoch nur der Nordturm vollendet wurde. 1566 wurde die Reformation in Gemünden eingeführt und das Stift aufgelöst. Um 1765 erhielt die Kirche eine neue Orgel aus der Werkstatt von Johann Wilhelm Schöler aus Bad Ems.
Johann Wilhelm Schöler, der Taunus und Westerwald zu seinem Hauptarbeitsfeld machte, kam aus dem Bergischen Land. Geboren wurde er 1723 in Schemmerhausen, einem kleinen Dorf in der heutigen Gemeinde Reichshof. Sein Handwerk erlernte er wohl bei dem Orgelbauer Johann Heinrich Kleine in Freckhausen, das liegt nur wenige Kilometer von Schölers Geburtsort entfernt. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit arbeitete er nach der Lehre eine Zeitlang bei dem Orgelbauer Thomas Weidtmann in Ratingen, bevor er sich nach einem kurzen Aufenthalt in Neuwied im Jahre 1749 in Bad Ems niederlies, wo er auch heiratete und schnell zu großem Ansehen kam. Zwischen seinem 1748 errichteten Erstlingswerk und seinem Tod 1792 erbaute Schöler knapp 50 neue Orgeln. 1771 erhielt Schöler das Privileg für das Fürstentum Diez sowie vom Konsistorium in Dillenburg. 1782 erhielt er das begehrte Privileg als Fürstlich Hessen-Darmstädtischer Hoforgelmacher. Damit erhielt er das Vorrecht zum Bau aller neuen Orgeln und zur Reparatur aller vorhandenen Orgeln im Bereich der Grafschaft Katzenelnbogen und der Herrschaft Eppstein. Nach seinem Tod übernahm sein 1756 geborener Sohn Christian Ernst Schöler die väterliche Orgelwerkstatt nebst den damit verbundenen Privilegien und konnte bis zu seinem Tod 1832 weitere 17 Instrumente neu schaffen. Typisch für Vater und Sohn Schöler ist die Bauweise als Brüstungsorgel mit seitlicher Spielnische, wie auch in Gemünden. In ihrem Stil sind die Schölers mittelrheinisch geprägt, Einflüsse der Orgelbauerfamilie Stumm sind nicht von der Hand zu weisen. Die 1757 im Kloster Altenberg bei Wetzlar von Johann Wilhelm Schöler erbaute Orgel ist in allen Details bis heute unverändert erhalten und eines der wertvollsten Instrumente der hessischen Orgellandschaft. Nicht weniger bedeutend ist das Instrument in Gemünden, das ebenfalls weitgehend erhalten ist. Weitere recht vollständig erhaltene Orgeln von der Hand des Meisters finden wir etwa in Kettenbach im Rheingau-Taunus-Kreis, 1763 erbaut, in Niedermeilingen, 1774 errichtet und in Büttelborn bei Groß-Gerau, wo Schöler 1782 eine seiner letzten größeren Orgeln errichten konnte. Schöler übernahm einige französische Stilelemente in seine Orgeln wie etwa die charakteristischen Zungenstimmen.
In den Jahren 1971 bis 1973 wurde die Stiftskirche in Gemünden umfangreich instandgesetzt. Dabei wurden die im 16. Jahrhundert eingezogenen hölzernen Gewölbe entfernt und die ebenfalls hölzerne Empore durch eine Bodenplatte aus Beton ersetzt. Seit ihrer Entstehung ist die Schöler-Orgel nur wenig verändert worden, so dass der ursprüngliche Zustand 1977 durch Orgelbaumeister Gerald Woehl aus Marburg wiederhergestellt werden konnte. Die Manuale haben einen Tonunfang bis zum c3. Das Hauptwerk, das vom oberen Manual aus angespielt wird, besitzt die Stimmen Quintade 16', Principal, Rohrfleut und Violdegamb 8', Octav, Kleingedackt und Gembshorn 4', Quinta 3', eine Superoctav 2' und eine 4fache Mixtur. Dazu kommt noch eine Trompet 8'. Das Echo mit holzgeschnitzten Pfeifenattrappen im Untergehäuse wird vom unteren Clavier „tractirt“. Wir finden hier Gross Gedackt 8', Flöte travis und Salicional 4', Nassat 3', Waldflöte 2', eine 3fache Cimbel und eine original erhaltene, in Baß und Diskant geteilte Vox humana 8', die eine besondere Seltenheit darstellt. Das Pedal mit einem Umfang von 20 Tasten bis zum g° schließlich verfügt über Subbaß 16', Principalbaß 8', Nachthorn 4' sowie einen ebenfalls original von Schöler erhaltenen Posaunenbaß 16'. Eine Pedalkoppel, eine Manual-Schiebekoppel und ein Tremulus ergänzen die Klanggestalt. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-c3 Echowerk, C-c3 Pedal, C-g°  
Quintade 16' Gross Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flöte travis 4' Principalbaß 8' Pedalkoppel
Rohrfleut 8' Salicional 4' Nachthorn 4' Tremulus
Violdegamb 8' Nassat 3' Posaunenbaß 16'  
Octav 4' Waldflöte 2'    
Kleingedackt 4' Cimbel 3f.    
Gembshorn 4' Vox humana 8' (B/D)    
Quinta 3'      
Superoctav 2'      
Mixtur 4f.      
Trompet 8'      

In Gemünden gespielte Stücke:
Louis-Nicolas Clérambault: Suite du deuxieme ton
Plein Jeu >>>
Duo >>>
Trio >>>
Basse de Cromorne >>>
Recit de Nazard >>>
Flutes >>>
Caprice sur les Grands Jeux >>>
Georg Friedrich Händel: Voluntary X in D >>>
Johann Michael Haydn: Versetten sexti toni >>>
Johann Michael Haydn: Versetten tertii toni >>>
Friedrich Wilhelm Marpurg: Christus, der ist mein Leben >>>
Friedrich Wilhelm Marpurg: Meinen Jesum laß ich nicht >>>
Friedrich Wilhelm Marpurg: O Ewigkeit, du Freudenwort >>>
Friedrich Wilhelm Marpurg: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Matthias Georg Monn: Praeludium und Versetten tertii toni >>>
André Raison: Kyrie du deuziesme ton >>>
Joseph Nicolaus Torner: Elevatio a-moll >>>
Joseph Nicolaus Torner: Offertorium d-moll >>>



GROSSAUHEIM (Stadt Hanau, Main-Kinzig-Kreis)

Kath. Pfarrkirche St. Jakobus



Erbauer: Adam Joseph Oestreich (Oberbimbach) 1835-1836, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Großauheim ist ein am nördlichen Mainufer gelegener Stadtteil von Hanau im Main-Kinzig-Kreis in Hessen und mit etwa 12.500 Einwohnern der zweitgrößte Stadtteil. Aus der Zeit Karls des Großen könnte die älteste erhaltene urkundliche Erwähnung Auheims stammen, die allerdings nicht im Original, sondern nur als Abschrift im Lorscher Codex überliefert ist. Die erste Unterscheidung zwischen Klein- und Großauheim findet sich in einer Aufstellung der Einkünfte der Herren von Eppstein aus dem Jahr 1270. Der Ort lag im Amt Steinheim, das zunächst den Herren von Eppstein gehörte, von diesen mehrfach verpfändet wurde und dann 1425 an den Kurfürsten und Erzbischof von Mainz verkauft wurde. Danach gehörte Großauheim bis 1803 zu Kurmainz, danach im Zuge der Säkularisation zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Bei der Verwaltungsreform in Kurhessen kam der Ort 1821 zum neu gebildeten Kreis Hanau. 1974 erfolgte im Zuge der Gebietsreform in Hessen durch Gesetz die Eingliederung der Stadt Großauheim in die Stadt Hanau. Die erste Jakobuskapelle im Ort dürfte im 14.Jahrhundert entstanden sein. 1754 wurde ein Kontrakt über den Neubau der Pfarrkirche St. Jakobus geschlossen, der aber erst 1766 wegen des zwischenzeitlichen Siebenjährigen Krieges durch den Amorbacher Baumeister Christian Wolff ausgeführt werden konnte. Der wertvolle Hochaltar kam 1832 durch eine Schenkung aus dem Frankfurter Bartholomäusstift in die Kirche. Bereits 1830 wurde ein Vertrag zwischen der Kirchengemeinde und dem Orgelbauer Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda unterzeichnet. Vorgesehen war nur ein Manual und Pedal, aber dieses Konzept wurde vom Fuldaer Stadtkantor und Orgelsachverständigen des Bistums, Michael Henkel abgelehnt. Henkel schlug daraufhin eine neue Disposition vor, die dann von 1835 bis 1836 realisiert wurde.
Adam Joseph Oestreich, der Erbauer der Orgel in Großauheim, wurde 1799 in die berühmte Orgelbauerfamilie Oestreich in Oberbimbach hineingeboren. Sein Vater war Johann Georg Oestreich, dieser wiederum war der Sohn des berühmten und auch über die Grenzen des Fuldaer Landes hinaus wohlbekannten Johann Markus Oestreich. Adam Joseph und seine beiden Brüder Michael und Augustin repräsentieren also die vierte Generation dieser bedeutenden Familie, wenngleich man die bis heute erhaltenen Instrumente der drei Brüder an einer Hand abzählen kann. Adam Joseph Oestreich erlernte sein Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. 1826 ist er erstmals mit einem selbstständigen Orgelneubau für Hattenhof im Kreis Fulda nachgewiesen; diese Orgel ist leider nicht erhalten. 1832 erstellte er einen Neubau für die Ursulinen-Klosterkirche in Fritzlar, die erhalten ist und heute in Kleinenglis steht. Nach dem 1836 vollendeten Orgelbauprojekt in Großauheim erbaute Adam Joseph Oestreich noch zwei in ihrer Grundsubstanz relativ gut erhaltene Instrumente, 1838 für Ulmbach bei Schlüchtern und 1839 für Oberrodenbach bei Hanau. Alle genannten Instrumente sind in kleinen Portraits hier vorgestellt. 1843 erhielt er den Auftrag, die Orgel seines Heimatortes Oberbimbach von Grund auf zu erneuern, nachdem die dortige Pfarrkirche wesentlich vergrößert und klassizistisch umgestaltet wurde. Diesen Auftrag konnte er jedoch nicht mehr vollenden, da er kurz nach Baubeginn mit nur 44 Jahren verstorben ist. Sein Bruder Augustin vollendete das Instrument, von dem allerdings nur der schöne Orgelprospekt bis heute erhalten ist. Die Orgeln Adam Joseph Oestreichs unterscheiden sich klanglich deutlich von denen seines Vaters Johann Adam und seines Onkels Johann Georg, und von denen seines Großvaters Johann Markus Oestreich sowieso. Grundtönige und weiche Flötenstimmen zeigen an, dass sich die Klangvorstellungen in Richtung Romantik verändert haben. Prinzipale und Zungen sind zwar nach wie vor sehr klar und konturiert, allerdings ein wenig weicher, vokaler und nicht mehr – um das vielzitierte Wort zu benutzen – nicht mehr so rustikal, wie man es sonst mit dem Oestreich-Klang in Verbindung bringt.
Die Oestreich-Orgel in der Jakobuskirche zu Großauheim besitzt 20 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Manuale haben einen Tonumfang vom Ton C bis zum f3. Das Hauptwerk besitzt den klassischen Prinzipalchor 8', 4' und 2' nebst Quinta 3', dazu einen fülligen Bordun 16' als Grundlage und Gambe, Gedact und Trompete 8'. Bekrönt wird der Klang des Hauptwerks von einer 4fachen Mixtur. Das Oberwerk besitzt eine Disposition, wie sie sehr typisch ist für die Oestreich-Werkstatt in der dritten und vierten Generation. Hier finden sich zunächst Gedackt, Flauto traverso und Salicional 8', dann ein Principal und ein Kleingedackt 4', ein Flageolet 2' und als Zungenstimme eine Vox humana 8'. Das Pedal ist mit Subbaß 16', Violon 8' und einer Oktave 4' besetzt, wobei der 4' durch Absägen des Oktavbasses 8' in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts entstand. Dazu kommt eine original erhaltene Posaune 16'. Die Adam-Joseph-Oestreich-Orgel in der barocken Jakobuskirche zu Großauheim hat die Zeiten relativ gut überstanden. 1955 führte der Fuldaer Orgelbauer Alban Späth Restaurierungsarbeiten durch und veränderte die Klanggestalt leicht in Richtung Neobarock. Diese Veränderungen wurden 1990 durch die Firma Werner Bosch aus Kassel wieder rückgängig gemacht und das Instrument denkmalgerecht restauriert. Mit ihren weichen, romantisch angehauchten Flöten und Streichern und ihren kräftigen Prinzipalen und Mixturen kann auf der Großauheimer Orgel Musik der Frühromantik, der Klassik und auch des Barock angemessen wiedergegeben werden. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-c1  
Bordun 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Flauto traverso 8' Violon 8' Pedalkoppel
Gedact 8' Salicional 8' Octave 4'  
Gambe 8' Principal 4' Posaune 16'  
Octave 4' Kleingedackt 4'    
Quinte 3' Flageolet 2'    
Octave 2' Vox humana 8'    
Mixtur 4f.      
Trompete 8'      

In Großauheim gespielte Stücke:

Michael Henkel: Maestoso D-Dur >>>
Michael Henkel: Moderato C-Dur >>>
Michael Henkel: Praeludium Moderato B-Dur >>>
Michael Henkel: Trio gratioso F-Dur >>>
Michael Henkel: Versett F-Dur >>>
Johann Gottfried Vierling: Ach Herr, mich armen Sünder >>>
Johann Gottfried Vierling: Herr, ich habe mißgehandelt >>>
Johann Gottfried Vierling: Herzliebster Jesu >>>
Johann Gottfried Vierling: In dich hab ich gehoffet, Herr >>>
Johann Gottfried Vierling: Nun laßt uns Gott, dem Herren >>>
Johann Gottfried Vierling: Un poco Adagio e-moll >>>
Johann Gottfried Vierling: Von Gott will ich nicht lassen >>>
Johann Gottfried Vierling: Was mein Gott will, das gescheh allzeit >>>
Johann Gottfried Walther: Ach Gott, erhör mein Seufzen >>>
Johann Gottfried Walther: Erschienen ist der herrlich Tag >>
Johann Gottfried Walther: Erstanden ist der heil'ge Christ >>>
Johann Balthasar Zahn: Skizze eines Orgelwerks >>>



GROSS-ROHRHEIM (Landkreis Bergstraße)
Ev. Kirche




Erbauer: Philipp Gottlieb Dietz (Zwingenberg) 1814, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Groß-Rohrheim ist eine Gemeinde im südhessischen Kreis Bergstraße, in der Mitte des „Hessischen Rieds“ mit heute etwas über 3.700 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt rund zweieinhalb Kilometer östlich des Rheins und grenzt im Norden an die Stadt Gernsheim, im Osten an Einhausen und im Süden an Biblis. Bereits in der Jungsteinzeit war die klimatisch begünstigte Oberrheinische Tiefebene, das Gebiet um das heutige Groß-Rohrheim besiedelt. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 782 und findet sich im Lorscher Codex unter dem Namen Raureheim. Im Mittelalter zum Reichskloster Lorsch gehörig, wurde Rohrheim in der Folge an verschiedene Lehensherren vergeben. 1553 führten die Hessischen Landgrafen, die zwischenzeitlich einen Großteil des Ortes besaßen, die Reformation ein. Im 19.Jahrhundert gehörte der Ort nach den Napoleonischen Kriegen zunächst zum Landratsbezirk Heppenheim in der Provinz Starkenburg, später zu den Kreisen Bensheim und Worms, bis er 1945 zum heutigen Kreis Bergstraße kam. Der Bau der evangelischen Kirche wurde 1688 begonnen und dauerte bis 1723. Im Inneren ist das imposante barocke Deckengemälde höchst beachtlich und natürlich die Orgel, die 1814 von Gottlieb Dietz aus Zwingenberg erbaut wurde. Sie ist ein ganz besonderer Schatz in der Hessischen Orgellandschaft und darüber hinaus, denn es dürfte - zumindest meines Wissens nach - weltweit die einzige Orgel sein, die seinerzeit nach Abbé Voglers sogenanntem „Simplifikationssystem“ erbaut und bis heute erhalten ist.
Kein anderer Musiker des ausgehenden 18. Jahrhunderts hat die musikalische Welt so in glühende Verehrer und erbitterte Gegner gespalten, wie der 1749 in Würzburg geborene Georg Joseph Vogler. Er wirkte nach seiner Priesterweihe zunächst als Kapellmeister in Mannheim und ging 1786 als Hofkapellmeister nach Stockholm – ein Amt, das er bis 1799 ausübte. Während dieser Zeit reiste er aber auch viel durch ganz Europa, gab Orgelkonzerte und komponierte zahlreiche Opern, Sinfonien, Messen und Kantaten. 1807 wurde er schließlich zum Hofkapellmeister in Darmstadt ernannt. Sein Vermögen investierte er praktisch vollständig in Umbauten und „Modernisierungen“ von Orgeln, die er überall in Europa nach seinen Plänen und, wie gesagt, auf eigene Kosten durchführen ließ. Das von ihm propagierte „Simplifikationssystem“ beruht im Wesentlichen auf der Ausnutzung von Kombinationstönen wie etwa Quinten, durch welche tiefe Pfeifen und auch Mixturen überflüssig wurden. Im Laufe der Zeit wurden beispielsweise die großen Orgeln in der Berliner Marienkirche, im Mainzer Dom, in St. Peter in Salzburg und vielen anderen Orten nach Voglers Angaben simplifiziert. Er selbst verstand es, dieses System überzeugend vorzustellen. Doch schon bald nach seinem Tod 1814 gerieten seine Ideen in Vergessenheit, und auch die vielen technischen Mängel der von ihm veränderten Orgeln führten dazu, dass alle relativ rasch entweder durch Neubauten ersetzt oder wieder sozusagen in den Normalzustand zurückversetzt wurden. Alle – bis auf eine, nämlich die im Todesjahr Voglers vollendete Orgel in Groß-Rohrheim. Erbaut hat sie der 1767 in Schwanheim bei Frankfurt geborene Philipp Gottlieb Dietz. Er ließ sich 1801 in Zwingenberg an der Bergstraße nieder und wirkte seit 1811 als Hof- und Landorgelmacher in Hessen-Darmstadt. Bis zu seinem Tod 1850 erbaute er eine ganze Reihe kleinerer und mittelgroßer Orgeln, etwa 1827 in der Darmstädter Elisabethkirche mit 24 Registern, 1837 in der Stadtkirche zu Offenbach und 1839 seine größte Orgel mit 34 Stimmen in der Darmstädter Kirche St. Ludwig. Von seinen Werken ist nur wenig erhalten, die große Orgel in der „Käseglocke“, wie die Ludwigskirche von den Darmstädtern liebevoll genannt wird, wurde aber erst 1944 zusammen mit der Kirche zerstört. In Groß-Rohrheim erbaute Dietz eine Transmissionslade mit 80 Tönen, die mit beiden Manualklaviaturen verbunden ist. Das untere Manual ist ein Koppelmanual, auf dem man drei verschiedene Oktavlagen der 80-Töne-Windlade einzeln oder auch zusammen anspielen kann. 1831 wurde aber auch die Groß-Rohrheimer Orgel durch Bernhard Dreymann aus Mainz und 1857 durch Valentin Eberlein aus Lorsch verändert. Eberlein entfernte die komplizierte Transmissionslade und erbaute stattdessen ein Unterwerk mit fünf Registern. Eine weitere Besonderheit ist das Register Doppelt Flauto. Hier sind zwei Pfeifen in einem Körper zusammengebaut, so dass Mündung auf Mündung steht. Die obere Pfeife erhält ihren Wind durch einen dünnen Kanal in der Wandung der unteren Pfeife.
1979 wurde die einmalige Orgel in Groß-Rohrheim durch die Firma Richard Rensch aus Lauffen am Neckar restauriert und die ursprüngliche Transmissionslade rekonstruiert. Das obere Manual besitzt einen Umfang von sage und schreibe 80 Tasten bis zum g5, so dass man ohne die Oktavkoppeln jederzeit in allen Lagen spielen kann. Wir finden hier die Register Bourdon, Groß Flauto und Viola di Gamba 16', Principal und Doppelt Flauto 8', Quint Flauto 6', Principaloctav 4', Quint 3', Superoctav 2', Terzia 1 3/5' sowie eine Oktav 1', dazu kommen noch zwei jeweils in Baß und Diskant geteilte Zungenregister, nämlich eine Vox humana 16' und eine Trompete 8' sowie ein Tremulant. Mittels dreier Oktavkoppeln kann man, wie bereits erwähnt wählen, in welcher Lage man auf dem unteren Koppelmanual spielen möchte, auch mehrere Lagen gemeinsam sind möglich. Das 1857 hinzugefügte Unterwerk wurde bei der Restaurierung beibehalten und verfügt über Gedackt, Salicional und Aeoline 8', Spitzflöte 4' und Gemshorn 2'. Das Pedal schließlich besitzt einen Umfang bis zum c1 und die Stimmen Subbaß 16', Principal- und Violonbaß 8' sowie einen Posaunenbaß 16'. Auch hier gibt es eine Besonderheit, die Orgel besitzt keine Pedalkoppel zum Manual, dafür eine Oktavkoppel im Pedal selbst. Wird diese gezogen, erklingen beim Pedalspiel in der großen Oktave die Töne der höheren Oktave mit. Die Orgel in Groß-Rohrheim: ein technisch und klanglich höchst besonderes Instrument – nicht leicht zu spielen, aber faszinierend in ihrer absoluten Einmaligkeit. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-g5 (!) Unterwerk, C-g3 Pedal, C-c1  
Bourdon 16' Gedackt 8' Subbaß 16' Manualkoppel 16'
Groß Flauto 16' Salicional 8' Principalbaß 8' Manualkoppel 8'
Viola di Gamba 16' Aeoline 8' Violonbaß 8' Manualkoppel 4'
Principal 8' Spitzflöte 4' Posaunenbaß 16' Tremulant
Doppelt Flauto 8' Gemshorn 2'   Pedal-Oktavkoppel
Quint Flauto 6'      
Principaloctav 4'      
Quint 3'      
Superoctav 2'      
Tertia 1 3/5'      
Octav 1'      
Vox humana 16' (B/D)      
Trompete 8' (B/D)      

In Groß-Rohrheim gespielte Stücke:
August Bergt: Allegro F-Dur >>>
August Bergt: Nun sich der Tag geendet hat >>>
Michael Gotthard Fischer: Con moto F-Dur >>>
Justin Heinrich Knecht: Die Auferstehung Jesu >>>
Guillaume Lasceux: Flutes >>>
Christian Heinrich Rinck: Andante a-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Andante Es-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Fughetta C-Dur >>>
Christian Heinrich Rinck: Fugirtes Nachspiel d-moll >>>
Christian Heinrich Rinck: Moderato e-moll I >>>
Christian Heinrich Rinck: Moderato e-moll II >>>
Abbé Vogler: Allegro moderato B-Dur >>>
Abbé Vogler: Allegro moderato d-moll >>>
Abbé Vogler: Andantino F-Dur >>>
Abbé Vogler: Versetten g-moll >>>
Carl Heinrich Zöllner: Andante F-Dur >>>
Carl Heinrich Zöllner: Con Gravita G-Dur >>>



HÖCHST (Stadt Frankfurt am Main)
Trauerhalle des Hauptfriedhofs




Erbauer: Friedrich Weigle (Echterdingen) 1917, Membranladen, pneumatische Spiel- und Registertraktur mit "Organiston" (baugleich mit der Walcker'schen Organola)

(Text folgt)

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-f1  
Gedeckt 8' Wienerflöte 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Gamba 8' Dulciana 8' Harmonicabaß 8' Zwei Pedalkoppeln
Salicional 8' Vox coelestis 8'   Manualsub- und -superkoppeln
Rohrflöte 4' Traversflöte 4'   Manualsuperkoppeln I und II
  Blockflöte 2'   Organiston (Ein, Tempo, Rücklauf)
      Tremolo
      2 feste Kombinationen

In Höchst gespielte Stücke:
Karl Balthasar: So nimm denn meine Hände >>>
Max Drischner: Romsdalsfjord-Variationen >>>
Robert Frenzel: Jesus, meine Zuversicht >>>
Linus Landmann: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Emil Magnus: O Traurigkeit, o Herzeleid >>>
Eduard Thiele: Wer nur den lieben Gott läßt walten >>>
Wilhelm Trenkner: O Ursprung des Lebens >>>
Moritz Vogel: O höchster Gott, o unser lieber Herre >>>
Moritz Vogel: Unter Lilien jener Freuden >>>
Emil Weidenhagen: O du Liebe meiner Liebe >>>



NIEDER-ESCHBACH (Stadt Frankfurt am Main)
Ev. Kirche




Erbauer: Heinrich Bechstein (Groß-Umstadt) 1892, Kegelladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Nieder-Eschbach ist ein Stadtteil von Frankfurt am Main, ganz im Norden der Mainmetropole gelegen zwischen den Bad Homburger Stadtteilen Ober-Eschbach und Ober-Erlenbach im Norden sowie den Frankfurter Stadtteilen Bonames in Süden, Kalbach-Riedberg im Westen und Nieder-Erlenbach im Osten. Die erste urkundliche Erwähnung von „Ascobach“ finden wir in einer auf das Jahr 772 datierten Urkunde im sogenannten Lorscher Codex. Doch war die Gegend bereits in der Steinzeit besiedelt und ein römischer Gutshof lag westlich der Autobahn A5 am Rande der Gemarkung des Ortes. Seit 1219 wird zwischen Ober- und Niedereschbach unterschieden, letzterer Ort gehörte damals zum Erzstift Mainz. Später gehörte das Dorf zur Grafschaft Hanau-Münzenberg, ab 1736 zur Landgrafschaft Hessen-Kassel, dann ab 1806 zum kurzlebigen Fürstentum Hanau und schließlich zum Großherzogtum Hessen. Darum war die Grenze zu Bonames bis 1945 auch eine Landesgrenze, nämlich zwischen Hessen und Preußen. 1972 erfolgte die Eingemeindung des Ortes, in dem rund 11.500 Einwohnerinnen und Einwohner leben, in die Stadt Frankfurt am Main. Die evangelische Pfarrkirche wurde 1617 bis 1718 unter Einbezug des Unterteils des mittelalterlichen Turms nach Entwürfen des Baumeisters Konrad Rossbach erbaut. In der Barockzeit wurde der Innenraum zweimal umgestaltet und 1892 entstand die heute noch vorhandene Orgel. Erbaut hat sie Heinrich Bechstein aus Groß-Umstadt.
Heinrich Bechstein, nicht verwandt oder verschwägert mit dem ungleich berühmteren Klavierbauer gleichen Nachnamens, wurde 1841 in Rotenburg an der Fulda geboren. Sein Vater Friedrich, geboren 1801, wirkte seit 1833 als Orgelbauer in Rotenburg, wo er die Werkstatt seines verstorbenen Lehrmeisters Johannes Vogt übernahm. Aufgrund des frühen Todes des Vaters, Friedrich Bechstein starb 1855, als sein Sohn gerade einmal 14 Jahre alt war, erlernte dieser das Handwerk des Orgelbaues bei Johann Georg Förster in Lich. Nach einigen Jahren als Geselle in der Försterschen Werkstatt machte sich Heinrich Bechstein 1872 in Groß-Umstadt am Rande des Odenwaldes selbstständig und heiratete 1873 eine Frau aus seinem neuen Heimatort. In den folgenden rund 40 Jahren bis zu seinem Tod 1912 wirkte er fortan in Groß-Umstadt als Orgelbauer. Er erbaute etwa zwei Orgeln pro Jahr neu, führte aber auch zahlreiche Umbaumaßnahmen an älteren Orgeln durch, wo er – aus heutiger Sicht allerdings eher bedauerlich – teilweise wesentlich in die klangliche Substanz der Instrumente eingriff und sie im Stil der Zeit umbaute, „romantisierte“. Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende pneumatische Traktur setzte er allerdings nur sehr zögerlich ein. Die klangliche Ausrichtung seiner Orgeln, typisch romantisch-grundtönig und sein Wirkungskreis in einer finanziell überwiegend gutsituierten Gegend brachten es mit sich, dass die meisten seiner Orgeln im 20. Jahrhundert entweder komplett durch neue, modernere Instrument ersetzt wurden, oder zumindest klanglich so umgestaltet wurden, dass man den ursprünglichen Klangcharakter nicht mehr erkennen kann. Neben der 1880 in Langstadt, einem Stadtteil von Babenhausen errichteten Orgel ist vor allem die 1892 erbaute Orgel in Nieder-Eschbach in ihrer klingenden Substanz nahezu unverändert erhalten. Der 1875 geborene Sohn Johann Hermann Heinrich Bechstein führte den Familienbetrieb nach dem Tod des Vaters noch bis 1920 fort, zog dann aber zu seiner Schwester nach Lich und verdingte sich in der Folge nur noch mit Reparaturen und Wartungsarbeiten.
Die Bechstein-Orgel in Nieder-Eschbach gehört zu den ganz wenigen Orgeln auf dem Gebiet der heutigen Mainmetropole Frankfurt, die aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg erhalten sind. 16 Register sind verteilt auf zwei Manualen und Pedal. Das Hauptwerk mit dem in der damaligen Zeit üblichen Umfang bis zum f3, verfügt über die Register Bordun 16', Principal, Gedackt, Hohlflöte und Gamba 8', Octave und Rohrflöte 4', die Octave 2' und eine 4fache Mixtur. Das Oberwerk besitzt Geigenprincipal, Lieblich Gedackt und Salicional 8', eine Flöte traverse 4' und ein Flageolet 2'. Das Pedal schließlich mit einem Tonumfang bis zum d1 verfügt über Subbaß 16' und Violoncello 8', dazu kommen eine Manual- und eine Pedalkoppel sowie zwei feste Kombinationen für Forte und Tutti. Die zuletzt 1983 von der Firma Werner Bosch Orgelbau aus Niestetal restaurierte Orgel besitzt einen freistehenden Spieltisch mit Blick zum Altar, mechanische Kegelladen in den Manualen und eine ebenfalls mechanisch gesteuerte Ventillade im Pedal. In dieser Form ist sie ein bemerkenswertes und sehr selten gewordenes Zeugnis für die solide Kunst eines hessischen Landorgelbauers im ausgehenden 19. Jahrhundert. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Oberwerk, C-f3 Pedal, C-d1  
Bordun 16' Geigenprincipal 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Lieblich Gedackt 8' Violoncello 8' Pedalkoppel
Gedackt 8' Salicional 8'   Forte-Kombination
Hohlflöte 8' Flöte traverse 4'   Tutti
Gamba 8' Flageolet 2'    
Octave 4'      
Rohrflöte 4'      
Octave 2'      
Mixtur 4f.      

In Nieder-Eschbach gespielte Stücke:
Leberecht Baumert: O daß ich tausend Zungen hätte >>>
Sigfrid Karg-Elert: Andante cantabile (Ore) >>>
Fritz Lubrich sen.: Herzliebster Jesu >>>
Fritz Lubrich sen.: Was mein Gott will, gescheh allzeit >>>
Arnold Mendelssohn: Alles ist an Gottes Segen >>>
Arnold Mendelssohn: Aus meines Herzens Grunde >>>
Arnold Mendelssohn: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott >>>
Selmar Müller: Moderato d-moll >>>
Carl Reinecke: Andante serioso d-moll >>>
Wilhelm Volckmar: Jesu, meine Freude >>>
Woldemar Voullaire: Präludium Nr. 17 C-Dur >>>
Woldemar Voullaire: Präludium Nr. 18 h-moll >>>



NIEDER-RAMSTADT (Gemeinde Mühltal, Landkreis Darmstadt-Dieburg)
Kath. Pfarrkirche St. Michael




Erbauer: Johann Nikolaus Schäfer (Hanau) 1723, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Nieder-Ramstadt ist ein Ortsteil der Gemeinde Mühltal im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg, in dem heute rund 5.500 Einwohnerinnen und Einwohner leben. Der Ort liegt im Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald und wird von der Modau durchflossen. Erstmals urkundlich erwähnt wird das Dorf im Jahre 1190, als ein Cunradus de Ramstadt als Kanoniker des St.-Andreas-Stifts in Worms bezeugt wird. Seit dem 13. Jahrhundert gehörte es zum Herrschaftsbereich der Grafen von Katzenelnbogen und kam später zur Landgrafschaft Hessen. 1829 lesen wir in der Statistisch-topographisch-historischen Beschreibung des Großherzogtums Hessen: „Niederramstadt, luth. Pfarrdorf; liegt auf beiden Seiten des Modaubachs, über welchen eine 1734 erbaute schöne steinerne Brücke führt, und 2 St. von Reinheim. Der Ort besteht aus 159 Häusern und 1283 Einw., die bis auf 15 Kath., 7 Reform. und 9 Juden lutherisch sind. Unter den Einwohnern sind 60 Bauern, 57 Gewerbsleute und 58 Taglöhner. Man findet hier 1 Kirche mit einem herrlichen Geläute, 1 Pfarrhaus, 2 Schulhäuser, 1 Rathhaus, 1 kleine Erziehungs-Anstalt für Waisen weiblichen Geschlechts, 15 Mahlmühlen, 1 Pulver-, 1 Papier- und 1 Oelmühle.“ 1977 wurden die bis dahin selbstständigen Gemeinden Nieder-Ramstadt, Frankenhausen, Nieder-Beerbach und Traisa zur neuen Gemeinde Mühltal zusammengeschlossen. Ortsbildprägend ist die evangelische Kirche mit ihrem mächtigen, spätmittelalterlichen Turm. Die historische Orgel, für die wir uns interessieren, steht aber nicht in dieser, sondern in der katholischen Pfarrkirche St. Michael. Diese entstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach Plänen des Mühltaler Architekten Heinrich Fritsch und wurde 1958 eingeweiht. Der Ästhetik der Wirtschaftswunderzeit entsprechend ist die Kirche ein heller, symmetrischer Raum mit zahlreichen bunten Glasfenstern. 1964 konnte die Kirche eine barocke Orgel erwerben, die eine ungewöhnliche Geschichte hinter sich hat.
Die heute in St. Michael in Nieder-Ramstadt stehende Orgel wurde ursprünglich 1723 für die Pfarrkirche St. Peter und Paul in Dieburg geschaffen. Ihr Erbauer ist Johann Nikolaus Schäfer, Orgelmacher aus Hanau. Er wurde 1671 vermutlich in Kilianstädten, heute ein Ortsteil der Gemeinde Schöneck geboren, wuchs in Babenhausen und ließ sich im Jahre 1705 als Orgelbauer in Hanau nieder. In anderen Quellen wird Waldamorbach, heute ein Ortsteil von Breuberg im Odenwald, als sein Geburtsort angegeben. Wo und bei wem er sein Handwerk erlernte, ist nicht überliefert, doch muß er auf seiner Wanderschaft in Mitteldeutschland und in den Niederlanden gewesen sein. Schäfer gilt als bedeutendster Hanauer Orgelbauer des 18. Jahrhunderts. Nach seinem Tod 1744 übernahm der aus Wels in Österreich gebürtige Joseph Carl Großwald die Schäfersche Werkstatt. Johann Nikolaus Schäfer schuf bedeutsame Instrumente, so etwa 1721 bis 1722 für die Lutherische Pfarrkirche St. Marien in Marburg mit 28 Registern. 1725 erhielt die Stadtkirche in Erbach im Odenwald eine Orgel mit 20 Registern von seiner Hand und bereits 1718 hatte er in der Laurentiuskirche der Buchfinkenstadt Usingen im Taunus ein Instrument mit 14 Stimmen vollendet. Von allen diesen Instrumenten sind die schönen barocken Orgelprospekte noch vorhanden, jedoch wurden die klingenden Werke in allen Fällen restlos bei späteren Neubauten beseitigt. Auch die 1723 für die Stadtkirche in Dieburg erbaute Orgel ist nur durch glückliche Umstände bis heute erhalten geblieben. 1844 errichtete dort der Mainzer Orgelbauer Bernhard Dreymann ein neues Instrument. Die alte, damals schon 120 Jahre alte Schäfer-Orgel wurde aber nicht zerstört, sondern kam als „katholische Orgel“ in die Kirche des Ortes Lengfeld. Dieser Ort im Dieburger Becken gehört heute zur Gemeinde Otzberg. Die Kirche in Lengfeld wurde nämlich bis 1965 von beiden Konfessionen benutzt und besaß - sehr konsequent - zwei Orgeln, eine katholische und eine evangelische. Als in Lengfeld 1964 eine eigene katholische Kirche erbaut wurde, war die katholische Orgel somit nicht mehr erforderlich und wurde von der katholischen Gemeinde in Nieder-Ramstadt erworben und in der neu erbauten Kirche St. Michael aufgestellt.
Die überlieferten Dispositionen von Schäfers Orgeln sind durchaus eigenständig und setzen in der Orgellandschaft Südhessens interessante Akzente. Oder besser gesagt, würden sie setzen – denn bis auf die heute in Nieder-Ramstadt stehende Orgel ist aus dem Schaffen dieses Meisters keine andere in ihrem klingenden Bestand bis heute auf uns gekommen. Umso kostbarer ist dieses Instrument, das 13 Register auf einem Manual und Pedal besitzt und immerhin die zweitälteste Orgel Südhessens ist – nach der Orgel in Worfelden. 1993 wurde das Instrument durch die Firma Förster und Nicolaus aus Lich stilgerecht restauriert und die beim Einbau in Nieder-Ramstadt 1965 vorgenommen Veränderungen wieder rückgängig gemacht. Das Manual ist ohne das Cis bis zum c3 ausgebaut und besitzt die Register Großgedackt und Violdigamb 8', Principal und Spitzflöte 4', Quinta 3', Octave 2', eine Tertia 1 3/5', sodann eine 3fache Mixtur und eine Trompete 8'. Das Pedal war ursprünglich nur bis zum d° geführt, die Erweiterung bis zum d1 wurde als Kompromiß zur besseren Praxistauglichkeit beibehalten. Hier finden wir die Stimmen Subbaß 16', Principalbaß 8', Octavbaß 4' sowie einen Posaunenbaß 16', dazu kommen ein Tremulant und eine Pedalkoppel. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-d1  
Großgedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Violdigamb 8' Principalbaß 8' Tremulant
Principal 4' Octavbaß 4'  
Spitzflöte 4' Posaunenbaß 16'  
Quinta 3'    
Octave 2'    
Tertia 1 3/5'    
Mixtur 3f.    
Trompete 8'    

In Nieder-Ramstadt gespielte Stücke:
Johann Kaspar Ferdinand Fischer: Praeambulum und Versetten quarti toni >>>
Franz Xaver Anton Murschhauser: Variationen "Quis mutuos amores" >>>
Octavian Panzau: Fuga quinti toni >>>
Johann Baptist Peyer: Fuga tertii toni >>>
Johann Baptist Peyer: Praeambulum tertii toni >>>
Alessandro Poglietti: Toccatina, Cadenza e Fuge septimi toni >>>
Johann Caspar Simon: Fughetta Nr. 1 ex a >>>
Johann Caspar Simon: Fughetta Nr. 2 ex A >>>
Johann Caspar Simon: Fughetta Nr. 3 ex B >>>
Justinus Will: Aria duocecima >>>



OBERRODENBACH (Gemeinde Rodenbach, Main-Kinzig-Kreis)
Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul



Erbauer: Adam Joseph Oestreich (Oberbimbach) 1839, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Oberrodenbach ist der kleinere der beiden Ortsteile der Gemeinde Rodenbach im Main-Kinzig-Kreis in Hessen mit rund 2.400 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Ort liegt am namensgebenden Rodenbach am Rande des Vorspessarts. 1338 wird Niederrodenbach erstmals als eigener Ortsteil erwähnt. Wann die Aufteilung des 1025 erstmals genannten Ortes Rodenbach stattgefunden hat, ist nicht mehr feststellbar, jedoch muss es 1338 auch ein Oberrodenbach gegeben haben. Während Oberrodenbach bis zur Säkularisierung im Jahre 1803 zum Erzbistum Mainz gehörte, war Niederrodenbach weltlichen Grafschaften, Kürfürsten- und Großherzogtümern zugehörig. 1866 kamen beide Ortsteile durch die Annexion Kurhessens zu Preußen. Im Vorfeld der Gebietsreform in Hessen schloss sich 1970 die Gemeinde Oberrodenbach mit der Gemeinde Niederrodenbach zur Gemeinde Rodenbach zusammen. Die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul wurde in den Jahren 1838 bis 1839 erbaut. Zeitgleich mit der Fertigstellung der Kirche erhielt das Gotteshaus auch eine neue Orgel aus der Werkstatt der Orgelbauerfamilie Oestreich. Ihr Erbauer ist Adam Joseph Oestreich, Sohn von Johann Georg und Enkel von Johann Markus Oestreich, der im späten 18.Jahrhundert die Werkstatt zu ihrer größten Blüte geführt hatte.
Adam Joseph Oestreich, der Erbauer der Orgel in Oberrodenbach, wurde 1799 in die berühmte Orgelbauerfamilie Oestreich in Oberbimbach hineingeboren. Sein Vater war Johann Georg Oestreich, dieser wiederum war der Sohn des berühmten und auch über die Grenzen des Fuldaer Landes hinaus wohlbekannten Johann Markus Oestreich. Adam Joseph und seine beiden Brüder Michael und Augustin repräsentieren also die vierte Generation dieser bedeutenden Familie, wenngleich man die bis heute erhaltenen Instrumente der drei Brüder an einer Hand abzählen kann. Adam Joseph Oestreich erlernte sein Handwerk natürlich in der väterlichen Werkstatt. 1826 ist er erstmals mit einem selbstständigen Orgelneubau für Hattenhof im Kreis Fulda nachgewiesen; diese Orgel ist leider nicht erhalten. 1832 erstellte er einen Neubau für die Ursulinen-Klosterkirche in Fritzlar, die erhalten ist und heute in Kleinenglis steht. 1836 vollendete er den Bau einer Orgel in Großauheim bei Hanau und 1838 in Ulmbach bei Schlüchtern. Beide Instrumente sind in ihrer Grundsubstanz relativ gut erhalten und wurden bzw. werden in dieser Reihe ebenfalls näher vorgestellt. 1839 erhielt Adam Joseph Oestreich dann den Auftrag zum Neubau in Oberrodenbach für 750 Gulden mit 14 Registern auf einem Manual und Pedal. 1843 erhielt er den Auftrag, die Orgel seines Heimatortes Oberbimbach von Grund auf zu erneuern, nachdem die dortige Pfarrkirche wesentlich vergrößert und klassizistisch umgestaltet wurde. Diesen Auftrag konnte er jedoch nicht mehr vollenden, da er kurz nach Baubeginn mit nur 44 Jahren verstorben ist. Die Orgeln Adam Joseph Oestreichs unterscheiden sich klanglich deutlich von denen seines Vaters Johann Georg und seines Onkels Johann Adam, und von denen seines Großvaters Johann Markus Oestreich sowieso. Grundtönige und weiche Flötenstimmen zeigen an, dass sich die Klangvorstellungen in Richtung Romantik verändert haben. Alles klingt ein wenig weicher, vokaler als in der Generation zuvor und nicht mehr – um das vielzitierte Wort zu benutzen – nicht mehr so rustikal, wie man es sonst über so manche Oestreich-Orgel vor allem des Großvaters Johann Markus sagt.
Die Adam-Joseph Oestreich-Orgel in Oberrodenbach wurde bereits im Jahr nach ihrer Erbauung, 1840, durch über den Turm eindringendes Wasser stark beschädigt und erst 1846 wiederhergestellt. Danach erfolgten nur noch kleinere Veränderungen und Instandhaltungsarbeiten, so daß die Firma Otmar Börner aus Rodenbach 1987 die weitgehend erhaltene Orgel restaurieren konnte. Die Orgel besitzt 14 Register auf einem Manual und Pedal. Mit elf Stimmen ist das Hauptwerk sehr breit und farbig disponiert. Die vier 8'-Register sind die für die zweite bis vierte Generation der Oestreichs so typischen Register Gedackt, Traversflöte, Hohlflöte und Quintatön. Dazu gesellen sich ebenfalls vier Register in 4'-Lage, nämlich Principal, Flöte, Duiflöte und Gemshorn. Nach obenhin ergänzt wird die Klanggestalt durch eine Quinte 3', eine Oktave 2' und eine 3-fache Mixtur. Die Klaviatur ist vom Ton C bis zum d3 ausgebaut. Das Pedal mit einem Umfang bis zum c1 besitzt drei Register, nämlich Subbaß 16' und Octavbaß sowie Violonbaß 8'. Letzterer wurde nach 1945 durch einen Choralbaß 4' ersetzt, blieb aber erhalten und konnte darum bei der Restaurierung 1987 wieder eingebaut werden. Dazu kommt eine Pedalkoppel. 

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Disposition:

Manual, C-d3 Pedal, C-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Octavbaß 8'  
Quintatön 8' Violonbaß 8'  
Traversflöte 8'    
Principal 4'    
Flöte 4'    
Duiflöte 4'    
Gemshorn 4'    
Quinte 3'    
Octave 2'    
Mixtur 3f.    

In Oberrodenbach gespielte Stücke:
Wilhelm Friedemann Bach: Wir Christenleut >>>
Johann Christoph Kühnau: Adagio phrygisch >>>
Johann Gottfried Vierling: Allegro F-Dur >>>
Johann Gottfried Vierling: Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld >>>
Johann Gottfried Vierling: Jesu, komm doch selbst zu mir >>>
Johann Gottfried Vierling: Vater unser im Himmelreich >>>
Johann Gottfried Vierling: Wir glauben all an einen Gott I >>>
Johann Gottfried Vierling: Wir glauben all an einen Gott II >>>
Johann Gottfried Walther: Das alte Jahr vergangen ist >>>



RICHEN (Stadt Groß-Umstadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg)
Ev. Kirche




Erbauer: Johannes Oberndörfer (Jugenheim) 1785, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Richen ist ein Stadtteil von Groß-Umstadt im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg. Der Ort mit seinen rund 1.850 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt in einer schon von den Römern besiedelten Ebene vor den nördlichen Ausläufern des Odenwaldes. Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über das Dorf: »Richen (Landratsbezirk Dieburg), lutherisches Filialdorf; liegt am Richenbach 1 1⁄2 Stunden von Dieburg und 1⁄2 Stunde von Umstadt in einem schönen Wiesengrund. Der Ort zählt 79 Häuser und 507 Einwohner, die bis auf 42 Reformierte und 8 Katholiken lutherisch sind; unter diesen sind 33 Bauern, 30 Handwerker und 20 Taglöhner. Man findet hier eine neue, gemeinschaftliche Kirche, 2 Mühlen und Torfstiche in denen jährlich 60.000 Stücke Torf gestochen werden. Das Dorf hat seinen Namen von einem Bache, der 768 unter dem Namen Ricchina vorkommt. jetzo aber auch Umstädter Mühlbach genannt wird. Richen war mit Churpfalz gemeinschaftlich, und kam 1802 ganz an Hessen.« Von 1504 bis 1803 gehörte der Ort zur Hälfte zu Kurpfalz und zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, später zur Provinz Starkenburg im Großherzogtum Hessen. 1977 wurde Richen nach Groß-Umstadt eingemeindet. Schöne Fachwerkhäuser prägen das Ortsbild mit ihren typischen, rundbogigen Hofeinfahrten. 1751 entstand die heutige Kirche, die anstelle einer alten, baufälligen Kapelle errichtet wurde. Doch erst 1785 konnte sich die Gemeinde eine neue Orgel leisten. Sie ist bis heute klanglich fast unverändert erhalten, sogar die Prospektpfeifen des Principal 8' sind wie durch ein Wunder der Zwangsabgabe im Ersten Weltkrieg entgangen. 
Stammvater der Orgelbauerfamilie Oberndörfer war der 1710 in Ober-Modau im vorderen Odenwald geborene Johann Philipp Oberndörfer. Er war von Haus aus Schulmeister, daneben Schreiner, Orgel- und Instrumentenmacher und hatte seine Werkstatt in Jugenheim, heute Seeheim-Jugenheim an der Bergstraße. Sein 1744 geborener Sohn Johannes Oberndörfer war nach der Lehre im väterlichen Betrieb auf seiner zunftmäßigen Wanderschaft weit herumgekommen; Dresden, Leipzig, Halle und Hannover werden als Stationen seiner Reise genannt. Ab 1776 wirkte er als Nachfolger seines verstorbenen Vaters als Lehrer in Jugenheim, wurde jedoch von Erbprinz Ludwig von Hessen-Darmstadt zunächst zum Hofinstrumenteur, 1780 schließlich zum Hessen-Darmstädtischen Hoforgelmacher ernannt. Bekannt waren die Oberndörfer’schen Fortepianos, die über eine sehr spezielle Prellmechanik mit Zwischentreiber verfügten und seinerzeit über die Grenzen der deutschen Lande hinaus nach Frankreich, Holland und England exportiert wurden. Darüber geriet der Bau neuer Orgeln zeitweise ins Hintertreffen. Seine größte entstand 1805 für die Stadtkirche in Darmstadt, die, von Christian Heinrich Rinck eingeweiht und für sehr gut befunden, allerdings schon 1873 durch ein Instrument von Walcker, Ludwigsburg ersetzt wurde. Erhalten blieben aus Johannes Oberndörfers Schaffen neben einer ganzen Reihe von Clavieren nur zwei Orgeln. Das 1793 für Roßdorf bei Darmstadt erbaute Instrument mit 13 Registern wurde 1848 nach Sankt Johann jenseits des Rheins im heutigen Landkreis Mainz-Bingen verkauft. Aktuell wird sie restauriert. Und 1785 entstand die Orgel für Richen mit 11 Stimmen, die als seitenspielige Brüstungsorgel mit einem ruhigen spätbarocken Prospekt aus Nußbaumholz errichtet wurde. Die aufgesetzten Vasen und das bekrönende Blumengebinde künden den aufziehenden Klassizismus an. Johannes Oberndörfer starb 1816; sein jüngerer Bruder Christoph, der in der Werkstatt mitarbeitete, war bereits 1790 verschieden. Johannes Oberndörfers 1787 geborener Sohn Philipp Gottlieb erhielt in der Folge ebenfalls den Titel Hoforgelmacher und verlegte seine Werkstatt nach Darmstadt. Seine 1823 errichtete Orgel in Birkenau im Odenwald wurde noch 1971 einem Neubau geopfert. 
Die Orgel in Richen, eine der klangschönsten und besterhaltenen Barockorgeln Südhessens, wurde 1965 durch Gerard Albert Cornelius de Graaf aus Amsterdam überholt, wobei die Mechanik und die Mixtur neu angefertigt wurden. 1992-93 wurde das Instrument erneut, diesmal von der Firma Karl Schuke aus Berlin und nach strengen denkmalpflegerischen Gesichtspunkten restauriert. Das Manual ist bis zum f3 ausgebaut und besitzt Principal, Gedackt, Flöt und Viol de Gamb 8', Octav und Spitzflöt 4', Waldflöt 2', eine Sesquialtera und eine 3fache Mixtur. Das Pedal mit 18 Tasten bis zum f° verfügt über Subbaß 16' und Trompetenbaß 8', dazu kommt eine Pedalkoppel. Die Orgellandschaft Hessens fügt sich wie kaum eine andere zusammen aus zahlreichen lokaler und regionalen Traditionen. Auch wenn die Namen ihrer Meister über ihren engeren Wirkungskreis hinaus wenig bekannt sind, so verdienen ihre wenigen überkommenen Werke gebührende Beachtung und Wertschätzung. Dies und den besonderen Charme und Liebreiz dieser alten Orgeln zu vermitteln, ist eine unverzichtbare Aufgabe und Verpflichtung.

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-f3 Pedal, C-f°  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Gedackt 8' Trompetenbaß 8'  
Flöt 8'    
Viol de Gamb 8'    
Octav 4'    
Spitzflöt 4'    
Waldflöt 2'    
Sesquialter 1-2f.    
Mixtur 3f.    

In Richen gespielte Stücke:
Johann Sebastian Bach: Canone all unisono (Goldberg-Variationen) >>>
Johann Sebastian Bach: Canone alla quinta (Goldberg-Variationen) >>>
Johann Sebastian Bach: Canone alla seconda (Goldberg-Variationen) >>>
Frantisek Xaver Brixi: Fuga F-Dur >>>
Frantisek Xaver Brixi: Praeludium F-Dur >>>
Christoph Wolfgang Druckenmüller: Concerto G-Dur >>>
Johann Gottlieb Goldberg: Polonaise e-moll >>>
Johann Gottlieb Goldberg: Polonaise h-moll >>>
Johann Krieger: Toccata und Fuge in C >>>



SANDBACH (Stadt Breuberg, Odenwaldkreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Johann Christian (III) und Johann Georg Dauphin (Kleinheubach) 1787, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Sandbach ist ein Stadtteil von Breuberg im südhessischen Odenwaldkreis. Mit über 3000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Sandbach der größte Stadtteil und Sitz der Stadtverwaltung. Der Ort liegt im nördlichen Odenwald im Tal der Mümling. Nordöstlich des Ortskerns liegt auf einer Anhöhe die Burg Breuberg, die der Gesamtstadt ihren Namen gegeben hat. Erstmals wurde Sandbach im Jahr 770 als Standort einer Kirche erwähnt, die im Jahr 1445 einem Neubau weichen musste, auf den die heutige evangelische Kirche zurückgeht. In ihr wurden seit dem 15. Jahrhundert die Grafen von Wertheim bestattet. 1537 wurde, wie in der gesamten Herrschaft Breuberg, auch in Sandbach per Erlass die Reformation eingeführt. 1971 schloss sich Sandbach im Zuge der hessischen Gebietsreform mit den Nachbarorten Hainstadt, Wald-Amorbach und der Stadt Neustadt zur neuen, nach der zentral auf dem Gemeindegebiet liegenden Burg benannten Stadt Breuberg zusammen. Die spätgotische Kirche wurde 1786 bis 1789 durch die heutige barocke Kirche ersetzt, die weithin sichtbar auf einem das Ortsbild prägenden Hügel liegt. Sehenswert im Inneren ist das bedeutende farbenfrohe Epitaph des 1556 verstorbenen Grafen Michael von Wertheim, welches Peter Dell der Jüngere in Würzburg geschaffen hat. Und auch die Orgel ist bedeutsam, sie wurde 1787 durch die Brüder Johann Christian und Johann Georg Dauphin aus Kleinheubach am Main geschaffen und ist nahezu unverändert bis heute erhalten geblieben.
Die Orgelbauerfamilie Dauphin wirkte fast das ganze 18.Jahrhundert hindurch in Nordhessen und Mainfranken. Ihr Stammvater ist der 1682 wohl in im Norden Thüringens geborene Johann Christian Dauphin, der die Kunst des Orgelbaues in der berühmten Werkstatt von Johann Friedrich Wender in Mühlhausen lernte. Er hatte noch eine zehn Jahre älteren Bruder Johann Eberhard Dauphin, der wohl ebenfalls bei Wender lernte und ab 1715 in Iba bei Bebra lebte und wirkte; wo in der dortigen Kirche auch ein beachtliches Instrument von ihn erhalten ist. Johann Christian Dauphin, den wir wegen seines Sohnes und seines Enkels gleichen Namens heute zur Unterscheidung Johann Christian Dauphin I nennen, übersiedelte 1707 nach Kleinheubach, zwischen Spessart und Odenwald gelegen am Westufer des Mains. 1714 erhielt er die „Aufsicht“ über die Orgeln der Grafschaft Erbach. Sein bedeutendstes Instrument ist die 1717 bis 1723 geschaffene Orgel für die Wallfahrtskirche in Walldürn, deren beeindruckender Prospekt bis heute erhalten ist, freilich ohne das klingende Innenleben, das allerdings 1975 in Anlehnung an die Originaldisposition rekonstruiert wurde. Johann Christian Dauphin II wurde 1713 geboren und erlernte den Orgelbau zunächst in der väterlichen Werkstatt, bevor er eine Zeitlang als Geselle bei Johann Friedrich Schmahl in Heilbronn arbeitete. 1740 übernahm er die Werkstatt seines bereits 1730 verstorbenen Vaters, lebte aber meist von Reparaturen. Nur eine Orgel aus dieser zweiten Generation ist erhalten, sie steht in Spachbrücken, einem Stadtteil von Reinheim im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Dessen beide Söhne, der 1752 geborene Johann Christian Dauphin III und sein elf Jahre jüngerer Bruder Johann Georg Dauphin, betrieben die Werkstatt in Kleinheubach noch bis zum Tod Johann Georg Dauphins im Jahre 1809 weiter. Sein älterer Bruder war bereits 1792 im Alter von nur 40 Jahren verstorben. Ihr gemeinsam 1787 kontraktiertes und 1788 fertiggestelltes Instrument in Sandbach ist das einzige, das aus der dritten und letzten Generation der Familie Dauphin bis heute im Wesentlichen unverändert die Zeiten überdauert hat.
Die Dauphin-Orgel in der Kirche zu Sandbach ist nahezu im Originalzustand erhalten geblieben inklusive der Prospektpfeifen, die ansonsten ja fast überall im Ersten Weltkrieg als Materialspende abgeliefert werden mußten. Bereits 1966 wurde die Orgel erstmals durch die Firma Förster & Nicolaus aus Lich restauriert, die das Instrument auch seither in Pflege hat. Im Manual, das einen Tonumfang bis zum c3 besitzt, finden wir Principal, Groß Gedackt, Flauto und Viola di gamba 8', Octav, Klein Gedackt und ein Flageolet 4', Quint 3', Octav 2' sowie eine 4fache Mixtur. Das Pedal ist bis zum c1 ausgebaut und verfügt über Subbaß 16', Violonbaß 8' sowie einen Posaunbaß 16', dazu kommt eine Pedalkoppel. 

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Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-c1  
Principal 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Groß Gedackt 8' Violonbaß 8'  
Flauto 8' Posaunbaß 16'  
Viola di gamba 8'    
Octav 4'    
Klein Gedackt 4'    
Flageolet 4'    
Quint 3'    
Octav 2'    
Mixtur 4f.    

In Sandbach gespielte Stücke:
Adriano Banchieri: La Battaglia >>>
Adriano Banchieri: Ricercata del terzo & quarto Tuono >>>
Georg Friedrich Händel: Voluntary IX in c / C >>>
Johann Michael Haydn: Versetten octavi toni >>>
Johann Michael Haydn: Versetten primi toni >>>
Johann Michael Haydn: Zwei Praeludien und Finale quarti toni >>>
Franz Anton Hugl: Praeludium und Versetten tertii toni >>>
Johann Christoph Kühnau: Adagio G-mixolydisch >>>
Giovanni Pierlugi da Palestrina: Ricercar sexti toni >>>
Alessandro Poglietti: Canzon in D >>>
Peter Sebastian Prixner: Praeludium C-Dur >>>
Christian Friedrich Schale: Un poco adagio E-Dur >>>
Johann Speth: Partite diverse sopra la Spagnoletta >>>



SPRINGEN (Gemeinde Heidenrod, Rheingau-Taunus-Kreis)
Ev. Kirche St. Odilien




Erbauer: Johann Friedrich Macrander (Frankfurt) 1710, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Springen ist ein Ortsteil der Gemeinde Heidenrod im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis. Das Dorf liegt auf einer Höhe von knapp 450 Metern auf einem Bergrücken im westlichen Hintertaunus, hoch über dem Tal der Wisper, etwa auf halber Strecke zwischen der Kreisstadt Bad Schwalbach und der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz. Als „Dreispringen“, das bedeutet Ort der drei Quellen, wurde der Ort 1107 erstmals genannt. Damals gehörte Springen zum fränkischen Einrichgau und kam im ausgehenden Mittelalter zum Amt Hohenstein innerhalb der Niedergrafschaft Katzenelnbogen. Später waren hier noch die Familien von der Leyen und von Schönborn begütert. 1972 schloß sich Springen, das im 19. Jahrhundert zum Herzogtum Nassau und mit diesem 1867 zu Preußen kam, mit 15 weiteren Gemeinden zur neuen Gemeinde Heidenrod zusammen. In der Ortsmitte steht die kleine Odilienkirche, eine im Kern mittelalterliche Wehrkirche aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, die später mehrfach verändert wurde. Kanzel und Gestühlwangen sind um 1600 entstanden. Die schöne barocke Orgel hinter dem Altar wurde 1710 für die alte Cyriakuskirche in Rödelheim erbaut, damals noch ein beschauliches Dorf vor den Toren Frankfurts, das Goethe, Clemens von Brentano und Bettina von Arnim gerne zum Flanieren im Brentanopark aufsuchten. 1872 kam die Orgel als Geschenk des evangelischen Gustav-Adolf-Vereins nach Springen.  
Der Erbauer der heute in Springen stehenden Orgel, Johann Friedrich Macrander, stammte aus Garbenheim bei Wetzlar, wo er 1661 geboren wurde. Seine Vorfahren hießen Langemann, doch schon sein Großvater – Sekretär und Ratsherr des Grafen von Waldeck - hatte seinen Namen gräzisiert – abgeleitet von makros = groß, lang. Nach einer Schreinerlehre in Gießen ging er auf Wanderschaft und begab sich danach zu seinem Bruder Johann Philipp Macrander, der in Nördlingen als Bildhauer tätig war. Dort in Nördlingen erlernte er bei dem bedeutenden Paulus Prescher die Kunst des Orgelbaus, mit dem zusammen er unter anderem in Schwäbisch Gmünd und Wemding im Donau-Ries tätig war. Ab 1690 war Macrander in Basel, danach in Murbach und Rouffach im Elsaß tätig, bevor er sich etwa 1695 wieder nach Wetzlar begab, um sich schließlich um 1700 in der Reichsstadt Frankfurt niederließ. Er entfaltete in der Folge eine reiche Tätigkeit in Rheinhessen, der angrenzenden Pfalz und bis hinauf ins Lahngebiet. Stilistisch sind seine überwiegend einmanualigen Werke vom süddeutschen Frühbarock und insgesamt recht konservativ geprägt. So baute er etwa Instrumente in der Stiftskirche Landau in der Pfalz 1703, in Bad Bergzabern 1708, in Egelsbach bei Offenbach 1710, im Kloster Engelthal in der Wetterau vor 1720, zeitgleich in Wiesbaden-Biebrich, in der Kirche zu Münzenberg in der Wetterau 1726 und so weiter; insgesamt schuf er bis zu seinem Tod 1741 etwa 30 neue Werke. Erhalten davon blieben lediglich die Prospekte in Altenstadt in der Wetterau von 1712 und in Mommenheim bei Oppenheim auf der anderen Seite des Rheins von 1731 sowie zwei Instrumente, die Macrander etwa zeitgleich für die Wiesbadener Mauritiuskirche und für Rödelheim bei Frankfurt erbaute. Die 1708 fertiggestellte Wiesbadener Orgel mit 11 Registern kam 1804 nach Limbach bei Hünstetten, erhielt bei ihrer Neuaufstellung dort ein selbstständiges Pedal und wurde 1989 restauriert. Die Rödelheimer Orgel, 1710 erbaut, fand 1872 in Springen eine neue Heimat. Johann Friedrich Macrander hatte zwei Söhne, von denen der Ältere Theologie studierte und der Jüngere, Philipp Wilhelm Macrander den väterlichen Beruf erlernte und sich bei so bedeutenden Meistern wie Christian Müller in Amsterdam und Christian Vater in Hannover fortbildete, später jedoch nur durch einen einzigen selbstständigen Orgelbau bekannt geworden ist.  
Die Rödelheim-Springener Macrander-Orgel wurde 1968 durch den Orgelbauer Erich Breitmann aus Nieder-Olm restauriert. Man hat damals die zwischenzeitlich leicht veränderte Originaldisposition von 1710 wiederhergestellt, ansonsten aber sehr viel originales Material „erneuert“ – wie man damals sagte. Eine erneute Restaurierung ist für das Jahr 2021 geplant, um diesem wertvollen und sehr seltenen Zeugnis hessischer Orgelbaukunst des Frühbarock wieder – soweit möglich – seinen ursprünglichen Klang zurück zu schenken. Die Orgel besitzt zehn Register. Im bis zum c3 ausgebauten Manual stehen Bourdon und Viola di Gamba 8', Principal und Flöte 4', Quinte 3', Octave 2', Terz 1 3/5' sowie eine 3fache Mixtur und eine 2fache Zimbel, während das Pedal über einen Subbaß 16' sowie eine Pedalkoppel verfügt. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-d1  
Bourdon 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Viola di Gamba 8'    
Principal 4'    
Flöte 4'    
Quinte 3'    
Octave 2'    
Terz 1 3/5'    
Mixtur 3f.    
Zimbel 1-2f.    

In Springen gespielte Stücke:
Anonymus: Praeambulum >>>
Jakob Friedrich Greiss: Der Herr ist mein getreuer Hirt >>>
Jakob Friedrich Greiss: Wachet auf, ruft uns die Stimme >>>
Johann Speth: Magnificat septimi toni >>>
Georg Philipp Telemann: Ach Gott, vom Himmel sieh darein >>>
Georg Philipp Telemann: Alle Menschen müssen sterben >>>
Georg Philipp Telemann: Fantasie D-Dur >>>
Georg Philipp Telemann: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend >>>
Thomas Weelkes: Voluntary in a >>>
Janos Wohlmuth: Pastorale >>>
Janos Wohlmuth: Praeludium und Choral >>>
Zacharias Zarewutius: Postludium super "Benedicamus Dominicale" >>>



STEINBACH AM DONNERSBERG (Verbandsgemeinde Winnweiler, Donnersbergkreis)
Prot. Kirche




Erbauer: Johann Valentin Senn (Seebach) um 1730, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

(Text folgt)

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, C-c3 Pedal, C-d1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Quintadena 8' Principal 8'  
Principal 4' Octave 4'  
Rohrflöte 4'    
Quinte 2 2/3'    
Octave 2'    
Terz 1 3/5'    
Mixtur 3-4f.    
(Dulcian 16')    

In Steinbach am Donnersberg gespielte Stücke:
Anonymus: Ritter-Ballett >>>
Johann Friedrich Korb: Partita quinta in G >>>
Johann Melchior Molter: Herzlich tut mich verlangen >>>
Johann Melchior Molter: Nun komm der Heiden Heiland >>>
Wolfgang Amadeus Mozart: Andante cantabile Es-Dur >>>
Wolfgang Amadeus Mozart: Andantino C-Dur >>>
Wolfgang Amadeus Mozart: Siciliano d-moll >>>
Joseph Aloys Schmittbaur: Präludium C-Dur >>>
Joseph Aloys Schmittbaur: Präludium d-moll >>>
Johann Friedrich Starck: Versetten f-moll >>>



STEINFISCHBACH (Gemeinde Waldems, Rheingau-Taunus-Kreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Daniel Raßmann (Möttau) 1843, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Steinfischbach ist ein Ortsteil der Gemeinde Waldems im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis. Eingebettet in Mischwälder, liegt der Ort in einer Talmulde im östlichen Hintertaunus. Am südlichen Ortsrand verläuft der Fischbach, der oberhalb des Ortes entspringt und später in den Emsbach mündet, einem Nebenfluß der Lahn. Von den höher gelegenen Stellen am Dorfrand besteht bei klarem Wetter eine weite Fernsicht nach Südwesten und Westen über die Idsteiner Senke und den Goldenen Grund. Der Ort wurde 1156 erstmals schriftlich in einer Urkunde des Erzbischofs Arnold von Mainz unter dem Namen "Vispach" erwähnt. Die Herren von Reifenberg und die Herren von Isenburg hatten Besitz in dem Ort, welcher ab 1557 dem Amt Altweilnau zugeordnet war. Dieses Gebiet kam 1659 zur damals neu gegründeten Grafschaft Nassau-Usingen und 1816 zum neugeschaffenen Amt Idstein im Herzogtum Nassau. Im Rahmen der Gebietsreform 1972 schloss sich das Dorf mit den Nachbargemeinden Bermbach, Esch, Niederems, Reichenbach und Wüstems zur Gesamtgemeinde Waldems im Untertaunuskreis zusammen, der 1977 mit dem Rheingaukreis zum neuen Rheingau-Taunus-Kreis fusionierte. Am nordwestlichen Rand von Steinfischbach liegt – weithin sichtbar – die Kirche des Ortes, welche 1841 bis 1843 nach den Plänen des Wiesbadener Architekten Eduard Zais errichtet wurde. Wir erleben hier Klassizismus in Reinkultur, außen wie innen ist dieses bemerkenswerte Gotteshaus völlig unverändert erhalten. Das gilt auch für die Orgel, die 1843 von Daniel Raßmann aus Möttau errichtet wurde.
Daniel Raßmann, der Erbauer der Orgel in Steinfischbach, wurde 1790 als Sohn eines Pfarrers in Ulm geboren. Nicht zu verwechseln ist Raßmann mit der Familie Ratzmann, die etwa zeitgleich in Hessen und Thüringen wirkte. Er erlernte den Orgelbau bei Johann Christian Weil in Neuwied und arbeitete danach als Geselle bei Johann Georg Bürgy in Gießen. Ab 1813 war er auf der Walz, die ihn in die Schweiz und möglicherweise bis nach Pommern führte. Nach einer weiteren Zeit bei Christian Ernst Schöler in Bad Ems machte er sich 1820 in Weilmünster selbstständig und verlegte 1824 die Werkstatt nach Möttau, heute ein Ortsteil des Marktfleckens Weilmünster im Landkreis Limburg-Weilburg an der Grenze zum Lahn-Dill-Kreis. Von seinen nachgewiesenen rund 40 Orgelneubauten sind einige erhalten, so etwa das kleine, 1828 erbaute Instrument in Hennethal bei Hohenstein im Rheingau-Taunus-Kreis oder die zwei Jahre jüngere Orgel in Dauborn bei Hünfelden im Landkreis Limburg-Weilburg. 1845 schuf Daniel Raßmann seine mit 24 Registern größte Orgel in Eschbach bei Usingen, die zwar erhalten, aber später klanglich verändert wurde. Auch die ebenso schönen Orgeln – um nur einige Beispiele herauszugreifen – in Maibach bei Butzbach, 1851 vollendet, in Driedorf im Westerwald, in Selters an der Lahn und noch einige weitere sind zum Glück relativ gut bewahrt, was vor allem für die hohe Qualität spricht, mit der Raßmann jede einzelne seiner Orgeln zu erbauen pflegte. Nach seinem Tod 1864 übernahm sein 1833 geborener Sohn Gustav Raßmann die Werkstatt in Möttau, der 1896 das Unternehmen an seinen Gesellen August Hardt verkaufte. Heute leitet in vierter Generation Uwe Hardt seine Firma Orgelbau Hardt, die damit die auf Daniel Raßmann zurückgehende Orgelbautradition in Möttau bis heute weiterführt. Die Orgeln des Firmengründers waren in der Regel seitenspielig und besitzen allesamt eine fein differenzierte, selbst bei kleinen Orgeln sehr farbige Dispositionen. Die 1843 erbaute Orgel in Steinfischbach besitz 23 Register auf zwei Manualen und ist vollständig unverändert erhalten – ein Umstand, der im Westen Deutschlands bei romantischen Orgeln höchsten Seltenheitswert besitzt.
Die 1843 erbaute Orgel in Steinfischbach ist eines der bedeutendsten Werke des frühromantischen Orgelbaues in Hessen. In vielen Details ist der Einfluß der Familie Schöler unverkennbar. So besitzt das Instrument ein Unterwerk, das auch vom unteren Manual aus angespielt wird und Registerzüge in zwei waagerechten Reihen über der Klaviatur. Und auch die Disposition ist bruchlos aus dem späten Barock hergeleitet. Die Manuale besitzen einen Tonumfang bis zum f3. Im vom oberen Clavier angespielten Hauptwerk finden wir Bourdun 16', Principal, Hohlflöte, Flauto traversa und Viola di Gamba 8', Octave, Flöte und Gemshorn 4', Quinte 2 2/3', Superoctave 2', sodann eine 3fache terzhaltige Mixtur und eine in Baß und Diskant geteilte Trompete 8'. Das Unterwerk ist ebenfalls ganz typisch für die Instrumente Raßmanns und besitzt Hohlflöte 8', Principal, Salicional, Rohrflöte und Spindelflöte 4', ein Flageolet 2' sowie eine 3fache Mixtur. Die Spindelflöte ist im Prinzip eine Spitzflöte aus Zinn, aber noch etwas enger nach oben zulaufend. Sie gilt, wie es der Organologe Franz Bösken ausdrückte, als „Leitfossil“ der Familie Raßmann. Das Pedal schließlich mit einem Umfang bis zum c1 besitzt Subbaß 16', Octavenbaß und Violonbaß 8' sowie einen Posaunenbaß 16', dazu kommt eine Manual- und eine Pedalkoppel. Bemerkenswert ist, dass sowohl die Hauptwerks-Trompete als auch die Posaune ebenfalls original erhalten sind. 1970 wurde die Orgel durch Orgelbaumeister Gerald Woehl aus Marburg stilgerecht restauriert. Rund 50 Jahre später wäre es nicht schlecht, in absehbarer Zeit über eine erneute Restaurierung dieses bedeutenden Orgeldenkmals nachzudenken. 

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Disposition:

Hauptwerk, C-f3 Unterwerk, C-f3 Pedal, C-c1  
Bourdon 16' Hohlflöte 8' Subbaß 16' Manualkoppel
Principal 8' Principal 4' Octavenbaß 8' Pedalkoppel
Hohlflöte 8' Rohrflöte 4' Violonbaß 8'  
Flauto traversa 8' Salicional 4' Posaunenbaß 16'  
Viola di Gamba 8' Spindelflöte 4'    
Octave 4' Flageolet 2'    
Flöte 4' Mixtur 3f.    
Gemshorn 4'      
Quinte 2 2/3'      
Superoctave 2'      
Mixtur 3f.      
Trompete 8' (B/D)      

In Steinfischbach gespielte Stücke:
Robert Führer: Trauer-Präludium Es-Dur >>>
Robert Führer: Trauer-Präludium c-moll >>>
Georg Friedrich Händel: Voluntary VIII in C >>>
Johann Wilhelm Cornelius von Königslöw: Introduction und Fuge D-Dur / d-moll >>>
Christian Friedrich Schale: Largo g-moll >>>
Christian Friedrich Schale: Moderato f-moll >>>
Christian Friedrich Schale: Un poco adagio G-Dur >>>
Johann Friedrich Schmoll: An Wasserflüssen Babylon >>>
Johann Friedrich Schmoll: Hast du dann, Jesu, dein Angesicht >>>
Johann Friedrich Schmoll: Wach auf, mein Herz und singe >>>
Franz Schubert: Fuge d-moll >>>
Heinrich Julius Tschirch: Phantasie c-moll >>>



STRINZ-MARGARETHÄ (Gemeinde Hohenstein, Rheingau-Taunus-Kreis)
Ev. Kirche




Erbauer: Johann Jakob Dahm (Mainz) um 1710, Schleifladen, mechanische Spiel- und Registertraktur

Strinz-Margarethä ist ein Ortsteil der Gemeinde Hohenstein im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis. Rund 1.020 Einwohnerinnen und Einwohner leben in diesem Ort im westlichen Hintertaunus, der 1184 erstmals urkundlich genannt wurde. Der Ortsname lautete im Mittelalter „Strinzcepha“, das ist zusammengesetzt aus dem althochdeutschen Wort „strinc“, was unbebaut, wüst, öde bedeutet und „epha“, dem keltischen Wort für Bach. Zur Unterscheidung von einem anderen Ort gleichen Namens nicht weit entfernt fügte man spätestens im 15.Jahrhundert den Titel der jeweiligen Kirche an, und so heißt der Ort, in dem wir heute zu Besuch sind, Strinz-Margarethä. Das andere Strinz heißt heute Strinz-Trinitatis und ist ein Ortsteil der Gemeinde Hünstetten. Strinz-Margarethä gehörte zum nassauischen Amt Idstein und kam nach der Annexion des Herzogtums Nassau 1866 zu Preußen. 1972 erfolgte die Eingemeindung nach Hohenstein im Rahmen der hessischen Gebietsreform. Die evangelische Kirche des Ortes, ein klassizistischer Saalbau, wurde 1836 auf einer kleinen Anhöhe erbaut. Größter Schatz der Kirche ist die Orgel, das einzige weitgehend erhaltene Werk des Mainzer Domkapitelschen Orgelmachers Johann Jakob Dahm.
Der Orgelbauer Johann Jakob Dahm wurde 1659 in Weibern, einer Gemeinde im heutigen Landkreis Ahrweiler geboren. Wir wissen nicht, bei wem er das Handwerk des Orgelbaues erlernte. Um 1680 kam er als Geselle nach Würzburg, wurde 1688 als Bürger daselbst aufgenommen und wohnte außergewöhnlich vornehm in den Kanonikatshäusern des Neumünsterstifts, was auf eine selbstständige Tätigkeit in der Stadt hinweist. 1698 wurde er dann Bürger von Mainz und dort zunächst in die Goldschmiedezunft aufgenommen. Im Jahre 1705 ist seine Stellung als Domkapitelscher Orgelmacher erstmals belegt. Der damalige Erzbischof, Kurfürst und Reichserzkanzler Lothar Franz von Schönborn hatte aus seiner früheren Zeit als Domherr in Würzburg und Bamberg ein gutes, heute würde man sagen, Netzwerk nach Franken und so zog er neben Dahm auch noch einen anderen Würzburger Orgelmacher nach Mainz, Anton Ignaz Will. Beide – Dahm und Will – teilten sich fortan ihr Arbeitsgebiet auf. Will arbeitete südlich von Mainz bis nach Speyer und Dahm war für Mainz und Umgebung sowie den Rheingau zuständig. Johann Jakob Dahm gilt als der bedeutendste Orgelbauer im mittelrheinischen Gebiet zu Beginn des 18.Jahrhunderts. Neben zahlreichen kleineren Orgeln schuf er auch einige größere Werke, wie beispielsweise für den Mainzer Dom und für das Kloster Eberbach, die seinen Ruhm weit verbreiteten. Die dreimanualige, 1702 eingeweihte Orgel im Mainzer Dom besaß 34 Stimmen auf Hauptwerk, Oberpositiv und Echowerk und wurde erst 1928, allerdings nach mehrfachen Veränderungen, endgültig zerstört. Noch ein Register mehr besaß die 1709 fertiggestellte Orgel für das Kloster Eberbach, die später in die Mauritiuskirche nach Wiesbaden versetzt wurde und dort 1850 verbrannte. Von Dahms prächtigen Werken sind heute nur noch einige wenige Prospekte erhalten, etwa von dem 1711 vollendeten Instrument in der Schloßkirche zu Weilburg. Ein Jahr zuvor hatte Dahm für die Kirche des Frankfurter Karmelitenklosters eine Orgel mit 22 Stimmen errichtet, die noch einhundert Jahre später als „beste und schönste Orgel des Herzogtums Hessen-Nassau“ bezeichnet wurde. Sie wurde nach der Säkularisation nach Flörsheim am Main verkauft, wo das Gehäuse und immerhin elf Register von Dahm in dem heute 39 Stimmen umfassenden Werk noch vorhanden sind. Die heute in Strinz-Margarethä stehende Orgel wurde ebenfalls um 1710 – das genaue Baujahr kennt man nicht - für das Mainzer Weißfrauenkloster errichtet, das am heutigen Schillerplatz stand. 1803 wurde die Orgel zunächst in die Saalkirche nach Nieder-Ingelheim verkauft. 50 Jahre später, 1853 wurde sie dann von der Gemeinde Strinz-Margarethä erworben, allerdings ohne die Verzierungen und die bekrönende Madonna, die in Ingelheim blieben. Sie ist heute die einzige klanglich weitgehend vollständig erhaltene Orgel von der Hand des großen, 1727 verstorbenen Johann Jakob Dahm, zu dessen Mitarbeitern zeitweise solch berühmte Namen wie Balthasar König und Joseph Gabler gehörten.
Die Orgeln Johann Jakob Dahms sind eine interessante Mischung aus mainfränkischen und mittelrheinischen Einflüssen. Die regelmäßige Verwendung von Zungenstimmen im Manual und vor allem des Cornet im Diskant weist noch weiter westlich, nach Frankreich. Das Instrument in Strinz-Margarethä besitzt heute 13 Register auf einem Manual und Pedal. Ersteres ist unter Aussparung des Cis bis zum c3 ausgebaut und verfügt über Gedackt und Solicional 8', Principal und Kleingedackt 4', Octav 2', Quint 1 1/2', sodann eine 5fache Mixtur, eine Sesquialtera und ein 4faches Cornet im Diskant sowie die Trompete 8'. Im Pedal mit einem Umfang bis zum c1 finden wir Subbaß 16', Octavbaß 8' und Superoctavbaß 4', dazu kommt eine Pedalkoppel und ein Tremulant. 2017 bis 2019 wurde die Orgel, die in den 1960er Jahren technisch leider stark verändert wurde, durch Orgelbaumeister Rainer Müller aus Merxheim sorgsam restauriert und Spielanlage und Traktur nach geeigneten Vorbildern rekonstruiert. Als einziges klanglich weitgehend erhaltenes Instrument von der Hand des Mainzer Orgelmachers Dahm ist die Orgel in Strinz-Margarethä von größter Bedeutung für die Orgellandschaft im schönen Westen Hessens.

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Disposition:

Manual, CD-c3 Pedal, CD-c1  
Gedackt 8' Subbaß 16' Pedalkoppel
Solicional 8' Octavbaß 8' Tremulant
Principal 4' Superoctavbaß 4'  
Kleingedackt 4'    
Octav 2'    
Quint 1 1/2'    
Sesquialtera 2f.    
Cornet 4f. (D)    
Mixtur 5f.    
Trompete 8'    

In Strinz-Margarethä gespielte Stücke:
Quirinus van Blankenburg: Psalm 86 >>>
Quirinus van Blankenburg: Vater unser im Himmelreich >>>
Francois Couperin: Fugue sur les jeux d'anches >>>
Werner Fabricius: Praeambulum XIII in B >>>
Werner Fabricius: Praeambulum XIV in B >>>
Werner Fabricius: Praeambulum XV in h >>>
Abraham van den Kerckhoven: Fantasia in c >>>
Johann Pachelbel: Aria quarta mit Variationen >>>
Johann Speth: Magnificat primi toni >>>
Georg Philipp Telemann: Christ lag in Todesbanden >>>
Georg Philipp Telemann: Straf mich nicht in deinem Zorn >>>
Georg Philipp Telemann: Wie schön leuchtet der Morgenstern >>>



WORFELDEN (Gemeinde Büttelborn, Landkreis Groß-Gerau)
Ev. Kirche




Erbauer: Adam Knauth ("aus dem Stifft Bamberg"?) 1624, Schleiflade, mechanische Spiel- und Registertraktur

Worfelden ist ein Ortsteil der Gemeinde Büttelborn im südhessischen Landkreis Groß-Gerau. Der 1211 in einem Güterverzeichnis des Klosters Eberbach erstmals genannte Ort gehört naturräumlich zur Westlichen Untermainebene, währenddessen der Hauptort der Gemeinde – Büttelborn - bereits im Hessischen Ried liegt. Nördlich des Ortes liegt Mörfelden, im Südosten Schneppenhausen, das als Ortsteil von Weiterstadt schon zum Landkreis Darmstadt-Dieburg zählt. Der Ort gehörte ursprünglich zum Herrschaftsgebiet der Herren von Dornberg, kam danach bis 1479 unter die Hoheit der Grafen von Katzenelnbogen und danach zur Landgrafschaft Hessen beziehungsweise Hessen-Darmstadt. Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über den Ort: „Worfelden (Landratsbezirk Dornberg), luth. Filialdorf, liegt 1 1⁄4 Stunden von Dornberg und 1 Stunde von Großgerau, und besteht aus 74 Häusern mit 456 Einwohnern, die außer 2 Katholiken und 10 Juden lutherisch sind. Obgleich Filial hat der Ort doch seine eigene Kirche.“ Ab 1806 gehörte der Ort zum Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg. 1977 erfolgte im Rahmen der hessischen Gebietsreform die Eingemeindung in die Gemeinde Büttelborn. Der erste Beleg für das Vorhandensein einer Kirche stammt aus dem Jahr 1557, als eine Kapelle erwähnt wird. Die heutige Fachwerkkirche wurde 1696 anstelle der erwähnten alten Kapelle errichtet. 1831 erwarb die Gemeinde ihre heutige Orgel, ein ganz besonderes Juwel in der hessischen Orgellandschaft. Es handelt sich um eine der ältesten Orgeln Hessen, erbaut 1624 und als eines der ganz wenigen Werke aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts nahezu unversehrt erhalten.
Erbaut wurde die heute in Worfelden stehende Orgel 1623 bis 1624 für die Landgräfliche Schloßkirche in Darmstadt. Von ihrem Erbauer kennen wir den Namen, Adam Knauth, mehr aber auch nicht. Die genaue Herkunft dieses Orgelmachers liegt noch im Dunkeln. Er stammte, wie es in den Quellen heißt, aus „dem Stift Bamberg“, das heißt aus dem Gebiet des Fürstbistums Bamberg. Für den Orgelbau im Landgrafenschloß soll er sich in der Residenzstadt Darmstadt angesiedelt haben. Da ein Orgelbauer namens Adam Knauth weder in Bamberg noch in der weiteren Umgebung nachweisbar ist, ist auch ein Lesefehler des Namens nicht auszuschließen. Von den Organologen Hermann Fischer und Theodor Wohnhaas stammt die These, daß der legendäre Adam Knauth möglicherweise mit Adam Dietrich identisch sein könnte, der von etwa 1570 bis um 1640 lebte und seine Werkstatt in Weismain hatte. Das Instrument der Schloßkirche erhielt sechs Register auf einem Manual mit kurzer Oktave ohne Pedal. 1681 machte der Darmstädter Hof- und Landorgelmacher Johann Anton Meyer aus der kurzen Oktave durch Hinzufügung der beiden Töne Fis und Gis eine gebrochene Oktave. Das heißt, die Töne D und Fis beziehungsweise E und Gis in der großen Baßoktave teilen sich seitdem eine Taste; wenn man den vorderen Teil bestätigt, erklingen D und E, drückt man den hinteren Teil der Taste, bekommt man die Töne Fis und Gis. Um die beiden auf einer zusätzlichen kleinen Windlade hinzugebauten Pfeifen zu verdecken, wurden damals die beiden seitlichen Engel im Prospekt ergänzt. 1709 schenkte Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt seine Schloßorgel der Bergkirche zu Zwingenberg, wo sie fortan stand, bis sie 1831 von der Gemeinde Worfelden erworben wurde. Kleinere Reparaturen führten 1903 Heinrich Bechstein aus Groß-Umstadt und 1930 die Firma Förster & Nicolaus aus Lich durch. 1983 wurde das Instrument durch Jürgen Ahrend aus Leer-Loga, den vielleicht führenden Orgelrestaurator in Deutschland in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts, stilgerecht restauriert. Ahrend rekonstruierte die ursprüngliche Balganlage, die mit Hilfe von zwei Lederriemen auch eine mechanische Windversorgung ermöglicht. Nur 34 der insgesamt 329 Pfeifen mussten neu angefertigt werden und auch die farbliche Fassung des Jahres 1681 konnte freigelegt werden.
Das kostbare Orgeljuwel in Worfelden ist als eines der ganz wenigen Werke aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts nahezu unversehrt erhalten. Sie ermöglicht die Wiedergabe der Musik aus Renaissance und Barock in terzenreiner Stimmung, wie sie bis etwa 1750 in den hessischen Landen weithin üblich war. Klanglich zeichnet sich die Orgel durch eine kraftvolle Farbigkeit aus. Bemerkenswert ist die Mechanik der Registerzüge, die lotrecht in eisernen Führungen verschoben und eingehakt werden. Der Tonumfang des Manuals geht mit gebrochener Baßoktave nach oben bis zum c3. Die Orgel besitzt die Register Gedackt 8', Principal und Spitzflöt 4', Octav 2', Quint 1 1/3' sowie eine 2fache Sesquialtera, dazu kommt ein Tremulant. Die Bedeutung der Worfeldener Orgel kann gar nicht hoch genug angesetzt werden. Zusammen mit der berühmten Orgel in Kiedrich und dem Instrument in Rodenbach bei Altenstadt finden wir im Großraum Rhein-Main drei ganz frühe Zeugnisse der Orgelkultur in unserem Land, die ihresgleichen suchen. Sie ermöglichen uns eine faszinierende, ja ich möchte (aus Sicht eines Organisten) fast sagen, beglückende Zeitreise in eine ferne Vergangenheit - wenn wir uns auf ihren Klang und ihre Eigenheiten einlassen. 

Link zum klingenden Orgelportrait >>>

Disposition:

Manual, CDE-c3  
Gedackt 8' Tremulant
Principal 4' (kein Pedal)
Spitzflöt 4'  
Octav 2'  
Quint 1 1/3'  
Sesquialtera 2f.  

In Worfelden gespielte Stücke:
Elias Nikolaus Ammerbach: Innsbruck, ich muß dich lassen >>> https://www.youtube.com/watch?v=9OVCJQYGZeY
Elias Nikolaus Ammerbach: Pastorum Dantz >>> https://www.youtube.com/watch?v=rDHwW-luB_c
Elias Nikolaus Ammerbach: Wo Gott, der Herr, nicht bei uns hält >>> https://www.youtube.com/watch?v=yPCWXMB_BOg
Anonymus: Brabanschen ronden dans ofte Brand >>> https://www.youtube.com/watch?v=m1m2S60BUmU&t=38s
Anonymus: Ghij Herder Israels Wylt Hooren >>> https://www.youtube.com/watch?v=pu3RWt1KX0M
Anonymus: Godt die der goden Heer is sprechen sal >>> https://www.youtube.com/watch?v=SG_MGAVCjzA
Adriano Banchieri: Fantasia del Duodecimo ouero Sesto Tuono >>> https://www.youtube.com/watch?v=yg15fTdYxQA
Adriano Banchieri: Ricercata del secondo Tuono >>> https://www.youtube.com/watch?v=0_fORpFNtsc&t=9s
Adriano Banchieri: Seconda Canzone Italiana >>> https://www.youtube.com/watch?v=HsbOv6exxGI&t=9s
Adriano Banchieri: Sonata quarta Fuga cromatica >>> https://www.youtube.com/watch?v=DYgcN3MQtag
Josquin Desprez: Fuga in epidiapente >>> https://www.youtube.com/watch?v=l_kk8EeO-40
Hans Leo Hassler: Ihr Musici, frisch auf >>> https://www.youtube.com/watch?v=xJNOyWCVH8Y
Hans Leo Hassler: Nun hat ein endt mein Klagen >>> https://www.youtube.com/watch?v=6r0AcVOCsRA
Paul Hofhaimer: Die Brünnlein, die da fließen >>> https://www.youtube.com/watch?v=TRTss4HycXk&t=26s
Paul Hofhaimer: Ich reu und klag >>> https://www.youtube.com/watch?v=rvy0BOuxgMU&t=18s
Paul Hofhaimer: Tröstlicher Hort >>> https://www.youtube.com/watch?v=Ry0WcxWMmVc&t=2s
Johannes de Lublin: Alia ad unum Poznanie >>> https://www.youtube.com/watch?v=rnMn3_WFhuA
Johannes de Lublin: Bona Cat >>> https://www.youtube.com/watch?v=NuT_beo_xhI
Giovanni Pierluigi da Palestrina: Ricercar octavi toni >>> https://www.youtube.com/watch?v=TJXamSryH5s
Johann Baptist Serranus: Wenn wir in höchsten Nöten sind >>> https://www.youtube.com/watch?v=b9eo8c3HlE4